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zahl muß sich mit geringen Beträgen zufrieden geben oder geht gar derselben infolge besonderer Umstände verlustig. Die Hast, mit der gearbeitet wird, veranlaßt leicht Arbeitsfehler, derentwegen man bestraft wird und die erhoffte Prämie abhanden kommt. Auf die Gesundheit wirkt die fortwährende Anstrengung schädlich ein, und in moralischer Beziehung zieht es, da die Arbeiter vom Meister bei der Berechnung der Prämien abhängig sind, ein schlimmes Schmarotzer- und Denunziantentum groß.
Arbeitseinstellungen. Ist vorstehend ein Bild von der neuern Gestaltung der Arbeitsbedingungen entworfen, so ist es nicht minder belehrend, sich zu vergegenwärtigen, in welchem Umfange die Arbeiter sich selbst zu helfen bemüht sind. Die Selbsthilfe üben sie aus in Arbeitseinstellungen (Streiks) und durch ihre Arbeiterverbände (Gewerkvereine). Es zeigt sich da nun, daß, soweit amtliche Publikationen darüber Auskunft geben, überall die Arbeiter gelernt haben, ihr Koalitionsrecht geltend zumachen, nur freilich nicht immer mit einem für sie günstigen Ausgange. In Preußen (über ganz Deutschland liegen keine amtlichen Angaben vor) offenbart sich glücklicherweise eine entschieden abnehmende Tendenz Zu Arbeitseinstellungen: Zeitraum Anzahl der Streiks Anzahl der Streikenden Vom bis 1. Okt. 1890 931 317926 Vom bis 1891 189 31673 Vom bis 1892 193 15665 Vom bis 1893 190 59952 Vom bis 1894 175 12589 In 10-12 Proz. aller Fälle haben durchschnittlich die Arbeiter ihre Forderungen ganz, in etwa 20 Proz. teilweise durchgesetzt, während fast zwei Drittel aller Einstellungen erfolglos waren.
Die Zahl der Streiks, über die beim englischen Arbeitsamte Berichte einliefen, betrug 1892: 700 mit 356799, 1893: 782 mit 636386, 1894: 1061 mit 324245,1895: 778 mit 243500 Arbeitern. Es endeten in Prozenten aller Fälle eines jeden Jahres: 1892 1893 1894 1895 Erfolgreich 27,5 62,9 22,1 20,1 Teilweise erfolgreich 51,4 24,7 34,2 41,9 Mißlungen 19,9 12,2 42,1 31,4 Unbekannt 1,2 0,2 1,6 6,6 Der große Erfolg der Ausstände von 1893 für die Arbeiter erklärt sich daraus, daß in diese Zeit der 4 ½ Monate dauernde große Kohlenarbeiterstreik fiel, welcher für die Arbeiter günstig endete. In Frankreich kamen vor: Jahre Arbeitseinstellungen Teilnehmer im Durchschnitt Dauer der Arbeitseinstellungen in Tagen 1890 313 380 1340000 1891 267 403 1717200 1892 261 183 917690 1893 634 268 3174850 1894 391 139 1062480 1895 405 113 617469 Der Ausgang war in Prozenten: Erfolgreich 27 34 22 25 25 25 Teilweise erfolgreich 21 26 31 32 32 29 Ungünstig 52 40 47 43 43 46 Italien wies auf: Jahre Arbeitseinstellungen Beteiligte Arbeiter 1890 139 38402 1891 132 34733 1892 119 30800 1893 131 32109 Soweit diese Angaben mit denen aus frühern Perioden verglichen werden können, ergiebt sich ein recht erhebliches Anwachsen, da z. B. 1879 nur 32 Einstellungen mit 4011, und 1880: 27 mit 5900 Teilnehmern verzeichnet wurden.
Der Erfolg war den Arbeitern: 1878-91 1892 1893 Günstig 16 21 28 Teilweise günstig 43 29 38 Ganz ungünstig 41 50 34 In Österreich zeigt sich folgendes Bild: Jahre Streiks Teilnehmer Betroffene Geschäfte 1891 104 14025 1916 1892 101 14123 1519 1893 172 28190 1207 1894 159 4407 52468 Der Ausgang war den Arbeitern dort nicht günstiger als in andern Ländern, indem z. B. 1893 nur 33 Streiks vollständig, 55 teilweise gelangen und 48 mit einer Niederlage der Arbeiter endigten.
Der große 1894 in Scene gesetzte Streik in den Steinkohlenwerken zu Mähren (Karwin, Ostrau), an dem sich 10000 Arbeiter beteiligten, schloß ebenfalls mit einem Mißerfolge für die Arbeiter. Belgien hatte in den letzten Jahren zahlreiche Arbeitseinstellungen, was wohl im Zusammenhang steht mit dem geringen Schutz, der den Arbeitern gesetzlich zugestanden wird, und der polit. Bewegung, die 1894 das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt hat. In der zweiten Hälfte des J. 1894 trat auch in Holland eine lebhafte Streikbewegung zu Tage.
In den Vereinigten Staaten von Amerika gestaltete sich die Lage folgendermaßen: Jahre Streiks Teilnehmer Erfolgreich Proz. Teilweise erfolgreich Mißglückt 1881 471 129521 43 13 44 1885 695 242705 48 9 43 1890 1833 351944 45 14 41 1891 1718 299064 27 8 65 1892 1998 486671 30 8 62 1893 1305 205914 23 16 61 Über Einzelheiten der Arbeitseinstellungen s. Streik. Arbeiterverbände. In ruhigeres Fahrwasser lenkt die Arbeiterbewegung, wenn statt des aufregenden vorübergehenden Streiks versucht wird, die Interessen in einem auf längere Dauer berechneten Verbände zu vertreten.
