Titel
Arbeiterve
rsicherung
(Gesetz vom betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung). In der kaiserlichen Botschaft vom 17. Nov.1881 war auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, auch denjenigen, welche durch Alter und Invalidität erwerbsunfähig geworden seien, ein höheres Maß staatlicher Fürsorge zu teil werden zu lassen. Nachdem inzwischen die Krankenversicherung (s.Krankenkassen, Bd. 10) und die Unfallversicherung (s. d., Bd. 15) gesetzlich geregelt worden war, wurden von der Reichsregierung »Grundzüge« zu einer Alters- und Invalidenversicherung für die deutschen Arbeiter zu dem Zweck veröffentlicht, eine Besprechung derselben in den weitesten Kreisen zu veranlassen.Die Versicherung sollte eine zwangsweise sein, die zu gewährenden Renten waren einheitlich für ganz Deutschland [* 2] und alle Arbeiter bemessen, die Kosten sollten je zu einem Drittel vom Arbeiter, vom Arbeitgeber und vom Reiche gedeckt werden.
Die Verwaltung war den für die Unfallversicherung gebildeten Berufsgenossenschaften als »Trägern der Versicherung« zugedacht. Für jede Berufsgenossenschaft sollte eine besondere Versicherungsanstalt mit Vertrauensmännern eingerichtet werden. Für diejenigen Arbeiter, welche einer solchen Genossenschaft nicht angehörten, sollten an deren Stelle die weitern Komunmalverbände treten. Die Grundzüge begegneten einem lebhaften Widerspruch. Die Notwendigkeit einer Versicherung wurde zwar allgemein zugegeben, bekämpft dagegen wurden vornehmlich die Gewährung eines Reichszuschusses, die Übertragung der Versicherung an die Berufsgenossenschaften und die Art der Rentenbemessung.
Statt der Einheitsrente wurde »Individualisierung« verlangt, d. h. die Rente sollte sich mehr dem seither bezogenen Lohn der einzelnen Arbeiter anschmiegen. Die einen schlugen zu dem Ende die Bildung von Ortsklassen vor, indem die Rente mit gewissen Abstufungen nach dem Orte der Arbeit verschieden bemessen werden sollte, die andern empfahlen dagegen, Lohnklassen der Versicherung zu Grunde zu legen, welchen die einzelnen Arbeiter, ganz unabhängig von dem Ort, wo sie arbeiteten, nach der Höhe ihres wirklichen Verdienstes einzureihen seien.
Statt der Berufsgenossenschaften wurden von mehreren Seiten örtlich abzugrenzende Anstalten in Vorschlag gebracht, welche alle in ihrem Gebiet beschäftigten versicherungspflichtigen Arbeiter umfassen sollten. Gegen die Genossenschaften wurde insbesondere geltend gemacht, daß dieselben keine feststehenden Einrichtungen, vielmehr je nach Änderungen der Industrie dem Wandel unterworfen seien, dann daß dieselben, weil über große Bezirke, zum Teil über ganz Deutschland verbreitet, mit zu großen Kosten arbeiteten, indem auf einem und demselben Gebiet verschiedene Verwaltungen für den gleichen Zweck wirkten.
Dazu kamen noch politische Gründe, welche allerdings nicht immer offen vorgetragen wurden. Der Reichszuschuß war mit dem Hinweis auf die durch die Versicherung herbeigeführte Entlastung der Armenpflege sowie darauf begründet worden, daß eine Versorgung vieler Arbeiter schon in kürzerer Frist nötig werde, ohne daß für dieselben seither Beiträge gezahlt worden seien oder fortan die versicherungstechnisch nötigen Beiträge entrichtet werden könnten. Die Gegner des Reichszuschusses stützten ihre Anschauungen teils auf Gründe der Politik und der Finanzverwaltung, teils auf solche allgemein volkswirtschaftlicher Natur.
