Aquädukt
(lat.), Wasserleitung. Die historische Überlieferung schreibt die Anlage der ältesten Aquädukte Ramses d. Gr., Semiramis und dem König Salomo zu. In China existieren noch heute Aquädukte, deren Entstehung bis in die ältesten Zeiten hinaufreicht. Diese Aquädukte, für welche die Überreste derjenigen von Palmyra und Samos (687 v. Chr. von Eupalinos von Megara erbaut) Beispiele sind, waren unterirdische Kanäle, welche das Wasser aus mehr oder minder entfernt liegenden Quellen in die Städte führten. Griechische Aquädukte gab es in Athen, wo das Wasser vom Hymettos und Pentelikon herkam, in Theben, Megara, Samos (neuerdings wieder aufgefunden), Pharsalos u. a. O. Weit ausgebildeter finden wir die Aquädukte bei den Römern, wo sie selten unterirdisch, sondern meist auf gewölbten Bogenstellungen hingeführt wurden und zu den großartigsten Schöpfungen der alten Baukunst gehörten. Die Leitungen bestanden aus Holz, Blei, ja Leder, meistens aber aus Steinkanälen. Die in die einzelnen Häuser führenden Leitungen waren, wie die Ausgrabungen in Pompeji ergeben haben, gewöhnlich aus Blei. Manche Aquädukte hatten mehrere Stockwerke, jedes mit einem besondern Rinnsal und zwar von verschiedenen Quellen. Den Ausgang bildet das Quellhaus (caput aquae), das Ende des Laufs bezeichnet das Reservoir (castellum). Von hier nahm das Wasser seinen Weg in die Bäder, Gärten etc. Besondere Beamte waren mit Regelung der auf den Wasserbedarf bezüglichen Angelegenheiten betraut, und die Gesetze zum Schutz der Anlagen wurden mit Strenge gehandhabt. Die imposantesten und riesenhaftesten Aquädukte besaß Rom selbst; mehrere derselben führten das Quellwasser der Gebirge 15-30 Stunden weit über Thäler, Schluchten und Abgründe oder durch Höhen herbei. Die erste Wasserleitung daselbst, die Aqua Appia, erbaut 305 v. Chr., begann an der Via Praenestina, wurde fast 4 Wegstunden lang unterirdisch geführt, trat bei der Porta Capena in die Stadt und goß im Campus Martius ihr Wasser aus. Später entstanden jene des M. Curius Dentatus (290 v. Chr. aus Peperinblöcken erbaut), M. Agrippa, Augustus, Claudius (s. Tafel »Baukunst VI«, Fig. 3), Nero, Caligula, Caracalla. Unter den spätern Kaisern kamen noch etwa 20 andre hinzu. Welche Wassermenge diese gesamten Aquädukte einst Rom gespendet haben mögen, läßt sich daraus ermessen, daß die drei noch jetzt bestehenden hinreichen, jedes Haus sowie die unzähligen öffentlichen Brunnen der heutigen Stadt in Überfluß zu versorgen. Diese sind: die Fontana di Trevi (Virgo Aqua), von M. Agrippa 22 v. Chr. angelegt, von Papst Pius IV. wiederhergestellt; die Acqua Felice oder di Termini (Claudia Aqua), von Caligula angefangen, von Claudius 50 n. Chr. beendigt, von Papst Sixtus V. wieder hergestellt, und die Algentina, welche die herrlichen Wasserfälle in der Villa Aldobrandini bildet. Neuerdings (1882) ist die Wasserleitung des Bitilenus bei Alatri aufgedeckt worden. Die Kanäle der römischen Wasserleitungen waren nach Frontin, der die genaueste Schilderung derselben hinterlassen hat, durchweg gemauert, sowohl unter als über der Erde, und hier auf Unterbauten oder Bogengängen in Hausteinen oder Ziegeln ausgeführt und nach oben überall entweder mit Gewölben oder Steinbalken überdeckt. Der Querschnitt der Kanäle richtete sich nach der Quantität des zu leitenden Wassers, und die Höhe derselben übertraf stets den höchsten Wasserstand. Die innern Wände und Sohlen der