[* ] Kanton der nordöstlichen Schweiz, ganz vom Kanton St. Gallen umgeben, 420 qkm (7,6 QM.)
groß mit (1880) 64,799 Einw. Das Land ist ein wald- und wiesengrünes,
mit hübschen Dörfern und zahllosen Häuschen übersäetes, von tiefen Flußtobeln (s. Sittern) durchfurchtes und von den
kahlen Felswänden des Säntisgebirges (2504 m hoch) überragtes Voralpengelände, das gegen den Bodensee abfällt. Inselartig
von flachem Niederland umgeben, schaut es nach allen Seiten aus, der innern Schweiz zu mehr an andre Berg-
und Thalpartien angelehnt (Hinterland), nach dem Rhein und Bodensee kühner und freier vortretend (Vorderland). Der Kanton zerfällt
seit 1597 infolge der Reformation in zwei selbständige Hälften: das äußere Gebiet (Außer-Roden), dessen Bewohner weit
überwiegend reformiert sind, und das fast ganz katholische innere Gebiet (Inner-Roden). Die Außer-Roder sind ein geistig
aufgewecktes Völkchen, haushälterisch und außerordentlich thätig. Sie pflegen den National- und Volksgesang sehr eifrig.
In ihren öffentlichen Zusammenkünften
mehr
zeigt sich oft ein engherziges, ruhmrediges Wesen und viel Anhänglichkeit an altes Herkommen. Großartige Anstrengungen für
Zwecke der Erziehung und Wohlthätigkeit, in neuerer Zeit namentlich auch für Straßenbauten, zieren die sozialen Bestrebungen
Außer-Rodens. Die Inner-Roder stehen an geistiger Begabung nicht tiefer, sind aber durch und durch ein patriarchalischer
Hirtenstand geblieben, behaglich und bequem, gemütlich, heiter, witzig, gastlich, alter Sitte ergeben,
einfach und genügsam, neugierig, mit großer Vorliebe körperlichen Übungen und Spielen zugethan.
Die Frauen haben ihre bunte und die Sennen ihre wunderliche Tracht seit Jahrhunderten beibehalten. Staatsverwaltung, Schulen und
Straßenwesen haben indessen angefangen, sich zu heben. Die zwei allgemeinsten Erwerbsquellen sind Viehzucht,
mehr in Inner-Roden, und Baumwollindustrie, mehr in Außer-Roden überwiegend. Kartoffeln wachsen wenig, noch weniger Getreide,
fast kein Wein, Obst nicht genügend. Der Fruchtmarkt des Landes ist das St. Gallische Rorschach; Märkte für andre Viktualien
sind St. Gallen, Altstätten (ebenfalls zu St. Gallen gehörig) und Herisau, dessen Wochenmärkte von den
Bauern Thurgaus befahren werden.
Der Wald, nirgends in ausgedehnten Beständen, jedoch in kleinen Stücken über das ganze Land zerstreut, genügt, wenigstens
in Außer-Roden, dem Bedarf nicht; aber man bemüht sich, dem Mißverhältnis entgegenzuwirken. Der frühere Rindviehschlag
ist soviel wie nicht mehr vorhanden. Der Hauptnutzen liegt in der Milch; Fettkäsereien finden sich fast
in allen Gemeinden, auch für die Ausfuhr arbeitend. Appenzell ist das Land der Molkenkurorte. Inner-Roden hat sehr viele Ziegen, aus
deren Milch die Molken bereitet und zur Nachtzeit nach den Kuroten ^[richtig: Kurorten] getragen werden.
Alljährlich strömen Tausende von Kurgästen dahin, besonders nach Gais, Weißbad, Appenzell, auch nach Gonten,
das eine Heilquelle besitzt, Heiden und Heinrichsbad. Stark ist auch der Touristenzug zum Säntis. Die Unternehmungen der St. Galler
und Appenzeller Baumwollfabrikanten sind ausgedehnt; sie beschäftigen Arbeiter selbst auf der schwäbischen Seite des Bodensees.
Den Absatz des Fabrikats besorgen manche Industrielle selbst, allein ihr Vereinigungspunkt und Markt ist
St. Gallen.
Die Handspinnerei, früher allgemein verbreitet, hat aufgehört; Weben und Sticken sind in den Vordergrund getreten. Auch Bleichen,
Appretierungen, Druckereien, Färbereien etc. florieren, namentlich in Herisau, das mit der nahen St. Galler Bahnstation Winkeln
durch eine Schmalbahn verbunden ist. Neben verschiedenen Zeugen webt man hauptsächlich Musseline, Tüll, Gaze, Blattstich-
und broschierte Zeuge. Wohl ein Viertel der Bevölkerung ist mit Weberei beschäftigt.
Neben der Handstickerei blüht nun auch die Maschinenstickerei (1100 Maschinen). Die besten Handstickerinnen findet man in
Inner-Roden; unter ihren Händen entfalten sich kunstreiche Blumen, welche in Form und Farbenpracht den natürlichen kaum nachstehen.
Man webt die Musseline in glatten Stücken zu Vorhängen oder zu Halstüchern, brodiert sie mit weißem
Baumwollgarn zu Chemisetten, Hauben, Röcken oder mit gefärbter Baumwolle (auch oft mit Seide) zu Schürzen, Turbanen, Tapeten,
Chorhemden, Manschetten, Bettdecken, Shawls und Schleiern.
Der interne und äußere Verkehr erforderte eine Menge schwieriger und brückenreicher Straßenzüge. Die wichtigsten laufen
in St. Gallen als in einem gemeinsamen Brennpunkt zusammen; zwei Paßstraßen führen in das Rheinthal,
über den Ruppen und Stoß; andre
münden nach dem Toggenburg. Die Schmalbahn Winkeln-Herisau ist bis Urnäsch fortgesetzt (1875)
und erstrebt Weiterbau nach Gonten-Appenzell; von Rorschach ersteigt, ebenfalls seit 1875, eine Zahnradbahn, 5½ km lang, die Höhe
von Heiden.