Man befürchtete, es möchten immer weiter gehende Anforderungen an die Hilfe des Reichs gestellt und insbesondere mit der noch einzuführenden Witwen- und Waisenversicherung die Last für das Reich zu groß werden. Dann verlangte man, es sollten die Kosten der einzelnen Wirtschaftszweige von diesen selbst, bez. von den Warenkäufern getragen, nicht aber auf andre Schultern übergewälzt werden. Hierauf wurde im Juni 1888 von der Reichsregierung ein Gesetzentwurf veröffentlicht, in welchem von den Berufsgenossenschaften Abstand genommen und für Bemessung der Rente die Bildung von Ortsklassen und die Abstufung nach solchen vorgeschlagen worden war. Im wesentlichen an den gleichen Grundgedanken wie dieser Entwurf hielt derjenige fest, welcher im November 1888 dem Reichstag vorgelegt wurde.
Nach eingehenden Beratungen in Kommission und Plenum und nach einer Reihe von Abänderungen, welche im wesentlichen sich auf Rentenhöhe, Wartezeit und Bemessung des Reichszuschusses bezogen, wurde der Entwurf mit einer allerdings nur geringen Majorität angenommen und als Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung, veröffentlicht.
I. Umfang und Gegenstand der Versicherung. Der Versicherungspflicht sind unterworfen vom vollendeten 16. Lebensjahr ab: 1) Personen, welche als Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge oder Dienstboten gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt werden;
2) Betriebsbeamte sowie Handlungsgehilfen und -Lehrlinge (ausschließlich der in Apotheken beschäftigten Gehilfen und Lehrlinge), welche Lohn oder Gehalt beziehen, deren regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt aber 2000 Mk. nicht übersteigt, sowie 3) die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen der Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge und von Fahrzeugen der Binnenschifffahrt. Durch Beschluß des Bundesrats kann die Versicherungspflicht auch auf Betriebsunternehmer, die nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigen, sowie auf solche selbständige Gewerbtreibende erstreckt werden, welche in eignen Betriebsstätten im Auftrag und für Rechnung andrer Gewerbtreibender mit der Herstellung oder Bearbeitung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt werden (Hausgewerbtreibende). Die genannten Betriebsunternehmer sind, wenn kein für sie bindender Beschluß gefaßt wird, zur freiwilligen Selbstversicherung berechtigt. Der Versicherungspflicht sind nicht unterworfen solche Personen, welchen als Entgelt für ihre ¶
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Beschäftigung nur freier Unterhalt gewährt wird, ferner Beamte des Reichs und der Bundesstaaten, die mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten von Kommunalverbänden sowie Personen des Soldatenstandes, welche dienstlich als Arbeiter beschäftigt sind, endlich solche Personen, welche nicht mehr im stande sind, ein Drittel des nach Maßgabe des Krankenversicherungsgesetzes festgesetzten Tagelohns zu verdienen, oder welche auf Grund des neuen Gesetzes eine Invalidenrente beziehen. Andre in Betrieben des Reichs, eines Bundesstaats oder eines Kommunalverbandes beschäftigte Personen genügen der gesetzlichen Versicherungspflicht durch Beteiligung an einer für den betreffenden Betrieb bestehenden oder zu errichtenden besondern Kasseneinrichtung, durch welche ihnen eine den reichsgesetzlich vorgesehenen Leistungen gleichwertige Fürsorge gesichert ist.
