Archon
,
in
Athen
[* 2] nach dem
Untergange des alten Königtums der höchste Staatsbeamte. Nach dem
Tode des Königs Kodrus
(um 1008
v. Chr.) trat nach der gewöhnlichen Überlieferung ein verantwortlicher Archon
an die
Spitze des
Staates, der aus dem Geschlechte des Kodrus anfänglich nach dem
Rechte der Erstgeburt und auf Lebenszeit erwählt ward, aber
in seinen Regierungsmaßregeln an die Zustimmung des Familienrats gebunden war. Um 752
v. Chr. wurde die Lebenslänglichkeit
durch eine 10jährige Regierungszeit ersetzt, 714 der Zutritt zur Herrschaft allen Eupatriden eröffnet, 683 eine
einjährige
Dauer der Würde festgesetzt und ihre Macht unter neun Amtsgenossen, die nunmehr
Archonten hießen, verteilt.
Die
Reformen
Solons gestatteten 594 allen Athenern der obersten Steuerklasse den Zutritt zu dem höchsten Staatsamte, und
Aristides
eröffnete ihn endlich 477 allen athenischen
Bürgern ohne Unterschied des Vermögens. Wahrscheinlich seit 509
v. Chr. war
an die
Stelle der
Wahl das Los getreten, bis anscheinend seit der Römerherrschaft wieder die
Wahl das Los ersetzte. Der erste
der neun
Archonten hieß vorzugsweise der «Archon»
, mit dem
Beinamen Eponymos, weil nach seinem
Namen in allen öffentlichen
Urkunden das Jahr bezeichnet wurde. Er stand an der
Spitze des Gemeinwesens, führte den Vorsitz im
Rate
und den Gemeindeversammlungen, hatte ferner
die Leitung der Dionysosfeier und die Gerichtsbarkeit in das Familienrecht betreffenden
Prozessen.
Der zweite Archon
(Basileus), der
Titel und Schmuck des Königs fortführte, verwaltete vorzugsweise die religiösen Angelegenheiten
des
Volks, auch hatte er die
Anklage der Religionsfrevler und
Mörder zu bewirken. Der dritte Archon
(Polemarchos)
leitete das Kriegswesen (bis ihm seit der Zeit des
Kleisthenes zehn
Strategen zur Seite gestellt wurden). In späterer Zeit
hatte er namentlich die Leichenfeierlichkeiten zu Ehren der gefallenen
Krieger zu leiten und die Gerichtsbarkeit über Nichtbürger.
Die übrigen sechs Archonten hatten keine besondern Hoheitsrechte und wurden unter dem Namen der Thesmotheten zusammengefaßt. Sie bildeten gewissermaßen ein besonderes Kollegium; ihnen lag die Hut [* 3] der Gesetze und die Gerichtsbarkeit (d. h. in der Regel nur die Voruntersuchung und Leitung des Prozesses vor Gericht) in fast allen Prozessen ob, die nicht ausdrücklich andern Beamten zugeteilt waren. Außerdem hatten sie die Abstimmungen in den Volksversammlungen zu leiten, und die mit fremden Staaten geschlossenen Verträge zu vollziehen.
Bei den:
Austritt aus dem
Amte mußten die
Archonten Rechenschaft ablegen und wurden, wenn ihre Amtsführung tadellos gewesen,
Mitglieder des Areopags (s. d.). Seit der Römerherrschaft tritt ihre Bedeutung
merklich zurück hinter der des Stadthauptmanns oder ersten
Strategen. Dennoch stand auch noch, als
Griechenland
[* 4] seine polit. Selbständigkeit verloren hatte, die Archon
tenwürde in so hohem Ansehen, daß selbst röm.
Kaiser, wie Domitianus, Hadrianus,
Gallienus, sie sich übertragen ließen. Im Laufe des 5. Jahrh. n. Chr.,
nach
Theodosius II., verschwindet mit andern Eigentümlichkeiten der alten athenischen
Verfassung allmählich
auch das Archontat.
Im spätern byzant. Reiche und zur Zeit der fränk. Herrschaft in Griechenland sind «Archonten» die griech. großen Grundherren oder Barone.
Archon
war außerdem der
Titel der Vorsteher (d. h. des geschäftsführenden
Ausschusses) der
Gerusia der jüd. Gemeinde zu
Alexandria.
Auch bei den jüd. Gemeinden zu
Rom,
[* 5]
Antiochia,
Berenice in
Kyrenaika werden
Archonten erwähnt. Nach
Flavius
Josephus war Archon
Titel des Vorstehers des
Rates von
Tiberias. Am häufigsten bezeichnet bei ihm wie im
Neuen
Testament der
Titel
Archon
die Mitglieder des
Jerusalemer
Synedriums.
Bei den Gnostikern (s. Gnosis) wurden die der Welt entsprossenen
Äonen oft mit
dem
Namen
Archonten belegt. Die gnostische Sekte der Archon
tiker benannte die Herrscher der von ihr angenommenen
sieben Himmel
[* 6]
Archonten.