Arabesken
,
die von den Arabern zur Ausschmückung ihrer Architektur erfundenen rein geometrischen oder geometrisch-vegetabilischen Verzierungen, deren Grundformen aus geradlinigen, krummlinigen oder gerad- und krummlinigen, mehr oder minder verschlungenen Figuren bestehen, und deren phantastische Pflanzengebilde mit schlanken, graziösen Stengeln, elastischen, oft in Spiralen auslaufenden Ranken und meist streng stilisierten Blättern, Knospen [* 3] und Früchten versehen sind.
Indem sie die Vermittelung jener strengern
Linien bewirken, lassen sie durch eine immer wiederkehrende
Regelmäßigkeit und Färbung ihrer vielfach verschlungenen Teile Liniengruppen erkennen, welche übersichtlich sind und
so einen glücklichen Übergang von den größern und strengern Architekturformen zu dem oft phantastischen
Linienspiel des
arabischen
Ornaments bilden.
Beispiele dieser Verzierungskunst geben die
Figuren 7 und 8 der Tafel
»Baukunst
[* 4] VIII« sowie die in
[* 1]
Fig. 6 dargestellte Abencerragenhalle in der
Alhambra, dieser unerschöpflichen Fundgrube der mannigfaltigsten
Arabesken
, und besonders die farbige Tafel
»Ornamente
[* 5] II«. Im weitern
Sinn ist Arabeske Bezeichnung des
Ornaments der arabischen
Baukunst;
doch findet sich der
Ausdruck in dieser Bedeutung erst gegen Beginn des
Zopfstils in der Kunstsprache.
Ihm ähnlich bezeichnet
Moreske das verwandte
Ornament der
Mauren, wie es sich vorzugsweise auf den Kunstdenkmälern
Spaniens
und
Siziliens vorfindet. Während das letztere aber seine ursprüngliche Bedeutung nicht verlor, dient Arabeske in der modernen
Sprache
[* 6] mißbräuchlich ohne Rücksicht auf den Ursprung des
Worts als Bezeichnung für verschiedene
Gattungen
von
Ornamenten. Zum Teil ist das eigentliche Renaissanceornament italienischen
Stils, die sogen.
Grotteske, darunter zu verstehen,
welcher die Zieraten der Titusthermen zu
Grunde liegen, und die durch
Raffaels
Schüler
Giovanni da
Udine in den Loggien des
Vatikans
die glücklichste
Ausbildung fand; zum Teil hat man dabei mehr kalligraphische Umrahmungen im
Sinn, wie
sie den Bilderhandschriften des
Mittelalters entlehnt werden, oder auch naturalistisches Blumengeranke mit Tiergestalten etc.
Ja, im gewöhnlichen
Sinn versteht man unter Arabesken
überhaupt jedes
Ornament.
Obgleich Arabesken
die
Produkte frei schaffender
Phantasie sind, so dürfen sie doch nicht ins Regellose verfallen und müssen sich
gewissen
Normen fügen. Vor allem müssen sie sowohl dem architektonischen
Charakter des Gebäudes als
auch dem besondern
Zweck der Räumlichkeit entsprechen, wobei sie angewandt werden, und hierbei eine teils schwerere, teils
leichtere Form annehmen.
Ferner müssen sie sich nach Art,
Maß und Form der Bauteile oder Ausstattungsgegenstände richten,
welche sie schmücken sollen, und verschieden werden, wenn sie auf einer
Thür oder einem
Teppich, einer
Tapete oder deren
Borte, einem Rohteil, einem
Kreis
[* 7] oder einem
Oval
[* 8] anzubringen
sind.
Auch das
Material, aus welchem sie bestehen, bedingt den
Charakter ihrer
Formen: die plastische Arabeske muß eine andre sein
als die gemalte, die in
Marmor ausgearbeitete eine andre als die in
Erz gegossene oder ziselierte, die
in
Thon geformte eine andre als die in edles
Metall gravierte.
Tritt sie als einrahmendes
Ornament auf, so muß sie sich dem
umrahmten Kunstgebilde nicht nur unterordnen, sondern auch in
Formen und
Farben diesem anpassen und darauf mehr oder
weniger deutlich hinweisen. Hauptforderung für die
Komposition der Arabeske ist
Einheit des zu
Grunde liegenden
Motivs, wonach
in der ganzen Arabeske die gleichen Formelemente festgehalten werden und der
Reiz der Mannigfaltigkeit nur durch verschiedene
Kombination derselben erzielt wird. Näheres über Arabesken
im eigentlichen
Sinn
s. in
Lübke, Geschichte der
Architektur
(Buch 4,
Kap. 2), und Hessemer,
Arabische und altitalienische Bauverzierungen (Berl. 1842, 2 Bde.).