Der Halbkanton Außer-Roden, 260,6 qkm groß mit 51,958 Einw. (darunter 3694 Katholiken),
bildet nach der Verfassung vom (revidiert einen Freistaat mit rein demokratischer Verfassung und als
solcher ein Glied der Schweizer Eidgenossenschaft. Die Gesamtheit der »Landleute« und hier ansässigen
Schweizerbürger übt ihre Souveränität in der Landsgemeinde, die alle Jahre, abwechselnd in Trogen und
Hundwyl, gewöhnlich am letzten Sonntag des Aprils gehalten wird.
Ihr Besuch ist obligatorisch. Sie besitzt die gesetzgebende Gewalt, bestimmt die Verfassung, wählt die Standeskommission und
das Obergericht sowie das Mitglied des Schweizer Ständerats, erteilt das Landrecht, bewilligt die Ausgaben
für neue wichtige Bauten, nimmt die Landrechnung ab etc. Initiativvorschläge können nur durch
das Mittel des Kantonsrats vor die Landsgemeinde gebracht werden; sofern dieser jedoch die Anregung ablehnt, kann der Antragsteller,
aber nur vom »Stuhl« (d. h. dem erhöhten Sitz der Obrigkeit) aus, seine Sache persönlich der Landsgemeinde vortragen.
Der Kantonsrat, der in Herisau seine Sitzungen hält, besteht aus den Abgeordneten der Gemeinden (je 1 auf 1000 Seelen).
Vollziehende Landesbehörde ist der Regierungsrat, aus sieben Mitgliedern; der eine der Landammänner ist als regierender Landammann
der Präsident der Behörde, darf aber diese Stelle höchstens drei Jahre nacheinander bekleiden. Das Obergericht besteht aus
elf Mitgliedern und hält seine Sitzungen in Trogen ab. Todesurteile dürfen nicht vollzogen werden, bevor der Kantonsrat die
Begnadigung verweigert hat.
Die Synode, mit einem aus ihrer Mitte gewählten Dekan, versammelt sich in der Regel jährlich einmal, wechselweise in Trogen
und Herisau. Das Kriminalgericht, vom Kantonsrat gewählt, hält seine Sitzungen in Trogen. An Stelle der
hergebrachten Einteilung in Vorder- und Hinterland sind, wenigstens für die Bezirksgerichte, drei Bezirke getreten: Vorderland
(Heiden), Mittelland (Teufen), Hinterland (Herisau). Die Gemeindeverwaltung, je für ein Jahr bestellt, besteht aus »Hauptleut'
und Rät'«, d. h. einem Gemeinderat, dessen beide Präsidenten den Titel Hauptmann führen.
Das evangelisch-reformierte Bekenntnis ist Landesreligion; den Katholiken ist gemäß der Bundesverfassung
freier Kultus zugesichert. Das Armenwesen ist Sache der Gemeinden. Die Jahresrechnung der »Landeskassa« für 1882 ergab 394,176
Frank Einnahmen und 382,674 Fr. Ausgaben. Den Hauptposten der Einnahmen bildet die Landessteuer (157,725 Fr.), den Hauptposten
der Ausgaben das Straßenwesen (112,683 Fr.). Das reine Staatsvermögen betrug zu Ende des Rechnungsjahrs
790,335 Fr. Schul- und Kirchenwesen sind wesentlich Gemeindesache. Das Schulwesen gehört zu den regenerierten und umfaßt Primärschulen,
Sekundär- oder Realschulen und die Kantonsschule zu Trogen.
Der Halbkanton Inner-Roden, 159 qkm mit 12,841 Einw. (darunter 545 Protestanten), bildet gemäß der neuen Verfassung vom (revidiert
1883) einen Volksstaat und ein Bundesglied der Schweizer Eidgenossenschaft. Die Staatsgewalt ruht wesentlich im Volk und wird
durch die Landsgemeinde, die aus der Gesamtheit der Kantons- und ansässigen Schweizerbürger besteht, ausgeübt.
mehr
Die Landsgemeinde, deren Besuch obligatorisch ist, gibt sich Verfassung und Gesetze und wählt die obersten Landesbehörden:
Standeskommission und Kantonsgericht, erteilt das Landrecht und vernimmt den Jahresbericht über die Amtsverwaltungen etc.
Sie versammelt sich regelmäßig je am letzten Sonntag des Aprils. Die Standeskommission, die eigentliche Regierung des Landes,
besteht aus neun Mitgliedern, von denen der regierende Landammann nach zweijähriger Amtsdauer auf das
folgende Jahr nicht wieder wählbar ist.
Das Kantonsgericht besteht aus 13 Mitgliedern. Der Große Rat, aus der Standeskommission und den Volksrepräsentanten (je 1 auf 250 Seelen
der Bezirksbevölkerung) gebildet, ist das Organ der gesetzgebenden Gewalt. Das Land ist in sechs Bezirke
eingeteilt, deren Verwaltung auch hier die »Hauptleut' und Rät'« üben. Die Verfassung garantiert die üblichen Grundrechte
wie in Außer-Roden. Die katholische Religion genießt als die Religion des Volks Schutz seitens des Staats; andern Konfessionen
ist Kultfreiheit zugesichert.
Der öffentliche Unterricht ist Sache des Staats und der Kirche, der obligatorische unentgeltlich. Inner-Roden
hat nur Primärschulen und eine Sekundärschule. Die Staatsrechnung Inner-Rodens für 1882 ergab bezüglich der Verwaltung des
»Landsäckelamts« 200,159 Fr. Einnahmen und 156,829 Fr. Ausgaben; das Vermögen zeigte an Aktiven 391,569 Fr., an Passiven 333,669
Fr. Hauptort ist der Flecken Appenzell, ein im Thal der Sittern freundlich gelegener, während des Sommers sehr belebter
Ort mit einem Kapuzinerkloster und (1880) 4302 Einw. (darunter 157 Protestanten). In der Nähe die beiden Molkenkurorte Weißbad
und Gonten, ferner die Ebenalp, der Säntis etc.
