Titel
Arabische
Litteratur. Die a. L. ist nicht bloß wegen ihres überaus reichen und mannigfaltigen Inhalts von höchster Bedeutung im geistigen Entwickelungsprozeß der Menschheit, sondern sie gewinnt insbesondere darum ein eigentümliches Interesse, weil ihre Blüte in eine Zeit fällt, wo in ganz Europa noch tiefes Dunkel herrschte; damals fanden viele Wissenschaften nur in ihr eine Freistätte und gedeihliche Pflege, deren Resultate dann auf die Anfänge der abendländischen Wissenschaft nachdrücklichen Einfluß übten.
Die Geschichte der arabischen Litteratur beginnt erst ein halbes Jahrhundert vor Mohammed. Den ganzen Zeitraum vor Mohammed nennen die Araber selbst (wenn auch mehr in religiösem Sinn) »die Tage der Unwissenheit«. Daß in Arabien indes schon frühzeitig die Poesie geübt worden sei, läßt schon der Genius des Volks und seine Lebensweise erwarten. Die in dem Glücklichen Arabien ansässigen Stämme hatten alles, was die Naturpoesie begünstigt, lebhafte Auffassungsgabe und leidenschaftliche Empfindung.
Aber auch das mit Gefahren und Beschwerden verbundene Leben in dürren Sandwüsten und unter steten Fehden der Stämme mußte eine männliche und heroische Dichtkunst wecken, die einen ritterlichen Geist atmete und in Liebesworten und Schlachtgesängen sich ergoß. So entstand eine Poesie, welche in hervorragender Weise Sache des ganzen Volks war. Das höchste Ansehen, welches den erfolgreichen Dichter belohnte, regte den Wetteifer zwischen Stämmen und Einzelnen an; wer sich begeistert genug fühlte, um andre Dichter zu besiegen, hing (nach einer schlecht verbürgten, aber charakteristischen Sage) zu Mekka sein Gedicht als Herausforderung an die Wand der Kaaba.
Der Dichter mußte seinen Kritikern Rede stehen mit Wort, Lanze und Schwert, und nur, wenn er die Tadler besiegte, konnte das aufgehangene Gedicht die Ehrenstelle an der Wand der Kaaba behaupten. Auf solche Preisgedichte deutete man die Namen Moallakât (»aufgehängte«) und Modsahhabat (»vergoldete«, weil sie mit goldenen Buchstaben auf Byssus geschrieben seien). Die Sammlung der Moallakât enthält sieben Gedichte der vormohammedanischen Dichter Amrilkaís, Tárafah, Soheir, Lebíd, Antara, Amru ben Kolthúm, Hárith (vgl. W. Jones, The Moallakat, Lond. 1784; Arnold, Septem Moallakat, Leipz. 1850; Ph. Wolff, Muallakat ins Deutsche übertragen, Rottweil 1857). Außer diesen Gedichten sind aus der Zeit vor Mohammed noch viele zum Teil gleich alte in den Diwanen (s. unten) einzelner Dichter und Stämme und in den beiden Hamâsa (s. d.) und andern Anthologien der Araber erhalten, obgleich die meisten erst in das Jahrhundert nach Mohammed gehören. Besonders berühmt sind der Diwan der Hudseiliten (hrsg. von Kosegarten, Lond. 1854) und die Sammlung der Diwane der Dichter En-Nâbiga, Tárafah, Alkama, Antara, Amrilkaís, Soheir. Alle diese Dichtungen setzen ein ziemlich reich entwickeltes Leben und einen feinen Formensinn voraus (vgl. Ahlwardt, Über Poesie und Poetik der Araber, Gotha 1856; Nöldeke, Beiträge zur Kenntnis der Poesie der alten Araber, Hannov. 1864). Neben und mit der Dichtkunst, gleichwie diese aber nur durch mündliche Überlieferung fortgepflanzt, blühten das Sprichwort und die Sagengeschichte der Stämme.
Eine andre Richtung nahm das Geistesleben der Araber durch Mohammed. Sein Koran, der sich der Form nach an die Reimprosa anschloß, in welcher schon früher allerhand Sprüche religiöser Weisheit überliefert wurden, stellte sich in mehr als einer Beziehung in direkten Gegensatz zu den bisherigen Anschauungen der Araber. Alles wurde nun religiösen Gesichtspunkten untergeordnet, und wenn auch das freie, obwohl einseitige Geistesleben der Araber sich nicht vollkommen unterdrücken ließ, so mußten seine Äußerungen zunächst sich doch in jenem Rahmen halten und größtenteils mit dem heiligen Buch in Verbindung treten. So wurde nicht allein die der alten Poesie nahestehende Sprache desselben maßgebend für alle spätere Litteraturübung, sondern der Koran erzeugt und bedingt zunächst ausschließlich die Entwickelung der wissenschaftlichen Triebe, neben welcher die Poesie, vorläufig noch in den alten Geleisen, hergeht.
Mit der Unterwerfung und Bekehrung der vom Atlantischen Ozean bis hinter den Oxus sitzenden Völkermassen haben die Araber auch ihre Sprache bis zu einem gewissen Grade diesen Völkern aufgedrängt. Der Koran durfte, damit nicht die Authentie des göttlichen Wortes leide, in keine fremde Sprache übersetzt werden; ihn zu verstehen, mußte der persische Mohammedaner Arabisch lernen. Seine dunkeln Stellen, seine Anspielungen auf bestimmte Verhältnisse oder Thatsachen konnte man nur in ihrem richtigen Sinn erfassen, wenn man sich an diejenigen wandte, welche dem Propheten bei Lebzeiten nahegestanden hatten, in seinen Ideen lebten, seiner Äußerungen sich erinnerten, und deren Berichte nun eifrig gesammelt und gesichtet wurden (Traditionslitteratur). So entstand die wissenschaftliche Bearbeitung der Grammatik, so die Koranwissenschaften, aus welchen dann die gesamte übrige wissenschaftliche Litteratur hervorging, indem die heilige Geschichte allmählich die Profangeschichte in sich aufnahm, die Koranerklärung sich zur Dogmatik einerseits, zur Jurisprudenz anderseits erweiterte; denn bürgerliches Gesetzbuch nicht weniger als Religionsnorm ist das göttliche Wort dem Moslem wie dem Juden.
Nicht allzulange aber ließ das geistige Leben der unterworfenen Völker sich in so enge Grenzen einschließen. Die Erhebung der Abbassiden zur Kalifenwürde (750) gab das Signal zu einer geistigen Emanzipation der nationalen und freisinnigen Elemente, welche besonders in Persien zahlreich vertreten
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waren, von der Engherzigkeit des mohammedanischen Dogmas und der Einseitigkeit des spezifisch arabischen Geistes. Gelang es auch binnen kurzem der orthodoxen Reaktion, die Bewegung zurückzudämmen, so hatte doch die kurze Freiheit genügt, Wissenszweige ins Leben zu rufen, für welche innerhalb des strengen Islam eigentlich kein Platz war: die Naturwissenschaften und vor allen die Philosophie. Beide waren bis dahin ausschließlich von Syrern gepflegt worden, welche die Schriften griechischer Philosophen und Ärzte kannten und studierten (s. Syrische Litteratur).