Kanäle erhielten einen wasserdichten, aus Kalk und zerschlagenen Ziegelstückchen, anstatt des Sandes, gemischten Bewurf, der auch selbst in den durch festes Felsengebirge getriebenen Stollen nicht fehlte. Von Aquädukten in den römischen Provinzen sind noch Trümmer vorhanden, so zu Zahlbach bei Mainz, zu Metz, zu Nîmes in Frankreich (Pont du Gard), zu Segovia, Tarragona und Merida in Spanien. Hervorzuheben ist noch der vom Ostgotenkönig Theoderich um 500 zwischen zwei steilen Abhängen erbaute Aquädukt bei Spoleto in der italienischen Provinz Umbrien, der bei 89 m größter Höhe der Kämpfer über dem Terrain aus zwei Etagen mit 10 untern Öffnungen von je 21,4 m Spannweite und 30 obern Bogen besteht, welche eine Rinne tragen, worin das Wasser über den Wildbach Mareggia nach Spoleto geleitet wird. In unsrer Zeit ist die Errichtung kostspieliger Aquädukte durch Röhrenleitungen, Druckwerke u. dgl. unnötig geworden. Außer den Aquädukten zu Bomsica bei Lissabon und Caserta im Neapolitanischen sowie einigen in England und Schottland sind von neuern Bauten nur der von Arcueil (1613-24 für die Fontäne im Luxembourgpalast in Paris erbaut und 3500 m lang) und der Aquädukt Maintenon in Versailles zu erwähnen. Der letztere, unter Ludwig XIV. nach den Entwürfen und unter der Leitung Vaubans begonnen, sollte auf einer dreifachen, oben 4990 m langen, 70 m hohen Arkadenreihe von 242 Bogen die Wasser der Eure den Bassins und Wasserkünsten der Garten von Versailles zuführen; indessen wurde nur die unterste Bogenreihe mit einem Kostenaufwand von 22 Mill. Livres wirklich vollendet.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Aquädukt
(lat. aquae ductus, Wasserleitung), bezeichnet einen Leitungskanal, welcher bestimmt ist, Wasser über ein Thal, eine Schlucht, eine Straße, einen Fluß u. s. w. hinwegzuführen, teils zur Wasserversorgung größerer Städte oder sonstigen Wasserleitungszwecken, teils um Wasser, welches einer bautechnischen Anlage (Eisenbahn) Schaden bringen könnte, über dieselbe hinwegzuleiten; endlich kann ein solcher Bau einen Fabriks- oder Schiffahrtskanal tragen, in welchem Falle man den Aquädukt häufig auch, nach der franz. Bezeichnung pont canal, Brückenkanal nennt. Die Aquädukt können aus Stein, Holz oder Eisen gebaut sein.
Steinerne Aquädukt entstanden, namentlich für Wasserleitungszwecke, schon frühzeitig. Sie setzten sich meist aus hohen, in mehrern Stockwerken übereinanderstehenden Bogen zusammen, welche die mit Steinplatten überdeckten Kanäle trugen. Solche Aquädukt führten besonders die Römer in großartigster Weise aus, vornehmlich zur Wasserversorgung Roms. Schöne Reste derselben erhielten sich bei Torre nuova, in der Aqua Claudia (Porta Maggiore) und dem Aquädukt Neros auf dem Lateran zu Rom, im Sabinergebirge, namentlich aber längs der Via Frascati in der Campagna. Von den in den Provinzen errichteten Wasserleitungen erhielten sich mehrere großartige Aquädukt. So die im alten Hispanien erbauten Aquädukt bei Segovia (zwei Stockwerke, 33,7 m Höhe), bei Alcantara über den Tajo (43,6 m Höhe, 31,1 m größte Spannweite, 1,62 m Scheitelstärke im Gewölbe), bei Chelves (16,2 m hohe Pfeiler, 8,75 m Bogenspannung), bei Merida über den Albaregas (drei Stockwerke, 24,8 m Höhe, 4,45 m Bogenspannung), bei Tarragona (zwei Stockwerke, 29,81 m Höhe), dann in Gallien der von Metz (22,7 m hoch) und besonders der Pont du Gard oder die Brücke bei Nimes (Nemausus).