[Geschichte.]
Seit dem 8. Jahrh. hatte das Kloster St. Gallen durch Kauf und Schenkung allmählich die Grundherrschaft über den
ganzen jetzigen Kanton Appenzell erworben. Um 1070 baute angeblich Abt Nortbert ein Gotteshaus am Fuß des Säntis, das, des Abtes Zelle
(Abbatis cella) genannt, der um dasselbe entstehenden Gemeinde und später der ganzen Gegend den Namen gab. Im J. 1345 erwarb
das Kloster mit der hohen Gerichtsbarkeit sämtliche Hoheitsrechte über das Land; aber schon 1377 zwangen
die fünf Gemeinden Appenzell, Hundwyl, Urnäschen, Gais und Teufen den Abt Georg zu dem Zugeständnis, daß sie in ein Bündnis mit den
schwäbischen Städten treten, sich eine Landsgemeinde und einen Landrat von 13 Mitgliedern geben durften. So entstand das demokratische
Gemeinwesen, welches zuerst als »Appenzell das
Land« bezeichnet wird.
Die Härte, womit der neue Abt Kuno von Stoffeln (1379-1411) seine herrschaftlichen Rechte durch Einzug des Todfalls, Beschränkung
des freien Zugs, der freien Heirat etc. geltend machte, bewog die Appenzeller, denen sich nunmehr auch die übrigen Gemeinden
des Berglands anschlossen, im Verein mit der Stadt St. Gallen sich gegen den Abt zu erheben (1401). Sie
zerstörten die äbtischen Burgen, traten, als St. Gallen vom Kampf abstand, in ein »Landrecht« mit den Schwyzern und brachten
mit ihrer Hilfe dem Heer des Abtes und der mit ihm verbündeten Reichsstädte bei Vögelinseck
eine schimpfliche Niederlage bei; nicht besser erging es einer österreichischen Kriegsmacht am Stoß Hierauf streiften
die Appenzeller in den Thurgau,
über den Rhein, überall die Burgen der Herren brechend und die Bauern zum Aufstand ermunternd, und bildeten
einen »Bund ob dem See«, der sich mit reißender Schnelligkeit über die ganze Nordostschweiz und Vorarlberg
bis nach Tirol
hinein verbreitete.
Eine Niederlage, welche sie 1408 bei Bregenz durch die schwäbische Ritterschaft erlitten, löste diesen Bund zwar wieder ebenso
schnell auf, ihre Freiheit aber blieb gesichert. Im J. 1411 sagten ihnen die sieben Orte der Eidgenossen (ohne Bern)
durch ein
»Burg- und Landrecht« ihren Schirm zu und suchten ihre Pflichten gegen das Kloster in billiger Weise zu regeln. Allein die Appenzeller
wollten von Verpflichtungen gegen den Abt nichts mehr wissen, selbst Bann und Interdikt blieben ohne Wirkung. Erst 1429 brachten
die Eidgenossen einen Vergleich zu stande, wonach die Appenzeller die Entrichtung oder Ablösung der Zinsen
und Gefälle verbürgten, während der Abt sich anheischig machte, ihnen den Blutbann und damit die politische Selbständigkeit
zu verschaffen, was 1442 auch geschah. Im J. 1452 erlangte Appenzell infolge seiner Teilnahme am alten Zürichkrieg eine höhere
Stellung in der Eidgenossenschaft, und nach den Mailänder Feldzügen wurde es zum vollberechtigten 13. Orte
derselben erhoben. Die Reformation erregte anfänglich in Appenzell keine heftigen Stürme; schon 1522 entschieden sich einzelne Gemeinden
dafür, während andre, namentlich die der innern Roden (Bezirke), stets beim alten Glauben fort beharrten.
Erst die Einführung des neuen Kalenders, die Aufnahme der Kapuziner im Hauptort und der Borromeische Bund
entzündeten den Religionshaß in fanatischer Weise, bis nach zehnjährigen Wirren durch ein eidgenössisches Schiedsgericht die
Teilung des Landes in zwei selbständige Halbkantone beschlossen wurde, die jedoch in der Eidgenossenschaft nur als Ein Ort galten.
Die Reformierten zogen nach den äußern Roden, wo sie schon die Mehrheit hatten, und die Katholiken nach
den innern, welche sofort dem Borromeischen und Spanischen Bund beitraten.
Anfang des 18. Jahrh. fand die Musselinfabrikation und -Stickerei in Außer-Roden Eingang und erhob es zu einem Hauptpunkt
der Schweizer Industrie, während Inner-Roden seiner Hirtenbeschäftigung treu blieb. Durch die helvetische
Verfassung wurden die beiden Appenzell 1798 mit St. Gallen, Toggenburg und Rheinthal zu einem Kanton Säntis verschmolzen, durch die
Mediationsakte aber 1803 mit ihren Landsgemeinden wiederhergestellt. Obwohl dem Sonderbund geneigt, nahm Inner-Roden keinen
Anteil daran, entzog sich aber der Truppenstellung gegen denselben, wofür es 15,000 Fr. Buße zu zahlen
hatte. Um aristokratischen Tendenzen der Regierungen zu begegnen, brachte Inner-Roden 1829 seine uralte Landsgemeindeverfassung
in ein systematisches Grundgesetz, was Außer-Roden 1834 that.
Letzteres trennte 1858 durch eine Verfassungsrevision die Justiz von der Verwaltung und verbesserte durch eine abermalige Revision,
welche von der Landsgemeinde genehmigt wurde, den Organismus der Behörden und das Steuerwesen.
Inner-Roden revidierte seine Verfassung Während Außer-Roden durch Annahme der Bundesverfassungen von 1848 und 1874 seinen
eidgenössischen Sinn bethätigte, ist Inner-Roden der einzige Schweizerkanton, der seit 1848 konsequent alle Verfassungs- und
Gesetzesvorlagen des Bundes verworfen hat.
