Titel
Archiv
(lat. archium, archivum
, aus dem griech.
archeion, Rathaus), eine geordnete Sammlung von schriftlichen
Urkunden, die sich auf die Verhältnisse, Geschichte und
Rechte
eines
Staates,
Landes, einer Gemeinde oder eines Geschlechts beziehen, oder auch von
Akten der
Behörden, die aus dem laufenden
Dienste
[* 2] derselben ausgeschieden sind. Man unterscheidet demnach Staatsarchive
, städtische Archiv, Familienarchive
u. s. w. Im Mittelalter empfanden zuerst die geistlichen
Stifter das Bedürfnis, ihre
Urkunden gesichert aufzubewahren.
Turin (Provinz) - Turi

* 3
Turin.
Das älteste Archiv
im heutigen
Sinne ist das päpstliche.
Schon unter
Karl d. Gr. ist das Bestehen eines Reichsarchivs
nachweisbar.
Erhalten hat sich ein großer
Teil des Archiv
Kaiser
Heinrichs VII. in
Turin
[* 3] und Pisa.
[* 4] Die der größten deutschen
Fürstenhäuser reichen selten über das 13. Jahrh. hinauf; nicht viel jünger sind die städtischen
Archiv.
Die reichsstädtischen Archiv zerfallen in gemeine Archiv, wie z. B.
zu
Ulm
[* 5] das der schwäb., zu
Speyer
[* 6] das der rhein.
Städte, zu Lübeck
[* 7] das der
Hansa, und in besondere städtische Archiv
, unter denen
die zu
Kempten
[* 8] und
Ulm bedeutend waren.
Alte und reiche Archiv
besaßen auch
Straßburg,
[* 9] Goslar,
[* 10]
Regensburg
[* 11] und
Frankfurt
[* 12] a. M. Überall
stehen die in engem Verhältnis
zu den Kanzleien, aus denen sie ihren
Inhalt überkommen; sie bedeuten für diese dasselbe, was die Registraturen für die
modernen
Behörden sind.
Schon im päpstlichen und später sehr häufig war es
Sitte, die von der Kanzlei
ausgefertigten und die wertvollern von den empfangenen
Urkunden in
Register- oder
Kopialbücher einzutragen, die jetzt neben
den erhaltenen Originalurkunden überall den ältesten
Bestandteil der Archiv
bilden.
Mit der Einführung des schriftlichen
Verfahrens in
Recht und
Verwaltung im 15. und 16. Jahrh. gesellen
sich dazu als dritter wichtiger
Bestandteil die eigentlichen
Akten. Reichsarchive
gab es seit dem 16. Jahrh. an vier Orten:
Wien

* 13
Wien.
1) das kaiserl. Reichsarchiv
(die
Geheime Reichshofregistratur und die Reichshofratsregistratur) zu
Wien,
[* 13] 2) das Reichskammergerichtsarchiv
in Wetzlar
[* 14] (der dort noch vorhandene Rest heißt seit 1881 «siebzehntes preuß.
Staatsarchiv»),
3) das Reichstagsarchiv zu Regensburg, 4) das Erzkanzlerische Reichsarchiv zu Mainz [* 15] (s. Reichsarchive).
Von Archiv außerhalb Deutschlands [* 16] ist insbesondere das in Venedig [* 17] berühmt durch die hier aufbewahrten Berichte der venet. Gesandten aus allen Staaten Europas. Große Schätze bergen ferner auch die Archiv zu Rom, [* 18] Florenz, [* 19] Paris, [* 20] London [* 21] (im Tower) und zu Simancas in Spanien. [* 22] - Die Verwaltung der Archiv besorgen die Archivare (lat. archivarius oder archivista). Zur Ausbildung derselben dienen zum Teil besondere Anstalten, wie die 1821 gestiftete Ecole des chartes zu Paris. In Preußen [* 23] wurde für die Archivaspiranten eine besondere Prüfung eingeführt.
Die Grundsätze über die zweckmäßigste Einrichtung, Anordnung, und Verwaltung der Archiv lehrt die Archivwissenschaft. Die Ordnung und Verzeichnung der Urkunden und Kopialbücher ist jetzt fast überall nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt oder begonnen und ihre Benutzung durch alphabetische und chronol. Register erleichtert. Der namentlich in den preußischen Archiv zur Anwendung gelangte Grundsatz der Provenienz führte dazu, in den Archiv jeder Provinz die Archivalien zu konzentrieren, die auf dem Boden derselben erwachsen sind, und ihre ursprüngliche Ordnung und Zusammengehörigkeit wieder herzustellen. Ein solches Archiv enthält demnach oft eine Mehrzahl kleinerer von Bistümern, Stiftern, Ämtern, Gerichten und Regierungsbehörden.
Der Bau von Archiv bedarf besonderer Vorsichtsmaßregeln, um die bewahrten Schätze gegen Feuer und Feuchtigkeit zu sichern. Man trennt jetzt in Archiv allgemein die Arbeitsräume von den Aktenspeichern, die ganz aus Stein und Eisen [* 24] hergestellt werden. Jedoch ist leichte Verbindung von jenen zu den einzelnen Aktenständen von großer Wichtigkeit. Das Archiv sollte stets freistehend, fern von gefahrdrohenden Feuerungsanlagen, [* 25] massiv und mit eisernen Läden verschließbar sein. Das Geh. Staatsarchiv zu Berlin, [* 26] das Archiv zu Schwerin, [* 27] das Hauptstaatsarchiv zu Dresden [* 28] sind neue mustergültige Anlagen.
Litteratur. Oegg, Ideen einer Theorie der Archivwissenschaften (Gotha [* 29] 1804);
Zeitschrift für Archiv- und Registraturwissenschaft von Oesterreicher und Döllinger (Jahrg. 1806, Bamberg); [* 30]
Bronner, Anleitung, und Registraturen einzurichten (Aarau [* 31] 1832);
Brand, Archivwissenschaft (Paderb. 1854);
Holtzinger, Katechismus der Registratur- und Archivkunde (Lpz. 1383);
Löher, Archivlehre (Paderb. 1890);
Archivar - Arcierenlei

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Seite 51.840.von Helfert, Staatliches Archivwesen (Wien 1893). ¶
mehr
Höfer, Erhard und von Medem begründeten eine Zeitschrift für Archivkunde, Diplomatik und Geschichte (2 Bde., Hamb. 1834-35), Friedemann eine Zeitschrift für die Archiv Deutschlands (2 Bde., Hamb. und Gotha 1846-53). Seit 1870 (Stuttgart, [* 33] später München) [* 34] erscheint die Archivalische Zeitschrift, hg. von Löher, seit 1890 von Rockinger.
Vgl. noch Burkhardts Hand- und Adreßbuch der deutschen Archiv (2 Tle., 2. Aufl., Lpz. 1887).