Unter den Abbassiden nun fing man an, diese Werke aus dem Syrischen in die allgemeine Litteratursprache des mohammedanischen Orients, das Arabische, zu übersetzen. Gleichzeitig wurden durch persische Vermittelung ähnliche Verbindungen mit Indien angeknüpft, und dem Eifer, mit welchem man dem Fremden Eingang verschaffte, entsprach die Energie der eignen Thätigkeit, welche bei den ältern Abbassiden, vor allen bei Al Mamun (813-833), die wirksamste Förderung fand. Er ließ eine große Bibliothek sammeln, an welcher er Gelehrte anstellte, gründete eine Sternwarte und unterstützte überhaupt in jeder Weise die verschiedenartigen wissenschaftlichen Bestrebungen, welche sich an jene Übersetzungen anknüpften und die zwar nur in einzelnen Fällen Neues geschaffen, jedenfalls aber die Errungenschaften des klassischen Altertums erhalten und für das Mittelalter fruchtbar gemacht haben. Dieses rege geistige Leben ging auch dann nicht ganz unter, als im 10. Jahrh. die Macht der Kalifen durch die Emir Al Omrah und die Zersplitterung ihres Reichs sehr abnahm und die Einkünfte zu den Unterstützungen der Gelehrten und gelehrten Anstalten nicht mehr hinreichten.
Ein zweites Vaterland hatte die arabische Kultur in Spanien gefunden. Hier wetteiferten die neuen omejjadischen Kalifen mit den Abbassiden im Orient. Durch ihre Bemühungen begannen Ackerbau, Kunstfleiß und Handel zu blühen, und Spanien wurde, besonders seit Almóndsir, Abd ur Rahmân III. (912) und Hákem II. (961), ein Hauptsitz der arabischen Litteratur. Was Bagdad für Asien, war die von Hákem II. gestiftete Universität zu Cordova für den Westen. An dem regen wissenschaftlichen Leben im arabischen Spanien nahmen auch die Juden teil, und auch für deren Litteratur war Spanien mehrere Jahrhunderte hindurch der Hauptsitz. Von Spanien aus verbreitete sich der wissenschaftliche Ruhm der Araber über das christliche Europa, und bald nach 900 reiste man aus Frankreich und andern europäischen Ländern dahin, um bei den Arabern hauptsächlich Mathematik und Medizin zu studieren. Gebrochen wurde die Blüte der arabischen Litteratur in Europa mit dem Fall Cordovas 1236.
Vgl. v. Schack, Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sizilien (Berl. 1865, 2 Bde.).
Nachdem die abbassidischen Kalifen im Orient zu bloßen Pontifices herabgesunken waren, wurden die Emir Al Omrah und die Gründer der aufkommenden einzelnen Dynastien, in welche das Kalifat sich auflöste, die Beförderer der Wissenschaften. So Aghlab, der Gründer der Dynastie der Aghlabiten in Tunis (um 800); Asîs, der Fatimide (975-996), der Stifter der Universität in Kairo; Mahmud, der Ghasnawide (997-1030), u. a. Selbst in der heutigen Berberei blühten Künste und Wissenschaften, und in Sizilien finden sich noch heute Spuren von einer bedeutenden arabischen Kultur.
Bemerkenswert ist, daß das eigentliche Arabien von diesem wissenschaftlichen Leben wenig oder gar nicht berührt ward. Die unvermischten Nationalaraber, welche dort, von dem Verkehr mit den unterworfenen Völkerschaften durch ihre Wüsten abgeschnitten, ihren Sitten und Gewohnheiten treu blieben, haben ihre alte Unwissenheit durch das ganze Mittelalter beibehalten, und es ist niemals aus den Augen zu lassen, daß die arabische Litteratur seit der Abbassidenzeit keineswegs die Litteratur der Araber, sondern die Litteratur der orientalischen Völker ist, welche sich in wissenschaftlichen Schriften des Arabischen fast ebenso ausschließlich bedienten wie das mittelalterliche Abendland des Lateinischen.
Mit dem 14. und 15. Jahrh. geht die Blüte der arabischen Litteratur zu Ende, und die ganze neuere Zeit hat nur zwei große Gelehrte aufzuweisen, den überaus vielseitigen Sojuti im 15. und den Polyhistor und Bibliographen Hadschi Chalfa zu Konstantinopel im 17. Jahrh., der, freilich ohne eigne Originalität, die ganze ältere Litteratur erfaßte. Außer dem Koran umfaßt das Studium der neuern Araber nur die Grammatik (Nahw), die Tradition (Hadith) und das Gesetz (Fikh); aber auch hierin sind nur die Scheichs und Muftis wohlunterrichtet. Indes läßt die Einführung der Buchdruckerkunst und der Lithographie in verschiedene mohammedanische Kulturkreise ein neues Litteraturleben erwarten, und in Syrien, Ägypten, Nordafrika zeigt sich bereits eine regere litterarische Thätigkeit.
Poetische Litteratur.
Den ersten Platz unter den besondern Fächern der arabischen Litteratur nimmt die Poesie (Schi'r) ein, deren erste Blüte in die Zeit kurz vor Mohammed fällt. Der Gegenstand der meisten Gedichte jener Periode sind die individuellen Erlebnisse der Dichter. Jede merkwürdige That, jede empfangene Wohlthat, jede überstandene Gefahr, jedes genossene oder ersehnte Liebesglück ward durch ein Gedicht gefeiert. Der äußern Form nach gab und gibt es unter den Arabern nur eine Art der Poesie, die mit den abendländischen Formen nichts Gemeinschaftliches und einen selten mit erzählenden Elementen versetzten lyrischen Charakter hat.
Jeder Vers (Beit, »Haus, Zelt«) zerfällt in zwei Halbverse (Misrá, »Thürflügel«) von gleichem Metrum, die Verse haben gleichen Endreim (Káfiah), und auch das Versmaß geht ohne Abwechselung oder Strophenbildung durch das ganze Gedicht durch. Der Einteilungsgrund der arabischen Gedichte ist die Länge. Von den kürzern heißen die 7-14 Beit langen Ghasele; sie sind meist erotischen Inhalts. Gedichte von mehr als 30, doch selten über 100 Beit heißen Kaside (Kaçídah); in ihnen werden stets mehrere, zum Teil an bestimmte Reihenfolge gebundene Gegenstände (Liebesklagen, Lobsprüche, Preis des eignen oder fremden Ruhms) in eine oft sehr äußerliche Verbindung gebracht. Einen andern Einteilungsgrund kann man dem Reim entnehmen, nach welchem ein Gedicht z. B. Lamíjah heißt, wenn es auf den Buchstaben l gereimt ist. Eine Sammlung von Gedichten Eines Verfassers heißt Diwán (»Register«). Über die arabische Metrik haben gehandelt: Freytag, Darstellung der arabischen Verskunst (Bonn 1830);
Coupry, Traité de versification arabe (Leipz. 1875);
Guyard (im »Journal asiatique« 1876).
