Arabische
Bureaus, s. Algerien (S. 392b).
6 Wörter, 42 Zeichen
Bureaus, s. Algerien (S. 392b).
[* ] (hierzu Karte »Algerien, Marokko und Tunis«),
vormals Barbaresken- und als solcher türk. Vasallenstaat, seit 1830 französische Kolonie an der Nordküste von Afrika zwischen Marokko und Tunis, dem Mittelmeer und der Sahara. Während die östliche und westliche Grenze gegen Tunis und Marokko festgelegt ist, erscheint die südliche sehr dehnbar und wird von den Franzosen je nach Bedürfnis weiter in die Sahara vorgeschoben oder auf die Oase Wargla, ihren südlichsten Stützpunkt, zurückverlegt. Im allgemeinen kann der 30. Breitengrad als Südgrenze bezeichnet werden, von Ghadames an der Grenze Tripolitaniens bis nördlich von Gurara, einer Oase Tuats. Innerhalb dieser äußersten Ausdehnung hat Algerien ca. 667,000 qkm (12,114 QM.) Flächeninhalt.
Algerien zerfällt in drei Departements: Algier, Oran und Konstantine, wovon das erstere den mittlern Teil einnimmt, im S. aber nur bis zur Oase Wargla reicht, während Oran im W., Konstantine im O. sich bis zur Südgrenze ausdehnen. Die etwa 1000 km lange Küste zeigt eine wenig gegliederte, steile und felsige Linie mit einzelnen Kaps und verhältnismäßig wenig guten Häfen. Meist gebirgig, doch auch von einzelnen Ebenen durchbrochen, erhebt sich hinter ihr das Land, dessen Bodengestaltung durch zahlreiche Höhenmessungen und Nivellements sehr genau bestimmt wurde, und das in drei gut voneinander gesonderte Teile zerfällt: im N. das Tell, das gebirgige, mit fruchtbaren Thälern durchzogene Kulturland, in der Mitte die Steppenregion mit den Salzsümpfen (Schotts) und dem Salzboden (Sebcha), im S. endlich die Sahara mit ihren Oasen.
Von der Küste nach S. vordringend, begegnet uns zuerst der Kleine Atlas. Derselbe ist nicht ein einzelnes Gebirge, sondern durch das ganze Land zieht sich, parallel mit der Küste und von dieser 75-110 km entfernt, ein 150-220 km breites, 800 bis gegen 1300 m hohes, in der Mitte muldenförmig eingesenktes und mit einem Zug von Steppenseen erfülltes Plateauland von ca. 950 km Länge, dessen Nord- und Südränder hin und wieder von Randgebirgen gekrönt werden. Unter letztern ist der Dschebel Aurês mit Höhen von 2328 (Dschebel Scheliha) und 2316 m (Dschebel Mhammel) der bedeutendste.
Zwischen dem durch sein Hochlandsklima von dem übrigen Land wesentlich verschiedenen Plateau und der Küste strecken sich zahlreiche Gebirgszüge und Gebirgsstöcke von W. nach O.; unter ihnen sind der Dschebel Dscherdschera (2308 m) und der große Babor (2022 m), beide zwischen Algier und Konstantine, die ansehnlichsten. Zwischen die einzelnen Gebirgszüge drängen sich meist kultivierte, fruchtbare Ebenen, wie jene am Scheliff im W., die von Eghris bei Mascara, von Cirat, von Tlelad und namentlich die bekannte Mitidscha bei der Stadt Algier.
Die Mitidscha ist eine 80-90 km lange und 15-19 km breite, wenig wellenförmige Ebene, an deren Südseite der Atlas steil emporsteigt, während an der Nordseite das Massiv sanft und nur an einzelnen Stellen etwas schroffer sich erhebt. Der Boden ist mit fetter, fruchtbarer Dammerde bedeckt, der nördliche Rand der Ebene aber infolge ihres sanften Abfalls von S. nach N. und starker Regengüsse, welche zur Winterszeit einzutreten pflegen, sehr sumpfig; der südliche dagegen bietet üppigen Graswuchs, ergiebige Äcker und schönen Baumwuchs dar. Im W. wird die Mitidscha durch die Hügel des Sahel begrenzt, und nordöstlich bilden die Sanddünen an den Mündungen der Flüsse Arrasch und Hamisch, die sogen. Collines du Sahel, die Grenze.
Nach innen schließt sich an das Plateauland zwischen dem 17. und 23. Meridian eine Vorterrasse, welche bei Bresina 833 m, bei El Aghuât 780 m hoch ist und nach S. und O. sich allmählich abdacht. Doch liegt El Golea noch immer 402 m, Ghardaja 530 m über dem Meeresspiegel. Von dieser Vorterrasse im W. und von dem hohen Aurês im N. begrenzt, dehnt sich bis in das tunesische und tripolitanische Gebiet eine weite, heiße Tiefebene, an der Südgrenze 162 m, bei El Wad 135 m, bei Tuggurt 50 m, bei Biskra 125 m über dem Meeresspiegel, im Sebcha Melrir 31 m unter den Meeresspiegel hinabreichend.
Diese Depression ist höchst wahrscheinlich früher durch einen größern See, den Palus Tritonis, ausgefüllt gewesen, der seinen Ausfluß bei Gabis in das Mittelmeer nahm; die tertiären Schichten des Beckens sind in der Tiefe von Wasser durchdrungen, welches, durch artesische Bohrlöcher nach oben geleitet, zahlreiche fruchtbare Oasen ins Leben gerufen hat. Über die Hälfte der Kolonie, den ganzen Süden zwischen dem 30. und 34. Breitengrad, nimmt endlich die Algerische Sahara (auch Angab genannt) ein, in welcher nur einzelne Oasen den Anbau des Bodens gestatten. Die bedeutendsten dieser Oasen sind: das Biled ul Dscherid oder Dattelland, El Wad, Tuggurt, Wargla und die Oase Ksur.
Die meisten Flüsse Algeriens entspringen im Atlasgebirge, nur sehr wenige in den Küstenbergen. Fast alle, welche vom Atlas in das Mittelmeer fließen, machen bedeutende Krümmungen, haben einen trägen Lauf, sumpfige Ufer und enge, öfters durch Sandbänke verstopfte Mündungen. Kein einziger derselben ist schiffbar. Die meisten nehmen ihren Lauf von S. nach N., wovon nur der Scheliff eine bemerkenswerte Ausnahme macht. Zwischen den Grenzen von Tunis und Marokko münden nicht weniger als 25 größere und kleinere Flüsse in das Mittelmeer, von denen die bedeutendern folgende sind: die Sebuse (Rubricatus), die Budschima und der Mafrag, welche in den Golf von Bone münden, der Wad el Kebir (Rumel), der wiederholt unter Felsen verschwindet, und der Summam (Sawah), der einen der bedeutendsten Querrücken des Atlas durchbricht und nach 208 km langem Lauf in die Bucht von Bougie mündet;
endlich der Sahel, Buberak (Nissah), auf der Grenze der Provinzen Konstantine und Algier;
ferner der Isser, Harrach und Mazafran, welche auf dem Kleinen Atlas entspringen;
der Scheliff, der als Sebau Aïun am Fuß des Bergs Wenseris entspringt, von da unter dem Namen Nahar Wassel erst nach O., dann nach N. und W. und 178 km weit der Küste parallel fließt und nach 445 km langem Lauf zwischen dem Kap Ivi und Mostaganem in das Meer mündet;
die Makta und endlich die Tafna, der westlichste Fluß Algeriens.
Die Flüsse Algeriens haben eine ganz besondere Bedeutung gewonnen, seitdem man angefangen hat, sie im großartigen Maßstab zur Bewässerung zu verwenden. Das System der riesigen Wehrbauten (Barrages), wahrscheinlich zuerst von den Karthagern angewandt, verfiel unter der Türkenherrschaft, wurde aber seit 1843 wieder in Thätigkeit gesetzt. Die vom südlichen Abhang des Atlas abfließenden Gewässer münden in Salzsümpfe (Schotts) oder versiegen im Sande. Die bemerkenswertesten dieser oft umfangreichen Salzsümpfe sind: Sebcha Melrir, der Schott es Saida, der
ALGERIEN, MAROKKO UND TUNIS.
Maßstab 1:9.500000
Erklärung arabischer Namen:
Ain Quelle
Bir gemauerter Brunnen
Dschebel Berg
Hassi gegrabener Brunnen
Kasba Schloß, Fort
Kasr befestigter Ort
Oglat natürliches Wasserbecken
Redir natürliche Zisterne
Rharbi Westen
Sauia Grabstätte eines Heiligen
Schergi Osten
Schott Salzsumpf
Sebcha Salzsumpf
Teniel Übergang, Paß
Wadi Flußbett
Zum Artikel »Algerien«.
Schott el Schergui und Schott el Gharbi. Moräste finden sich namentlich bei Bone, um Oran, in der Ebene Tlelat und im S. von La Calle.