Der Bundesrat kann bestimmen, ob und inwieweit durch Beteiligung an andern Kasseneinrichtungen, welche die Fürsorge für den Fall der Invalidität oder des Alters zum Gegenstand haben, der Versicherungspflicht genügt wird. Gegenstand der Versicherung ist der Anspruch auf Gewährung einer Invaliden-, bez. Altersrente. Invalidenrente erhält ohne Rücksicht auf das Lebensalter derjenige Versicherte, welcher dauernd erwerbsunfähig ist. Erwerbsunfähigkeit ist dann anzunehmen, wenn der Versicherte infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr im stande ist, durch eine seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechende Lohnarbeit mindestens einen Betrag zu verdienen, welcher gleichkommt der Summe eines Sechstels des Durchschnitts der Lohnsätze, nach welchen für ihn während der letzten fünf Beitragsjahre Beiträge entrichtet worden sind, und eines Sechstels des 300fachen Betrags des nach dem Krankenversicherungsgesetz festgesetzten ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagearbeiter des letzten Beschäftigungsorts, in welchem er nicht lediglich vorübergehend beschäftigt gewesen ist. Altersrente erhält, ohne daß es des Nachweises der Erwerbsunfähigkeit bedarf, derjenige Versicherte, welcher das 70. Lebensjahr vollendet hat. Dagegen steht ein Anspruch auf Invalidenrente denjenigen Versicherten nicht zu, welche erweislich die Erwerbsunfähigkeit sich vorsätzlich oder bei Begehung eines durch strafgerichtliches Urteil festgestellten Verbrechens zugezogen haben.
In Gemeinden, in welchen land- und forstwirtschaftliche Arbeiter nach Herkommen ihren Lohn ganz oder zum Teil in Naturalleistungen erhalten, kann auch die Rente bis zu zwei Dritteln in dieser Form gewährt werden. Solchen Personen, welchen wegen gewohnheitsmäßiger Trunksucht geistige Getränke in öffentlichen Schankstätten nicht verabfolgt werden dürfen, ist die Rente ihrem vollen Betrag nach in Naturalleistungen zu gewähren. Ist der Berechtigte ein Ausländer, so kann er, falls er seinen Wohnsitz im Deutschen Reich aufgibt, mit dem dreifachen Betrag der Jahresrente abgefunden werden.
Zur Erlangung eines Anspruchs auf Invaliden- oder Altersrente ist, außer dem Nachweis der Erwerbsunfähigkeit, bez. des gesetzlich vorgesehenen Alters, erforderlich:
1) die Zurücklegung der vorgeschriebenen Wartezeit;
2) die Leistung von Beiträgen. Die Wartezeit beträgt:
1) bei der Invalidenrente 5 Beitragsjahre;
2) bei der Altersrente 30 Beitragsjahre. Diese Wartezeiten sind geringer bemessen für Versicherte, welche während der ersten 5 Kalenderjahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erwerbsunfähig werden, sowie für Versicherte, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes das 40. Lebensjahr vollendet haben. Die Mittel zur Gewährung der Renten werden vom Reich in Form eines Zuschusses von 50 Mk. für jede Rente jährlich, dann von den Arbeitgebern und von den Versicherten durch laufende Beiträge zu je gleichen Teilen aufgebracht.
Die Höhe dieser Beiträge ist so zu bemessen, daß durch dieselben gedeckt werden die Verwaltungskosten, die Rücklagen zur Bildung eines Reservefonds, die durch Erstattung von Beiträgen voraussichtlich entstehenden Aufwendungen sowie der Kapitalwert der von der Versicherungsanstalt aufzubringenden Anteile an denjenigen Renten, welche in dem betreffenden Zeitraum voraussichtlich zu bewilligen sein werden. Zum Zweck der Bemessung der Beiträge und Renten werden nach der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes folgende Klassen (Lohnklassen) der Versicherten gebildet:
Klasse I | bis zu 350 Mk. einschließlich, |
" II | von mehr als 350 bis 550 Mk., |
" III | von mehr als 550 bis 850 Mk., |
" IV | von mehr als 850 Mk. |
Die Renten werden für Kalenderjahre berechnet und in monatlichen Teilbeträgen im voraus gezahlt.
