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. In
Deutschland
[* 3] kann den Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten gestattet werden (Gesetz vom §. 129,
Abs. 2), ein Viertel (nach der im Aug. 1896 veröffentlichten Novelle zum Gesetz vom die Hälfte) ihres Vermögens
in Grundstücken oder auch in andern als mündelsichern Papieren anzulegen. Sie sind dadurch in die
Lage
versetzt,
Bau und
Verwaltung von in die
Hand
[* 4] zu nehmen oder unter Einhaltung angemessener Beleihungsgrenzen Darlehen für Arbeiterwo
hnungen zu
gewähren.Hauptsächlich mit Hilfe dieser Darlehen zu billigem Zinsfuß bauen Arbeiterwo
hnungen neuerdings vorzugsweise
die als Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht zuerst in Hannover,
[* 5] dann in Göttingen,
[* 6]
Berlin,
[* 7] Hamburg,
[* 8] Harburg
[* 9] und
Altona
[* 10] begründeten Spar- und Bauvereine, deren weitere schon in
Stettin,
[* 11] Danzig,Posen,
Breslau,
[* 12]
Görlitz,
[* 13] Magdeburg,
[* 14]
Braunschweig
[* 15] entstanden sind.
Dadurch, daß diese
Vereine sich dazu eignen, die von ihnen errichteten Häuser in dauerndem Eigentum der Genossenschaft zu
erhalten und die Wohnungen ihren Genossen unter
Bedingungen zu vermieten, die beinahe ein Besitzrecht
verleihen, ist es möglich geworden, auch im Innern der
Städte billige Arbeiterwo
hnungen zu erbauen. In Hannover waren bis Ende 1895 schon 45 Häuser
mit 368 Wohnungen errichtet, die zum kleinern
Teile entweder aus 1
Stube und 1 Kammer für 120 bis 155 M. jährliche Miete
oder aus 2
Stuben und 2 Kammern für 240 bis 260 M. jährliche Miete, zum weitaus größern
Teile aber
aus 1
Stube und 2 Kammern für 160 bis 260 M. jährliche Miete bestehen. Zu jeder Wohnung gehört durchweg noch 1 Küche und
das sog. Zubehör.
Die Einlagen der Genossen verzinsen sich dabei zu 4 Proz. In Berlin ist ein Grundstück von 18 m Breite [* 16] und 80 in Tiefe nur zur Hälfte (also um ein Sechstel weniger, als die Baupolizei gestattet) bebaut worden und zwar mit Wohnungen von Stube, Kammer, Küche und Zubehör zu 240 bis 300 M. und solchen von Stube, Küche und Zubehör zu 180 bis 240 M. Unter Zubehör wird hier Speisekammer, Abort, Keller- und Bodenverschlag verstanden. Der Spar- und Bauverein zu Hamburg hat schon 40 Häuser errichtet, deren Vorderwohnungen mit je 3 Stuben, Küche, Speisekammer, Abort, Vorplatz und Balkon zu 240 bis 300 M. und deren Hinterwohnungen, die eine Stube weniger enthalten, zu 190 bis 235 M. vermietet werden. 1 qm Grundfläche eines Vorderhauses, aus Keller, Erdgeschoß und 3 Obergeschossen oder aus Erdgeschoß und 4 Obergeschossen bestehend, hat 228 M. Baukosten, 1 qm Grundfläche eines Hinterhauses, aus Erdgeschoß und 2 Obergeschossen bestehend, hat 138 M. Baukosten erfordert, d. h. für 1 cbm Baukörper 15,10 M. Bei einem Herstellungspreise von 78,60 M. und einem Mietpreise von 5 M. für 1 qm Wohnungsgrundfläche ergiebt sich eine Verzinsung des Anlagekapitals zu 6 ½ Proz., wovon auf Tilgung, Verwaltung und Unterhaltung 2 Proz. entfallen.
Ähnliche Erfolge sind in Altona erzielt worden in drei viergeschossigen Häusern mit je 24 Wohnungen, die teils 2, teils 3 Stuben nebst Küche, Keller- und Bodenraum umfassen und zu 195 und 210 M. Miete abgegeben werden. Für 1 qm Wohnungsgrundfläche betragen hier die Baukosten 57,50 M. und der Mietpreis 4,26 M.; das Anlagekapital wird zu 5,3 Proz. verzinst. Die Form der Genossenschaft bewährt sich aber auch für die Herstellung von Häusern, die in das Eigentum der Genossen übergehen sollen.