Mit dem Koran kam ein religiöses Element in die Poesie, das ihrer freien Entwickelung hinderlich war. Ihre Wiedergeburt fällt in die Epoche der Abbassiden. Indessen nimmt sie nun den Charakter der Kunst statt der Natur an; denn die Dichter waren großenteils Gelehrte, und viele suchten ihren Ruhm vorzüglich in sinn- und geistreichen Schmeicheleien, die für
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den Dichter über alle Vorstellung einträglich waren. So gab der Feldherr Táher dem Abu Nowás 300,000 Dirhems für drei Verse auf seine Freigebigkeit mit den Worten: »Wären der Verse mehr, so wären auch der Dirhems mehr«. Die berühmtesten Dichter sind: der eben erwähnte Abu Nowás (gest. 814), der auch frische Trinklieder verfaßte (hrsg. von Ahlwardt, Greifsw. 1861);
Asmai (Açma'i, gest. 828 oder 328), auch ausgezeichnet als Kenner der alten Poesie und Sprachforscher;
Abu Temmám (s. d.);
Ibn Doreid (s. d.);
Mutanabbi (s. d.);
Abul-Alá (gest. 1057), voll Ernst und Leidenschaft die Schäden seiner Zeit geißelnd (vgl. Rieu, De Abul-Alae vita et carm., Bonn 1843; Auszüge mit Übersetzungen von Arabische v. Kremer in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 29-31);
Tograi (s. d.);
Ibn al Fáridh (s. d.);
Isseddín al Makdisí (gest. 1279),
allegorisch über Vögel und Blumen (hrsg. von Garcin de Tassy, Par. 1821);
Buçíri (gestorben um 1295),
berühmt durch ein Lobgedicht auf Mohammed unter dem Titel: »Bordah« (hrsg. mit deutscher Übersetzung von C. Arabische Ralfs, Wien 1860), u. a. Da es nach arabischer Ansicht das Merkmal eines guten Gedichts ist, daß es mit Weisheitssprüchen (Hikmah) durchwebt ist, so nehmen Sprichwörter und Gnomen in dieser Litteratur natürlich eine hohe Stelle ein.
Nicht geringer ist die Bedeutung der sprichwörtlichen Redensarten, deren Kenntnis zum Verständnis gelehrt schreibender Schriftsteller oft ganz unentbehrlich ist. Die meist apokryphischen je 100 Sprüche Alis, Abu Bekrs, Omars und Othmans hat der persische Dichter Watwát (gest. 1182) gesammelt (Alis Sprüche allein hrsg. von Fleischer, Leipz. 1837). Spätere Sammlungen sind von Meidani (gest. 1124; hrsg. von Freytag, Bonn 1838-1843, 3 Bde.), Samachschari (1074-1143; übersetzt von Fleischer, Leipz. 1835, und von Weil, Stuttg. 1836). Die Gewohnheit, Sittenlehren und Lebensregeln in Fabeln, Parabeln und Apologen einzukleiden, ist schon aus der Bibel bekannt und im Orient einheimisch.
Die a. L. besitzt zwei berühmte Sammlungen dieser Art. Die eine, aus Indien stammend (wo das Werk den Titel: »Pantschatantra«, d. h. Fünfbuch, trägt),
in der aus dem Persischen geflossenen arabischen Übersetzung »Calila wa dimna« genannt, enthält Klugheitsregeln für einen Monarchen, in Tierfabeln eingekleidet, und ist unter den verschiedenen Namen: »Fabeln Bidpais«, »Humajun Nameh« (»Kaiserliches Buch«) u. a. eins der im Orient verbreitetsten Bücher und in viele abendländische Sprachen übersetzt, aus dem Persischen ins Arabische von dem Perser Ibn el Mukaffa (gestorben etwa 756; der arabische Text hrsg. von de Sacy, Par. 1816; mehrfach auch seit 1251 d. H. in Bulak gedruckt).
Die andre Sammlung führt den Namen Lokmans (s. d.). Noch ausschließlicher der Volkslitteratur gehört der Roman an. Die arabischen Romane geben sich teils als wahre Erzählungen (Kiçça) oder Biographien (Síret), teils als Märchen (Hikájah); hauptsächlich wählte man Ritter- und Heldengeschichten zum Gegenstand der Darstellung, doch wurden manche Stoffe auch aus dem Persischen entlehnt. Die beiden umfangreichsten und zugleich beliebtesten Romane sind: »Das Leben Antaras«, das in der altarabischen Zeit, und »Das Leben des Sultans Bibárs«, das in den Kreuzzügen spielt.
Märchen gehören noch heutzutage zu den beliebtesten Unterhaltungen; an der Spitze derselben stehen »Tausendundeine Nacht« (s. d.). Als Anthologien sind neben den beiden Hamasen (s. d.) zu nennen: das »Große Liederbuch« des Abulfáradsch al Isfaháni (gest. 967),
eine großartige Sammlung mit biographischen und theoretischen Beigaben (Ausgabe mit Übersetzung, begonnen von Kosegarten, Greifsw. 1840; vollständig gedruckt in 20 Bdn., Bulak 1285 d. H.), und die »Einzige Perle der Welt« des Tha'álebi (gest. 1038), nach den Ländern geordnet (vgl. Dieterici, Mutanabbi und Seifuddaula, Leipz. 1847). Neuarabische Sprichwörter hat Burckhardt gesammelt (übersetzt von Kirmß, Weim. 1834), Volkspoesien (besonders der Beduinen) Wallin und Wetzstein.
Der Poesie sehr innig verwandt sind die sogen. Makamen (s. d.), die von den Arabern als Meisterstücke der Redekunst gepriesen werden und in ihrer Form sich an die Reimprosa des Korans anlehnen. Sie sind bald im erzählenden, bald im dialogischen Ton gehalten. Begründet wurde diese Dichtungsweise durch Hamadáni (gest. 1007), vollendet durch Hariri (s. d.).
Vgl. außer den bereits angeführten Werken noch: Humbert, Anthologie arabe (Par. 1819);
Jolowicz, Polyglotte der orientalischen Poesie (2. Ausg., Leipz. 1856), und die verschiedenen arabischen Chrestomathien von de Sacy, Kosegarten u. a.
Geschichtschreibung. Geographie.