Bei Berechnung des von der Versicherungsanstalt aufzubringenden Teils der Invalidenrente wird ein Betrag von 60 Mk. zu Grunde gelegt. Derselbe steigt mit jeder vollendeten Beitragswoche
in der Lohnklasse I | um 2 Pfennig, |
" " " II | " 6 " |
" " " III | " 9 " |
" " " IV | " 13 " |
Der von der Anstalt aufzubringende Teil der Altersrente beträgt für jede Beitragswoche
in der Lohnklasse I | 4 Pfennig, |
" " " II | 6 " |
" " " III | 8 " |
" " " IV | 10 " |
Dabei werden 1410 Beitragswochen in Anrechnung gebracht. Die höchste Altersrente würde sich demnach stellen auf 1410 x 0,10= 141 Mk. nebst 50 Mk. Reichszuschuß, zusammen 191 Mk. Ein Arbeiter der vierten Lohnklasse, welcher nach 1410 Beitragswochen invalid wird, erhält 60 + 0,13 x 1410 + 50 = 293,30 Mk. Weibliche Personen, welche sich verheiraten, ehe sie in den Genuß einer Rente gelangten, können die Hälfte der für sie geleisteten Beiträge zurückverlangen, sofern letztere wenigstens 5 Jahre lang entrichtet wurden.
Einen gleichen Anspruch haben Witwen und Waisen männlicher Personen, welche, nachdem sie wenigstens 5 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, sterben, ehe sie eine Rente erhielten. Die Anwartschaft der Versicherten erlischt, wenn während 4 aufeinander folgender Jahre für weniger als insgesamt 47 Wochen Beiträge entrichtet worden sind. Doch lebt dieselbe durch Wiedereintritt in eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder durch freiwillige Beitragsleistung wieder auf.
II. Organisation. Die Invaliditäts-und Altersversicherung erfolgt durch Versicherungsanstalten, welche nach Bestimmung der Landesregierungen für weitere Kommunalverbände ihres Gebiets oder für das Gebiet des Bundesstaats errichtet werden. In der Versicherungsanstalt sind alle diejenigen Personen versichert, deren Beschäftigungsort im Bezirk der Versicherungsanstalt liegt. Die Versicherungsanstalt wird durch einen Vorstand verwaltet, soweit nicht einzelne Angelegenheiten durch Gesetz oder Statut dem Ausschuß oder andern Organen übertragen sind. Für jede Anstalt wird ein ¶
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Ausschuß gebildet, welcher aus einer gleichen Anzahl (mindestens 5) Vertretern der Arbeitgeber und der Versicherten besteht. Durch das Statut kann die Bildung eines Aufsichtsrats angeordnet werden. Ein Aufsichtsrat muß gebildet werden, wenn nach dem Statut dem Vorstand Vertreter der Arbeitgeber und Versicherten nicht angehören. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung des Vorstandes zu überwachen und die ihm durch das Statut außerdem übertragenen Obliegenheiten zu erfüllen. Für den Bezirk jeder Anstalt wird zur Wahrung der Interessen der übrigen Anstalten und des Reichs von der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Reichskanzler ein Staatskommissar bestellt.
III. Schiedsgerichte. Für den Bezirk jeder Anstalt wird mindestens ein Schiedsgericht bestellt, welches aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Beisitzern besteht. Letztere werden von dem Ausschuß und zwar zu gleichen Teilen von den Arbeitgebern und den Versicherten gewählt.
IV. Verfahren. Ansprüche auf Renten sind bei der untern zuständigen Verwaltungsbehörde anzumelden. Gegen den Bescheid derselben findet Berufung an das Schiedsgericht statt. Ist die Rente anerkannt und festgestellt, so ist dem Rechnungsbüreau des Reichsversicherungsamtes Mitteilung zu machen, welches die Renten auf das Reich und die beteiligten Versicherungsanstalten nach Maßgabe der Quittungskarten verteilt. Die Auszahlung der Renten wird dann vorschußweise durch die Postverwaltungen bewirkt. Die Höhe der wöchentlichen Beitrage stellt sich vorbehaltlich anderweitiger Festsetzung für die erste Beitragsperiode (nächsten 10 Jahre) in jeder Anstalt
in der Lohnklasse I | auf 14 Pfennig, | |
" " | " II | " 20 " |
" " | " III | " 24 " |
" " | " IV | " 30 " |
Die Beiträge entrichtet der Arbeitgeber, welcher berechtigt ist, die Hälfte derselben bei der Lohnzahlung in Abzug zu bringen. Hierbei hat er sich der Marken zu bedienen, welche die Versicherungsanstalten für die verschiedenen Lohnklassen ihrer Bezirke mit Bezeichnung ihres Geldwertes ausgeben werden, indem er einen entsprechenden Betrag von Marken in die Quittungskarte des Versicherten einklebt. Jede Quittungskarte bietet Raum zur Aufnahme der Marken für 47 Beitragswochen.