Da A. ziemlich auf der Grenzscheide zwischen den heißen und gemäßigten Breitengraden liegt, so vereinigt das dortige Klima die Eigenschaften dieser beiden Zonen und nähert sich dem Italiens, Spaniens und des südlichen Frankreich. Indessen unterscheidet man nur drei Jahreszeiten: den Winter in den Monaten November bis Februar, den Frühling vom März bis Juni und den Sommer vom Juli bis Oktober. Der Winter ist durch Regen bezeichnet, welche besonders im Oktober und November in ungeheuern Wassermassen fallen.
Regelmäßige Temperaturbeobachtungen liegen nur für den Küstenstrich, namentlich die Stadt Algier, vor. Im Winter schwankt die Wärme zwischen +8 und 21°, im Sommer zwischen +15 und 30° C., während sie weiter einwärts im Sahelplateau Schwankungen von 0-45° C. zeigt. Nach einem 23jährigen, von Marit mitgeteilten Durchschnitt ist an der Küste das Minimum der Temperatur +2° C., der Durchschnitt +19° C., das Maximum +40° C. Algier hat eine mittlere Jahrestemperatur von 20,63° C. (Nizza 15,30° C., Madeira 18,38° C.).
Schneefall ist selten und meist sehr unbedeutend, ebenso trifft man nur ausnahmsweise auf Eis. Sogleich nach der Regenzeit beginnt der Frühling, während dessen die Vegetation sich in ihrer ganzen Üppigkeit entfaltet. In dieser Jahreszeit ist der Gesundheitszustand der europäischen Bevölkerung am befriedigendsten, weshalb dieselbe dann auch dem Feldbau emsig obliegt. Im Juli beginnt die große Hitze und mit ihr eine Trockenheit, gegen welche selbst der überaus reichlich fallende Nachttau nichts vermag.
Nur an der Küste kühlt die Meeresbrise die Atmosphäre auf kurze Zeiten ab. Was den Sommer in Algerien aber besonders lästig macht, ist seine lange Dauer und die Dürre, die er mit sich führt. Während der vier Sommermonate fällt selten Regen. Das Arbeiten auf freiem Feld ist um diese Zeit für den Europäer gefährlich. Gallenfieber, Diarrhöe, Dysenterie und Gehirnaffektionen sind herrschende Krankheiten. Im September und Oktober färbt sich der Horizont oft zeitweilig mit einem rötlichen Dunste, der durch die Sandteilchen entsteht, welche durch den Scirocco von S. herangeweht werden und sich in der Luft ansammeln.
Der Scirocco weht am häufigsten im September, dauert in der Regel 2-3 Tage und endigt gewöhnlich mit einem Gewitterregen. Ende Oktober, bei Beginn des Winters, sind die Tage abwechselnd trocken und feucht, ohne daß die Hitze aufhört. Nach heißen Tagen folgen oft sehr kühle Nächte. Kurze Zeit nach der französischen Okkupation galt das Klima des Landes noch für ein mörderisches, da demselben eine große Zahl Soldaten und Kolonisten erlagen, die in geradezu ungesunden Gegenden stationiert waren. Die Arbeiten aber, welche seitdem zur Bewaldung, Ent- und Bewässerung des Landes in Angriff genommen wurden, haben viel zur Besserung des Klimas beigetragen. Die Stadt Algier selbst eignet sich sogar wegen ihres ausgezeichnet gesunden Klimas vortrefflich zum Kurort für Brustkranke.
Die Einwohnerzahl Algeriens betrug 1881: 3,310,412 Seelen (10 Einw. auf 1 qkm), darunter 233,937 Franzosen und 35,665 naturalisierte Juden, 114,320 Spanier, 33,693 Italiener, 15,402 Anglo-Malteser, 4201 Deutsche, ferner Portugiesen, Schweizer etc. Im J. 1830 waren in Algerien nur 600, 1840 schon 27,000, 1850: 125,000, 1876: 323,000, 1881 ca. 400,000 Europäer. Auch das Eingebornen-Element hat sich unter der französischen Regierung ganz bedeutend vermehrt.
Das Verhältnis der Eingebornen zu den Europäern stellt sich auf 86:14. Was die Zahl der Deutschen in Algerien betrifft, so ist dieselbe trotz der Zuwanderung der Elsaß-Lothringer in der Abnahme begriffen, da sie 1855 noch 6040 betrug, 1881 aber auf 4201 zurückgegangen war. Sie zeigen unter allen Kolonisten die größte Sterblichkeit (früher 55, jetzt 39 Todesfälle auf 1000 Einw. gegen 32 Geburten), während Südfranzosen, Spanier, Italiener, vor allen aber Juden (55 Geburten gegen 24 Todesfälle) dort gedeihen. Namentlich den Italienern und Spaniern, nicht den Franzosen ist der Aufschwung Algeriens zu danken. Dem Religionsbekenntnis nach unterscheidet man etwa 200,000 Katholiken, 12,000 Protestanten und 33,120 Juden. Der überwiegende Rest besteht aus Mohammedanern. - Zwischen den Fremden und den Eingebornen besteht eine tiefe Kluft: Sitten, Sprache, Religion, Geschichte, Traditionen, alles trennt den Muselmanen von dem verhaßten Rumih (Christen).
»Man schütte«, so sagt ein arabischer Heiliger, »in ein und dasselbe Gefäß das Blut eines Rumihs und eines Muselmanen, und sie werden sich nie vermischen.« Abgesehen von kleinern Stämmen und Rassen, gehören die Eingebornen zwei verschiedenen Völkern an: den Arabern und Berbern (zusammen etwa 300 Stämme). Zu den erstern rechnet man die Beduinen, die Zeltbewohner des freien Landes. Sie selbst nennen sich Araber und sind echte Nomaden, meist Nachkömmlinge der dritten arabischen Invasion im 11. Jahrh., die ihre Namen und Stammbäume unverfälscht erhalten haben.
Ein Teil von ihnen hat sich aber schon mit den autochthonen berberischen Stämmen vermischt, eine Vermischung, die auch jetzt durch Aufschlürfung kabylischer Stämme noch vor sich geht. Die Beduinen bewohnen zum großen Teil das Tell, aber auch in der Sahara sind sie zahlreich vertreten. Im Tell treiben sie Ackerbau und Viehzucht, in der Sahara ausschließlich die letztere. Sie leben in Zelten oder Reiserhütten (Gurbis). Die seßhaften Eingebornen in den Städten sind die Mauren (ca. 2 Mill.). Ein Teil derselben ist echt arabischer Herkunft, der andre stammt von den alten Mauretaniern, ist also berberischer Rasse, aber schon längst arabisiert.
Die Mauren sind ein verarmtes, in der Abnahme begriffenes Volk, wozu die häufigen Heiraten unter Verwandten viel beitragen. Ihren Lebensunterhalt suchen sie im Kleinhandel, vorzüglich aber als Handwerker. Die Kabylen sind die echten unstreitigen Nachkommen der alten Berber, zählen etwa noch 700,000 Köpfe und bewohnen größtenteils die Provinz Konstantine, jenes alte Numidien, in welchem ihre Vorfahren so viel Zähigkeit im Kampf mit Römern und Karthagern entwickelten.
Sie haben die alte berberische oder libysche Sprache bewahrt, welche sie mit arabischen Schriftzeichen schreiben, seit sie Muselmanen geworden sind. Der Kabyle wohnt in Dörfern, er treibt Ackerbau und ein wenig Industrie, ist arbeitsam, sehr mäßig, abergläubisch, fanatisch und barbarisch, dabei schmutzig und geizig. Bei alledem ist er mehr geneigt, französische Einrichtungen anzunehmen, als der Araber; er läßt seine Kinder französische Schulen besuchen und nimmt begierig Verbesserungen im Ackerbau und Handwerk an, wird indessen mit den
Europäern ebensowenig verschmelzen wie der Araber. Kleinere Stämme in Algerien sind: die Biskrih, Araber aus der Oase Biskra, ein thätiges Völkchen, das die Packträger und Hausknechte des Landes liefert;
die Mzabiten, Leute vom Stamm der Beni Mzab, aus den Oasen an den Grenzen der Sahara.
Sie sind gleich den Kabylen berberischen Ursprungs und treiben Handel mit Datteln, dem Hauptprodukt ihres Landes. Sie gehören keiner der vier sunnitischen Sekten des Islam an, sondern verwerfen gleich den Wahabiten Arabiens die Sunna (Tradition) und mißbilligen die Heiligen- (Marabut-) Verehrung; sie sind also die Protestanten des Islam. Ihre Religion nennt man Chamsiah (d. h. die fünfte). Die Türken, welche bei der Eroberung Algeriens durch Frankreich der herrschende Volksstamm waren, wurden durch die französische Regierung zur Auswanderung gezwungen.