Die historische Litteratur fällt zunächst mit der Traditionswissenschaft, zum Teil auch mit der philologischen Erklärung der alten Poesie (Stammsagen u. dgl.) und der Genealogie zusammen. Allmählich entwickelt sie sich selbständiger. Wákidi (747-823) wird als Darsteller der ersten islamitischen Eroberungszüge genannt (manches ist ihm untergeschoben, echt die von v. Kremer, Kalk. 1855-56, herausgegebenen und die von Wellhausen, Berl. 1882, übersetzten Stücke); Ibn Koteibah (828-889) lieferte höchst wichtige Nachrichten über die alte Geschichte und die verschiedenen Stämme in einem universell angelegten Kompendium (hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1850). Seit dem 3. Jahrh. der Hedschra aber wurde nach dem Bekanntwerden mit der persischen Überlieferung, mit griechischer Astronomie und christlicher Chronologie und durch Erweiterung des Gesichtskreises die Geschichte ein Lieblingsgegenstand der arabischen Gelehrten.
Das Verfahren ist annalistisch, ohne historischen Pragmatismus, aber in der guten Zeit nie ohne Angabe der schriftlichen oder mündlichen Quelle. Anekdotische Details lieben die Geschichtschreiber besonders und vergessen darüber oft das Wichtigere; bei den meisten findet sich Übertreibung, Wundersucht und Leichtgläubigkeit, aus vielen spricht ein religiöser Geist und eine theokratische Ansicht der Weltbegebenheiten. Seit dem 10. Jahrh. schrieb man auch Universalgeschichtswerke, worin die Geschichte häufig nach Dynastien behandelt wird, und Al Berúni (973-1048), ein höchst bedeutender Kopf, verfaßte eine wichtige »Chronologie orientalischer Völker« (hrsg. von Sachau, Leipz. 1876-78; engl. von demselben, Lond. 1879). Die Sprache ist meist einfach und schmucklos, bei vielen selbst vernachlässigt, bei andern umgekehrt schwülstig und bombastisch.
Trotz dieser Beschaffenheit der arabischen Geschichtschreibung ist ihr Inhalt wichtig, und für manche Partien ist sie unsre einzige Quelle. Die ersten umfassenden Geschichtschreiber sind Perser; unter ihnen ragt durch gewaltigen Fleiß hervor Tábari (839-923), dessen für die Geschichte des Orients unvergleichlich wichtige Weltgeschichte verloren schien, jetzt aber ziemlich vollständig wieder aufgefunden ist und von einem Verein von Orientalisten unter de Goejes Leitung herausgegeben wird (bisher 13 Halbbde., Leid. 1879-84; einiges war schon
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herausgegeben von Kosegarten, Greifsw. 1831-53, 3 Bde.; der persische Auszug mit französischer Übersetzung von Zotenberg erschien Par. 1867-74, 4 Bde.). Allgemeinere Geschichtswerke lieferten außerdem: der ausgezeichnete Mas'údi (gest. 957) mit seinen »Goldenen Wiesen« (arab. u. franz. von Barbier de Meynard, Par. 1866-77, 9 Bde.);
Ibn al Athír (gest. 1232; hrsg. von Tornberg, Leid. 1851-76, 14 Bde.);
der Christ Abulfáradsch, gewöhnlich Bar-Hebräus (s. d.) genannt, ein geborner Syrer;
Abulfeda (gest. 1331; seine sehr wichtigen »Annalen«, hrsg. von Reiske und Adler, Kopenh. 1789-94, 5 Bde., und die dazu gehörige »Historia anteislamica« von Fleischer, Leipz. 1831).
Ein wirklich genialer Kulturhistoriker von philosophischer Bildung und großen Gesichtspunkten ist der Spanier Ibn Chaldún (s. d.). Die ältern Epochen behandeln die Eroberungsgeschichten, so die von Beládsori (gest. 892; hrsg. von de Goeje, Leid. 1866); einen Überblick der Geschichte des Kalifats lieferte Ibn et Tiktaká (früher als Fachreddín bezeichnet; hrsg. von Ahlwardt, Gotha 1860). Als Ausgangspunkt der mohammedanischen Geschichte hat das Leben Mohammeds vielfache Darstellung gefunden, am besten nach den Materialien des 768 gestorbenen Ibn Ishák durch Ibn Hischám (gest. 828; hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1858-60, 2 Bde.; deutsch von Weil, Stuttg. 1864, 2 Bde.). Die spezielle Geschichte Arabiens wurde besonders eingehend behandelt in Bezug auf die heiligen Städte, vorzüglich Mekka (vgl. Wüstenfeld, Chroniken der Stadt Mekka, Leipz. 1857-61, 4 Bde.). Unter den dem Islam unterworfenen Ländern haben eine bevorzugte Darstellung Syrien, Ägypten und Nordafrika gefunden, das erstere durch Abu Schámah (gest. 1266; vgl. Görgens und Röhricht, Quellenbeiträge zur Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1, Berl. 1879) und Ibn Schíhnah (gest. 1485). Mit Ägypten in seiner mohammedanischen Zeit beschäftigten sich Abd ul Latíf (um 1230; hrsg. von White, Oxf. 1800; franz. von de Sacy, Par. 1810), Makrísi (gest. 1441; »Geschichte der Mamlukensultane«, übersetzt von Quatremère, das. 1837-45; »Geschichte der Kopten«, von Wüstenfeld, Götting. 1845); mit den Berbern Ibn Chaldún (s. d.); mit dem maurischen Spanien Makkari (gest. 1631; hrsg. von Dozy u. a., Leid. 1855-61; auszugsweise ins Englische übersetzt von Pascual de Gayangos, Lond. 1840-43, 2 Bde.). Außerordentlich reich ist die arabische Litteratur an Biographien, sowohl an einzelnen, darunter die des Timur von Ibn Arabschah (s. d.), als auch an Sammelwerken, von denen wir namentlich das von Ibn Challikán (gest. 1282; hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1835-43; übersetzt von de Slane, Par. 1842-71, 4 Bde.) anführen.
Vgl. Wüstenfeld, Die Geschichtschreiber der Araber und ihre Werke (Götting. 1882).
Auch die Geographie haben die Araber fleißig bearbeitet und stehen in dieser Beziehung über allen Völkern des Mittelalters. Die Eroberungen der Kalifen, die Handelsbeziehungen, welche seit den Abbassiden viele Kaufleute nach Indien, ins Innere von Afrika, ja bis nach China führten, nicht weniger die als Religionspflicht vorgeschriebenen Pilgerfahrten gaben Anlaß zur Abfassung von Itinerarien und Reisebeschreibungen. Seit mit andern griechischen Wissenschaften auch die Mathematik den Arabern bekannt geworden war, verbanden sie die mathematische Geographie mit der historischen, ohne jedoch darin über Ptolemäos hinauszugehen, nach welchem sie die Länge und Breite der Orte bestimmten.