Die Eintragung eines Urteils über die Führung oder die Leistungen des Inhabers sowie sonstige durch das Gesetz nicht vorgesehene Eintragungen oder Vermerke in oder an der Quittungskarte sind unzulässig. Quittungskarten, in welchen derartige Vermerke oder Eintragungen sich vorfinden, sind von jeder Behörde, welcher sie zugehen, einzubehalten und durch neue zu ersetzen. Dem Arbeitgeber sowie Dritten ist untersagt, die Quittungskarte nach Einklebung der Marken wider den Willen des Inhabers zurückzubehalten.
Personen, welche aus dem Versicherungsverhältnis ausscheiden, sind berechtigt, dasselbe freiwillig dadurch fortzusetzen, bez. zu erneuern, daß sie die für die Lohnklasse II ihres Aufenthaltsorts festgesetzten Beiträge entrichten und gleichzeitig für jede Woche freiwilliger Veitragsleistung eine Zusatzmarke beibringen. Auch die Personen (Betriebsunternehmer), welche sich freiwillig selbst versichern, haben außer den vollen Beiträgen in Marken für jede Woche der Selbstversicherung eine Zusatzmarke beizubringen. Der Nennwert dieser Zusatzmarken beträgt 8 Pfennig.
V. Aufsicht. Die Versicherungsanstalten unterliegen in Bezug auf Befolgung des Gesetzes der Beaufsichtigung durch das Reichsversicherungsamt. In denjenigen Bundesstaaten, in welchen Landesversicherungsämter errichtet sind, übt das Landesversicherungsamt die Aufsicht über solche Versicherungsanstalten aus, welche sich nicht über das Gebiet des Bundesstaats hinaus erstrecken.
VI. Von den Strafbestimmungen seien hier nur erwähnt, daß unzulässige Eintragungen oder Vermerke in Quittungskarten mit Geldstrafe bis zu 2000 Mk. oder mit Gefängnis (Haft bei mildernden Umständen) bis zu sechs Monaten bedroht werden. Organe der Versicherungsanstalten sowie die das Aufsichtsrecht über dieselben ausübenden Beamten werden auf Antrag mit Geld bis zu 1500 Mk. oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie unbefugt Betriebsgeheimnisse offenbaren, welche kraft ihres Amtes zu ihrer Kenntnis gelangt sind. Absichtliche Offenbarung zum Nachteil der Betriebsunternehmer sowie Nachahmung werden mit Gefängnis bedroht, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Hierzu kann Geldstrafe bis zu 3000 Mk. treten, wenn die Absicht darauf gerichtet ist, sich oder einem andern einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Bei einem Versicherungsbestand von jährlich 11 Mill. Personen wird der auf 50 Mk. jährlich zu jeder Rente festgesetzte Reichszuschuß sich im ganzen belaufen
im 1. Versicherungsjahr auf | 6.4 Mill. Mk. |
" 2. " " | 11.7 " " |
" 7. " " | 18.0 " " |
" 10. " " | 30.7 " " |
" 15. " " | 45.0 " " |
" 20. " " | 53.0 " " |
" 80. " " | 69.0 " " |
Die Witwen- und Waisenversorgung für den Arbeiterstand wurde vorerst noch nicht in Angriff genommen, jedoch allgemein als nötig anerkannt. Dieselbe würde höhere Lasten in Anspruch nehmen als die Versicherung von alten und invaliden Arbeitern.
Vgl. v. Woedtke, Das Reichsgesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung (Berl. 1889);
Gebhard u. Geibel, Führer durch das Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung (Altenb. 1889);
Pfafferoth, Führer durch
die gesamte Arbeiterve
rsicherung (Verl. 1889).