Indes hat doch auch hierbei, namentlich in den Fällen, wo die Vereinigungen, eine ausgesprochen auf Umsturz und Abwendung von den heutigen gesellschaftlichen Zuständen gerichtete Tendenz offenkundig zur Schau tragen, die Entwicklung ihre gefährlichen Seiten. Gleichwohl scheinen in Deutschland zur Zeit die socialdemokratischen Gewerkschaften diese weniger zu offenbaren. Die Socialdemokratie selbst ist zu einer polit. Partei geworden, die wohl noch die Arbeiterfrage als ihr hauptsächlichstes, aber nicht mehr einziges Arbeitsfeld
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ansieht. Und in den Verhandlungen der Gewerkschaften tritt weniger die Lohnfrage in den Vordergrund, als daß man sich angelegen sein läßt, für hygieinische Verbesserungen, Unterstützung in Fällen von Arbeitslosigkeit und andere im Nahmen der heutigen Gesellschaftsverfassung erreichbare Reformen einzutreten, über das Fortschreiten der Arbeiterorganisationen s. Gewerkvereine. Einigungsämter. Wie immer man über die Gunst der Lage für die heutige Arbeiterwelt und ihre Berechtigung zur Selbsthilfe denken mag, sicher ist, daß auch die Gesellschaft und der Staat Pflichten gegenüber den Arbeitern haben.
Sofern es sich um einen gesetzlichen Schutz der Schwächern und die Bewachung über die Durchführung desselben dreht, war davon bereits bei der Fabrikgesetzgebung und Fabrikinspektion die Rede. Es giebt indes noch andere Institutionen, deren segensreiche Wirksamkeit heute kaum noch bestritten wird, deren allgemeine Ausbreitung jedoch offenbar nur mit Hilfe des Staates geschehen kann. Dahin gehören die Einigungsämter. Immer mehr bricht sich neuerdings die Überzeugung Bahn, daß für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital derartige Einrichtungen nötig sind.
Zum Teil liegt darin wohl die stillschweigende Anerkennung jenes Grundsatzes der Gleichberechtigung von Arbeitern und Unternehmern. Zugleich aber bringt die praktische Erwägung, daß es mit ihrer Hilfe möglich scheint, Unbesonnenheiten und Maßlosigkeiten zu vermeiden und doch die Interessen des Kapitals wahrzunehmen, die Unternehmer darauf, sich der Gründung von Einigungsämtern nicht entgegen zu stellen, sondern sie sogar zu empfehlen. Charakteristisch ist dabei der in fast allen Ländern hervortretende Zug, das bisherige Einigungsverfahren in gesetzliche Wege zu lenken, womöglich die der Einigung widerstrebende Partei zu zwingen, sich einem Schiedssprüche zu unterwerfen.
Dieser soll jedoch nicht von dem gewöhnlichen Gericht, sondern von einem ad hoc zusammentretenden Forum gefällt werden. Im Deutschen Reich können die Gewerbegerichte gleichzeitig als Einigungsämter funktionieren. 1893 ist das auch zum erstenmal vorgekommen und seitdem mit einem gewissen Erfolg wiederholt worden. In Leipzig, Bremen, Kiel, Danzig, Königsberg, Berlin scheint die Anrufung des Gewerbegerichts bei Streiks die Regel werden zu wollen. Ein förmliches Gesetz über Einigungsämter hat Frankreich bekommen.
Dasselbe hat neben den Conseils de prud'hommes keine permanenten Ausschüsse für ein Einigungsverfahren geschaffen, sondern dem jeweiligen Friedensrichter die Vermittlerrolle zugedacht. An ihn kann sich eine der streitenden Parteien, die den Wunsch friedlicher Verständigung hegt, wenden, worauf er verpflichtet ist, innerhalb 24 Stunden die gegnerische Partei zu benachrichtigen. Nimmt diese den Antrag an, so beruft er unverzüglich die beiderseitigen Vertreter zu einer Konferenz, die er leitet, auf der er jedoch nur eine beratende Stimme besitzt.
Findet eine Verständigung statt, so nimmt der Friedensrichter ein Protokoll auf, das er von beiden Parteien unterzeichnen läßt. Im andern Falle wählen beide Parteien entweder einen gemeinsamen Schiedsrichter oder jede je einen, die sich alsdann auf einen Dritten, den Unparteiischen, einigen müssen. Ist es bereits zum Ausbruch eines Streiks gekommen, so ist der Friedensrichter von Amts wegen gehalten, ein Schiedsgericht vorzuschlagen, und die Parteien haben sich im Laufe von drei Tagen zu erklären, ob sie es annehmen wollen oder nicht.
Auf Grundlage dieses Gesetzes hat sich 1893 in 104 Fällen ein Einigungsverfahren abgespielt, 1835 in 84 Fällen, von denen bereits 72 zur Arbeitseinstellung geführt hatten. In England wurden durch Intervention von Schiedsgerichten 1892: 24, 1893: 25, 1894: 39 Streiks oder Lockouts beigelegt. Die Distriktseinigungs- und Schiedsgerichtsämter kamen 1893 nur dreimal, im folgenden Jahre gar nicht zur Bethätigung hinsichtlich der Beilegung von Streiks, haben aber zur Verhütung der letztern eine segensreiche präventive Thätigkeit ausgeübt.
Ein neues, im März 1895 erlassenes Gesetz hat die Initiative zur Errichtung von Einigungsämtern, die seither ganz in den Händen von Privatpersonen lag, dem Handelsamte (Board of trade) übertragen. Dasselbe ist ermächtigt, bei Ausbruch von Streitigkeiten zwischen Unternehmern und Arbeitern 1) die Ursachen und Umstände derselben zu ermitteln und über sie zu berichten, 2) die Parteien aufzufordern, Vertreter zu wählen, die unter dem Vorsitz eines entweder in beiderseitiger Übereinstimmung gewählten oder vom Handelsamt ernannten Präsidenten eine friedliche Beilegung versuchen.