Die wenigen Neger stammen aus dem Innern von Afrika und leben meist als Tagelöhner und Dienstboten in den Städten. Seit 1848 hat die Sklaverei aufgehört, und alle unfreien Neger sind seitdem freie Leute. Ein Vermittelungsglied zwischen der eingebornen und europäischen Bevölkerung bilden die Juden, die aber jetzt mehr und mehr französisches Wesen annehmen, auch sich nicht mehr auf den Handel beschränken, sondern als Schreiber und Beamte sowie auch als Handwerker thätig sind. Unter den Deis lebten sie unterdrückt und mißhandelt; Frankreich brachte ihnen die Emanzipation. Seitdem sind sie reiche Leute geworden und vermehren sich stark.
An der Spitze der Regierung steht ein Generalgouverneur, der, zu Algier residierend, Zivil- und Militärgewalt in seiner Person vereinigt und unter dem französischen Kriegsministerium steht. Die drei Departements zerfallen jede in ein Territoire militaire und ein Territoire civil und werden, was letzteres betrifft, wieder in Arrondissements eingeteilt, während das Territoire militaire in Divisionen und Subdivisionen zerfällt. Der Umfang und die Bevölkerung des thatsächlich unter französischer Verwaltung stehenden Gebiets wurden Ende 1881 angegeben:
Bewohner 28. Dez. 1881 | ||||
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Departements | QKilom. | Territoire civil | Territoire militaire | Total |
Algier | 105167 | 1072762 | 178910 | 1251672 |
Oran | 86103 | 674830 | 92492 | 767322 |
Konstantine | 127064 | 1075355 | 216063 | 1291418 |
Zusammen: | 318334 | 2822947 | 487465 | 3310412 |
Die arabische Bevölkerung bildet noch Duars und Ferkas (Gemeinden), Uls (Stämme) und Arraliks (Kombinationen von mehreren Stämmen). Mittelglieder zwischen den Häuptlingen der Eingebornen (Scheichs) und der Oberbehörde sind die sogen. Bureaux arabes, deren Aufgabe es ist, einerseits die religiösen und bürgerlichen Interessen der Araber, anderseits die der Kolonisten in ihren Beziehungen zu den Eingebornen wahrzunehmen. Die Streitkräfte, welche die französische Regierung in der Kolonie unterhält, bestehen teils aus französischen Mannschaften, teils aus fremden Volontären, teils aus eingebornen Truppen in der Stärke von ca. 51,000 Mann, darunter 9000 Mann Eingeborne (Turkos und Spahis).
Außerdem ist in der Kolonie eine Miliz errichtet worden, die in Friedenszeiten zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung in den Städten dient. Die Justizverwaltung zerfällt zuvörderst, jedoch nur für einzelne Fälle, in zwei Abteilungen, deren eine alle die Europäer betreffenden Angelegenheiten, die andre die unter den Eingebornen vorkommenden Rechtshändel entscheidet. Im allgemeinen aber sind alle Bewohner, ohne Unterschied der Nationalität und des Glaubens, den französischen Gerichten unterstellt.
Nur gewisse nach dem Koran straffällige Vergehen, welche in dem französischen Gesetzbuch nicht vorgesehen sind, kommen vor die Kadis, sowie einzelne den Zivilstand der Juden betreffende Angelegenheiten der Entscheidung der Rabbinergerichte anheimfallen. Die für die europäische Bevölkerung bestehenden Gerichte sind ganz auf ähnliche Weise wie im Mutterland zusammengesetzt. Handelsgerichte bestehen in Algier und Oran. Da der mohammedanische Kultus aufs engste mit dem bürgerlichen Leben verflochten ist, so fand sich die französische Regierung veranlaßt, die religiösen Institutionen dieses Kultus nicht nur zu respektieren, sondern auch als Regierungsmittel zu benutzen.
Eine der ersten Maßregeln der französischen Regierung war darum die, daß sie sämtliche Moscheengüter der eroberten Territorien für Staatsgut erklärte, dagegen die Verpflichtung übernahm, alle Kosten des Kultus zu bestreiten. Dieses System ist bis jetzt beibehalten worden. Die geistlichen Angelegenheiten der Moslems leiten zwei Muftis. An der Spitze der katholischen Kirche steht der Erzbischof von Algier, welchem vier Generalvikare beigegeben sind; auch besitzt sie in Algier ein großes und ein kleines Priesterseminar. Die Angelegenheiten der protestantischen Kirche leitet das Konsistorium in Algier.
Mit der Stärkung der französischen Macht durch Zunahme des europäischen Elements entwickelten sich auch Rechtspflege und Sicherheit mehr und mehr. Der französische Richter wird von den Eingebornen wegen seiner Rechtlichkeit und Intelligenz geehrt, und die französische Gerichtsbarkeit findet mehr und mehr Eingang bei den Mohammedanern. Die Friedensrichter mehren sich in dem Maß, als die Kadis abnehmen; die letztern sind 1874-76 von 204 auf 144 zusammengeschmolzen.
Für den öffentlichen Unterricht ist auf den untern Stufen gut gesorgt, dagegen läßt der Mittel- und namentlich der höhere Unterricht viel zu wünschen übrig. 1876 wurden auch die Medressen (mohammedanische Gymnasien) reorganisiert und den einheimischen Lehrern noch französische Dozenten für Geschichte, Geographie, Arithmetik und die Anfänge des Rechts beigegeben. An Hochschulen gibt es eine medizinisch-pharmazeutische Vorschule zu Algier und drei Lehranstalten für das Arabische (Algier, Oran, Konstantine). Im J. 1881 zählte man 728 Elementarschulen (24 arabisch-französische) mit 79,201 Kindern, wovon 2861 mohammedanische (nur 260 Mädchen). Die geistlichen Schulen nehmen immer mehr ab, von jenen 728 waren nur 154 geistliche mit 10,808 Schülern.
Was die Bodenkultur betrifft, so hat der Landbau nach europäischen Prinzipien in Algerien noch mit den Hindernissen zu kämpfen, denen er stets in Ländern begegnet, wo sich noch alles ziemlich im Naturzustand befindet und die Bewässerung viele Schwierigkeiten verursacht. In der Sahara hat man durch die Anlage artesischer Brunnen vielfach günstige Resultate erzielt und wüste Strecken in Kulturland verwandelt. Solcher Brunnen gab es 1879: arabische 434, französische 68; die erstern gaben 64,000, die letztern 113,000 Lit. pro Minute. So wuchs die Zahl der Oasenbewohner in neun Jahren
von 6611 auf 12,827, und man zählte ca. 517,000 Palmen und 90,000 Obstbäume. In ganz waren 1880 bebaut: 18,310,775 Hektar Landes, davon 1,008,656 Hekt. durch Europäer und 17,302,119 Hekt. durch Eingeborne. Aber ein richtiger Schwung wird sich im Ackerbau wohl schwerlich bemerkbar machen, solange die französischen Kolonisten auf Kosten der andern Nationalitäten stark bevorzugt werden. Dennoch ist Algerien bereits ein Konkurrent auf dem Gebiet der europäischen Brotversorgung geworden.
Glänzende Ernten ermöglichten seit 1869 einen doppelten Getreideexport. Nächst Weizen, Gerste, Hafer, Mehl und Leinsamen, von denen 1882 für 38,1 Mill. Frank exportiert wurden, sind es die Olivenpflanzungen, welche die bedeutendste Stelle in der Landeskultur einnehmen und ein Produkt liefern, das mit dem Provenceröl konkurriert (Export 1882: 323,936 Fr.). Einen außerordentlichen Aufschwung hat der Bau von Früchten und feinen Gemüsen in der Umgebung der Stadt Algier genommen, und ein sehr bedeutender Export (1882: 5,004,390 Fr.) von frischen u. trocknen Früchten und Gemüsen versorgt nicht nur Frankreich, sondern in zunehmendem Maß auch England und Deutschland.
Der Tabaksbau ist in steter Zunahme und lieferte 1882 Tabak in rohem und verarbeitetem Zustand für 5,043,754 Fr. Dagegen hat der während des amerikanischen Bürgerkriegs in Aufschwung gekommene Baumwollbau sehr nachgelassen. Der Weinbau aber, der ein Produkt von mittlerer Güte liefert, breitet sich auch unter den mohammedanischen Bewohnern immer mehr aus, deckt den Bedarf indes noch nicht. Die Seidenzucht hebt sich und liefert jährlich etwa 2800 kg Seide. Die Waldkultur Algeriens befindet sich bei weitem nicht in dem Zustand, welchen die treffliche Naturbeschaffenheit des Waldbodens erwarten ließe. Es sind hieran vornehmlich die Verwüstungen schuld, welche die Araber dadurch in den Wäldern anrichten, daß sie, um ihrem Vieh ein wenig Weide zu verschaffen, vor der Regenzeit ungeheure Strecken Mittelwald in Brand stecken, damit das Gras dichter und leichter zugänglich werde.