Der Kredit-, Konsum- und Bauverein zu Harburg baut Doppelhäuser mit je einer Wohnung für 11000 M. und stellt den Mietpreis so, daß das Anlagekapital mit 6 Proz. verzinst wird. Allerdings legt in diesem Falle die Stadtgemeinde die Straße mit Gas- und Wasserleitung [* 17] auf eigene Kosten an und stundet die Pflasterkosten der Baugenossenschaft 10-15 Jahre. Den Spar- und Bauverein zu Wilhelmsburg hat die Erfahrung dazu gebracht, nur noch kleine Einzelhäuser zu bauen, welche Stube, Kammer, Küche im Erdgeschoß sowie Dachkammer und Keller enthalten und mit Garten [* 18] verbunden sind.
Diese Häuser können sowohl gemietet als auch erworben werden. Die Baukosten betragen bei einfachster Ausstattung 58-62 M., bei Einführung der Wasserleitung und Einbauung eines Windfangs 62-68 M. für 1 qm Hausgrundfläche. Bei einem Mietpreise von 228 und 261 bis 300 M. ergiebt sich dann eine Verzinsung des Anlagekapitals zu 6 Proz. Wie stark die örtlichen Verhältnisse die Frage beeinflussen, wie groß ein zur Erwerbung geeignetes Haus sein darf, läßt die Kolonie Ostheim bei Stuttgart [* 19] erkennen.
Der Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen hat dort Dreifamilienhäuser erbaut, von denen die kleinern gegen Ratenzahlungen in den Besitz der Bewohner übergehen können. Es verbleiben dann dem Besitzer immer zwei Wohnungen zum Vermieten. Ob das gerade für Arbeiter empfehlenswert ist, dürfte sonst in Deutschland meistens verneint werden. Um die Kolonie ihrem ursprünglichen Zwecke möglichst zu erhalten, wird der Besitzwechsel der Grundstücke durch Vorbehalt eines Rückkaufrechtes erschwert und die Erhöhung der Häuser sowie die Überbauung der Gärten von der Genehmigung des Vereins abhängig gemacht. 22 Proz. der Koloniebevölkerung gehören aber jetzt schon andern socialen Schichten an. Im übrigen zeigt sich auch hier wieder, daß mit der Errichtung von Häusern, die vom Arbeiter eigentümlich erworben werden sollen, vor die Stadt gegangen werden muß; innerhalb der Stadt kann es sich fast immer nur um die Errichtung von Mietshäusern handeln.
Aber auch vor der Stadt werden niemals Mietswohnungen zu entbehren sein. Für die industriellen Arbeiter auf dem Lande liegt die Sache, im Falle nicht der Brotherr für Wohnungen sorgt, wie in den Vorstädten, nur pflegt der Drang nach einem eigenen Hause größer zu sein. Für die in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter sucht jetzt die deutsche Landwirtschaftsgesellschaft bessere Wohnungsbedingungen durch die Empfehlung von in Wettbewerben gewonnenen Bauplänen zu schaffen.
Die Erbauung von Arbeiterwo
hnungen wird besonders von den Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten Hannover,
Schlesien,
[* 20]
Brandenburg,
[* 21]
Sachsen-Anhalt, Königreich
Sachsen,
[* 22] Großherzogtum Hessen,
[* 23]
Baden,
[* 24]
Braunschweig und
Württemberg
[* 25] unterstützt, und bis zum Ende des J. 1894 waren von ihnen schon 5741125 M. gewährt und weitere Beträge
in Bereitschaft gestellt. Für
Baugenossenschaften, die sich ausschließlich oder doch vorwiegend aus
Beamten und
Arbeitern
der preuß. Staatseisenbahnen zusammensetzen, giebt die Eisenbahnpensionskasse Darlehen
zu denselben
Bedingungen. Wie in Harburg, kommen dazu noch zuweilen
Beihilfen seitens der Stadtgemeinden, so in
Danzig,
[* 26]
Elberfeld,
[* 27] Essen,
[* 28]
Frankfurt
[* 29] a. M., Freiburg
[* 30] i. Br.,
Hamburg u. s. w. durch Überlassung von
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billigen Baustellen oder Darleihung von billigen Baugeldern. Stadtgemeinden haben auch in Konstanz
[* 32] und Ulm
[* 33] selber billige
Wohnungen erbaut und in Lahr
[* 34] und Offenburg
[* 35] i. B. den Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten
gegenüber eine ähnliche Vermittlerrolle eingenommen, wie sie der kommunale Kreisverband von Merzig in der Rheinprovinz
[* 36] mit
Glück durchgeführt hat. Dieser baut, nachdem er einen Grundstock, der zur Erbauung von Arbeiterwo
hnungen auf dem
armen Hunsrück von einem Wohlthäter gestiftet war, durch ein mit 3 ½ Proz. zu verzinsendes
und mit 2 ½ Proz. zu tilgendes Baukapital ergänzt hatte, auf Antrag einzelne Häuschen, die ins Eigentum der Antragsteller
übergehen, und erhält für seine Baukostenforderung eine erste Hypothek auf Grundstück und Haus.