Italien hat in dem Gesetze vom über die Probi-viri auch Einigungsämter bekommen, da jedes Kollegium aus einem Uffizio di conciliazione und dem Gewerbegericht (giuria) besteht. Das erstere entspricht zunächst dem Bureau particulier der franz. Conseils de prud'hommes, kann aber auch zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten, die sich auf das Arbeits- und Lohnverhältnis beziehen, angegangen werden. In Belgien hat wenigstens die Stadt Verviers beschlossen, ein kommunales Einigungsamt zu errichten, bestehend aus 6 Mitgliedern des Gemeinderats, und Unternehmer und Arbeiter TTTTT gleichen Teilen aufweisend. In Dänemark und Osterreich ist man im Stadium des Entwurfs stecken geblieben.
Dafür aber haben in letzterm Lande wenigstens im J. 1894 Gewerbeinspektoren und Gewerbebehörden bei der Beilegung von Arbeitseinstellungen vermittelt. Von 159 Streiks des genannten Jahres wurden 52 durch die erstern, 19 durch die letztern beendet, d. h. beinahe 50 Proz. aller Ausstände. Bei alledem wäre es doch sehr wünschenswert, den 1894 dem Abgeordnetenhause vorgelegten Entwurf, wonach Einigungsämter dazu bestimmt wurden, «eine gütliche Verstündigung über die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen», Gesetz werden zu sehen.
Gewerbegerichte. Eine sehr erfreuliche Entwicklung haben in Deutschland die Gewerbegerichte auf Grundlage des Gesetzes von 1890 genommen. Man zählte 1892: 154, 1893: 207, 1895: 272 Gewerbegerichte. An Streitigkeiten waren anhängig 1892: 20015, 1893: 37386 zwischen Unternehmern und Arbeitern, und 136 und 221 zwischen Arbeitern desselben Arbeitgebers. Erledigt wurden 1893 durch TTTTT Vergleich 14865, Verzicht 374, Zurücknahme der Klage 6346, Anerkenntnis 727, Versäumnisurteil 3766, durch sonstige Endurteile 8579, im ganzen 34657 Klagen. Neben den Gewerbegerichten kommen noch in Betracht die 10 rhein. Gewerbegerichte, 5 Bergschiedsgerichte in Sachsen, je 1 Gewerbegericht in Hamburg, Bremen, Lübeck und 5 Gewerbegerichte in Elsaß-Lothringen. Deutet
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schon diese Statistik den großen Nutzen der neuen Institute an, so findet auch die Rechtsprechung allgemein Anklang. So schnell, billig und bequem wie beim Gewerbegericht können weder Amtsgericht noch Gemeindevorsteher die Klagen erledigen. Auch ist die Haltung der Beisitzer, der man mit einiger Besorgnis glaubte entgegenblicken zu müssen, durchaus zufriedenstellend. Einerseits sind die Beisitzer von dem Bestreben beseelt, vorhandene Streitfälle in Güte auszugleichen, andererseits erkennen sie da, wo richterliche Entscheidung nötig ist, das Gesetz als Richtschnur willig an, selbst wenn die Entscheidungen ungünstig und hart für die Arbeiter ausfallen.
In den Kreisen der Unternehmer kann man sich noch nicht durchweg mit den neuen Schöpfungen einverstanden erklären. Von hier aus ist petitioniert worden, gegen die Urteile der Gewerbegerichte Berufung zuzulassen, und die vorläufige Vollstreckbarkeit der Urteile aufzuheben. Beides würde eine Verschlechterung und Verlangsamung des Verfahrens bedeuten. Nicht nur, daß die Gewerbegerichte ihren Hauptzweck vollständig erfüllen, bewähren sie sich auch in den ihnen zugedachten Nebenfunktionen, namentlich üben sie eine heilsame Thätigkeit als begutachtende Behörden aus und zeigen sich als Institutionen, die auf socialem Gebiete wichtige Aufgaben zu lösen vermögen. - Für Bergwerksarbeiter sind in Preußen, Sachsen und Braunschweig besondere Berggewerbegerichte ins Leben gerufen worden. Außerhalb Deutschlands ist es in Italien nach zehnjährigen Verhandlungen zum Erlaß eines Gesetzes gekommen, der Gewerbegerichte unter dem Namen der Collegi dei Probi-viri schafft. Dasselbe verwertet franz. und deutsche Erfahrungen. - In Belgien, wo nach Art der franz. Probi-viri gebildete Gewerbegerichte bestehen, waren 1890: 25 Conseils thätig, vor denen 4531 Streitfälle anhängig gemacht waren. Der größte Teil derselben (3399) wurde durch Vergleich erledigt. - In Frankreich hat sich die Deputiertenkammer 1892 für ein neues Gesetz, betreffend die Probi-viri, entschieden, aber der Entwurf hat den Beifall des Senats noch nicht gefunden.
Die wesentlichsten Reformen, die geplant werden, betreffen folgende Punkte: Probi-viri sind auch für Handel, Landwirtschaft und Bergbau zu wählen;
die Wählbarkeit beginnt mit dem 25., das Wahlrecht nach dem 21. Lebensjahre;
Unternehmer und Arbeiter bleiben auch in den nächsten 10 Jahren, nachdem sie aufgehört haben, in ihrem Berufe praktisch thätig zu sein, wählbar und wahlberechtigt;
Frauen im Alter von 21 J., die in dem betreffenden Gerichtsbezirk länger als 6 Monate gewohnt haben, sind wahlberechtigt;
die Entscheidung der TTTTT ist bei Streitgegenständen bis zur Werthöhe von 500 Frs. endgültig.