Die den Handschriften beigegebenen Karten sind mangelhaft, aber in hohem Grad wichtig. Von den Verfassern von Reiseberichten, welche durch oft reiches kulturgeschichtliches Material noch heute wichtig sind, nennen wir: Ibn Fodhlan (gest. 921; Nachrichten von den Wolga-Bulgaren, hrsg. von Frähn, Petersb. 1823), Al Berúni (s. oben; Notizen über Indien, vgl. Reinaud, Fragments rel. à l'Inde, Par. 1845), Ibn Dschobair (1145-1217; Beschreibung seiner Pilgerreise, hrsg. von Wright, Leid. 1852), Ibn Batuta (gest. 1377, bis China vordringend; hrsg. von Defrémery und Sanguinetti, Par. 1853-59, 4 Bde.). Aus solchen konkreten Beobachtungen wie den durch die Bedürfnisse der Staatsverwaltung erforderten Aufzeichnungen mußten in Verbindung mit der griechischen Astronomie bald geographische Lehrbücher entstehen. Die ersten Routenverzeichnisse (vgl. Sprenger, Die Post- und Reiserouten des Orients, Heft 1, Leipz. 1864) genügten nicht mehr, und so entstanden die umfassendern Werke von Ibn Chordádbeh (zwischen 854-874; arab. u. franz. von Barbier de Meynard, Par. 1865), Al Istachri, dessen um 950 gemachte Umarbeitung von Al Balchîs (gest. 934) Werk durch Ibn Haukal um 976 erweitert wurde, Mukáddasi (richtiger Mákdisi, 985; diese drei hrsg. von de Goeje, »Biblioth. geogr. arab.«, Leid. 1870-79, 4 Bde.), Edrisi (um 1152; hrsg. von Dozy und de Goeje, das. 1866; franz. von Jaubert, Par. 1836-40, 2 Bde.), Kaswíni (gest. 1283; dessen Kosmographie hat Wüstenfeld, Götting. 1848-49, 2 Bde., herausgegeben und Ethé zu übersetzen begonnen, Leipz. 1869, Teil 1), Abulfedá (gest. 1331; Ausg. von Reinaud und de Slane, Par. 1840; von Schier, Dresd. 1842-45; eine Übersetzung hat Reinaud, Par. 1848, begonnen). Abu Obeid el Bekri (gest. 1094) trug ein geographisches Wörterbuch zusammen (hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1876, 2 Bde.); erschöpfender ist das von Jakút (gest. 1229; hrsg. von Wüstenfeld, Leipz. 1866-73, 6 Bde.).
Philosophische Litteratur.
Das Studium der Philosophie ging bei den Arabern teils von den natürlichen dogmatischen Zweifeln und den nie ganz getilgten Resten des Heidentums (besonders des persischen), teils von den Griechen aus, deren Werke zum großen Teil unter den abbassidischen Kalifen in die arabische Sprache übersetzt wurden. Sie hielten sich vornehmlich an die Aristotelische und nebenher an die Platonische Philosophie. Da sie insbesondere die neuplatonischen Erklärungsschriften zu Aristoteles benutzten, erscheint ihre Auffassung der Aristotelischen Lehre durch neuplatonische Zuthaten modifiziert, und einige arabische Philosophen können geradezu als Neuplatoniker bezeichnet werden. Zu einer wahrhaft philosophischen Forschung erhoben sich zwar die Araber nicht; aber sie haben das große Verdienst, der Philosophie eine Freistätte geboten, insbesondere auch, ihrer Neigung zum Schematisieren folgend, die Logik als eine einheitliche Wissenschaft dargestellt zu haben.
Durch die Autorität des Korans wurde die Stellung der arabischen Philosophen zum Islam eine ähnliche wie die der Philosophie zum Christentum, und es bildete sich neben einer von der Religion ziemlich unabhängigen, freilich durchaus innerhalb der philosophischen Schule bleibenden Verehrung und Kommentierung der großen griechischen Philosophen eine arabische Scholastik (vgl. Ritter, Über unsre Kenntnis der arabischen Philosophie, Götting. 1844). Wie die Scholastiker, teilten sich auch die arabischen Philosophen in zwei Hauptsekten, von welchen die eine sich mehr an Aristoteles, die andre mehr an Platon anschloß. Die zu
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der erstern, zahlreichern Klasse Gehörenden suchten durch eine dialektische Methode zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen und hießen Mubahhithún (s. v. w. Disputierende) oder Mutakallimún (Redende, Dialektiker). Zu ihnen gehören die orthodoxen Asch'ariten (vgl. Spitta, Zur Geschichte Abul Hasan el Asch'arîs, Leipz. 1876) und die mehr rationalistischen Mu'tasiliten (vgl. Steiner, Die Mu'taziliten, das. 1865); beide zusammen bildeten die positiv zu den Lehren des Korans sich bekennende Partei.
Die zweite Klasse sind die Ischrakijún (Illuminaten, Idealisten), die vorzüglich auf die Reinigung und Läuterung der Seele hinarbeiteten, wobei sie mehr das Gefühl und Gemüt in Anspruch nahmen und weniger orthodox waren. Zu ihnen gehörte auch die sich durch strenge Askese auszeichnende Sekte der Sufi (s. unten). Die berühmtesten arabischen Philosophen sind: Al Kindi (lat. Alcindus, aus Basra, gestorben um 864), der die Werke des Aristoteles kommentierte und eine ausgedehnte Schriftstellerei auf den verschiedensten Wissensgebieten betrieb (vgl. über ihn Flügel, Leipz. 1857);
Abu Nasr Mohammed al Farábi (Alfarabius, gest. 950), der zu wirklich tiefem Verständnis der griechischen Philosophie durchdrang und durch seine Erklärungsschriften der Lehrer aller Spätern wurde (vgl. Arabische Schmölders, Documenta philosophiae Arabum, Bonn 1836, und Steinschneider, Al Farabi, Petersb. 1869).
Das 10. Jahrh. war überhaupt ein philosophisch bewegtes; ihm gehören die sogen. »lautern Brüder« in Basra an, die einen halb philosophischen, halb maurerischen Orden darstellen wollten, ohne indes den Einfluß zu gewinnen, den sie mit ihren 51 Abhandlungen, einer Art naturwissenschaftlich-philosophischer Encyklopädie, auszuüben dachten (vgl. über sie die mannigfachen Arbeiten von Dieterici, 1858-83). Die philosophische Bewegung dauerte fort. Im folgenden Jahrhundert wirkten: Avicenna (s. d.); Abu Hámid Mohammed Ibn Mohammed Ibn Amed al Gasali (Algazel, 1059-1111) zu Bagdad, als Philosoph ein Skeptiker, als Theolog orthodox (vgl. Gosche, Berl. 1858; seine gegen die Ketzereien der Philosophen gerichtete »Wiederbelebung der Religionswissenschaften« erschien arabisch in Kairo 1278 d. H.; vgl. auch Averroes);
Abu Bekr Mohammed Ibn Bâdscha (Avempace, gest. 1138),
Verfasser verschiedener kleinerer, aber bedeutender Abhandlungen;
Abu Bekr Mohammed Ibn Tofail (gest. 1190 zu Sevilla), Neuplatoniker (»Philosophus autodidactus«, lat. von E. Pococke, Oxf. 1671; deutsch von J. G. ^[Johann Gottfried] Eichhorn: »Der Naturmensch«, Berl. 1782, in welchem psychologischen Roman die stufenweise Entwickelung des Menschen dargelegt wird);
Averroes (s. d.).
