Arbeitsschulen
,
Unterrichtsanstalten, in welchen den Schülern nicht sowohl bildende Kenntnisse als nützliche gewerbliche Fertigkeiten beigebracht werden. Schon im vorigen Jahrhundert brach sich vielfach die Überzeugung Bahn, daß beide Arten des Unterrichts in der Volksschule zu verbinden seien, da diese vorwiegend die Jugend der arbeitenden Klassen vorzubilden habe, für deren glückliches Fortkommen neben einem bescheidenen Maß geistiger Bildung ganz besonders die Geschicklichkeit der Hände von Bedeutung zu sein schien. An vielen Orten suchte man auch durch die Handarbeiten den Schülern einen kleinen Verdienst zu sichern, um so den Schulbesuch zu befördern und ärmere Eltern für den Ausfall an häuslicher Arbeit zu entschädigen.
Nach dem Vorgang Arbeitsschulen
H.
Franckes in
Halle
[* 2] und
Heckers in
Berlin
[* 3] und im Anschluß an
Locke und
Rousseau nahmen die sogen.
Philanthropen
auch für die Zöglinge aus höhern
Ständen, als Gegengewicht gegen die einseitige
Ausbildung des
Geistes,
Handwerksübungen in ihren
Lehrplan auf. So schien es um 1800, als würde sich die
Verbindung der
Arbeits- oder
Industrieschule
mit der Lernschule allgemein einbürgern.
Herzog
Peter von
Holstein-Oldenburg ordnete dieselbe für seine holsteinischen Besitzungen
an (1796), und König
Friedrich
Wilhelm III. von
Preußen
[* 4] empfahl sie 1799 in einer auf die
Reform der
Volksschule
bezüglichen Kabinettsorder.
Indes ist in Deutschland [* 5] nur der Unterricht der Mädchen in weiblichen Arbeiten wirklich allgemein eingebürgert oder wenigstens allgemein vorgeschrieben; die Anleitung der Knaben zu Handfertigkeiten findet sich meist nur in Internaten, wie Waisen-, Rettungshäusern, Blinden-, Taubstummenanstalten etc. Seit einigen Jahren ist im skandinavischen Norden, [* 6] zuerst in Finnland und dann mit größerm Erfolg in Schweden, [* 7] die Sache des Arbeitsunterrichts in Verbindung mit den Bestrebungen zur Hebung [* 8] des Haus- und Handfleißes, namentlich der ländlichen Bevölkerung [* 9] (Handslöjd, Hemslöjd), neu angeregt worden.
Ein königlicher Erlaß vom empfahl allen schwedischen Schulbehörden die Einführung des Slöjdunterrichts und stellte staatliche Beihilfe für dieselbe in Aussicht; an den Seminaren zu Karlstad und Kalmar wurde derselbe ebenfalls in den Lehrplan aufgenommen, und der reiche Menschenfreund Abrahamson in Nääs bei Gotenburg errichtete ein eignes Slöjdseminar. Schon vorher war die Bewegung, freilich mit minder durchgreifendem Erfolg, durch den Rittmeister v. Clauson-Kaas (s. d.) nach Dänemark [* 10] übertragen und hatte durch dessen Reisevorträge und Ausstellungen auch im übrigen Europa, [* 11] namentlich in Deutschland, Aufmerksamkeit erregt.
Verschiedene Vereine für das Wohl der arbeitenden Klassen (Berlin, Waldenburg [* 12] i. Schl., Leipzig, [* 13] Görlitz, [* 14] Osnabrück [* 15] etc.) nahmen die Sache in die Hand, [* 16] bei Bekämpfung des Notstandes in Oberschlesien 1879-80 trat ihr auch die preußische Regierung näher und sandte 1880 eine Kommission von Schulmännern nach Dänemark und Schweden, um die dortigen Erfolge zu prüfen. Doch hat der Staat eine allgemeinere Einführung abgelehnt und die Sache der Vereinsthätigkeit anheimgestellt, welche an mehreren Stellen durch namhafte staatliche Zuschüsse unterstützt wird.
Ein allgemeiner deutscher
Verein zur Beförderung des
Handfertigkeitsunterrichts wurde 1881 unter Vorsitz von Arbeitsschulen
Lammers in
Bremen
[* 17] begründet. Derselbe hielt seine vierte Jahresversammlung 1884 in
Osnabrück, wo von verschiedenen Seiten über erfreulichen
Fortgang der
Sache berichtet werden konnte.
Vgl.
Clauson-Kaas, Die Arbeitsschule
neben der Lernschule (im »Arbeiterfreund«,
Berl. 1876, Heft 2 u. 3);
Wilski, Denkschrift über den dänischen Hausfleiß (das. 1877, Heft 6);
Hansen, Der Hausfleiß im Norden (das. 1878, Heft 2);
Salomon, Arbeitsschule
und
Volksschule
(a. d.
Schwed., Wittenb. 1881);
J. ^[Johannes] Meyer, Der Handfertigkeitsunterricht und die Schule (Berl. 1881);
Götze, Ergänzung des Schulunterrichts durch praktische Beschäftigung (Leipz. 1880).