Von allen diesen Reformen will der Senat nichts wissen, mit Ausnahme der Bergschiedsgerichte. - In der Schweiz hat das roman. Gebiet bereits seit einiger Zeit Gewerbegerichte nach franz. Muster. Auf derselben Grundlage sind 1889 in Basel, 1895 in Bern, 1896 in Zürich Gewerbegerichte eröffnet worden. Im Aargau und in Solothurn trägt man sich mit Projekten dazu. - Der in Österreich 1891 im Abgeordnetenhause eingebrachte Antrag auf Einführung von Gewerbegerichten, unter Berücksichtigung des deutschen Verfahrens, ist noch nicht Gesetz geworden.
Arbeitsämter. Eine dritte Einrichtung in der Reihe der hierher gehörenden Maßregeln sind die Arbeitsämter, d. h. Anstalten zur Pflege der Statistik der Arbeiterverhältnisse. Man hält es neuerdings fast in allen Kulturstaaten für unumgänglich nötig, derartige arbeitsstatist. Amter ins Leben zu rufen, die sich mit der Ermittelung der thatsächlichen wirtschaftlichen und socialen Verhältnisse der Arbeiter befassen sollen. Daten über Arbeitslohn, Arbeitsdauer, Verhältnisse der Arbeiter zu den Unternehmern, Streiks, Ergebnisse des Arbeiterschutzes, Wohnungszustände u. s. w. werden von ihnen gesammelt.
Diesem Bedürfnis entspricht im DeutschenReichdie seit 1892 bestehende Reichskommission für Arbeiterstatistik (s. d., Bd. 13). Sie hat indes nur die Aufgabe, auf Anordnung des Bundesrats oder des Reichskanzlers die Vornahme staust. Erhebungen, ihre Durchführung und Verarbeitung zu begutachten sowie Vorschläge zu solchen Erhebungen auszuarbeiten. Die eigentlich statist. Arbeiten liegen ihr nicht ob, werden vielmehr im Reichsstatistischen Amt ausgeführt.
Dazu kommt, daß sich die gesetzliche Thätigkeit der Kommission nicht auf die ganze Arbeiterstatistik erstreckt, sondern daß sie nur bei Ausführung der Bestimmungen der Gewerbeordnung, insbesondere der Novelle von 1891, mitwirken soll. Wird dieses Gebiet sich auch nicht leicht erschöpfen lassen, so erscheint eine weitere Ausdehnung der Arbeiterstatistik doch wünschenswert. Sie kann entweder im Anschluß an das Reichsversicherungsamt oder an die statist.
Centralstelle des Deutschen Reichs erfolgen. Richtiger wäre wohl bei der innigen Verbindung der Arbeiterstatistik mit allen andern Statistiken, die im statist. Amt bereits gepflegt werden das letztere. Unabhängig davon hat der deutsche Arbeiterstand angefangen, sein Bedürfnis nach einem Institut zur Auskunftserteilung in Sachen der socialen Gesetzgebung und zur Anfertigung von Statistiken auf dem Wege der Selbsthilfe zu befriedigen. Am ist in Nürnberg das erste deutsche Arbeitersekretariat eröffnet worden, ein zweites wird für Frankfurt a. M. geplant. - Viel ist für die Pflege der Arbeiterstatistik in außerdeutschen Ländern während der letzten Jahre geschehen. In England ist sie 1893 einem neugegründeten Departement des Handelsamtes übertragen worden, das mit mehrern Oberbeamten, 20 Hilfskräften und 30 Lokalkorrespondenten in verschiedenen Teilen des Landes besetzt ist und eine eifrige Thätigkeit entwickelt. Es giebt die monatlich erscheinende «Labour Gazette» heraus, von der jede Nummer einen Penny kostet und die ein sehr reiches Material zur Kenntnis der Arbeiterverhältnisse zusammenstellt.
Frankreichs hat seit dem Gesetz vom ein «Office du travail», das über ein Budget von 152000 Frs. verfügt, sehr wertvolle Publikationen redigiert hat und seit 1894 monatlich nach engl. Muster ein «TTTTT» herausgiebt. In Belgien wurde nach einem Wahlsiege der Socialdemokratie das Arbeitsamt gegründet bei dem Ministerium für Landwirtschaft, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Ihm ist eine dreifache Aufgabe zugewiesen:
1) Ermittelungen anzustellen über den. Stand und die Entwicklung der Arbeit nach den verschiedensten Richtungen;
2) bei der Schöpfung, neuer und Verbesserung bestehender Gesetze mitzuwirken;
3) die Ausführung der Arbeiterschutzgesetze zu überwachen. Seit Mai 1895 ist das genannte Ministerium in ein Ministerium für Ackerbau, Gesundheitspflege und öffentliche Arbeiten, und ein zweites für Gewerbe, Bergbau, Arbeiterfürsorge
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teilt worden. Letzteres heißt kurzweg das «Arbeitsministerium», und bei ihm findet sich das Arbeitsamt. In Spanien ist durch ein Dekret vom eine besondere Abteilung für Arbeiterstatistik im Ministerium des Innern, und in Dänemark unter der Bezeichnung eines staatlichen statist. Bureaus ein Arbeitsamt ins Leben getreten. Für das schweizerische Arbeitersekretariat ist der von der Bundesregierung bewilligte Zuschuß auf jährlich 20000 Frs. erhöht worden. In Österreich wird seit 1894 ein arbeitsstatist.
Amt als besondere Abteilung im Handelsministerium geplant. Arbeitsnachweis. Viertens zählt hierher die Reform des Arbeitsnachweises. Gerade auf diesem Gebiete wird in den letzten Jahren ein so reger Reformeifer zur Schau getragen, wie auf wenig andern. Man ist sich darüber klar geworden, ein wie großes sociales Übel die Arbeitslosigkeit ist, und hofft deren verhängnisvollen Folgen durch eine zweckmäßigere Regelung des Arbeitsnachweises begegnen zu können.