Später verflacht sich die philosophische Thätigkeit zu einer bloßen Produktion scholastischer Kompendien. Hier seien genannt: Schemseddín von Samarkand (gestorben um 1203), Verfasser eines geschätzten Grundrisses der Logik (hrsg. von Sprenger, Kalk. 1854);
Nasîreddín von Tus (gest. 1273), dessen Werk »Tedschrîd ol kelâm« (»Entblößung des Wortes«, d. h. die metaphysische Abstraktion) von den Arabern häufig kommentiert wurde;
Adhudeddín al Idschi (gest. 1355),
schrieb »Kitāb ol Mawákif« (»Buch der Stationen«, zum Teil mit arab. Kommentar hrsg. von Sörensen, Leipz. 1848);
Mas'ud el Teftasáni (gest. 1390), Verfasser eines Kompendiums der Logik und Metaphysik.
Einen sehr bedeutenden Einfluß hat die arabische Philosophie besonders in Spanien auf die Juden geübt und durch diese wieder auf die Scholastik: so ist der tiefsinnige Avicebron der jüdische Dichter Ibn Gabirol;
Mose ben Maimun oder Maimonides (s. d.) wirkt mehr in die Breite.
Vgl. Schmölders, Sur les écoles philosophiques chez les Arabes, etc. (Par. 1842);
Munk, Mélanges de philosophie juive et arabe (das. 1859).
Mathematische Wissenschaften. Astronomie.
Die Araber rechnen zu den philosophischen Wissenschaften auch die mathematischen. In diesen waren sie ebenfalls die Schüler der Griechen, jedoch haben sie das Empfangene mit neuen Entdeckungen vielfach bereichert. Besonders häufig kommentiert wurde der auch ihnen als Hauptautorität geltende Euklides. In der Arithmetik führten sie aus Indien den Gebrauch der (jetzt sogen. arabischen) Ziffern ein, welche dann auf zwei Wegen, einem nördlichen und einem südlichen (ägyptisch-berberischen), zu den Europäern gelangt sind.
Die Algebra (im Arabischen: al gébr walmukábalah, »Verbindung und Vergleichung«) ist durch die Araber zu den Abendländern gekommen, obwohl schon die Griechen (Diophantos) diesen Wissenszweig kultiviert hatten. In ihm zeichneten sich aus: Abu Abdallah Mohammed Ibn Musa (gest. 820; sein Lehrbuch hrsg. u. übers. von Rosen, Lond. 1831), Thâbit Ibn Korrah (836 bis 901), Omar Ben Ibrahim al Chajjámi (gest. 1123; »L'Algèbre d'Omar Alkhayyami«, hrsg. von Woepcke, Par. 1851) u. a. In der Geometrie hielten sich die Araber ebenfalls an die Griechen, die sie in Übersetzungen lasen.
Wir besitzen noch einen vollständigen arabischen Euklides nach der Bearbeitung des Persers Nasîreddín aus Tus (gest. 1273; 13 Bücher, arab., Rom 1594 u. Lond. 1657); ja, von dem 5., 6. und 7. Buch des Apollonios Pergäos von den Kegelschnitten, die griechisch verloren sind, hat man verschiedene arabische Übersetzungen gefunden, aus denen man das griechische Original zu ersetzen gesucht hat (vgl. Woepcke, Essai d'une restitution, etc., Par. 1856). In der Trigonometrie bauten die Araber eifrig fort auf dem Grunde, den Menelaos und Ptolemäos gelegt hatten; sie führten darin den Gebrauch der Sinus statt der Chorden ein und vereinfachten die weitläufigen trigonometrischen Operationen der Griechen.
Über ebene und sphärische Figuren schrieb Abu Dscha'far Mohammed Ibn Musa (gest. 873). Andre Mathematiker sind: Mohammed Beháeddín Ben al Hosain al Amuli (Arithmetik und Geometrie, arab. u. pers., Kalk. 1812; »Essenz der Rechenkunst«, arab. u. deutsch von Nesselmann, Berl. 1843; franz. von Arabische Marre, 2. Ausg., Rom 1864),
Mohammed Ibn al Haithem (gest. 1038),
den man den »Euklid der Araber« nannte, und der besonders über Kegelschnitte schrieb, u. a. Eifrig wurde auch die Optik getrieben, in welcher die Araber manche richtige Anschauungen gewonnen haben, daher ihre Werke in Europa noch im 16. Jahrh. benutzt wurden (so »Alhazenus Mazanus Arabs«, lat., Bas. 1572).
Unter allen mathematischen Wissenschaften blühte bei den Arabern am meisten die Astronomie. Auch hier ging man von den Leistungen der Griechen aus, insbesondere von Ptolemäos' bekanntem Buch, das nach dem griechischen megistos (»das größte«) mit dem arabischen Artikel Almagest (s. d.) genannt wurde. Nach Ptolemäos nahmen die Araber auch griechische Sternnamen auf, doch vertauschten sie die für sie bedeutungslosen mythologischen Benennungen mit andern. Mit des Kalifen Al Mamûn berühmter Ausmessung der Erde, dessen Berichtigung der Ekliptik und der auf sein Geheiß geschehenen Anfertigung neuerer astronomischer Tafeln (Sîdsch), die
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nach ihm die »Mamunischen« genannt werden, fängt die eigentliche Kultur der Astronomie unter den Arabern an. Einer der berühmtesten Astronomen dieser Periode war Alfergáni, der den Almagest in einen faßlichen Auszug brachte (gestorben gegen 830; seine »Elementa astronomica«, arab. u. lat. von Golius, Amsterd. 1669). Von dem gelehrten Al Kindî (s. oben, Philosophie) scheinen vieles entnommen und in eignen Schriften mehr nur popularisiert zu haben: der vielgenannte Abu Ma'schar (gest. 885, lat. Abumasar oder Albumasar und ähnlich, auch Japhar Indus; lat. mehrfach seit 1489), Al Bettáni (verderbt Albategnius, gest. 929; »De scientiis stellarum«, lat., Nürnb. 1537, Bologna 1645) und Ibn Júnus. Jener machte sich unsterblich durch die Entdeckung der Beweglichkeit des Apogäums der Sonne; Ibn Júnus war Hofastronom Hâkems, des sechsten fatimidischen Regenten in Ägypten, und verfaßte nach den von ihm in Kairo angestellten Beobachtungen die Hakemidischen (arab. u. franz. von Caussin, Par. 1804) und Fatimidischen Tafeln.