Vgl. Walser, Neue Appenzeller Chronik (2. Aufl., Ebnat 1825-28, 2 Bde.;
fortgesetzt von Rüsch, Trogen 1831, 2 Bde.);
Rüsch, Der Kanton Appenzell historisch, geographisch und statistisch (neue Ausg., St.
Gallen 1859);
Zellweger, Geschichte des appenzellischen Volks (Trogen 1830-48, 6 Bde.);
Derselbe, Der Kanton Appenzell, Land und Volk
und dessen Geschichte (das. 1867).
A.Rh.DerKanton Appenzell
A. Rh. (wir behalten die offizielle Schreibart Rhoden bei, machen aber darauf
aufmerksam, dass die etymologisch richtige Form Roden lautet) liegt zwischen 47° 15' und 47° 28' n. Br. und 9° 1' und
9° 26' ö. L. v. Gr. Im N. grenzt er an den Kanton St. Gallen,
im W. an diesen und den Kt. Appenzell
I. Rh., desgleichen im S. und
O. Seine Längsachse erstreckt sich vom w. Ende der Hochalp in nö. Richtung bis zur Meldegg und misst ca. 37 km. Der Flächeninhalt
beträgt 242,1 km2.
Mit Ausnahme der sw. Ecke, die sich bis zur Säntisspitze (2504 m) hinauf erstreckt, liegt der ganze Kanton im Hügel- und
Voralpengebiet. Parallel zur Längsachse ziehen mehrere Hügel- resp. Bergketten, die von N. nach S. an Höhe zunehmen. Die
drei ausgesprochensten sind: die nördliche, markiert durch die Aussichtspunkte Kayen (1118 m), Gupf (1075
m), Vögelinsegg (963 m), Fröhlichsegg (1003 m), Waldstatter Hochwacht;
die mittlere mit St. Anton (Appenzell
I. Rh., 1108 m), Saurucken
(1185 m), dem aussichtsreichen Gäbris (1250 m), Hundwiler Höhe (1298 m) und Hochham (1274 m);
die südliche, unmittelbar dem
Alpstein vorgelagert, mit Hirschberg (1187 m), Kronberg (I. Rh., 1666 m), Petersalp (1550 m) und Hochalp (1526
m).
Zwischen diesen Ketten liegen die Längsthäler, die nun aber, wie die Ketten selbst, von tiefen Querthälern durchschnitten
sind, in denen wilde Bergbäche ihre Erosionsarbeit weiter besorgen. So sind innerhalb der Längsthäler zahlreiche Sättel
entstanden, welche gegen die beiden sie abgrenzenden Hügelkämme ansteigen und gegen die senkrecht dazu
gerichteten Bachrinnen dachartig abfallen.
Die wichtigsten Flüsse des Kantons sind:
1) Die Sitter; entspringt im Alpstein (Appenzell
I. Rh.). Bevor sie in den Kt. Appenzell
A. Rh. eintritt, bildet sie ein Stück weit die Grenze gegen
I. Rh. Beim Uebertritt in unsern Kanton nimmt sie von rechts den Rothbach auf, der seine Quelle am SO.-Abhang
des Gäbris hat. Nach ca. 3 km langem Laufe geht die Sitter auf den Boden des Kt. St. Gallen
über, nachdem sich beim «Kubel» südlich der
Krätzerenbrücke von links die Urnäsch mit ihr vereinigt hat. Diese entspringt am N.-Fuss des Säntis
und muss nun ihr Wasser dazu hergeben, beim «Kubel» im Gübser Moos einen künstlichen See zu bilden, dessen Ausfluss ein grossartiges
Elektrizitätswerk in Betrieb setzt.
2) Die Glatt; entspringt bei Schwellbrunn und verlässt den Kanton 2 km nw. von Herisau, um ihr Wasser der Thur zuzuführen.
3) Die Goldach; entspringt in der Nähe des Ruppen, fliesst in nw. Richtung dem Kt. St. Gallen
zu und mündet zwischen Rorschach und Horn
in den Bodensee.
Geologie.
1) Kreidebildungen. Das ganze Alpsteingebirge gehört dem Kreidesystem an. Da aber blos der NW.-Abhang des Säntis zu Appenzell
A. Rh.
gehört, so ist die horizontale Ausdehnung dieser Bildungen in unserm Gebiete nur gering. Auf der Schwägalp
findet der Kontakt der Kreide mit der Molasse statt.
2) Tertiärbildungen. Das schmale Band von Eocän, das sich an andern Stellen am N.-Abhang des Alpsteins zwischen die Kreide
und die miocänen Sedimente hineinschiebt, tritt auf ausserhodischem Gebiet nicht zu Tage. So wird nun
die Oberfläche des ganzen Kantons (mit Ausnahme der Kreidebildungen) aus den Schichten miocäner Sandsteine und Nagelfluh
zusammengesetzt. Weitaus der grösste Teil gehört der untern Süsswassermolasse an, während nur im NO. des Kantons an der
St. Galler Grenze, bei Wienachten, und im NW., bei Herisau, die Sandsteine der Meeresmolasse auftreten und
ebenfalls im NW. an der Kantonsgrenze ein schmaler Streifen obere Süsswassermolasse unserm Kanton angehört. In tektonischer
Hinsicht sind in der Molasse drei Falten zu unterscheiden, die parallel mit dem Alpsteingebirge letzterem im NW. vorgelagert
sind. Für unsern Kanton haben nur die 2. und 3. Bedeutung, während die 1. den Speer und seine nordöstlichen
Ausläufer bildet. Die zweite Falte hat ihre Antiklinale in der Richtung Altstätten-Appenzell- Lauftegg ^[Berichtigung: Laufegg]
-Bärenegg. Der Gewölbekern besteht aus gemeinem, kalkreichem Molassesandstein, während das Gewölbe selbst meist erodiert
ist. Am besten ist der Südostschenkel erhalten, der aus bunter Nagelfluh besteht. Ihm gehören
in unserm Kanton an die Hochalp und die Petersalp. Von der Synklinale Altstätten-Gonten-Urnäsch erhebt sich die 3. Falte,
welche mit ihrem SO.-Schenkel den Höhenzug St. Anton-Saurucken-Gäbris-Hundwiler Höhe-Hochham bildet, während ihre Antiklinale
von Reute über Oberegg (I. Rh.)-Trogen-Stein-Hundwil sich hinzieht und auf diesem Wege das schöne, grosse Antiklinalthal bezeichnet,
in welchem die meisten Dörfer unseres Kantons liegen. Auch an dieser Falte besteht der SO.-Schenkel aus
bunter Nagelfluh; die SO.-Abhänge des erwähnten Höhenzuges entsprechen den Schichtflächen, die NW.-Abhänge zeigen dagegen
die Schichtköpfe. Der NW.-Schenkel der 3. Falte bildet den Höhenzug Kayen-Gupf-Vögelinsegg-Fröhlichsegg-Waldstatteregg-Hochwacht,
der naturgemäss auf der NW.-Seite die Schichtflächen, auf der SO.-Seite die Schichtköpfe zeigt. An diesen
Schenkel lehnt sich die Meeresmolasse und die obere Süsswassermolasse an der n. und nw. Kantonsgrenze an.