Die bisherige ungeregelte Arbeitsvermittelung, das persönliche Umschauen, das Inserieren, die privaten Stellenvermittler, die Wohlthätigkeitsanstalten stellen sich als ungenügend heraus. Arbeitermangel und Arbeiterüberfluß liegen oft nebeneinander; kostspielige und verzögernde Zwischeninstanzen erschweren dem Arbeiter die Erfüllung seines Wunsches, jederzeit Beschäftigung und zwar in der für ihn zweckmäßigsten und lohnendsten Weise zu haben.
Demnach erscheint es als ein erfreulicher Fortschritt, daß man sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten übrigen Industriestaaten bestrebt zeigt, von seiten des Staates oder der Gemeinden Anstalten zu begründen, die den gefühlten Übelständen abhelfen, und vor allen Dingen dem Gedanken der Centralisation des Arbeitsnachweises mehr Anerkennung zu verschaffen. (S. Arbeitsnachweis.) Arbeiterversicherung. Ein besonders wichtiges Kapitel für sich bildet die Arbeiterversicherung.
In der Praxis sind da manche Mängel und zahlreiche Wünsche nach Reform der betreffenden Gesetze hervorgetreten. Vor allem wurde eine vereinfachende Verschmelzung der drei Organisationen: Krankenkassen, Unfallberufsgenossenschaften, Invalidenversicherungsanstalten, die Errichtung gemeinschaftlicher territorialer Hilfsorgane, sog. Arbeiterversicherungsämter, befürwortet, worunter Behörden zu versieben sind, die zu gleichen Teilen aus Vertretern der Unternehmer und der Arbeiter beständen, und die für den Distrikt (in Preußen z. B. für den Kreis) die Erledigung der lokalen Hilfsgeschäfte haben würden: also die Gewährung der Krankenfürsorge, Kontrolle über die Verwendung der Beitragsmarken, Ausstellung der Quittungskarten, Entgegennahme der Anträge auf Rentenbewilligung, Vorbereitung und Prüfung dieser Anträge u. dgl. m. Gegenstände der Beschwerden sind ferner die Verschiedenheit der Prämienzahlung in Form von Kassenbeiträgen, Umlagen und Markenkleben, die Übelstände, die namentlich mit dem letztern Verfahren verbunden sind, die ungleichmäßige Entwicklung der Beteiligung der Arbeiter an der Verwaltung der Versicherungsorgane, die Unzulänglichkeit der Altersrenten, die zu hohe Altersgrenze für den Bezug der Rente, das umständliche Verfahren bei der Erhebung des Rentenanspruchs, der Mangel einer Fürsorge in der Zeit von der Beendigung der Krankenkassenunterstützung dis zum Eintritt der Invalidenversicherung.
Zur Beratung über diese Punkte, namentlich über die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit einer Zusammenlegung der einzelnen Versicherungszweige war vom 4. bis im Reichsamt des Innern eine Konferenz versammelt. An ihr nahmen etwa 70 Personen teil, lediglich Sachverständige, vorzugsweise Mitglieder des Bundesrats, Beamte der Reichsverwaltung und der Versicherungsanstalten sowie Abgeordnete. Eine Einigung über die beste Art der Reorganisation wurde noch nicht erzielt.
Als Gesamtergebnis der Debatten läßt sich etwa zusammenfassen, daß die Berufsgenossenschaften allgemeine Anerkennung fanden, die heutige Form der Invalidenversicherung allgemeine Mißbilligung erfuhr, und daß es an der Verwaltung der Krankenkassen im einzelnen viel auszusetzen gab. Berührt ist ferner die Reform der Arbeiterversicherung bei der zweiten Lesung des Etats des Reichsamtes 25. und wo man sowohl eine Novelle zum Unfallversicherungsgesetz als eine Reform der Invaliditätsversicherung forderte. In letzterer Hinsicht wurde von einer Seite die Herabsetzung der Altersgrenze für die Bewilligung der Altersrente auf das 60. Lebensjahr, von anderer Seite eine Einbeziehung der Witwen- und Waisenfürsorge befürwortet. Es ist indes zur Zeit kaum Aussicht vorhanden, daß darauf eingegangen werden kann.
Denn der Mehrbedarf, der bis zum J. 1900 erforderlich wäre, wenn vom ab die Altersrente bereits beim 60. Lebensjahre gewährt werden sollte, ist nach Angabe des Ministers 755 Mill. M. Zur Gewährung einer Witwenrente von 60 M. und einer Waisenrente von 36 M. jährlich würden die den Versicherungsanstalten zur Verfügung stehenden Mittel für die nächsten vier Jahre ausreichen, aber diese wären dann nach Ablauf der vier Jahre aufgezehrt, und vom J. 1900 ab müßte eine neue Rechnung mit erheblich höhern Beträgen beginnen.
Die hauptsächlichsten Mängel der Krankenversicherung wurden durch das Gesetz vom beseitigt; für den Plan der Umgestaltung der Unfallversicherung durch Einführung örtlich abgegrenzter Unfallversicherungsgenossenschaften auch für die Industrie fand die Regierung 1894/95 nicht die Zustimmung des Reichstags. Im Aug. 1896 hat dieselbe einen weitern Entwurf zur Abänderung der Arbeiterversicherungsgesetze veröffentlicht, der sich im wesentlichen darauf beschränkt, die Änderungen des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes herbeizuführen, welche sich in der Praxis als dringlich erwiesen haben.