Auch die bujidischen Sultane in Bagdad waren große Beförderer der Astronomie, so besonders Adhud ed Daula und Scheref ed Daula, der in seinem Schloßgarten eine großartige Sternwarte errichten ließ. Obgleich die arabischen Astronomen in der Theorie meist bei Ptolemäos stehen geblieben sind, so sind doch ihre Beobachtungen höchst wichtig. Über die astronomischen Instrumente der Araber (darunter auch die in europäischen Sammlungen vorkommenden Astrolabien) schrieb im 13. Jahrh. Abul Hassan Alí (übersetzt von Sedillot, Par. 1834-35, 2 Bde.). Wie überall im Mittelalter, ist übrigens auch bei den Arabern mit der Astronomie eng, oft unlöslich die Astrologie verbunden, in deren Dienst bei vielen arabischen Astronomen die eigentliche Wissenschaft stand, und die sich dann mit kabbalistischer und magischer Weisheit vermischte, welche man zum Teil aus untergeschobenen Schriften des Hermes Trismegistos, Zoroaster etc. schöpfte. Sie hat durch jüdische und lateinische Übersetzungen einen bedeutenden Einfluß auf das Mittelalter und selbst noch auf das 16. Jahrh. ausgeübt.
Naturwissenschaften. Medizin.
Von der Philosophie trennen die Araber nicht die physikalischen Wissenschaften, zu denen in ihrem wissenschaftlichen System auch die Medizin gerechnet zu werden pflegt. Sie hat bei ihnen die eifrigste Pflege gefunden, ohne daß es ihnen indes gelungen wäre, über ihre griechischen Lehrmeister erheblich hinauszukommen; im Gegenteil haben sie sich zu dem System des Galen, welches durch seine schematische Gliederung ihrer Geistesrichtung besonders zusagte, in eine geradezu sklavische Abhängigkeit begeben. So vor allem in der Anatomie, deren Kenntnis, weil die Religion Leichenzergliederungen streng verbot, eine lediglich durch Bücher vermittelte blieb, woraus sich sofort von selbst ergibt, daß an eine wirkliche medizinische Entwickelung bei ihnen nicht zu denken ist, mag es immerhin auch unter ihnen große Praktiker und gute Beobachter gegeben haben, die in den schon früh von den Kalifen wie von spätern Herrschern gegründeten Spitälern sich ausbilden konnten.
Besseres leisten sie daher vor allem in der pharmazeutischen Chemie, die wenigstens mit vielen Entdeckungen durch sie bereichert worden ist. Fast alle arabischen Ärzte wissen das Quecksilber aufzulösen, in Salzgestalt zu verwandeln und Salben daraus zu bereiten. Sie kennen die Ameisensäure und die Reinigung des Borax, wenden Spießglanzmittel an und wissen aus den Pflanzen die wirksamen Stoffe auszuziehen. Den Weingeist bereiteten sie zuerst aus Zucker und Reis.
Die Bereitung der Sirupe, der Elixire, der Naphtha und des Alkohols haben wir von ihnen gelernt. Auch die Botanik, die sie ursprünglich aus Dioskorides kennen lernten, haben sie bedeutend bereichert (vgl. Meyer, Geschichte der Botanik, Bd. 3). In der Therapie folgten sie Galen. Doch kann man ihnen nicht alles Verdienst um Erweiterung dieser Wissenschaft absprechen, wozu sie die Natur gleichsam zwang, indem sich neue Krankheitsformen entwickelten, von denen Galen und die Alten nichts gewußt hatten.
Dazu gehören die Pocken, der Aussatz, die Masern, die Röteln, der Friesel, die englische Krankheit etc. Die Chirurgie blieb teils wegen Mangels anatomischer Kenntnisse, teils aus falscher Schamhaftigkeit, hauptsächlich aber aus Operationsscheu vernachlässigt und gewann erst später in Spanien einige Ausbildung. Dasselbe gilt von der Geburtshilfe. Die ältesten uns bekannten Ärzte der Araber sind Syrer, welche die griechische Medizin kannten und übten (s. oben), und Perser, in deren Land syrische Ärzte schon vor der mohammedanischen Invasion praktiziert und Schulen (z. B. in Dschondesabúr) gegründet hatten.
Arabisch wurde die Medizin eigentlich erst durch den berühmten Übersetzer und Kommentator des Galen, Honein Ibn Ishák (gest. 873); neben ihm mag genannt werden Ibn Mâsaweíh (lat. Mesue, der ältere, gest. 857). Der größte und gelehrteste der arabischen Ärzte ist Râsi (s. d.), berühmter aber noch Avicenna (s. d.). Ferner sind bemerkenswert aus dem 11. und 12. Jahrh.: die Spanier Abul Kasim (Albucasis) el Sahráwi, der Chirurg;
Abu Merwan Ibn Zohr (Abimerun Avenzoar, gest. 1162), einer der originellsten Selbstdenker unter den arabischen Ärzten, und Averroes (s. d.).
Eine arabische Geschichte der Ärzte schrieb Ibn Ali Uçeibi'a (gest. 668 d. H.; hrsg. von Arabische Müller, Königsb. 1884). In den Naturwissenschaften zeichnen sich aus: als Botaniker Ibn el Beitár (gest. 1248; seine »Große Zusammenstellung« schlecht übersetzt von Sontheimer, Stuttg. 1840), als Chemiker Dschabir (s. d.), als Zoolog Damíri (1349-1405), Verfasser eines zoologischen Wörterbuchs (arab. gedruckt, Bulak 1284 d. H., 2 Bde.).
Vgl. Wüstenfeld, Geschichte der arabischen Ärzte und Naturforscher (Götting. 1840);
L. Leclerc, Histoire de la médecine arabe (Par. 1876; unkritisch).
Theologie und Rechtswissenschaft.