Die Waldvegetation ist von Natur außerordentlich reich. Allenthalben finden sich Pinusarten, Eichen, Hainbuchen, Eschen, Zedern, Pistazien-, Mastix-, Johannisbrot-, wilde Olivenbäume, Myrten etc., und eine intelligente Kultur würde daraus die üppigsten Waldbestände erzielen können. Außer den Brenn- und Zimmerhölzern besitzt Algerien besonders zwei in Europa äußerst seltene Bäume, nämlich den süßen Eichelbaum und die Korkeiche, und die algerischen Hochebenen enthalten einen unerschöpflichen Reichtum eines von der europäischen Industrie sehr gesuchten Rohstoffs, des Alfagrases, von welchem 1883 für 12,8 Mill. Fr. ausgeführt wurde.
Der gesamte Export von Korkholz (6,65 Mill.), Gerberrinde, Palmenfasern (crin végétal) und Holzarbeiten betrug 26,5 Mill. Fr. Neuerlich hat die Regierung der Waldkultur große Sorgfalt gewidmet. Von fremden eingeführten Bäumen haben sich der riesige australische Gummibaum (Eucalyptus globulus) und der Talgbaum (Stillingia sebifera) besonders bewährt. Der Viehstand vermehrt sich gleichfalls stetig; 1881 zählte man 149,048 Pferde, 126,382 Maultiere, 205,422 Esel, 216,535 Kamele, 1,111,955 Rinder, 6,024,895 Schafe, 3,144,048 Ziegen und 60,318 Schweine.
Von diesem Viehstand gehörten 10,508,943 Stück den Eingebornen und nur 529,660 den Kolonisten. Das algerische Pferd ist schlank, leicht und nervig, daher hauptsächlich als Renner und zu militärischen Zwecken brauchbar. Bei den Arabern im allgemeinen finden sich nur minder edle Rassen von Pferden; aber seit 1852 hat man angefangen, die arabischen Stämme zur Vermehrung der Pferdezucht zu veranlassen. Zum Transport dienen in Algerien das Kamel, der Esel und das Maultier, denen das trockne und heiße Klima gut bekommt.
Schafherden machen den einzigen Reichtum der südlichen, den äußersten Saum der Wüste bewohnenden Stämme aus. Der Hauptmarkt für die Wolle jener Küstenstämme ist Konstantine. Schweine wurden erst seit der französischen Eroberung nach Algerien verpflanzt. Der bedeutende Viehstand gestattet eine ansehnliche Ausfuhr nach Frankreich und den Mittelmeerländern (1882 für 17 Mill. Fr. Rinder und Schafe, für 4,2 Mill. Häute und für 4,1 Mill. Fr. Wolle). Im J. 1879 gründeten Pariser Kaufleute auch eine Gesellschaft zur Aufzucht von Straußen in Algerien In den Sümpfen der Provinz Oran werden viel Blutegel gezüchtet.
Die Fischerei der edlen roten Koralle (1882: 1,891,560 Fr.) an der Küste ist von Bedeutung. Der Fischfang an der Küste (jährlich über 5 Mill. Fr. Wert) wird meist von Italienern betrieben. Der mineralische Reichtum Algeriens hat sich durch wissenschaftliche Untersuchungen als sehr bedeutend herausgestellt, obwohl die wirkliche Ausbeute noch bei weitem nicht diesem Reichtum entspricht. Mit Ausnahme von Gold finden sich alle Metalle, namentlich aber Eisen und Kupfer.
In der Provinz Algier sind die bedeutendsten Eisen- und Kupferminen die von Muzaia, Sumah, Dschebel, Tmulga, Miliana, Blida und Tenes; in Konstantine die reichen Eisenminen von Ain Mokra, Dschebel Anini, die Blei- und Silbergruben von Kef um Thebul, Bu Taleb, die Antimongruben von El Hammimat, die Quecksilbergruben von Jemappes und Guelma; in Oran die Blei- und Silbergruben von Lella Maghnia und Ghar Rubân, die Eisengruben vom Berg der Löwen, Ain Temuschent und der Tafna.
Vorzüglichen Marmor bricht man in allen Provinzen. Mangel an Verkehrsstraßen und die Unmöglichkeit der Verhüttung der Erze an Ort und Stelle verhindern aber einen ergiebigen Abbau, so daß 1881 an 40 Gruben verlassen wurden. In demselben Jahr wertete die Ausfuhr von Eisenerz 9,457,229, von Kupfererz 1,796,580, von Bleierz 1,319,085 Fr. An Schwefel, Porzellan- und Ziegelerde, Bausteinen, Gips etc. ist Überfluß. Auch von Mineralquellen kennt man über 100; die Ruinen von Badebassins und Tempeln, welche man in der Nähe dieser Quellen häufig antrifft, deuten darauf hin, daß schon die Römer die Wirksamkeit derselben gekannt und sie benutzt haben. Am berühmtesten sind in der Provinz Algier die heißen Quellen von Hammam Meluan und Hammam Righa, in der Provinz Oran die heiße Quelle von Bains de la Reine, vor allen aber in Konstantine die von Hammam Meskhutine, deren Hauptstrudel 95° C. hat.
Algerien bildet seit 1851 mit Frankreich ein einziges Zollgebiet. Am meisten sind Frankreich, Spanien und England bei der Ein- und Ausfuhr beteiligt. Frankreich führt in Algerien vornehmlich gewebte Stoffe aller Art, Wein, Branntwein, Zucker und Modeartikel, von seinen übrigen Kolonien Cerealien und Kaffee ein. Es bezieht dagegen von Algerien Olivenöl, Rohleder, Holz, Wolle und Tabak. Spanien liefert Früchte und Öle und bezieht gewebte Stoffe; England liefert Steinkohlen, Eisen und Metallwaren und bezieht Cerealien, Schlachtvieh und neuerlich viel Espartogras (Alfa) zur
Papierfabrikation. Ausfuhr wie Einfuhr haben sich stetig gehoben. Der wirkliche Wert der gesamten Einfuhr betrug 1882: 411,9 Mill., der der Ausfuhr 150 Mill. Fr. Von diesem wirklichen Wert muß der »offizielle« (nach einem Tarif berechnete) wohl unterschieden werden; nach letzterm sind alle Zahlen bedeutend kleiner. Die Handelsflotte Algeriens, die sich meist mit Küstenschiffahrt beschäftigt, bestand 1880 aus 1451 Schiffen, wovon 1138 für Fischerei. Außer Algier sind die besuchtesten Häfen: Bone, Philippeville, Bougie, Scherschel, Tenes, Mostaganem, Oran und Nemours (Dschema Rhasuat).
Der Verkehr der Küstenstädte nach dem Innern ist durch den Mangel schiffbarer Flüsse und guter Landstraßen sehr erschwert. Von den französischen Häfen sind es vornehmlich Marseille, Cette und Toulon, welche am meisten den Seeverkehr mit Frankreich vermitteln. Seit 1851 besteht in Algier die Banque de l'Algérie, seit 1852 auch eine Handelsbörse, deren Zweck lediglich der ist, die wirklichen Kurse der am Platz verkauften Waren in offizieller und authentischer Weise festzustellen.
Die Industrie Algeriens befindet sich natürlich der europäischen gegenüber in einem Zustand der Unterordnung, und noch geraume Zeit wird die Gewinnung und Verarbeitung der Metalle der einzige Industriezweig Algeriens bleiben, wie es auch im Interesse des Landes nur zu wünschen ist, daß die Bewohner sich vorläufig auf die Ausbeutung des Bodens beschränken und ihre Kräfte nicht in weniger naturwüchsigen Industriezweigen vergeuden. Die industrielle Thätigkeit, welche im Mittelalter bedeutender war, beschränkt sich jetzt in den Ortschaften des Tell und in den Küstenstädten fast ausschließlich auf Bereitung von Maroquin, Teppich-, Musselin- und Seidenweberei.
Für die Bewohner der Sahara waren von alters her das Weben wollener Gewänder, die Kultur des Dattelbaums und der Vertrieb dieser Erzeugnisse die Hauptquellen des Erwerbs. Die Kabylen der Gebirge treiben Ackerbau und Viehzucht, daneben Wollweberei, Holzschnitzerei, Mattenflechten etc., auch etwas Bergbau, namentlich auf Eisen, welches sie teils zu Ackergerätschaften, teils zu Waffen verarbeiten. Fast bei allen diesen Stämmen finden sich Mühlen und Ölpressen. Bei der europäischen Bevölkerung hat sich eine nennenswerte Industrie noch nicht entwickeln können.
Für den innern Verkehr hat die Regierung durch Herrichtung von Straßen manches gethan, namentlich in der Nähe der Küste, deren Gebiet schon geraume Zeit von feindlichen Stämmen gesäubert ist. Im Innern ist in dieser Beziehung aber noch viel zu thun; hier ist teilweise auch die Abneigung der Eingebornen zu überwinden. Die Gesamtlänge aller National-, Departements- und Vizinalstraßen betrug 1879: 9281 km. Die wichtigste Kunststraße ist die, welche die Städte Medea, Blida, Bufarik und Duera mit Algier verbindet.