Die Frage der Vereinigung der verschiedenen Versicherungszweige erschien der Reichsregierung noch nicht spruchreif. Sie beschränkt sich darauf, diesem Gedanken durch Maßnahmen entgegenzukommen, welche ein engeres Zusammenarbeiten der getrennten Versicherungszweige sicherstellen. Die Erleichterungen, welche der neue Entwurf hinsichtlich der Invaliditäts- und Altersversicherung bietet, sind hauptsächlich Beitragsmarken für längere Zeiträume, Anlegung von Sammelmarken, Besorgung der Quittungskarten durch die Arbeiter, behördliches Markeneinkleben bei öffentlichen Betrieben, Förderung der Einziehung der Beiträge durch besondere Hebestellen. Dazu kommt als principielle Änderung eine Umgestaltung der Verteilung der Rentenlast, welche durch die Verschiedenheit der Vermögenslage der einzelnen Versicherungsanstalten veranlaßt ist, und die somit eine bessere Ausgleichung der Lasten zwischen den besser und schlechter gestellten Anstalten bezweckt. Ein Viertel der von ihr
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ten Renten soll jede Versicherungsanstalt selbst tragen müssen, die übrigen drei Viertel die Gesamtheit aller Träger der Versicherung. Es sollen also nicht mehr bloß die Anstalten beitragen müssen, bei denen der Arbeiter in Versicherung stand, sondern eine Verteilung des Risikos auf breitere Schultern erfolgen. Im einzelnen ist über die Ergebnisse der Arbeiterversicherung folgendes zu bemerken. Die Krankenversicherung spielte sich 1894 in 21552 Kassen ab, von denen 8302 Gemeindekrankenkassen, 4410 Ortskrankenkassen, 6591 Fabrikkrankenkassen, 106 Baukrankenkassen, 507 Innungskrankenkassen, 1375 eingeschriebene und 261 landesrechtliche Hilfskassen waren.
Die Zahl der Mitglieder betrug im Durchschnitt des Jahres 7282609, der Erkrankungsfälle 2492309, der Krankheitstage 43686440. Den Einnahmen von 132111300 M. (worunter 111509631 Beiträge und Eintrittsgelder) standen Ausgaben von 111532202 M., worunter die Krankheitskosten (Arzt, Arznei, Verpflegung u. s. w.) 99588457 M. waren, gegenüber. Sehr erfreulich ist es, daß man an vielen Orten Gewicht legt auf Rekonvalescentenpflege und seitens der Versicherungsanstalten und Krankenkassen auf die Eröffnung von Sanatorien und Genesungshäusern Bedacht nimmt. In Baden ist 1895 die Errichtung eines Sanatoriums für Lungenkranke, Lungenschwindsüchtige und sonstige Tuberkulöse seitens der Versicherungsanstalt projektiert, und die Regierung hat einen Betrag dafür in Aussicht gestellt.
In der Unfallversicherung waren 1895 bei 112 Berufsgenossenschaften (64 gewerblichen und 48 landwirtschaftlichen) 5248709 Betriebe, darunter 435137 gewerbliche und 4813572 landwirtschaftliche, sowie 17698633 Personen versichert. Die Zahl der Verletzten, für die eine Entschädigung festgesetzt wurde, betrug 224581, von denen 71111 neu im Rechnungsjahre hinzugekommene Fälle waren. An Entschädigungen wurden 44923020 M. gezahlt, nämlich 31621808 M. für Renten an Verletzte, 1167416 M. für Kosten des Heilverfahrens, 2856534 M. für Kur- und Verpflegungskosten an Krankenhäuser und entsprechende Angehörigenrente, 9117953 M. für Beerdigungskosten und Renten an die Hinterbliebenen Getöteter, 153310 M. Abfindungen an Ausländer.
Die laufenden Verwaltungsunkosten betrugen 6844472 M., wozu noch 3160522 M. an Kosten der Unfalluntersuchungen und Feststellung der Entschädigungen, an Schiedsgerichts- und Unfallverhütungskosten kamen. Die Verwaltungsunkosten sind ungefähr 23 Proz. der Gesamtausgabe. Die Einnahmen beliefen sich auf 76648362 M. Dem Reservefonds wurden 7873940 M. überwiesen, so daß der Reservefonds für alle Berufsgenossenschaften zusammen 124994607 M. beträgt. In der Invaliditäts- und Altersversicherung wurden bei den 31 Versicherungsanstalten 1894: 33 442 Altersrenten im Gesamtbetrage von 14377 586 M. und 44397 Invalidenrenten im Gesamtbetrage von 5388 487 M. bewilligt.
Der Durchschnittsbetrag der Altersrenten war 127,05 M. (1893: 130,07, 1892: 127,76 M.), derjenige der Invalidenrenten 120,96 M. (1893: 117,97, 1892: 114,68 M.). Für Übernahme des Heilverfahrens wurden 362774 M. gezahlt, eine Ausgabe, deren Wachstum eine Erleichterung der Krankenkassen bedeutet, also mit einer gewissen Genugthuung beurteilt werden muß. Der Aufwand für die laufenden Verwaltungsunkosten, Kosten der Kontrolle, für Erhebungen vor Gewährung von Renten, Schiedsgerichtskosten u. s. w. war 5041391 M. Die Einnahmen betrugen 93987610 M., der Überschuß derselben über die gesamten Ausgaben war somit 68817372 M. Der ganze Vermögensbestand am Schlüsse des Jahres in den Kassen der Versicherungsanstalten war 303570970 M. Von der Unfall-, Kranken- und Invalidenversicherung des Deutschen Reichs haben die beiden ersten durch die Gesetze vom und vom Nachahmung gefunden in Österreich; die letztere ist in den Parlamentsverhandlungen 1895 wiederholt gefordert, aber so wenig durchgesetzt, wie die Reform der beiden ersten Zweige, die durch das Ergänzungsgesetz (zum Unfallgesetz von 1887) vom noch nickt als erledigt angesehen werden kann.