Bis Ende 1895 waren 38 Neu- und Umbauten von Arbeiterwo
hnungen ausgeführt, deren geringste Baukosten sich auf rund 1700 M. belaufen haben.
Von dem im Kreise
[* 37] angesessenen Großindustriellen von Boch zu Mettlach wurden Wohnhäuser
[* 38] errichtet, deren kleinste mit einem
Wohnraum, Küche und Keller sogar nur 1000 bis 1400 M. gekostet haben. Nach einer andern Richtung hin können
jedoch mehr oder minder alle Städte die Erbauung von Arbeiterwohnungen
fördern, nachdem der Zusammenhang zwischen der Wohnungsfrage und
dem Bebauungsplan klar erkannt ist. (Vgl. hierüber die Verhandlungen des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege,
die 1894 zu Magdeburg stattgefunden haben.) Es kommt darauf an, für Häuser mit kleinen Wohnungen geeignete
Bauplätze zu schaffen, die zur Vermeidung von Hinterwohnungen nicht zu tief sein dürfen.
Ein braunschweigisches Gesetz vom regelt die Unterbringung von Arbeitern in sog. Arbeiterkasernen vom Standpunkte der Anforderungen öffentlicher Gesundheit und Sittlichkeit. Der preußische Staat hat 1895 zur Erbauung von Wohnungen für Arbeiter in staatlichen Betrieben und gering besoldete Staatsbeamte, wie zu Baudarlehen für diesen Zweck 5 Mill. M. zur Verfügung gestellt. Auf dem in Deutschland meist festgehaltenen Grundsatze der Selbsthilfe beruhen auch die TTTTT in Nordamerika, [* 39] deren es nach dem neuesten Bericht 5838 mit über300 Mill. Doll. Kapital giebt und die ihren Mitgliedern den Erwerb von Eigenhäusern ermöglichen.
Dem gegenüber sucht man in Österreich
[* 40] durch ein Gesetz vom den Bau von gesunden und billigen Arbeiterwohnungen
durch besondere
Steuerfreiheiten zu fördern. Neue Arbeiterwohnungen
sollen nach Vollendung 24 Jahre lang frei sein von Hauszinssteuer,
von der 5prozentigen Einkommensteuer, die sonst Neubauten zu entrichten haben, und steuerfrei bezüglich der auf den betreffenden
Gebäuden lastenden Schulden. Erbauer müssen sein Gemeinden, gemeinnützige Vereine und Anstalten, Arbeitergenossenschaften
mit der Beschränkung auf ihre Mitglieder, Arbeitgeber, die für ihre Arbeiter Arbeiterwohnungen
einrichten.
Die Arbeiterwohnungen
dürfen nicht, auch nicht bezüglich des Fußbodens, unter dem Straßenniveau
liegen und müssen eine bestimmte Minimal- und Maximalgröße einhalten, ferner zu einem gesetzlich begrenzten Mietpreis
(je nach der Einwohnerzahl im Orte 0,80 bis 1,75 Fl. für den Kubikmeter) abgegeben werden. Die Geltung des neuen Gesetzes
in den einzelnen Kronländern ist davon abhängig, daß dort den Arbeiterwohnungen
für die Zeit
ihrer staatlichen Steuerfreiheit Befreiung von Landes- und Bezirkszuschlägen und Ermäßigung der Gemeindezuschläge zu den
Staatssteuern, von welchen die
Arbeiterwohnungen
befreit sind, gewährt werden.