An vielen Lokalitäten finden sich gut erhaltene Blattabdrücke in den Sandsteinen, z. B. am Ruppen, bei Rehetobel und bei
Teufen. Oft sind zwischen den Sandsteinen kleine Kohlenflöze eingeschlossen. Die Nagelfluhfelsen liefern
das ausgezeichnete Beschotterungsmaterial für die Strassen. Die feinkörnige Kalknagelfluh zwischen Herisau und Degersheim
wird unter dem Namen «Appenzellergranit» als Baustein verwendet. An vielen
Orten wird der Sandstein als Bau- oder Pflasterstein ausgebeutet; besonders wertvoll sind die der Meeresmolasse angehörenden
Sandsteine von Wienachten; am wertvollsten ist die sog. granitische Molasse von Rehetobel-Trogen-Waldstatt.
3) Diluviale Gebilde. Der ö. Teil des Kantons und der grösste Teil des Mittellandes zeigen zahlreiche Spuren des alten Rheingletschers,
sowohl in Gestalt von vereinzelten erratischen Blöcken aus krystallinen Gesteinen, über 1170 m hinauf, als auch von thonigen
und lehmigen Schuttablagerungen, in denen die teils gerundeten, teils kantigen Gesteinstrümmer eingelagert
sind. Das Gebiet der Sitter ist durch kalkige Erratika ausgezeichnet, die von dem alten Säntisgletscher herstammen.
Um die geolog. Untersuchung des Landes haben sich besonders verdient gemacht Arn. Escher v. d. Linth, J. Früh, A. Gutzwiller
und Alb. Heim.
Klima.
Am besten sind die klimatischen Verhältnisse für Trogen (Dorfplatz 905 m) bekannt. 12jährige Beobachtungen
ergeben als Temperaturmittel 6,8° C. St. Gallen
ist um ca. 1°, Altstätten um 2° wärmer, Gäbris (1250 m) um 1,5° kühler. Für den
Winter (Dez.-Febr.) ist die Mitteltemperatur = -1,0° C. Minimum -20° selten. Wenn in der Tiefe Nebel liegt und über das
Appenzellerland warmer Sonnenschein flutet, zeigen die Höhen oft grössere Temperaturen als St. Gallen
und Altstätten.
Besonders auffallend sind diese Differenzen, wenn in der Höhe Fön weht. Beim Auf- und Abschwanken der Nebelschicht kann ein
Ort, der an der Nebelgrenze liegt, rasch enormen Temperaturunterschieden ausgesetzt
sein. Wanner beobachtete am in
Trogen in wenigen Stunden eine Thermometerschwankung von 23,6° C., in einer Stunde eine solche von 13,4° C. und in
fünf Minuten eine Schwankung von 8,9° C. Der Frühling (März-Mai) zeigt eine mittlere Temperatur von 6,2° C. Der Winter
zieht sich weit hinaus, starke Schneefälle bis Ende Mai sind keine Seltenheit. Die Mitteltemperatur
des Sommers (Juni-August) beträgt 14,7° C. Oft gibt es auch da kalte Tage. Heizen muss man in jedem Monat, wenn man nicht
frieren will. Im Herbst (Sept.-Nov.) hat Trogen eine mittlere Temperatur von 7,1° C. Der September ist der beständigste
Monat, und oft ist auch der ganze Oktober noch mild.
Für die Beobachtungszeit von 1864-1875 ergaben sich für Trogen folgende mittlere Monatstemperaturen:
°C.
°C.
Januar
-1,3
Juli
+16,2
Februar
0.0
August
14.5
März
+1,3
September
13.0
April
6.8
Oktober
6.8
Mai
10.7
November
1.6
Juni
13.4
Dezember
-1,8
Die höchste Temperatur betrug +30,6 °C.
Die tiefste Temperatur betrug -20,2 °C.
Die absolute Temperaturschwankung 50,8 °C.
Für den Gäbris (1250 m) gelten für die Periode 1872 bis 1891 folgende Zahlen:
°C.
°C.
Januar
-1,8
Juli
+13,2
Februar
1.5
August
12.9
März
0.0
September
10.0
April
+3,5
Oktober
5.4
Mai
7.4
November
1.2
Juni
11.3
Dezember
-1,7
Jahresmittel
5.0 °.
In Bezug auf die Niederschlagsmenge konstatieren wir die interessante Tatsache, dass die Umgebung des Alpsteins zu den regenreichsten
Gegenden der Schweiz gehört.
Die Station Trogen weist folgende Mittel-Zahlen auf für die Periode 1864-1883:
mm
mm
Januar
59
Juli
186
Februar
60
August
182
März
86
September
128
April
106
Oktober
114
Mai
134
November
90
Juni
196
Dezember
73
Winter
192
Frühling
326
Sommer
564
Herbst
332
Trogen
Jahresmittel
1414
Heiden
Jahresmittel
1470
Gäbris
Jahresmittel
1335
Säntis
Jahresmittel
2423
mehr
Mittlere Bewölkung des Jahres = 56%.