Die erste Eisenbahn wurde 1862 von Algier bis Blida eröffnet. Das algerische Eisenbahnnetz wird nach einem einheitlichen Plan angelegt. Diesem gemäß soll in erster Linie eine die Küste entlang laufende Bahn von der östlichen Grenze des Landes bis zur westlichen hergestellt werden; dann sollen Zweigbahnen die Hauptbahn mit den westlichen Hafenplätzen verbinden und im ganzen zehn Bahnstrecken ausgeführt werden. Ende 1882 waren 1571 km im Betrieb (Hauptlinien: Algier-Oran und Bone-Konstantine); die Einnahmen betrugen 1883: 21,7 Mill. Fr. Alle Hauptorte der Unterdivisionen sind mit der Divisionshauptstadt und diese Hauptstädte wieder mit Algier durch Telegraphen verbunden;
Ende 1881 waren 5832 km Linien (13,885 km Drähte) im Betrieb.
Ein unterseeisches Telegraphenkabel verbindet seit 1879 Marseille direkt mit Algier. Gegenwärtig bestehen Dampfschiffsverbindungen zwischen Marseille und Oran, Marseille und Algier (in 1½ Tagen), Marseille und Stora, Toulon und Algier. Außerdem versehen Dampfschiffe den Küstendienst von Tanger in Marokko bis Tunis, Tripolis und Alexandria. Der Schiffsverkehr betrug 1882: 5469 Schiffe von 1,940,465 Ton., davon 2260 französische von 1,226,607 T. und nur 15 deutsche von 10,732 T. Für Hafenbauten bei Oran, Algier, Philippeville, Bone wurden in neun Jahren 27 Mill. Fr. verausgabt.
Nach nunmehr 40jährigen Kolonisationsbestrebungen ist die allgemeine Lage Algeriens eine keineswegs günstige. Die ganze Besitzung kostet Frankreich mehr, als sie einträgt; die Ausgaben (1883: 38,3 Mill. Fr.) übersteigen beständig die Einnahmen (34,6 Mill. Fr.), wozu noch die Kosten für das Heer u. a. kommen, so daß das Mutterland fortwährend beizusteuern hat. Alle Zivilisationsversuche gegenüber den auf ihre intolerante Religion gestützten Eingebornen waren vergeblich.
Jene in den Städten haben die schlechten Sitten der Franzosen angenommen, ohne sich im geringsten christlichen Grundsätzen zugänglich zu zeigen. Auf das Land ist die Zivilisation noch gar nicht vorgedrungen; dort lebt der Araber wie früher in seinem Zelt und haßt den Christen. Seit undenklichen Zeiten hat das Arabervolk sich abgesondert erhalten, weil es von seiner eignen Vortrefflichkeit überzeugt ist; es weiß, daß es den französischen Bajonetten nicht widerstehen kann, erhebt sich aber doch bei jeder Gelegenheit wider Gesetz und Ordnung. Die phantastischen Ideen Napoleons III., aus Algerien ein arabisches Reich (Empire arabe) zu bilden, wie er gelegentlich seines Besuchs in der Kolonie 1863 hervorhob, haben keine Aussicht auf Erfüllung.
Vgl. das offizielle Werk »Exploration de l'Algérie pendant les années 1840-42« (Par. 1844, 31 Bde.),
die jährlich erscheinenden »Exposés de la situation de l'Algérie«, die »Statistique générale de l'Algérie« (das. 1882);
Berbrugger, L'Algérie (das. 1842-1845, 3 Bde.);
Fillias, Géographie de l'Algérie (3. Aufl., Algier 1874);
Soleillet, L'Afrique occidentale: Algérie etc. (Par. 1877);
Gaffarel, L'Algérie; histoire, géographie, mœurs (das. 1883, Bd. 1);
Bécquet und Simon, L'Algérie.
Gouvernement, administration, législation (das. 1883, 3 Bde.); Niox, Algérie. Géographie physique (das. 1884);
v. Maltzan, Drei Jahre im Nordwesten von Afrika (2. Aufl., Leipz. 1868, 4 Bde.);
Hirsch, Reise in das Innere von Algerien (Berl. 1861);
Petzhold, Streifzüge in Frankreich und Algerien (Dresd. 1869);
Rasch, Nach Algier und den Oasen von Siban (2. Aufl., das. 1875, 2 Bde.);
Gaskell, Algerien wie es ist (a. d. Engl., Wien 1877);
Piesse, Itinéraire de l'Algérie (Par. 1879);
Schwarz, Algerien nach 50 Jahren französischer Herrschaft (Leipz. 1881). -
Karten. Carte topographique de l'Algérie publiée par le dépôt de la guerre, 1:50,000, seit 1884 im Erscheinen; Carte de l'Algérie, 1876, 1: 800,000.
Im Altertum war der östliche Teil des heutigen von Numidiern, der westliche von Mauren bewohnt. Nach der Eroberung durch die Römer gehörte jener zur Provinz Afrika und bildete seit Konstantin d. Gr. die Provinz Numidien, dieser die
Provinz Mauretania Cäsariensis, von der noch später die Provinz Mauretania Sitifensis abgetrennt wurde. Die Provinz befand sich unter den römischen Kaisern im blühendsten Zustand und hatte viele volkreiche Städte, allein 123 Bischofsitze. Aber durch die verwüstenden Einfälle erst der Vandalen, dann der Araber sank das nördliche Afrika in die alte Barbarei zurück, und unter den Arabern erhob sich Algerien nicht wieder zu der frühern Blüte. Um 935 gründete der arabische Fürst Zeiri auf der Stelle der karthagischen Pflanzstadt, später römischen Veteranenkolonie Icosium die Stadt Al Dschesair, das jetzige Algier.
Seine Nachkommen herrschten im Land bis 1148, nach ihnen bis 1269 die Almohaden von Marokko. Dann zerfiel das Land in mehrere kleinere Gebiete. Zu dem bedeutendsten, dem Königreich Tlemsen, unter den Zizaniden, gehörte Algier. Die Vertreibung der Mauren und Juden aus Spanien (1492) führte Nordafrika eine Menge neuer Ansiedler zu; diese aber waren Erbfeinde der Christen, und Seeräuberei wurde ihr Hauptgewerbe. Schon Ferdinand der Katholische zog gegen sie, nahm 1509 Oran und Bugia und 1510 die Stadt Algier selbst, wo er vor dem Hafen ein Kastell errichtete, um das Raubnest zu überwachen.
Gegen die Spanier rief der Emir der Mitidscha, Selim Eutemi, den türkischen Piratenhäuptling Horuk Barbarossa zu Hilfe, der 1515 in Algerien landete und sich nach Ermordung Selim Eutemis zum Herrscher von Algerien machte, dann auch die Sultane von Tenes und Tlemsen ihrer Gebiete beraubte, aber 1518 auf einem Streifzug gegen einen Beduinenstamm fiel. Der von den algerischen Korsaren hierauf zum Sultan ausgerufene Bruder Horuks, Chaireddin Barbarossa, stellte 1519 sein Reich unter die Lehnshoheit der Pforte, wurde Pascha und erhielt türkische Hilfstruppen, mit denen er die Spanier aus ihrem Inselfort vertrieb; er verband dieses durch einen Damm mit Algier, dessen Hafen dadurch sehr verbessert wurde.
Chaireddin eroberte auch Tunis und wurde an der Spitze seiner Piratenschiffe der Schrecken der Christen im Mittelmeer. Kaiser Karl V. unternahm eine große Expedition gegen Algerien und landete mit einer Flotte von 370 Segeln und 30,000 Mann, mußte aber, nachdem furchtbares Unwetter sein Lager und viele Schiffe zerstört hatte, nach schweren Verlusten abziehen. So dauerten die Raubzüge der algerischen Korsaren im Mittelmeer fort. Dieselben erweiterten ihre Macht auch im Innern und eroberten noch vor dem Ende des 16. Jahrh. alles westlich gelegene Land bis zur Grenze von Marokko, außer dem spanischen Oran.
Damals hatten die algerischen Korsaren oft über 200 Schiffe in See, und ihre Raubzüge erstreckten sich in den Atlantischen Ozean hinaus. Im J. 1600 erlangten die türkischen Janitscharen das Recht, einen Dei aus ihrer Mitte zu wählen, der neben dem Pascha stehen und ihr Befehlshaber sein sollte. Seitdem kam es oft zu innern Kämpfen. Mehrere Angriffe, welche die Engländer 1655 und mit den Holländern 1669 und 1670 auf Algerien machten, blieben ohne Resultat. Erst Ludwig XIV. von Frankreich trat energischer gegen die Piraten auf. Am beschoß Admiral Duquesne Algier ziemlich erfolglos.