Ungarn bat bis jetzt durch Gesetz von 1891 nur die Krankenversicherung geregelt; die Unfallkranken genießen die Kasse zwar mit, aber nur für 20 Wochen. In der Schweiz liegen dem eidgenössischen Bundesrat seit 1895 Entwürfe zur Einführung einer obligatorischen Unfall- und einer Krankenversicherung vor. Italien hat bis jetzt nur eine fakultative Unfallkasse; sie in eine obligatorische zu verwandeln, ist von der Parlamentskommission (1895) vorgeschlagen, aber vom Plenum noch nicht angenommen worden. In Spanien hat die Regierung im Juni 1895 einen Gesetzentwurf zur Erweiterung der Haftpflicht eingebracht, der aber bei den Cortes wenig Anklang findet. In Frankreich ist nur für die Bergarbeiter die Kranken- und Altersversicherung obligatorisch geregelt; die schon seit 1884 projektierte Unfallversicherung kann nicht zu stande kommen wegen der entgegenstehenden Meinungen der Regierung, des Senats und der Kammer. In Belgien ist 1894 eine allgemeine Unfallkasse begründet worden, die aber nur eine Hilfsrolle spielen soll; zu einer wirklichen Unfallversicherung liegt erst ein Initiativantrag eines Parlamentsmitgliedes vor, der noch nickt verabschiedet ist.
InHolland wird eine obligatorische Unfallversicherung und eine Staatsrentenversicherungsbank vorbereitet, welche letztere aber nicht durchweg den Beifall der Arbeiter findet. Schweden hat durch Gesetz vom eine Krankenversicherung eingerichtet und einen Entwurf in Angriff genommen, der eine Rente allgemein bei dauernder Erwerbsunfähigkeit gewähren will und auch eine Waisenversorgung einschließt. In Norwegen besteht seit 1894 eine Unfallversicherung nach deutschem Muster, in Dänemark hat im Nov. 1895 die socialdemokratische Partei beim Folketing einen darauf bezüglichen Entwurf eingebracht.
Zur Zeit besteht nur eine gesetzliche Regelung fakultativer Krankenkassen, auch als eine Art erweiterter Armenpflege eine Rente für über 60 J. alte Personen. In Rußland strebt man zunächst eine Regelung der Haftpflicht an; für das Großherzogtum Finland ist ein Gesetz, betreffend die Verantwortlichkeit der Unternehmer, kürzlich zu stände gekommen, tritt aber erst Jan. 1898 in Kraft. Rumänien endlich hat durch Gesetz vom wenigstens für den Bergbau obligatorische Kassen für Krankheit, Unfall, Verletzung und Tod geschaffen. Arbeitslosenversicherung. Besondere Aufmerksamkeit zieht in Deutschland die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit auf sich. In ihrem Gedankengange nur zu billigen, vielleicht von ebenso großer Bedeutung wie die Krankenversicherung, stößt sie in ihrer Ausführung auf die größten Schwierigkeiten. Es ist nicht leicht, den Begriff der unverschuldeten Arbeitslosigkeit,
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die doch allein einen Anspruch auf Unterstützung soll geltend machen können, so festzustellen, daß alle Ver- sicherten damit einverstanden sind. Gegenüber den Arbeitseinstellungen geriete die Versicherung in eine schwierige Lage. DieFeiernden zu unterstützen, würde heißen, Partei gegen die Arbeitgeber nehmen; ihnen die Unterstützung verweigern, das Umgekehrte. Die mchl zu umgehende Forderung, daß der Arbeitslose jede Beschäftigung, die ihm angetragen wird, an- nehmen muß, wenn anders er nicht den Anspruch auf Unterstützung verwirkt haben will, muh böses Vlut erregen. Es giebt unliebsame Orte und Per- sonen, schlecht bezahlte Stellen, geringe Geneigtheit, an einen andern Ort überzusiedeln; lehnt der Ar- beiter in solchen Fällen die Arbeit ab und erkennt die Versicherung die Berechtigung des Vorgehens nicht an, so ist Mißstimmung nicht zu vermeiden.
Die dmchaus notwendige Kontrolle über den gamen Verlauf des Arbeitsjahres gehört nicht zu den An- nehmlichkeiten. Das etwaige Nachspüren nach Neben- verdiensten, etwaigen Zuschüssen bei halbem Lohn wird übel aufgenommen werden. Gerade die bessern Arbeiter, die seltener arbeitslos werden, werden alle diese Mißlichkeiten lebhafter empfinden und verdrieß- lich sein, wenn sie für die geringern und unbrauch- barern Arbeiter mit einstehen, gleichsam für ihren Unterhalt mit sorgen sollen.
Wenn trotz aller dieser Schwierigkeiten doch schon Versuche vorliegen zu einer staatlichen Arbeitslosen- versicherung und an vielen Orten dahin lautende Anträge erörtert werden, so beweist das, wie weit die Empfindung gedrungen ist, daß in dieser Rich- tung etwas geschehen kann und muß. Es ist daher nicht auMUig, daß die letzte große Katholikenver- sammlung eine Resolution zu Gunsten der obliga- torischen Arbeitslosenversicherung faßte. Abgescden von der Unterstützung, die in den cngl. und deutschen Gewerkvereinen und Gewerkschaften den Arbeits- losen gewährt wird, ist mit Errichtung einer frei- willigen Arbeitslosenversicherung die Stadt Bern durch Stadtratsbeschluß vom voran- gegangen. Am hat man das Statut geändert, aber nur im Hinblick auf Beiträge und Unterstützungen.
