Archipelagus
(abgekürzt Archipel; zuerst im 13. Jahrh. in der italienischen Form Arcipelago
gebraucht), ein Inselmeer, eine inselreiche Meergegend oder die größern oder kleinern Inselgruppen selbst, welche sich
bald als losgetrennte Teile benachbarter
Kontinente, bald als selbständige
Bildungen darstellen. Zu den erstern, den kontinentalen
Archipelen, welche meist in der
Nähe stark gegliederter
Küsten liegen oder brückenartige, große Wasserbecken umschließende
Verbindungsglieder zwischen größern kontinentalen
Massen bilden, gehören der der Chiloeinseln, der Patagonische der
Arktische
Archipelagus
im äußersten
Norden
[* 2]
Amerikas u. a.; zu den pelagischen Archipelen, die am meisten im
Großen
Ozean vorkommen,
der
Lord Mulgraves-Archipelagus
, der Medañasarchipel (Markesasinseln), der Tonga- oder Freundschaftsarchipel, der Hawaiarchipel
(Sandwichinseln)
etc. Die wichtigsten Archipele sind aber der Westindische, der
Indische und besonders der
Griechische (s.
Karte
»Griechenland«),
[* 3]
welch letzterer vorzugsweise und von jeher Archipelagus
genannt wird. Derselbe begreift den zwischen
Thrakien,
Makedonien,
Thessalien,
Griechenland und
Kleinasien liegenden nordöstlichen Teil des
Mittelmeers,
[* 4] welcher im S. durch
die
Insel
Kreta gegen das inselfreie östliche
Becken jenes
Meers gleichsam einen dämmenden
Abschluß erhält. Die gesamten
Inseln
dieses Archipelagus
, welche sich deutlich als insulare Fortsetzungen der oft weit ins
Meer hinausspringenden
Gebirgsketten
Kleinasiens und der
Griechischen
Halbinsel zu erkennen geben, zerfallen in mehrere
Gruppen und
Reihen. Zu
Thrakien gehören die
südlich von der thrakischen
Küste liegenden
Inseln
Thasos,
Samothrake,
Imbros und das weiter ab liegende
Stalimene
(Limnos). An
sie schließen sich die
Inseln der kleinasiatischen
Küste an, unter denen
Tenedos,
Mytilene,
Chios,
Samos
und Rhodus die bedeutendsten sind.
Mit letztgenannter
Insel beginnt die Inselreihe, welche in einem weiten
Bogen
[* 5] den Archipelagus
gegen
S. hin abschließt und in der
Insel
Kreta, welche nach O. zu durch
Karpathos und
Kasos mit Rhodus, nach W. zu durch Cerigotto und
Cerigo mit
dem
Peloponnes im Zusammenhang steht, ihren
Mittelpunkt hat. Als
Gliederungen des
Festlandes von
Hellas sind das unmittelbar anliegende
Negroponte
(Euböa), die sogen. nördlichen
Sporaden und die
Gruppe von
Skyros sowie die zahlreichen
Cykladen, welche in zwei oder
drei nach SO. gerichteten Hauptzügen vom
Kap
Kolonnäs und von
Negroponte aus sich nach
Karpathos und
Kasos
hin erstrecken, zu betrachten.
Diese verschiedenen den Archipelagus
oder das
Ägeische Meer (ein
Name, dessen Deutung nicht feststeht) durchsetzenden Inselketten teilen
denselben in mehrere Teile. Der nördliche hieß bei den Alten
Thrakisches
Meer; der südöstliche Teil war das Ikarische,
der südwestliche zwischen den
Cykladen und dem
Peloponnes das Myrtoische und der zwischen den
Cykladen
und
Kreta das Kretische
Meer (die geologische
Beschreibung der
Inseln s. unter
Griechenland, das neue). Wie die
Inseln des
¶
mehr
Griechischen Archipelagus
hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit sowie der Tier- und Pflanzenwelt den Charakter der benachbarten Kontinente
tragen; so waren dieselben auch hinsichtlich ihrer Schicksale von Griechenland und Kleinasien abhängig. Vor Alexander d. Gr.
teils frei und eigne Staaten bildend, teils, vornehmlich seit den Perserkriegen, von Athen
[* 7] oder Sparta beherrscht, wurden sie
endlich mit allen diesen Ländern dem makedonischen Reich einverleibt, kamen dann zum Teil an Ägypten
[* 8] und
später mit Griechenland und den Staaten der Diadochen unter römische Herrschaft.
Erst Vespasian aber errichtete aus ihnen eine Provinz mit der Hauptstadt Rhodus. Nach der Teilung des römischen Reichs stand
der Archipelagus
unter byzantinischer Gewalt, nur 823-961 wurde er von den Sarazenen, die sich auf Kreta festgesetzt
hatten, beherrscht. Nachdem die fränkischen Kreuzfahrer Konstantinopel
[* 9] eingenommen, eroberte der Venezianer Marco Sanudo, vom
lateinischen Kaiser Heinrich I. dazu ermächtigt, 1207 die Inseln Naxos, Paros, Antiparos, Santorin, Anaphi, Argentiera, Milo, Siphno,
Polikandro u. a., machte sich zum unabhängigen Herrn derselben und nahm den Titel eines »Herzogs der Dodekanesos«
an. Seine Nachkommen herrschten als Herzöge von Naxos bis 1383, dann die Familie der Crispi über die meisten der genannten
Inseln, bis 1566 Sultan Selim II. den letzten Herzog, Jacopo Crispo, nachdem derselbe schon einige Jahre vorher sich als seinen
Vasallen bekannt, gefangen setzte und die Inseln dem Juden Don Joseph Nasi verlieh.
Bald darauf (1579) wurden sie dem osmanischen Reich einverleibt bis auf Kreta, das erst 1669 den Venezianern endgültig entrissen wurde, und blieben unter türkischer Herrschaft bis zur Stiftung des Königreichs Griechenland (1830), an das die Cykladen, die nördlichen Sporaden und Skyros abgetreten werden mußten, während die Inseln an der thrakischen wie an der kleinasiatischen Küste bei der Türkei [* 10] verblieben. Die große Mehrzahl der Bewohner aller dieser Inseln, mit Ausnahme der nördlichen Sporaden, wo es viele Albanesen gibt, besteht aus Griechen, bekannt als kühne Seefahrer.