Ein zweites Bombardement richtete zwar in der Stadt Schaden an, hatte aber sonst auch keine Wirkung. Aber 1687 wurde Algier unter Marschall d'Estrées bombardiert und größtenteils in Asche gelegt. Gleichwohl erlangte Frankreich nur einen zweifelhaften Frieden. Im J. 1708 ging Oran, die letzte Besitzung der Spanier an der Küste Algeriens, an den Dei Ibrahim verloren. Dessen Nachfolger Baba Ali machte sich von der Pforte thatsächlich unabhängig und entrichtete keinen Tribut mehr nach Konstantinopel. Algerien bildete seitdem eine Soldatenrepublik unter dem von den Janitscharen gewählten Dei, diesem zur Seite stand ein Diwan oder Staatsrat aus 60 der vornehmsten Beamten. 1732 eroberten die Spanier Oran und Mers el Kebir wieder und behielten diese Plätze bis 1791. Ihre letzte große Expedition gegen Algerien (1775) scheiterte völlig. So trotzte das Raubnest den christlichen Mächten nach wie vor und machte sich die schwächern tributär.
Nur während der Kriege zwischen Frankreich und England zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts hielt die Anwesenheit großer Kriegsflotten im Mittelmeer die Korsaren im Zaum. Nach dem Friedensschluß von 1814 begann das alte Unwesen wieder. Zwar schritten nun die Vereinigten Staaten von Nordamerika ein. Der amerikanische Kommodore Decatur schlug bei Cartagena die algerische Flotte und erzwang die Unverletzlichkeit der Unionsflagge. Als darauf der Dei die Mannschaft von 359 italienischen Schiffen, welche die Erlaubnis zum Korallenfischen für Geld erlangt hatten und unter britischer Flagge in Bone lagen, überfallen und niedermetzeln ließ, erzwang eine englisch-niederländische Flotte unter Admiral Exmouth 28. Aug. durch ein Bombardement von Algier die Freilassung von 1211 Christensklaven sowie das Versprechen, von der Seeräuberei abzulassen.
Aber schon 1817 wagten sich algerische Seeräuber wieder bis in die Nordsee und nahmen Schiffe der Mächte weg, welche ihnen nicht Tribut und Geschenke bewilligt hatten. So zahlte noch 1829 das Königreich beider Sizilien jährlich 24,000 Piaster Tribut, und zu Ähnlichem hatten sich Portugal, Toscana, Sardinien, Schweden und Dänemark verstehen müssen; selbst England bequemte sich, bei jedem Konsulwechsel ein Geschenk von 600 Pfd. Sterl. zu machen. Österreich war durch Vermittelung der Pforte von Tribut und Konsulargeschenken frei. Hannover und Bremen zahlten ansehnliche Gratifikationen, und die Schiffe der übrigen Staaten waren den algerischen Korsaren preisgegeben. Die Gefangenen verfielen nach wie vor der Sklaverei, und alle Vorstellungen der christlichen Mächte blieben unbeachtet.
Um sich von den Janitscharen, die 1817 den Dei Omar ermordet hatten, zu befreien, verlegte dessen Nachfolger Ali seine Residenz in die Citadelle (Kasba), bemächtigte sich daselbst des heiligen Schatzes und gewann damit die Mauren und Neger, mit deren Hilfe er die Janitscharen im Zaum hielt. Ihm folgte im Februar 1818 Husein, unter welchem das moslemische Regiment in Algerien infolge eines Konflikts mit Frankreich sein Ende erreichte. Wiederholte Verletzungen der französischen Flagge und 1823 eine solche der Wohnung des französischen Konsularagenten hatten schon eine feindliche Spannung erzeugt, als noch ein Streitpunkt hinzukam, indem der Dei von Frankreich die Zahlung einer hohen Summe, welche dies für 1798 während der ägyptischen Expedition von algerischen Juden geliefertes Getreide schuldig sei, verlangte. Ein hierauf bezüglicher Brief des Deis an den König von Frankreich blieb ohne Antwort. Als nun am Beiramfest 1827 der Dei die Konsuln empfing, fragte er den französischen Konsul Deval nach der Ursache dieses Stillschweigens. Dieser antwortete beleidigend, der König von
Frankreich werde sich nicht herablassen, mit einem Dei von Algier zu korrespondieren. Hierüber wütend, schlug der Dei den Konsul mit einem Fliegenwedel ins Gesicht und erging sich gegen den König von Frankreich in Schmähungen. Nun erschien ein französisches Geschwader vor Algier, nahm den Konsul auf und begann, da der Dei die Annahme des französischen Ultimatums verweigerte, die Blockade Der Dei ließ dagegen die zur Korallenfischerei bei Bone gegründeten französischen Niederlassungen (18. Juni d. J.) zerstören.
Mit der Blockade wurde aber wenig ausgerichtet, und so beschloß die französische Regierung einen Hauptschlag. Am ging von Toulon eine Flotte von 75 Kriegsschiffen und 400 Transportschiffen unter Vizeadmiral Duperré mit einem Landheer von 37,500 Mann unter General Bourmont unter Segel. Am 13. Juni ankerte die Flotte in der Bucht von Sidi el Ferruch, 5 Stunden westlich von Algier; am 15. landete das Heer ungehindert und rückte unter leichten Gefechten gegen Algier vor.
Die in der Ebene sich um die türkische Miliz des Deis sammelnden Beduinenmassen, gegen 40,000 Mann, griffen am 19. das französische Lager vergeblich an, wogegen die Division Berthezène das Lager des Deis erstürmte. Nach Ankunft des schweren Geschützes wurde am 29. das Algiers Südseite verteidigende Kaiserfort, wohin sich die Türken zurückgezogen hatten, eingeschlossen. Am 4. Juli früh begann das Feuer, und schon um 10 Uhr flog das Fort in die Luft. Algier wurde enger eingeschlossen und mit Breschbatterien umgeben.
Schon schickten sich die Franzosen an, die Kasba zu erstürmen, als der Dei Kapitulationsanträge machte. Übergabe und Abtretung der Stadt und des ganzen Landes an die Franzosen war das Resultat der Unterhandlung, und 5. Juli besetzten die Sieger die Thore und Festungswerke. Dem Dei nebst seiner Familie ward persönliche Freiheit, der Besitz seines Privatvermögens und die freie Wahl eines Wohnorts außerhalb Algeriens bewilligt. Allen Soldaten der türkischen Miliz wurde französischer Schutz zugesichert, den Einwohnern Achtung der Religion und des Eigentums, Freiheit des Handels und der Gewerbe und strenge Mannszucht. Alle Türken wurden nach Asien (Smyrna) transportiert, die Sklaverei der Christen, alle Tribute der europäischen Staaten und alle Monopole für immer abgeschafft.
Mit der Einnahme Algiers war der Krieg noch nicht beendet. Der Bei von Titteri veranlaßte 23. Juli, als der Oberbefehlshaber das 8 Stunden von Algier entfernte Blida besetzte, einen allgemeinen Angriff der Araber auf die Franzosen, wodurch diese zum Rückzug genötigt wurden. Schon war Oran durch einen Vertrag gewonnen und das wichtige Bone besetzt, als der Sturz Karls X. durch die Julirevolution eine Stockung in den französischen Unternehmungen verursachte. Bourmont wollte sein Heer in die Vendée oder Normandie führen.
Aber die Truppen und die Flotte erklärten sich für die neue Regierung, worauf Bourmont 2. Sept. Algerien verließ. Der neue französische König, Ludwig Philipp, sandte darauf den Marschall Clauzel als Gouverneur nach um das Land als französische Provinz zu organisieren. Clauzel setzte zu diesem Zweck 16. Okt. einen Regierungsausschuß mit drei Sektionen ein. Auch begann er sofort die Erweiterung des französischen Gebiets durch Streifzüge in das Innere und durch Kolonisationsversuche.
Doch wurde er schon im Februar 1831 abberufen, da er eigenmächtigerweise Oran und Konstantine an den Bei von Tunis abgetreten hatte. Sein Nachfolger, General Berthezène, richtete durch übereilte Neuerungen große Verwirrung an und reizte durch zahlreiche Konfiskationen und Sequestrationen die verschiedenen Klassen der Bevölkerung, die Kabylen oder Berber, die Araber und die Türken (Kulugli), statt sie durch kluge Politik voneinander zu trennen, zu gemeinsamem Widerstand gegen die fremden Eindringlinge an. Zu Hunderten eilten Glücksritter aus Europa nach um an der allgemeinen Beute teilzunehmen. So mißlang die französische Kolonisation in von vornherein, und trotz einiger guter Einrichtungen kam die Kolonie um keinen Schritt vorwärts.
Unter Savary (Dezember 1831 bis März 1833) wurde zwar Bone erobert, aber in Oran erhob sich der Emir von Mascara, Abd el Kader (s. d.), und der Kaiser von Marokko leistete demselben Vorschub, so daß in Oran die französische Herrschaft nicht weiter reichte als die Kanonen von Oran, Mostaganem und Arzew. Savarys Gewaltstreiche brachten bald die ganze Provinz zum Aufstand. Die wiederholten gerechten Klagen vermochten das Ministerium endlich, Savary zurückzurufen (März 1833) und zur Verantwortung zu ziehen; aber er starb schon 2. Juni d. J. Auch unter seinem Nachfolger Voirol war der Stand der afrikanischen Kolonie so traurig, daß auf Antrag der Kammer eine Kommission ernannt wurde, um den Zustand derselben zu prüfen.
