(lat.), im
Gegensatz zu
Perzeption, welches die einfache
Wahrnehmung bezeichnet, die
Wahrnehmung der
Wahrnehmung,
d. h. die
Aufnahme und Aneignung einer neuentstandenen durch eine schon vorhandene
Vorstellung oder ganze Vorstellungsgruppe,
welche dann die apperzipierende, im
Gegensatz zu jener, der apperzipierten, genannt wird. Ist die
Vorstellung,
von welcher die Aneignung ausgeht, die des eignen Selbst, d. h. die sogen.
Ichvorstellung, so bedeutet Apperzipiert werden einer
Vorstellung oder überhaupt eines innern Vorgangs auch soviel wie: dem
Ich zum
Bewußtsein kommen.
Sind nun, wie dies bei
Geisteskrankheiten der
Fall sein kann, zweierlei
Ichvorstellungen vorhanden, die des gesunden und
des gestörten
Bewußtseins, die in den lichten und kranken Zwischenräumen miteinander abwechseln, so kann es geschehen,
daß jede derselben ihren eignen
Kreis
[* 3] von ihr apperzipierter
Vorstellungen besitzt, die den
Inhalt ihres abgesonderten
Selbstbewußtseins
ausmachen und jenem der andern unzugänglich und unbewußt bleiben. Apperzeption wird daher häufig für
Selbstbewußtsein gebraucht,
wo dann die
Identität der Apperzeption mit jener des
Selbstbewußtseins gleichbedeutend ist.
Letztere bezeichnet
Kant auch als reine oder transcendentale Apperzeption und setzt
sie der empirischen Apperzeption als der einfachen
Wahrnehmung des Gegenstands,
welche, wie
oben bemerkt, eigentlich bloße
Perzeption ist, entgegen. Apperzipieren, mit
Bewußtsein wahrnehmen.
in der Psychologie die Aufnahme einer Sinneswahrnehmung oder Perzeption in den Zusammenhang des Bewußtseins.
Wird z. B. ein Schall
[* 5] bloß als solcher gehört, so sprechen wir von Perzeption, wird dagegen in ihm das
Schlagen der Turmuhr vernommen, so sprechen wir von Apperzeption. Hieraus folgt, welche Momente für die von Wichtigkeit sind:
1) das Auftreten eines Empfindungskomplexes, 2) der Bestand eines Vorstellungszusammenhanges, 3) die
Richtung der Aufmerksamkeit, welche die Perzeption zur Apperzeption macht. Man bezeichnet häufig, aber schlecht, 1 als
apperzipierte Vorstellung, 2 als die apperzipierenden Vorstellungen. Die Apperzeption tritt in vier verschiedenen Formen auf, von denen
die zwei ersten eine Änderung an der Perzeption vornehmen.
1) Ergänzende Apperzeption. Diese zeigt sich z. B. darin, daß Druckfehler
übersehen, d. h. die perzipierten Mängel durch den apperzeptiven Einordnungsprozeß
ergänzt, ausgeglichen werden.
2) Gliedernde Apperzeption. Sie äußert sich beispielsweise, wenn die zahllosen bunten Kleckse eines Gemäldes,
die man ursprünglich doch bloß sieht, durch Zerlegung und Verbindung für die Auffassung zu Figuren u. Gruppen geordnet werden.
3) Identifizierende Apperzeption. Sie läßt ein perzipiertes Objekt als identisch mit einem früher wahrgenommenen
erkennen.
4) Subsumierende Apperzeption. Sie läßt ein perzipiertes Objekt als Exemplar einer bestimmten Gattung erkennen, ordnet also das Wahrgenommene
einem allgemeinern Begriff unter. Bei allen diesen vier Formen kann nun die Apperzeption nach zwei Richtungen hin wirken, nämlich entweder
nach vorwärts, indem sie den weitern Ablauf
[* 6] des Innenlebens beeinflußt, oder nach rückwärts, indem
sie frühere Thatbestände verändert.
Über das in den Stirnlappen des Großhirns vermutete physiologische Substrat der Apperzeption ist uns Sicheres nicht bekannt. Über
die Zeitdauer der Apperzeption liegen Versuche mit der Reaktion (s. d.) vor. Das Mittelglied des Reaktionsprozesses, eben die Apperzeption, wird
erleichtert, wenn die Eintrittszeit des Reizes durch ein voraufgehendes Signal angekündigt oder durch regelmäßige Intervalle
zwischen den einzelnen Reizen bestimmt wird: alsdann verkürzt sich die Reaktionszeit. Sie verlängert sich dagegen, wenn
die Apperzeption erschwert ist, z. B. dadurch, daß Art und Stärke
[* 7] des Reizes der Versuchsperson unbekannt bleiben. Unter dieser (unbewiesenen)
Voraussetzung, daß nämlich die Erleichterungen und Erschwerungen nur die Apperzeption,
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mehr
nicht die übrigen Glieder
[* 9] des Reaktionsverlaufes treffen, hat Wundt die Dauer der Apperzeption, d. h. der Zeit, die man bedarf, um einen
einfachen Eindruck in das Bewußtsein aufzunehmen, auf 0,08-0,1 Sekunde berechnet. Im allgemeinen bezeichnet Wundt jeden durch
die Aufmerksamkeit geleiteten seelischen Vorgang als Apperzeption, indessen ist diese erweiternde Terminologie ebensowenig
zweckmäßig wie die von Steinthal-Lazarus verwendete, der zufolge jeder Verarbeitungsprozeß seelischer Momente Apperzeption heißen
soll, oder die in der Herbartischen Schule übliche, nach welcher alle Bildungsvorgänge der sich entwickelnden Seele Apperzeptionsprozesse
genannt werden.
Bei allen diesen Wortdeutungen fällt die ursprüngliche und festzuhaltende Beziehung zur Sinneswahrnehmung fort. Die Apperzeption ist
aber endlich auch nicht als eine mystische Macht hinzustellen, welche nach Belieben in einem von ihr
verschiedenen Bewußtseinsinhalt walten kann; vielmehr entsteht für die künftige Psychologie die Aufgabe einer Kausalerklärung
der sogen. apperzeptiven Leistungen aus den Bewußtseinsinhalten selbst und ihrem associativen
Verbande.