Arbeiter
ist ein jeder, welcher an der wirtschaftlichen Produktion, an der Wertschaffung thätig teilnimmt. Allein
in einem engern, wenngleich gebräuchlichern
Sinne bezeichnet man als Arbeiter
oder
Arbeitnehmer diejenigen, welche von
Arbeitgebern
(Unternehmern, Fabrikanten) gegen Lohn mit einer
Arbeit beschäftigt werden, bei der die körperliche Thätigkeit stark überwiegt,
mithin
Tagelöhner, Fabrikarbeiter
,
Gesellen u. s. w. Die hier besonders in Betracht kommenden Arbeiter
sind die
Lohnarbeiter
in den
Gewerben der Stoffgewinnung
(Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei,
[* 2]
Bergbau
[* 3] u. s. w.)
und in den
Gewerben der Stoffherrichtung (Handwerk und Fabrikation). Die Gesamtheit dieser Arbeiter
bildet den
Arbeiterstand, die
arbeitende
Klasse.
Eine genaue Feststellung der Zahl der in den Kulturstaaten thätigen Arbeiter
ist nicht möglich. Noch am ehesten
kann dies für
Deutschland
[* 4] geschehen, und zwar nach der Berufszählung vom Diese
Zahlen sind
aber nur annähernd richtig, weil unter den gezählten Arbeiter
sich auch solche befinden, die selbständige Lohnarbeiter
in Hauswirtschaften sind, ferner alle selbständigen kleinen Landwirte, welche zugleich landwirtschaftliche
Tagelöhner sind,
ebenso alle in der Hausindustrie selbständig Erwerbsthätige; andererseits sind einzelne
an sich zu den
Arbeiter
gehörige Arbeitergruppen nicht mit aufgenommen. Nach der erwähnten Berufszählung waren von der Gesamtbevölkerung
(45 222 113
Personen) 17 632 008 (39 Proz.) Erwerbsthätige, 1 354 486
Personen (3 Proz.)waren berufslose Selbständige und
Anstaltsinsassen, auch in Berufsvorbereitung Begriffene, Dienste
[* 5] und 24 910 695 (55,1 Proz.)
Angehörige. Unter
den Erwerbsthätigen waren in:
Erwerbszweig | Arbeiter |
---|---|
Landwirtschaft (mit Ausschluß der Familienangehörigen) | 3867000 |
Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei | 80000 |
Industrie, Bergbau und Bauwesen | 4430000 |
Handel und Verkehr (einschließlich Gast- und Schankwirtschaft) | 727000 |
Häuslichen Dienstleistungen und Lohnarbeit wechselnder Art | 398000 |
Zusammen | 9502000 |
Unter
den 3 867000 landwirtschaftlichen waren 1 326000 weibliche Arbeiter
oder 34 Proz.;
unter den 4 430000 «industriellen» Arbeiter
etwa 340000 Hausindustrielle
und etwa 545000 weibliche Arbeiter.
Von den Arbeiter Die Vorbildung der Arbeiter ist eine äußerst
verschiedene. Der «ungelernte Arbeiter»
, welcher Arbeitsleistungen
verrichtet, die keine besondere technische und geistige Ausbildung voraussetzen, die jeder vornehmen oder doch
in kurzer Zeit erlernen kann, hat nur die in den
Volksschulen gelehrte Elementarbildung notdürftig genossen, während der
«gelernte Arbeiter»
eine längere oder kürzere Lehrzeit durchgemacht,
auch vielfach in gewerblichen Fortbildungsschulen sich weitere Kenntnisse erworben hat.
Letztere dienen zur theoretischen Fachbildung vornehmlich für künftige Kleinmeister,
Gesellen, gelernte Fabrikarbeiter
,
Werkführer und
Meister in Fabriken.
Andere Arbeiter
, vor allem im Handwerk, haben auch wohl specielle gewerbliche
Fortbildungsschulen (niedere Fachschulen) oder Lehrkurse durchgemacht, welche zur theoretischen Ausbildung der
Angehörigen
eines
Gewerbes oder verwandter
Gewerbe von
Innungen oder andern gewerblichen Korporationen begründet sind.
Unter den verschiedenen
Arbeiterklassen ist die zahlreichste die der ungelernten Arbeiter.