Infolge dieser Untersuchung entschied man sich für die fernere Behauptung Algeriens; eine Ordonnanz vom verordnete, das eroberte Gebiet solle fortan »französische Besitzungen im Norden Afrikas« heißen. Ein Generalgouverneur sollte mit dem Generalkommando zugleich die Administration führen und unter dem Kriegsministerium stehen, die Regierung aber mittels Ordonnanzen geschehen, welche von dem Gouverneur entworfen und von dem Kriegsminister bestätigt werden sollten. Für die Justiz wurden Tribunale erster Instanz zu Algier, Bone, Oran, ein Obertribunal und ein Handelstribunal zu Algier eingesetzt und ein Generalprokurator ernannt, welcher das einheimische Recht prüfen und mit der neuen Justizverfassung in Übereinstimmung bringen sollte.
Während nun geordnetere Zustände eintraten, ruhten in entferntern Teilen der Provinz die Waffen nicht, besonders in Konstantine und Oran. Mit Abd el Kader kam endlich ein erster Friede zu stande, in welchem der Emir den König der Franzosen als Lehnsherrn anerkannte und Freundschaft und Einigkeit zwischen beiden Nationen auf jede Weise zu befördern versprach. Derselbe war aber nicht von langer Dauer. General Trézel verlor die Schlacht an der Makta gegen den Emir.
Marschall Clauzel, der im August 1835 auf den friedfertigen Drouet d'Erlon als Gouverneur folgte, zerstörte im Dezember Abd el Kaders Residenz Mascara und schlug ihn mehrere Male, aber ohne durchgreifenden und dauernden Erfolg. Besonders traurig lief Clauzels Zug gegen Konstantine ab. Von den 8000 Mann, mit denen Clauzel im November 1836 von Bone ausgezogen, kehrten nur 2800 zurück: der Rest war durch Hunger, Kälte, Krankheit und die Scharen Achmed Beis aufgerieben worden. Clauzel wurde daher im Februar 1837 zum zweitenmal abberufen und durch General Damrémont ersetzt, der sofort eine neue Expedition gegen Konstantine betrieb, während General Bugeaud Abd el Kader zum Frieden zu zwingen suchte. Wirklich wurde unweit der Tafna der zweite Friede unterzeichnet und
15. Juni zu Paris ratifiziert, durch den Frankreich in den Besitz eines beträchtlichen Teils von Oran und des größten Teils der Provinz Algier diesseit des Atlas kam. Unterdes zog Damrémont mit 15,000 Mann gegen Konstantine; 10. Okt. begann das Feuer der Belagerer, am 12. fiel Damrémont, von einer Kanonenkugel getroffen. Der Befehlshaber der Artillerie, Generalleutnant Graf Valée, übernahm das Kommando und stürmte 13. Okt. die alte Felsenfeste. General Valée wurde zum Generalgouverneur von Algerien ernannt.
Seit der Einnahme von Konstantine wurde das System planloser Kriegführung verlassen und das allmählicher Ausbreitung der französischen Herrschaft nach bestimmtem Plan und auf möglichst friedlichem Weg angenommen, welches gleich an Valée einen entschiedenen Verteidiger fand und die Sicherung der Provinz Konstantine, die fast unblutige Einnahme von Stora, Milah und La Calle (1838 und 1839) sowie die Vernichtung der Macht Achmed Beis zur Folge hatte.
Inzwischen eröffnete Abd el Kader, den Frieden von Tafna brechend, die Feindseligkeiten abermals. Wiederholte Verhandlungen und neue geplante Vereinbarungen blieben resultatlos. Abd el Kader predigte den Söhnen der Wüste überall den »heiligen Krieg« zur Vernichtung der Franzosen. Im November 1839 fielen die Araber über die Niederlassungen der Europäer her, und bis zum 24. Nov. waren die Franzosen und ihre Herrschaft vom platten Land verschwunden und auf die Festungen und festen Lager beschränkt.
Erst im folgenden Frühjahr nach Eintreffen der nötigen Verstärkungen konnte Valée den Rachekrieg eröffnen, richtete aber wenig aus. Valée erhielt deshalb den Generalleutnant Bugeaud zum Nachfolger Das von diesem angenommene System, einesteils den Feind durch ununterbrochene Razzias zu ermüden und daneben die Künste der Bestechung spielen zu lassen, andernteils in größern Expeditionen die Macht des Emirs aufzureiben und durch Besetzung und Zerstörung seiner festen Stützpunkte im Innern sein Ansehen zu untergraben und seine Hilfsquellen zu verstopfen, bewirkte glänzende Erfolge. 1841 wurde Mascara besetzt (30. Mai), dann Abd el Kaders letztes Bollwerk, Saida, zerstört (Oktober), und nachdem 1842 (30. Jan.) Tlemsen und (9. Febr.) das feste Tafrua gefallen waren, sah sich der Emir gezwungen, auf marokkanischem Gebiet Zuflucht zu suchen, worauf sich die meisten der ihm bisher anhängenden Stämme ergaben oder sich wenigstens ruhig verhielten. Schon wähnte man, nachdem ein Einfall Abd el Kaders abgeschlagen worden, die Pazifikation beendigt, als plötzlich im Sommer 1842 der Emir von neuem auf dem Kampfplatz erschien, viele Stämme ihm wieder zufielen und bald alles eben Gewonnene wieder in Frage gestellt war. Auch in den folgenden Feldzügen, an denen des Königs vierter Sohn, der Herzog von Aumale, teilnahm (welcher 1843 Abd el Kaders Smalah, d. h. sein bewegliches Lager, durch Überfall nahm), wurde den Franzosen kein entscheidender Erfolg zu teil, da der Emir in Marokko jederzeit nicht bloß eine Zuflucht, sondern auch Unterstützung zu neuen Einfällen in Algerien fand.
Daß die hierfür geforderte Genugthuung verweigert und bei den angeknüpften Verhandlungen Verrat versucht wurde, machte 1844 für Frankreich zur Sicherung Algeriens den Krieg gegen Marokko notwendig. Nach mehrfachen Plänkeleien, in denen Abd el Kader mit seinen Reitern die Vorhut der Marokkaner bildete, griff Bugeaud 14. Aug. das weit ausgedehnte marokkanische Lager an. An den Furten des Flusses Isly begann der Kampf, der trotz des tapfern Widerstands und der überlegenen Reiterei der Marokkaner bereits mittags mit einem entscheidenden Sieg der Franzosen endete. Da gleichzeitig ein französisches Geschwader unter dem Prinzen von Joinville an der marokkanischen Küste erschienen war, Tanger (6. Aug.) und Mogador (10. Aug.) bombardiert und die vor letzterm Hafen liegende Insel (16. Aug.) erobert hatte, so kam unter Vermittelung Englands der Friede zwischen Frankreich und Marokko zu stande, wonach sich der Kaiser von Marokko verpflichtete, Abd el Kader keine Art von Vorschub zu leisten. Aber schon im Frühjahr 1845 stand der unermüdliche Abd el Kader wieder auf algerischem Gebiet. Der Krieg wurde von beiden Seiten mit steigender Grausamkeit geführt. Bugeaud arbeitete gleichzeitig unermüdet an der Verbesserung der algerischen Zustände; er gründete nicht nur militärisch eingerichtete Kolonien, sondern rief auch die Zivilorganisation ins Leben. Im Mai 1847 kehrte er nach Frankreich zurück, worauf General Bedeau provisorisch als Generalgouverneur folgte. Abd el Kader gewann mehrere marokkanische Stämme, kämpfte 1847 glücklich gegen die Marokkaner, bedrohte Fes und schien nach der Herrschaft über Marokko zu streben, als er vom Sultan Abd ur Rahmân (11. Dez.) geschlagen und zum Übertritt auf französisches Gebiet genötigt wurde (21. Dez.). Als er sich aber nach der Wüste zurückziehen wollte, verlegten ihm die Franzosen den Weg, worauf er sich an sie ergab. General Lamoricière führte ihn 24. Dez. zu dem im September zum Generalgouverneur ernannten Herzog von Aumale, der ihn nach Frankreich bringen ließ. Durch die eingeführte neue Verwaltungsordnung trat für jede der drei Provinzen Algier, Oran und Konstantine neben dem Militärgouvernement eine Direktion der Zivilverwaltung mit je einem Konseil unter dem Vorsitz des Direktors in Wirksamkeit.