Den breitesten Raum in den Studien der Araber nimmt die Theologie und die mit ihr notwendig verbundene Jurisprudenz ein. Durch die Entwickelung beider aus Koran und Traditionswissenschaft, zum Teil später durch die Kreuzung mit und den Gegensatz gegen den Einfluß der griechischen Philosophie entstanden allmählich eine Menge Sekten, von denen 4 im 8. Jahrh. entstandene für rechtgläubig und 72 für ketzerisch galten. Unter den letztern haben sich am meisten ausgebreitet die Schiiten, welche noch heute in Persien herrschen; die vier orthodoxen Sekten (Sunniten, weil sie der Sunna, der Überlieferung, folgen) bilden die bei weitem größte Masse der Mohammedaner, und es gehören zu ihnen die Bewohner Arabiens, Afrikas, Ägyptens, Syriens, der Türkei und der Tatarei. Es sind: die Hanefiten (gestiftet von Abu Hanífa Ibn Thâbit, 690-767), Rationalisten, welche die Sunna mit den Grundsätzen der Vernunft in Einklang zu bringen bestrebt sind (vgl. Flügel, Die Klassen der hanefitischen Rechtsgelehrten, Leipz. 1862);
die Schafi'iten
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(gestiftet von Mohammed Ibn Edris al Scháfi'i, gest. 819), welche den Hanefiten direkt entgegenstehen, indem sie den Gebrauch der Vernunft und der Philosophie ganz verwerfen; die Malikiten (gestiftet von Málik Ben Anas, gest. 795), welche das Hauptgewicht auf die Reinheit der Tradition legen, aber, wie die Hanbaliten (gestiftet von Achmed Ben Hanbal, 713-855), den Gebrauch der Vernunft zulassen, wo die Tradition schweigt. Alle vier Sekten erkannten bei ihren Entscheidungen folgende Stufenfolge an. Obenan steht der Koran, dann folgt die Sunna oder Tradition, hierauf die Sammlungen der als bewährt erkannten Entscheidungen der Imame und endlich die Analogie.
Der berühmteste und zuverlässigste unter den Traditionssammlern ist El Bochári (810-870); seine Sammlung ist zum größern Teil herausgegeben von L. Krehl (Leid. 1862-68, 3 Bde.; in Bulak mehrfach gedruckt). Ebenfalls großes Ansehen genießen Málik (s. oben) und Múslim (gest. 875). Unter den theologisch-juridischen Disziplinen steht die Exegetik des Korans obenan, woran sich zahlreiche Erklärungen der Sunna und dogmatische Lehrbücher schließen, in denen auf scholastische Weise die positiven Lehren verteidigt werden.
Die berühmtesten Exegeten sind: der das Überlieferungsmaterial sammelnde Et Tábarí (s. oben, Geschichte), der rationalisierende Samáchscharí (1075-1144; hrsg. von Lees, Kalk. 1856), der orthodoxe Beidháwi (gest. 1292; hrsg. von Fleischer, Leipz. 1846-48, 2 Tle.; Index 1878). Über Dogmatik schrieben: Al Ghasali (s. oben); Omar al Nasafi (gest. 1142), nach dessen Dogmatik noch heute die Ulemas in allen hohen und niedern Schulen vortragen; Abdallah al Nasafi (gest. 1310; »Pillar of the creed of the Sunnites«, hrsg. von Cureton, Lond. 1843). Nicht so sehr in der theoretischen Theologie als mehr in praktischer Hinsicht unterscheidet sich die mystisch-asketische Sekte der Sufis, d. h. Enthaltsamen, welche besonders bei den spätern Persern unter dem Schein der Rechtgläubigkeit sich stark nach der pantheistischen Seite entwickelten. Ihre Schriften sind teils prosaisch, teils in Versen abgefaßt, wie denn große Dichter unter ihnen waren, z. B. Ibn al Faredh, unter den Persern Hafis und Dschami.
Die juridische Litteratur entwickelt sich auch späterhin nach den Grundprinzipien der vier Sekten. Sie teilt sich hauptsächlich in zwei Gruppen, die Grundlagen (Uçúl) und die abgeleiteten Sätze (Furú). Besondern Ruhm haben erlangt: unter den Malikiten Chalíl (gest. 1366; »Précis de jurisprudence musulmane«, übersetzt von Perron, Par. 1848-54, 6 Bde.);
unter den Hanefiten Borhán ed-din Ali al Marghináni (gest. 1197) mit seiner »Hidájeh« (»Wegeleitung«, Kalk. 1818, 2 Bde.; engl. von Hamilton, Lond. 1791, 4 Bde.),
Ibrahim von Aleppo (gest. 1549; sein Werk übersetzt von Mouradgea d'Ohsson in seinem »Tableau général de l'empire ottoman«, Par. 1787, 2 Bde.);
unter den Schafi'iten Abu Schodschá (am Ende des 5. Jahrh.; »Précis de jurisprudence musulmane«, hrsg. u. übers. von Keijzer, Leid. 1859) und Abu Ishák al Schirási (gest. 1083; übersetzt von Keijzer als »Handboek voor het Mohammedaansche recht«, Haag 1853).
Auch das Staatsrecht wurde in ein ziemlich ausgebildetes System gebracht, dessen musterhafte Darstellung wir Mâwérdi (gest. 1058; hrsg. von Enger, Bonn 1853) verdanken. Über das Rechtswesen des Islam vgl. außer Mouradgea (s. oben) besonders Tornauw, Das moslemische Recht (Leipz. 1855); van den Berg, De beginselen van het Mohammedaansche recht (Batav. 1874); Sautayra und Cherbonneau, Droit musulman (Par. 1873-74, 2 Tle.). Über Philologie bei den Arabern s. Arabische Sprache.
Litteratur. Über arabische Litteratur im allgemeinen sind vor allem zu vergleichen: »Kitâb al-Fihrist« (die erste encyklopädische Litteraturübersicht der Araber, um 1000 von Mohammed Ibn Ishák verfaßt; hrsg. von Flügel, Leipz. 1871-72, 2 Bde.);
das große bibliographische Lexikon Hadschi Chalfas (hrsg. von Flügel, Lond. 1835-58, 7 Bde.);
d'Herbelots danach gearbeitete »Bibliothèque orientale« (Par. 1697; am besten, Haag 1777, 4 Bde.; deutsch von Schulze, Halle 1785-90, 4 Bde.) und die Verzeichnisse der arabischen Handschriften, welche sich in großen Massen zu Berlin, im Eskorial, in Florenz, Gotha, Kopenhagen, Leipzig, Leiden, London, Lund, Oxford, Paris, Rom, St. Petersburg, Upsala, Wien finden.
Hammer-Purgstalls »Geschichte der arabischen Litteratur« (Wien 1850-56, 7 Bde.; bis 1258 reichend) ist unzuverlässig. Den besten Überblick über die Hauptmomente ihrer innern Entwickelung geben v. Kremers »Kulturgeschichte des Orients« (Wien 1875-77, 2 Bde.) und »Geschichte der herrschenden Ideen des Islams« (Leipz. 1868).
Das bisher Gedruckte wird aufgezählt in Zenkers »Bibliotheca orientalis« (Leipz. 1846-61, 2 Bde.),
Trübners »American and oriental literary record« (Lond. 1865 ff.) und de Sacys »Bibliothèque« (Par. 1842-47, 3 Bde.). Für die letzten Jahre vgl. Friedericis »Bibliotheca orientalis« (Leipz. 1876-81, bisher 6 Hefte). C. H. Herrmanns »Bibliotheca orientalis et linguistica« (die Jahre 1850-68 umfassend, Halle 1870) ist ganz ungenügend.