St. Gallen folgte mit einer städtischen Kasse, die obligatorisch ist für alle männlichen Arbeiter, deren durchschnittlicher Tagelohn 4 M. nicht übersteigt. Die Höhe der von den Versicherten zu zahlenden Wochenprämie schwankt zwischen 12 und 24 Pf., je nach dem Lohn, und die Entschädigungen in der Zeit der Arbeitslosigkeit sind auf 1,40-1,80 M. täglich angefetzt. Die Gemeinde giebt jährlich einen Zuschuß von 1,60 M. pro Kopf der Versicherten. Im Kanton Basel-Stadt ist man über das Stadium des Projekts noch nicht hinaus- gekommen. In Frankreich hat der Deputierte Zouffroy in der Kammer einen Gesetz- entwurf auf Einführung der obligatorischen Arbeits- losenversicherung nach dem St. Gallener Muster ein- gebracht.
Man wird die Erfahrungen in der Schweiz abwarten müssen, ob auf diesem Wege wirklich eine Besserung der socialen Zustände erhofft werden darf. (S. Arbeitslosenstatistit, Arbeitslosigkeit.) Wohnungsverhältnisse. Ein letzter nicht gering zu «achtender Punkt in der Neihe der auf die .Hebung des Arbeiterstandes abzielenden Maßregeln betrifft seine Wohnungsweise. Trotz erfreulicher Verbesserungen Huf diesem Gebiete sieht es stellenweise sowohl in größern als in kleinern Städten doch noch recht trüb darin aus. Noch immer ist die Wohnungsnot nicht ganz beseitigt und offenbart sich in Obdachlosigkeit, in hohen Mieten, in Mangel an kleinern Wohnungen, in Überfüllung. Unter letzterer, in der Weise verstan- den, daß durch das Zusammenpressen vieler Men- schen in engen Räumen Gesuudheit und Sittlichkeit gefährdet erscheinen, leidet vielleicht die gesamte deutsche Arbeiterklasse, von ihrer Elite abgesehen. Bei solcher Sachlage ist es verständlich, daß eine Reihe von Wohnungscnqueten im Gange oder in Vorbereitung sind, um darüber aufzuklären, inwie- weit Mihstände vorhanden sind und durch bau- oder gesundheitspolizeiliche Maßregeln Abhilfe geschafft werden kann. Baden hat den Anfang gemacht, indem das dortige Ministerium des Innern den Bezirks- ämtern die Weisung zugehen lieh, die Wohnungs- verhältnisse der arbeitenden Klassen im Auge zu be- balten. Der preuß. Medizinalbeamtenverein hat eine Enquete über die ländlichen Wohnungen eingeleitet, und an andern Orten ist man gefolgt. Schwerwie- gender ist, daß man vielfach zum Bau von Arbeiter- wohnungen schreitet und so das Übel zu beseitigen sucht (s. Arbeiterwohnungen). Über die ländliche Arbeiterfrage s. Agrar- frage (S. 29a). Litteratur. Die Wochenschrift Sociale Praxis. Centralblatt für Socialpolitik, hg. von Iastrow (Berl. 1892 fg.); Arbeiterwohl. Organ des Ver- bandes katb. Industrieller und Arbeiterfreunde (feit 1880); Gemeinwohl. Zeitschrift des Vergifchen Ver- eins für Gemeinwohl (feit 1887); Handwörterbuch der Staatswissenschaften (Supplement 1895); Archiv für sociale Gesetzgebung und Statistik (seit 1887; Bd. 8 u. 9 ^1895 u. 1896^ insbesondere über amerik. und enql. Fabrikgesetzgebung); Arbeiterfreund. Zeit- schrift für Arbeiterfrage (Berl. 1890-95). - N. Schmitz, Die königl. Gewerbegerichte in der Rheinprovinz (1891); I. L. van Marken, Durch die Arbeit für die Arbeit (Dessau 1894); David F.Schloß, Import 0N protit 8darin^, Pi'686nt6ä to dotii K0U363 ok Ml-Iiament (Lond. 1894); Karl Fischer, Grundzüge einer Socialpädagogik und Socialpolitik (Eisenach 1892); Aug. Kohl, Die deutsche Arbeitergesetzgebung 1883 - 92 (Freib. i. Br. 1893); Wilh. Rosenberg, Entwicklung und Stand der Arbeiterfrage (Prag 1892); Chr. Schmidt, Die arbeiterfreundliche wirtschaftliche Dik- tatur (Reichenbach i. Schl. 1893); Kulemann, Der Arbeiterfchutz sonst und jetzt (Lpz. 1893); H. Herk- ner, Die Arbeiterfrage (Berl. 1894); Bödikcr, Arbeiterversiche- rung in den europ. Staaten (Lpz. 1895); Max Hirsch, Die und die deutschen Gewerkvereine (ebd. 1893); Emma Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen Deutschlands (Berl. 1893); S. und B. Webb, ^ke lli8tor^ ok IVaäs Hnioni8ni (Lond. 1894); Alpy, Ouide prati^uL ä68 8Ml1icat8 pro- f633ionn6i8 (Par. 1893); H. Müller, Die Leistun- gen des sckweiz. Arbeitersekretariats (Bas. 1894); Verghoff-Ising, Die socialistische Arbeiterbewe- gung in der Schweiz (Lpz. 1895); G. Adler, Die Aufgaben des Staates angesichts der Arbeitslosig- keit (Tüb. 1893); ders., Die Versicherung der Ar- beiter gegen Arbeitslosigkeit im Kanton Basel-Stadt (Bas. 1895); Hirschberg, Maßnahmen gegenüber der Arbeitslosigkeit (Berl. 1894); G. Schanz, Zur Frage der Arbeitslosenversicherung (Vamb. 1895); Hall, Versickenlng gegen Stellenlosigkeit im Handelsge- werbe (Münch. 1894); Arbeiterfrage Knobloch, Die Beseitigung der Beitragsmarke (Jena 1896); Lic. Weber, Woh- nungen und Eonntagsbeschäftigungen der deutschen Arbeiter (Lpz. 1892); Karl von Mangoldt, Aus zwei