priōri und
a posteriōri (lat.
), zwei philosoph.
Kunstausdrücke, welche sich auf die
Lehre
[* 2] von
dem Ursprung der menschlichen
Vorstellungen und Erkenntnisse beziehen. Solche
Vorstellungen und Erkenntnisse, von denen man
annimmt, daß
sie der menschliche
Geist unabhängig von der
Erfahrung rein aus sich selbst erzeuge, heißen a priori
, solche
dagegen, welche erst durch die
Erfahrung gewonnen werden,
a posteriori. Dieser Sprachgebrauch rührt daher,
daß man jene, welche ein begriffsmäßiges, schlechthin (apriorisch
) allgemeines und notwendiges Fürwahrhalten, d. h.
»Wissen«, begründen, für das Frühere (prius),
diese, auf welchen das erfahrungsmäßige, nur »komparativ« allgemeine
und mehr oder minder wahrscheinliche Fürwahrhalten, d. h.
»Glauben«, beruht, für das Spätere (posterius) hielt. Auch nennt
man jene reine oder transcendentale, diese empirische
Vorstellungen und Erkenntnisse. Der Streit, ob es
ganz reine Erkenntnisse a priori
gebe, bei welchen die
Erfahrung gar nicht mitwirkend sei, fällt mit jenem der Rationalisten,
die sämtliche
Ideen für das
Werk der reinen
Vernunft, und der Sensualisten, die sie für ein solches der
Sinne erklären, zusammen,
ist aber noch zu keiner allgemein gültigen
Entscheidung gebracht.
priōri (lat.), ein in der Erkenntnistheorie namentlich seit Kant gebräuchlicher
Kunstausdruck, der seinen Ursprung hat in der von Aristoteles aufgestellten Unterscheidung solcher Erkenntnis, die aus dem
sachlich und logisch Frühern oder Vorausgehenden (a priori
), d. h. aus allgemeinern Grundsätzen
oder Principien gewonnen wird, von solcher, die aus dem Spätern, d. h. Abhängigen
(a posteriori), nämlich aus weniger allgemeinen Erkenntnissen und zuletzt aus den einzelnen empirischen Thatsachen abgeleitet
ist.
Danach deckt sich Erkenntnis a posteriori mit induktiver oder Erfahrungserkenntnis, Erkenntnis a priori
mit deduktiver oder
Vernunfterkenntnis. Ungefähr so ist der Gebrauch beider Ausdrücke noch bei Leibniz. Nachdem aber die erkenntnis-theoretische
Frage sich hauptsächlich auf die Grundsätze, die «allgemeinen
und notwendigen» Wahrheiten, konzentriert hatte, ging die Bezeichnung Erkenntnis a priori
vorzugsweise auf diese über.
Die Grundsätze galten ehedem als von selbst verständlich und unmittelbar evident (gemeinhin als angeboren, s. d.);
Kant zog gerade sie in Prüfung und verlangte für jeden Begriff und Satz, der a priori
gelten will, eine
besondere Deduktion (Nachweisung seiner Gültigkeit), die darin besteht, daß er als eine notwendige Bedingung oder ein Grundgesetz
der Erfahrung selbst erwiesen wird.
Nach dieser Auffassung sind die apriori
schen Bestandteile der Erkenntnis weder in einem abgesonderten Gebiet jenseit der Erfahrung
zu suchen, noch sind sie jemals zulänglich zu einer Erkenntnis von Objekten, die außerhalb des Bereichs
unserer Erfahrung liegen; insofern bedeutet das nicht mehr einen Gegensatz zur Erfahrung, sondern beide Begriffe entsprechen
sich genau. Nur indem Erfahrung nicht allein für das Ganze der empirischen Erkenntnis, sondern daneben auch für den einen
Faktor derselben (denjenigen nämlich, der nicht auf dem Erkenntnisgesetz, sondern auf dem gegebenen
sinnlichen Stoff beruht) gebraucht wird, steht das Apriorische
dem Empirischen gegenüber und lehnt Kant eine empirische Begründung
der von ihm behaupteten Erkenntnisse a priori
(z. B. des Kausalgesetzes) ab. Noch besonders
verwahrt er sich gegen die Gleichsetzung des Apriori
schen mit dem Angeborenen. Alle Erkenntnis ist nach
ihm erworben, aber ihr Erwerb beruht selbst auf solchen Principien, die in der Erkenntnis ursprünglich und für sie grundlegend
sind. Sie werden uns erst bewußt im Laufe der Erfahrung selbst, die auf ihnen beruht; ja sie sind vielleicht dasjenige,
worin wir am spätesten eine volle, abgeschlossene Einsicht gewinnen.