Figur 1: Pont du Gard
Dieser letztere geradezu klassische Bau (s. beistehende Fig. 1), wahrscheinlich unter dem Feldherrn Agrippa (63–13 v. Chr.) errichtet, gilt als eins der kühnsten und architektonisch schönsten Brückenwerke der Römer; der Aquädukt besteht, wie der von Merida, aus drei Stockwerken mit einer größten Bogenweite von 24,4 m und einer höchsten Höhe von 48,77 m über der Flußsohle. Weitere Reste von römischen Aquädukt befinden sich bei Lyon und Paris, welch letzterer unter Julian (360 n. Chr.) ausgeführt sein soll. Ferner müssen noch die röm. Wasserbrücken bei Konstantinopel, z. B. die von Hadrian angelegte und von Theodosius erneuerte, sowie die Reste der röm. Wasserleitung zu Mainz (Zahlbacher Wasserleitung) erwähnt werden; andere in Kleinasien, Nordafrika, Griechenland stammen ebenfalls aus röm. Zeit. Bemerkenswert ist weiter der Aquädukt, welchen Hannibal um 220 v. Chr. zu Martorell (ein Spitzbogen von 43,3 m Spannweite) und der, den Trajan um 100 n. Chr. zu Lissabon (32 Spitzbogen von 34 m Spannweite und bis 85 m Höhe) errichteten.
Unter dem Gotenkönige Theodorich d. Gr. wurde der von Spoleto in Umbrien erbaut, welcher nach neuern Aufnahmen («Annales des ponts et chaussées», Par. 1886) bei einer Länge von 210 m und Stärke von 9,6 bis 12,3 m, etwa 77 m hoch ist, sich aber als eine kompakte Mauer mit Schlitzöffnungen von 5 bis 9 m Weite darstellt. Später entstanden in Frankreich der Aquädukt bei Arles (1558) und der bei Arcueil (1624). Im 17. Jahrh. errichtete man die nach Versailles führenden von Marly und Buc; ferner begann man den großartigen Aquädukt Maintenon, der, bestehend aus einer dreifachen, fast 5 km langen, 71 m hohen Arkadenreihe von 242 Bogen, die Wasser der Eure in die Gärten von Versailles leiten sollte. Die Herstellung der untersten Bogenreihe kostete allein 22 Mill. Frs. Der Bau blieb unvollendet.
Figur 2: Roquefavour-Aquädukt
In neuester Zeit sind u. a. die von Roquefavour bei Marseille (1847, Fig. 2), der
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Croton-Aquädukt bei Neuyork (1837–42), der der Wasserleitung zu Paris, darunter der Pont aqueduc de la croix du grand maitre (2000 m lang, mit 177 Bogen bis zu 80 m Spannweite), der der Yonne (1500 m Länge, bis 40 m Spannweite) erbaut. Ferner die der Wiener Wasserleitung bei Baden (bis 15,2 m Spannung und 23 m Höhe mit 43 Öffnungen), Liesing (665 m lang, 17 m hoch, 44 Öffnungen) und Speising (1870–73). Auch die zur Zeit am weitesten frei gespannten Steinbögen (69,5 m Spannweite) der Cabin-John-Brücke bei Washington tragen eine Wasserleitung. Die Ausdehnung des Netzes der Schiffahrtskanäle in Frankreich, Großbritannien und Deutschland hat gleichfalls zu größern Bauwerken dieser Art Veranlassung geboten, z. B. die Aquädukt des Bridgewaterkanals über den Irwell, des Sarrekanals u. s. w. Eine besondere Art von Aquädukt hat der moderne Eisenbahnbau geschaffen, zu dem Zwecke, um z. B. einen Gebirgsbach über den Bahndamm hinwegzuleiten u. s. w. So mehrfach in den Alpen, z. B. an der Brennerbahn (Fig. 3).
Figur 3: Aquädukt einer Alpenbahn
Hölzerne Aquädukt (meist Gerinne genannt, s. d.) finden sich nur bei Anlagen von geringerer Ausdehnung oder für geringere Dauer. Sie bestehen aus einem hölzernen Leitungskanal, welcher auf Holz- oder Steinpfeilern ruht.
Eiserne Aquädukt werden häufig angelegt, wenn die Höhe, in der ein Kanal über eine Schlucht, einen Fluß, über eine Eisenbahn u. s. w. geführt werden soll, nur eine geringe ist, so daß sich Steinbogen nicht zur Ausführung eignen. Man bedient sich dazu eiserner Kasten, die den Kanal umfassen und entweder auf Steinpfeilern ruhen oder an Ketten, wie bei Kettenbrücken, aufgehangen werden. Gußeiserne Aquädukt finden sich schon früh in England; doch hat man in neuerer Zeit auch hier das Schmiedeeisen an Stelle des Gußeisens treten lassen; so findet man einen eisernen Aquädukt bei Saaralben in Deutsch-Lothringen.