Diese Arbeiter häufen
sich in den Industriemittelpunkten an, in allen möglichen gewerblichen Unternehmungen können sie Beschäftigung finden,
sie können jederzeit die Unternehmungsarten, in denen sie arbeiten, wechseln, weil überall von ihnen nur eine Äußerung
ihrer natürlichen physischen und geistigen Kraft
[* 6] gefordert wird. Die wirtschaftliche und sociale
Lage dieser Arbeiter war und
ist vielfach eine wenig befriedigende. An ihrer Verbesserung arbeiten alle um das Wohl der Gesamtheit bemühten Kräfte in
Staat,
Kirche und Gesellschaft.
Über die Bestrebungen zur
Hebung
[* 7] des
Arbeiterstandes in wirtschaftlicher, sittlicher und socialer
Hinsicht s.
Sociale Frage.
Geschichte. In der antiken Volkswirtschaft, wenigstens bei den Griechen und Römern, waren die unselbständigen Handarbeiter in der Landwirtschaft, im Bergbau, in den Gewerben und im Handel zumeist Sklaven. Bei den german. und andern europ. Völkern lag auf niederer Wirtschaftsstufe die landwirtschaftliche und die nur geringfügige gewerbliche Arbeit unfreien, hörigen Arbeiter ob. Erst mit dem Aufkommen der Städte wird das Handwerk von ¶
mehr
freien Bürgern betrieben. Die gewerbliche Bevölkerung, [* 9] welche in den Zünften (s. d.) Förderung und Schutz fand, zerfiel in Meister, Knechte (Gesellen) und Lehrlinge. Die unter dieser Gewerbeverfassung erstarkende gewerbliche Arbeit bildete eine Art «Werkstattverhältnis» aus, das in mehr als einer Beziehung Meister und Arbeiter miteinander verband; ein Gegensatz zwischen kapitalbesitzenden Unternehmern und kapitallosen Lohnarbeitern war noch nicht vorhanden; für alle bestand die Möglichkeit, durch eigene Kraft zur selbständigen Unternehmerstellung zu gelangen.
Dies änderte sich wesentlich, als mit der Entwicklung der Großindustrie die alten Zunftschranken fielen, als an die Stelle des zünftigen Gewerberechts die Gewerbefreiheit (s. d.) trat, welche das frühere Herrschafts- und Dienstverhältnis in ein reines Vertragsverhältnis gleichberechtigter Personen umwandelte und die Freiheit und Selbständigkeit der gewerblichen Lohnarbeiter rechtlich anerkannte. Die moderne Fabrikindustrie mit Maschinenbetrieb und weitgehender Arbeitsteilung schuf aber nicht nur eine neue mit der Ausdehnung [* 10] des Großbetriebes zunehmende Arbeiterklasse, sondern führte auch zu einer vollständigen Umgestaltung der wirtschaftlichen und socialen Lage der Arbeiter. Das alte «Werkstattverhältnis» schwand.
Die maschinenmäßig betriebene Industrie stellte Arbeitgeber und Arbeiter als Fremde einander gegenüber, die Kluft zwischen Arbeit und Kapital erweiterte sich mehr und mehr, und immer schwieriger wurde es für den kapitallosen Arbeiter, sich zum selbständigen Unternehmer emporzuringen. Die große Fabrikindustrie strebte nach einer stets weitern Ausdehnung des Marktes und mußte mithin bemüht sein, die Waren immer billiger zu verkaufen. Ein möglichst niedriger Preis der Waren ließ sich aber nur dann erzielen, wenn man den Arbeitslohn so tief als nur irgend angängig herabsetzte und die billigsten Arbeitskräfte, Kinder und Frauen, in immer steigendem Maße heranzog.
Die vielfach nachteilige Ausnutzung der verschiedenartigen Arbeitskräfte durch die Unternehmer zwang dann allmählich den Staat, der Freiheit des Arbeitsvertrages gewisse Grenzen [* 11] zu ziehen. (S. Fabrikgesetzgebung.) Somit versteht man gegenwärtig unter Arbeiter etwas ganz anderes als vor hundert oder noch mehr Jahren. Erst die moderne Großindustrie hat den heutigen Arbeiterstand geschaffen, und erst auf dem Boden der kapitalistischen Gütererzeugung sind die mannigfachen Fragen erwachsen, welche sich auf die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen beziehen. -
Vgl. Statistik des Deutschen Reichs (Neue Folge, Bd. 2, Berl. 1884; Bd. 5, ebd. 1885; Bd. 6, 2 Tle., ebd. 1885 - 80);
Amtliche Mitteilungen aus den Jahresberichten der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten (Berlin, [* 12] seit 1879);
Bitzer, Arbeit und Kapital (Stuttg. 1871);
L. Felix, Die und die Gesellschaft (Lpz. 1874);