Gewitter in 10 Jahren 160, also per Jahr 16, welche über die Station wegzogen. Ausserdem 105 nahe Gewitter mit vernehmbarem
Donner und 83 mal Wetterleuchten.
Die häufigsten Winde sind die Süd-, Südwest- und Westwinde. Sie bringen höhere Temperaturen, aber auch die häufigsten
Niederschläge. Den Winden aus Ost, Nordost und Nord entspricht meist schöne Witterung. Der Fön tritt
oft mit furchtbarer Gewalt auf und schmilzt im Frühling die grossen Schneemassen in wenigen Tagen weg.
Anbauverhältnisse.
Von den 242,1 km2 Fläche des Kantons fallen 6,54 km2 = 2,7% auf unproduktives Land. Das produktive Land teilt
sich hauptsächlich in die beiden Vegetationsformen Wiese (mit ihren Unterabteilungen) und Wald; Äcker und Reben nehmen einen
verschwindend kleinen Raum ein.
1. Der Wald umfasst 4777 ha = 19,7% der Gesamtfläche. Er ist meist Privatwald (3682 ha); 1028 ha gehören den Gemeinden und
Korporationen und 67 ha dem Staate (nach Landolt 1883). Die Ankaufssumme der Staatswaldungen betrug 72273 Fr.
Von 1889-1898 ergibt sich für die Staatswaldungen durchschnittlich eine jährliche Einnahme von 2110,25 Fr., Ausgabe = 1273,96
Fr., also eine Mehreinnahme von 836,29 Fr.; das bedeutet eine Verzinsung von 1,15 %.
Den hervorragendsten Anteil am Waldbestand nimmt die Rottanne, dann kommen Weisstanne, Lärche, Föhre;
vereinzelt an den Abhängen des Goldachthales tritt auch noch die Eibe auf. Angebaut werden von Nadelhölzern die Weymutskiefer
(Pinus strobus) und die Schwarzföhre. Von den Laubhölzern sind die Buchen in erster Linie zu nennen, aber sie treten gegenüber
dem Nadelholz vollständig in den Hintergrund. Andere Laubhölzer: Ahorn, Esche, Aspe, Vogelbeere treten
mehr vereinzelt auf, während die Weisserle an Bachufern kleine Bestände bildet und die Alpenerle an einigen Orten, von 700 bis 2000 m,
sich zu kleinen Kolonien vereinigt. Auch die Birke findet sich, oft eingestreut in Laub- und Nadelholzbestände, oft als Bewohner
der Torfmoore.
2. Alpen. Unser Kanton besitzt 100 Alpen, die zur Sömmerung von Vieh dienen. Ihre Gesamtfläche beträgt 2566 ha;
davon sind aber nur 1650 ha produktive Weidefläche, 639 ha sind von Wald bedeckt und der Rest ist unproduktiv. Diese Alpen
liegen in den Gemeinden Urnäsch, Hundwil und Schönengrund, die meisten in ersterer am NW.-Abhang des Säntis
(Schrägalp).
3. Wiesen. Weitaus die grösste Fläche des Kantons ist mit Wiesen bedeckt. Der Wiesenbau und die damit verbundene Viehzucht
bilden deshalb den wichtigsten Teil der landwirtschaftlichen Beschäftigung.
4. Hochmoore, in welchen Torf ausgebeutet wird, befinden sich
am Gäbris, zwischen Gais und Appenzell,
bei Waldstatt.
5. Der Ackerbau ist zur Zeit fast gleich Null. In den tiefer gelegenen Gemeinden im O. des Kantons findet
sich etwas Ackerbau, aber unbedeutend; im übrigen Lande sieht man gelegentlich als Kuriosum ein kleines Äckerchen mit Kartoffeln
mitten im Wiesenlande oder auf einer frisch gereuteten Waldparzelle. Früher war der Ackerbau beträchtlich, hat
aber offenbar wegen der unebenen Bodenbeschaffenheit und der aufblühenden Industrie dem bequemeren Wiesenbau Platz machen
müssen. Bezeichnend für die frühern Zustände ist die Tatsache, dass man jetzt noch allgemein eine Wiese als «Acker» bezeichnet.
6. Von Obstbäumen sind hauptsächlich die Apfel- und Birnbäume zu nennen. Meist trifft man Mostobst, nur
in den mildern Lagen im O. des Kantons und an Spalieren werden Tafelobstsorten gezogen. Steinobst und der Walnussbaum gedeihen
nur in den tiefern Lagen. Man trifft zwar Kirschbäume vereinzelt bis über 1000 m hinauf, aber von einem Ertrag ist nur
in ganz günstigen Jahren zu sprechen. Bei den Bauernhäusern stehen oft alte Hollunderbäume oder -sträucher,
deren Beeren zu «Latwäri» (Eingemachtem) verwendet werden. Ferner sieht
man bei vielen Wohnungen kleine Anlagen von Johannisbeersträuchern; ihre Früchte liefern Most, Wein oder «Hung»
(Gelée).
7. Der Weinbau ist kümmerlich entwickelt und dies auch nur in den östlichsten Gemeinden Lutzenberg, Wolfhalden, Heiden, Walzenhausen.
Im Jahre 1898 zählte man 6,93 ha Rebland, deren Gesamtertrag betrug: Rotes Gewächs 80,10 hl à 65-70
Fr., weisses Gewächs 2,75 hl à 35-40 Fr.
Flora.
Die Flora unseres im Gebiete der letzten Verzweigungen der nördlichen Alpen (s. d. Art. Alpen) gelegenen Kantones ist eine
verhältnismässig arme. Die tiefern Landesteile entlehnen ihren Pflanzenbestand dem der Ebenen des centralen
Europas (s. d. Art. Mittelland). Der alpine Anteil des Kantons weist eine Anzahl von interessanten Arten auf, so besonders
Carex microglochin, Viola palustris, Draba tomentosa. (Siehe: Wartmann u. Schlatter).
Tierwelt.