Die Pariser Februarrevolution aber störte die eben beginnende Entwickelung. An Stelle des Herzogs von Aumale ernannte die provisorische Regierung den General Cavaignac zum Generalgouverneur, welcher eine mildere und liberalere Praxis einführte. Als Cavaignac im Mai als Deputierter für das Departement Lot in die Nationalversammlung trat, wurde Changarnier Generalgouverneur in Algerien. Unter Cavaignacs Einfluß beschloß die Nationalversammlung, daß Algerien französisches Gebiet bleiben und vier Deputierte der Kolonie an den Beratungen über algerische Angelegenheiten teilnehmen sollten.
Der Krieg gegen die Stämme dauerte inzwischen fort, und wiederholte Aufstände hielten die französische Armee unausgesetzt in Atem. Im September wurde General Charron Generalgouverneur. Um die Bevölkerung in Algerien zu vermehren, wurden seit September 1848 einige Kolonien von Arbeitern aus Paris dahin geführt, welche jedoch nicht gedeihen wollten. Die schon früher beschlossene Deportation Verurteilter nach Algerien kam seit dem Staatsstreich vom zur Ausführung, indem Lambessa neben Cayenne zur Deportationskolonie bestimmt wurde. In den folgenden Jahren machte namentlich Kabylien die Aufbietung bedeutenderer Streitkräfte nötig. 1851 erhoben sich fast alle Gebirgsstämme zwischen Dschidschelli, Philippeville und Milah. Auf einer der kühnsten und gefahrvollsten Expeditionen besiegte General Saint-Arnaud innerhalb 80 Tagen sämtliche empörten
Stämme in nicht weniger als 20 Treffen und 6 geordneten Schlachten. Nach dem Staatsstreich vom ernannte Ludwig Napoleon den General Randon zum Generalgouverneur, der diesen Posten bis Ende August 1858 innehatte und sich um Befestigung und Ausdehnung der französischen Herrschaft sehr verdient machte. Im Dezember 1852 wurde die Oase Laghuat im Süden Algeriens in Besitz genommen, und um dieselbe Zeit stellte sich der mächtige Stamm der Beni Mzab unter französischen Schutz. 1853 und 1854 wurden wieder erfolgreiche Expeditionen gegen die Kabylen unternommen und die Oasenlandschaften von Tuggurt und Wadi Suf besetzt, in den folgenden Jahren aber auch die Uled Sidi Scheich und die Oase Wargla der französischen Herrschaft unterworfen.
Die Feldzüge von 1856 und 1857 vollendeten die Bezwingung der Kabylen, so daß seitdem die Grenze des französischen Gebiets bis an den Rand der Sahara vorgeschoben war. Durch die Dekrete vom 24. Juni und wurde die Kolonie unter ein Ministerium für Algerien und die Kolonien gestellt, dessen Chef der Prinz Napoleon, dann der Graf von Chasseloup-Laubat ward, das aber schon durch Dekret vom wieder aufgehoben und durch ein Militärgouvernement ersetzt wurde.
Dieses erhielt Marschall Pélissier, dem ein Vizegouverneur, ein Generaldirektor für Zivilgeschäfte, ein Ministerium für Justiz-, Schul- und Kirchenwesen sowie ein Konseil von 30 Mitgliedern zur Beratung des Budgets an die Seite gestellt wurde. Nach dem Tod Pélissiers (Mai 1864) trat der Marschall Mac Mahon (September) an dessen Stelle. Die Schwierigkeiten waren gerade damals wieder besonders groß; allgemeine Gärung, offene, nur zum Teil niedergeworfene Aufstände ließen eine Krisis fürchten.
Der Grund lag in der drückenden materiellen und sozialen Lage der unter französischer Herrschaft stehenden Stämme, welche die militärischen Obrigkeiten, die sogen. bureaux arabes, durchaus nicht zu behandeln verstanden. Der Mangel an Verkehrswegen, der französische Schutzzoll auf die Produkte der Kolonie, die Formalitäten und Schreibereien der Büreaukratie bewirkten, daß der Wohlstand der algerischen Bevölkerung eher zurückging, als sich hob. Ende April 1865 entschloß sich daher der Kaiser, die dortigen Verhältnisse aus eigner Anschauung kennen zu lernen.
Durch freundlichen Verkehr mit den Arabern und durch eine vielverheißende Proklamation suchte er der Unzufriedenheit zu begegnen. Seine Gedanken über Algerien brachte der Kaiser durch einen Brief an Mac Mahon im Oktober 1865 vor die Öffentlichkeit. Für Frankreich sollten die Lasten dieser Kolonie verringert, der europäischen Ansiedelung dort ersprießlichere Bahnen angewiesen, Hemmnisse des Verkehrslebens beseitigt, minder lästige und weniger büreaukratische Verwaltungsformen eingeführt werden. Das letztere entsprach der kaiserlichen Proklamation, welche den Arabern in in erhöhtem Maß Teilnahme an der Verwaltung zugesichert hatte. Aber auch jetzt kam man über Experimente und Anläufe nicht hinaus; die Unruhen und Aufstände dauerten fort, bis gegen Ende 1867 eine allgemeine Hungersnot den aufrührerischen Stämmen weitere kriegerische Unternehmungen verleidete.
Trotz der seitdem eingetretenen Ruhe war die algerische Frage für Frankreich noch ungelöst, als die Ereignisse des Jahrs 1870 hereinbrachen. An die Stelle Mac Mahons trat als interimistischer Generalgouverneur der General Durieu. Die französische Regierung sah sich genötigt, einen großen Teil der afrikanischen Truppen seit Mitte Juli im Kriege gegen Deutschland zu verwenden. Schon dies rief Bewegungen unter den Stämmen des Südens hervor. Der Sturz Napoleons und die Einsetzung einer republikanischen Regierung aber mußten auch die politischen Verhältnisse der Kolonie erschüttern.
Das Verlangen der europäischen Bewohner nach bürgerlichen Freiheiten und Abschaffung der Militärregierung fand bei dem republikanischen Regiment geneigtes Gehör. Es erfolgte die Einsetzung eines Zivilgouverneurs mit drei Präfekten für die Provinzen und die Krëierung eines jährlich im Oktober zu berufenden Komitees zur Beratung des Budgets. Durieu wurde abberufen und ein Zivilgouverneur ernannt. Dessen ungeachtet dauerte die Gärung fort. Eine offene Empörung des Stammes der Uled Sidi Scheich im Süden der Provinz Oran wurde nicht völlig unterdrückt.
Aber erst im April 1871 nahm der Aufstand im Süden von Algerien größere Dimensionen an; die europäischen Ansiedler flohen massenweise von dem flachen Land in die Städte, der Scheich El Haddad suchte ganz Mittelkabylien zum Aufstand zu bringen, und seine Emissäre schweiften bis an die Grenze von Tunis. Eine Zeitlang schien der Besitzstand der Franzosen in Algerien ernstlich bedroht, bis es dem neuen Generalgouverneur, Admiral de Gueydon, unter schweren Kämpfen 1872 gelang, die französische Herrschaft im frühern Umfang wiederherzustellen.
Wenn auch die drei algerischen Departements Deputierte in die französische Volksvertretung wählten, so ward doch auch von der republikanischen Regierung zunächst kein Zivilgouverneur wieder ernannt, vielmehr 1873 General Chanzy, einer der tüchtigsten Generale, mit der obersten Gewalt in Algerien betraut. Doch wurde demselben 1875 ein Conseil supérieur, aus Zivilbeamten bestehend, beigegeben. 1879 schienen die Zustande hinlänglich befestigt, um den Wünschen der europäischen Bevölkerung entsprechen und wiederum einen Zivilgouverneur, Albert Grévy, einsetzen zu können, dessen Gewalt sich übrigens bloß auf den Küstenstrich, ein Neuntel des algerischen Gebiets, beschränkte; die Stämme der Araber und Berber blieben unter militärischer Gewalt, die sie wenigstens im Zaum hielt, wenn sie dieselben auch nicht mit der französischen Herrschaft versöhnen konnte. Als daher Frankreich 1881 den Feldzug gegen Tunis begann und Algerien zeitweilig von Truppen entblößte, erhob sich im Westen ein kühner Häuptling, Bu Amema, und fügte durch kühne Streifzüge und Überfälle (z. B. auf Saida) den Franzosen und den europäischen Kolonisten empfindliche Verluste zu. Man sah sich daher nach Grévys Rücktritt wieder zur Verstärkung der militärischen Gewalt genötigt.
Vgl. Mac Carthy, Algeria Romana (Par. 1857);
Boissière, L'Algérie romaine (2. Aufl., das. 1883, 2 Bde.);
Fillias, Histoire de la conquête et de la colonisation de l'Algérie, 1830-60 (das. 1860);
Heim, Geschichte der Kriege in Algier (Königsb. 1861, 2 Bde.);
Ault-Dumesnil, Relation de l'expédition d'Afrique en 1830 et de la conquête d'Alger (2. Aufl., Par. 1869; enthält auch die frühere Geschichte des Landes);
Nettement, Histoire de la conquête d'Alger (2. Aufl., das. 1871);
Rousset, La conquête d'Alger (das. 1879).