Gerade diese Zuschläge verhinderten bisher die Erbauung von Arbeiterwohnungen.
Das niederösterr. Gesetz vom ist
in der Steuerfreiheit über die Anforderungen des staatlichen Gesetzes sogar noch hinausgegangen. In Frankreich
gewährt der Staat nach dem Gesetze vom (Loi relative aux habitations ouvrières) an Gesellschaften, die den Bau
kleiner Wohnungen betreiben, die Zuwendung billiger Baugelder, die Befreiung von allen Gebühren und der Einkommensteuer,
und, falls das Kapital eines Gesellschafters unter 2000 Frs. bleibt, auch diesem Befreiung von der Einkommensteuer,
ferner Stempelfreiheit und unentgeltliche Ausfertigung der Urkunden, ratenweise Abzahlung der Umsatzsteuer, endlich fünfjährige
Steuerfreiheit für jedes von einer derartigen Gesellschaft erbaute Haus, wenn der Nutzungs- oder Mietwert gewisse Grenzen,
[* 41] die nach der Einwohnerzahl der Gemeinden festgesetzt sind, nicht überschreitet.
Zur Überwachung der Gesellschaften ist ein besonderer Conseil supérieur eingesetzt. In England ist den größern Gemeinden
ein Enteignungsrecht für ungesunde Wohnungen gegen die Verpflichtung, den frei gewordenen Raum ganz oder teilweise zu Arbeiterwohnungen
zu
benutzen, eingeräumt (Torrens Act von 1868 mit Novellen von 1879, 1882 und 1885; Cross Act von 1875, 1879,
1885). Allein die Gemeinden machen von dem Recht kaum Gebrauch, teils weil in den Gemeindebehörden meist die Interessen der
Hausbesitzer vertreten sind, teils weil die Durchführung der Enteignungen und Neubauten die Steuerzahler oft zu stark belasten
würde.
Dagegen wird von der gesetzlichen Bestimmung (Gesetz von 1866) viel Gebrauch gemacht, daß für Arbeiterwohnungen
an
Behörden, Gesellschaften und Private Darlehen aus öffentlichen (staatlichen) Mitteln bei einer Rückzahlungsfrist von 40 Jahren
zu 4 Proz. (bei kürzern Fristen seit neuerer Zeit 3 1/8 Proz.) gewährt
werden. Ein neues Baugenossenschaftsgesetz hat 1894 eine Wendung zum Bessern herbeigeführt. Die Baugenossenschaften bezwecken,
Arbeiter zu Ersparnissen anzuregen und Vorschüsse für sie auszuwirken, mittels deren sie Eigentümer
ihrer Bebauungen werden können.
Jedoch waren dieselben unter der bisherigen Gesetzgebung so schlecht beaufsichtigt, daß mehrere fallieren konnten, wodurch viele Arbeiter ihrer jahrelangen Ersparnisse verlustig gingen. In Zukunft hat jede unter die neue Akte fallende Genossenschaft in ihrem Jahresabschluß anzugeben, welche Beträge auf Hypotheken ausstehen, und muß der Registerführer auf Ersuchen von 10 Mitgliedern einer solchen Genossenschaft einen Bücherrevisor oder Versicherungstechniker mit der Revision der Bücher und der Berichterstattung über das Ergebnis der Revision beauftragen. In London [* 42] speciell hat eine neue Bauordnung einen wesentlichen Fortschritt für gesundheitlicheres und menschenwürdigeres Bauen, insbesondere der großen Wohnkasernen, die dem Arbeiter Unterkunft bieten, bewirkt. Einem eigentümlichen Gedanken huldigt man in Petersburg. [* 43] Dort hat nämlich die Stadtärztin, eine Frau D. Pokrowskaja, in einer Sitzung des Vereins für Volksgesundheitspflege nachgewiesen, unter welchen ungünstigen hygieinischen Bedingungen die Arbeiter, deren Zahl stark in die Höhe geht, wohnen. Dem abzuhelfen, will man Häuser errichten, wo die einzelnen Wohnungen nach bestimmter Zeit Eigentum der Mieter werden, und somit ¶