Haustiere. Nach der Zählung von 1886 besass der Kanton Appenzell
A. Rh.: 764 Pferde, 9 Maultiere, 3 Esel, 5263 Stück
Jungvieh, 12854 Kühe, 310 Stiere (über 1 Jahr alt), 302 Ochsen (über 1 Jahr alt), 4895 Schweine, 1214 Schafe, 3002 Ziegen, 2199 Bienenstöcke.
Von Wildtieren sind zu nennen: Gemsen im Alpstein, Rehe (selten), Hase, Eichhörnchen, Fuchs, Hausmarder, Wiesel, Fischotter,
Dachs, Igel. Im Ganzen gibt es wenig Wild wegen der dichten Besiedelung und der frühern Misswirtschaft
im Forst- und Jagdwesen. In den Bächen wird die Forelle gefangen, die seit der neuen
LANDWIRTSCHAFT UND BODENERZEUGNISSE DES KANTONS APPENZELL
mehr
Fischerei-Verordnung besser vor Ausrottung geschützt ist als früher.
Bevölkerung.
Die Einwohnerzahl betrug 1888 54109 Seelen, d. h. 223 auf den km2. Davon sind 91,6% Reformierte und 8,2% Katholiken; deutscher
Zunge 99,3%, französischer 0,1%, italienischer 0,4%.
Politisches, Verwaltung, Gerichte etc.
Der Kanton Appenzell
A. Rh. setzt sich aus 20 Gemeinden zusammen, die autonom sind: Schule, Kirche, Armenwesen, Hypothekarwesen
sind Obliegenheiten der Gemeinden. Die gesetzgebende Behörde des Kantons ist der Kantonsrat. Jede Gemeinde wählt in denselben
auf je 1000 Einwohner ein Mitglied, wobei ein angefangenes Tausend für voll gerechnet wird. Die Versammlungen des Kantonsrates
finden in Herisau statt. Er erlässt Gesetze und Verordnungen. Jedes Gesetz muss der Landsgemeinde zur
Genehmigung unterbreitet werden, die aus sämtlichen stimmberechtigten Kantonseinwohnern besteht und jährlich am letzten
Sonntag des April stattfindet und zwar in den Jahren mit gerader Jahreszahl in Trogen, in denen mit ungerader in Hundwil.
Zum Besuch der Landsgemeinde ist jeder Stimmberechtigte bis zum Alter von 60 Jahren bei einer Busse von 10 Fr.
verpflichtet. Ein Seitengewehr dient als Ausweis für die Stimmberechtigung. Ausser der Abstimmung über Gesetzesvorlagen
hat die Landsgemeinde noch folgende Geschäfte zu erledigen: Die Wahl der Mitglieder des Regierungsrates und des Landammanns,
der Mitglieder des Obergerichts, des Landweibels, die Genehmigung der Landesrechnung, die Eidesleistung.
Diskussion ist nicht gestattet.
Die vollziehende Behörde ist der aus 7 Mitgliedern bestehende Regierungsrat, dessen Präsident der Landammann ist. Die Regierung
ist nicht beständig in Funktion. Die Mitglieder sind meistens Fabrikanten und kommen bald da, bald dort zu ihren Sitzungen
zusammen. Sie beziehen auch keine eigentliche Besoldung; es sind ihnen jährlich 10000 Fr. zur Verfügung
gestellt, die sie selbst so unter sich verteilen, dass alle möglichst proportional ihrer Arbeit entschädigt werden.
Ausserdem beziehen die Regierungsräte Taggelder und Reiseentschädigungen. Die Landschreiberei befindet sich in Herisau.
Die richterlichen Behörden sind: Das Obergericht, gewählt von der Landsgemeinde, besteht aus 11 Mitgliedern
und hält seine monatlichen Sitzungen in Trogen ab, wo sich auch seine ständige Kanzlei befindet. Das Kriminalgericht wird
von dem Kantonsrat gewählt und besteht aus 7 Mitgliedern. Sitzungen monatlich in Trogen. Der Kanton zerfällt in drei Gerichtsbezirke
für die drei Bezirksgerichte: Vorderland mit Sitzungsort Heiden, Mittelland mit Sitzungsort Teufen und Hinterland
mit Sitzungsort Herisau. Diese drei Gerichte haben gemeinschaftlich einen Gerichtsschreiber, der zugleich Kriminalgerichtsschreiber
ist und seinen Sitz in Trogen hat. Schliesslich besteht in jeder Gemeinde ein Gemeindegericht mit 5-9 Mitgliedern.
Schulwesen.
Der Kanton zählt 123 Primarlehrer, 28 Reallehrer und -lehrerinnen (incl. Kantonsschule) und 10 Lehrer an
Privatanstalten.
Die Primarschulen sind zum grössten Teil Halbtagsschulen. Mit der Kantonsschule in Trogen ist ein Konvikt verbunden. Das
Defizit der Kantonsschule deckt zur einen Hälfte der Staat, zur andern die Gemeinde Trogen. Die Ausgaben des Staates für
das Unterrichtswesen betrugen im Jahre 1898 43967 Fr., diejenigen der Gemeinden 394576 Fr.
Erwerbszweige.
1. Landwirtschaft und Viehzucht (siehe auch Pflanzen- und Tierwelt). Hauptsächlich Wiesenbau und Alpenwirtschaft. Das Haupterzeugnis
ist Milch, die wegen der grossen Bevölkerungsdichtigkeit zumeist frisch konsumiert wird. Auf den Alpen wird Butter und Käse
fabriziert,
von letzterem magerer oder «rässer» und fetter Appenzellerkäse.
Die beim Buttern oder Käsen abfallende Milch findet Verwendung zur Mast von Schweinen und Kälbern. Von
solchem Kleinvieh wird besonders nach St. Gallen
viel ausgeführt, wogegen grosses Schlachtvieh von auswärts bezogen werden muss. Da
die Landwirtschaft keine Cerealien und keine Gemüse liefert, so sind diese sehr teuer, und deshalb besteht die Nahrung der
Appenzeller Bevölkerung (ausser Milch und deren Derivaten) hauptsächlich aus Fleisch und Fleischwaren
(Würsten). Im Jahre 1898 wurden geschlachtet: Ochsen 1665, Kühe 3254, Rinder 663, Stiere 748, Kälber 3911, Schweine 5187,
Pferde 107, Schafe 2087, Ziegen 641. Total 18263 Stück mit einem Fleischgewicht von 2222064 kilog.
2. Industrie. 64,8% der Bevölkerung leben von der Industrie. Nach der Statistik von 1890 sind folgende
Zweige vertreten:
a) Weberei. Leinwandweberei 29 Arbeiter;
Baumwollweberei (incl. Eisengarn) 3510 Arbeiter;
Mech. Weberei: 2 Fabriken mit 157 Arbeitern;
Seiden-Beuteltuchweberei 1519 Arbeiter.
b) Stickerei. Feine Handstickerei in Plattstich 146 Arbeiterinnen;
Grobstickerei in Kettenstich 52 Geschäfte;
Mech. Stickerei
in Plattstich 2428 Maschinen und 5181 Arbeiter (männl. und weibl. Sticker und Kinder);
Schiffli-Maschinenstickerei 88 Maschinen.
c) Zwirnerei. 18666 Spindeln, 275 Arbeiter.
d) Sengerei, Bleicherei, Appretur. 30 Etablissemente mit 1271 Arbeitern.
e) Färberei. 64 Arbeiter in 2 Fabriken.
Druckerei, Hemdenfabrikation ohne statistische Angaben.
(Industriestatistik nach Wartmann und Sturzenegger).
Kurwesen und Fremdenindustrie, Medizinalwesen.
Während einige der Gemeinden schon lange als Luft-, Höhen- und Molkenkurorte bekannt waren (Heiden,
Walzenhausen, Trogen, Gais, Teufen), haben sich im letzten Jahrzehnt fast in sämtlichen Dörfern Vereine gebildet zum Zwecke,
ihre Dörfer durch Broschüren, Plakate, Inserate u. dergl. in der Touristenwelt bekannt zu machen. So hat besonders der Touristenverkehr
in den letzten Jahren bedeutend zugenommen. Der Kanton zählte im Jahre 1898 658 Wirtschaften und Gasthöfe,
also auf je 82 Einwohner eine Wirtschaft. Diese grosse Zahl ist erklärlich, wenn man weiss, dass keine Wirtschaftspatentgebühren
bezahlt werden müssen.
Wie das Wirten ist auch das Medizinieren frei, hingegen zählt der Kanton doch 24 staatlich anerkannte,
d. h. eidgenössisch patentierte Aerzte, 2 Zahnärzte, 3 Apotheker, 7 Tierärzte, 36 Hebammen. In jedem Bezirk besteht ein
Bezirkskrankenhaus, für das Vorderland in Heiden, für das Mittelland in Trogen und für das Hinterland in Herisau.
Der Kanton ist von sehr guten Strassen durchzogen und zwar besitzt der Staat: 37,725 km Strassen I. Klasse, 56,318
km Strassen II. Klasse und 97,868 km Strassen III. Klasse, zusammen 191,911 km Staatsstrassen. ^[Supplement Einheit in km.]
Eisenbahnlinien auf Kantonsgebiet: Appenzellerbahn 18 km, Appenzeller Strassenbahn 14 km, Rorschach-Heiden 3 km, Rheineck-Walzenhausen
0,5 km, zusammen 32,5 km.
mehr
Staatshaushalt.
Fr.
Das Staatsvermögen beträgt
1127848.76
Das Steuerkapital für 1899
96562500,-
Das versteuerbare Einkommen 1899
6854400,-
Die Einnahmen der Landeskasse 1899
790372.49
Die Ausgaben der Landeskasse 1899
760781.62
Aktivsaldo
29590.87
Die Gebäude-Brandassekuranzanstalt besitzt auf ein Vermögen von 3909793,49 Fr.
Chronologische Uebersichtder Landesgeschichte.
500-600.
Erste Besiedelung des Landes durch die Alamannen.
I.Rh., 159 km2 messend, zerfällt in 3 Teile, von denen der grösste
der «innere Landesteil» genannt wird, die andern beiden zusammen die Gemeinde
Oberegg bilden. Ausserdem gehören ihm noch die in ausserrhodischem Gebiet liegenden Frauenklöster Wonnenstein (bei Teufen)
und Grimmenstein (bei Walzenhausen) an. Er grenzt nur an Ausserrhoden und St. Gallen
und erstreckt sich von 6° 59' -7° 10' ö. L. v.
Paris (oder mit Oberegg bis 7° 17') und von 47° 14' -47° 23' (47° 26') n. Br. Die grösste Längenausdehnung seines Hauptteiles
beträgt 14 km, die grösste Breite 17,5 km.
Der südliche Teil des Kantons wird vom Alpstein ausgefüllt, einer Gebirgsgruppe, die zum grössten Teil aus Kalkschichten
der Kreidezeit aufgebaut ist; an sie schliessen sich nach Nordosten Flysch- und Nummulitengesteine an,
die bei der Hebung des Säntis mit ergriffen wurden, während der nördliche Teil, aus Nagelfluh und Molasse bestehend, weniger
Störung erlitten hat und vorzugsweise das bewohnte Hügelland bildet. Der höchste Punkt des Landes, der Säntis, ist mit 2504 m
um 1960 m höher gelegen als der tiefste (544 m), der in der Runse des Gonzernbaches gegen Marbach (nicht
weit ob der Thalsohle des Rheinthales) liegt. - Der Alpstein oder das Säntisgebirge ist aus 6 parallel von SW. nach NO. laufenden
Gebirgsfalten aufgebaut. An einzelnen Stellen finden sich geschlossene Gewölbe, während an den meisten
Orten das Gebirge so weit abgetragen ist, dass im Kern derselben auch die ältesten Schichten zu Tage treten.
Meistens sind alle Schichten steil aufgerichtet und stellenweise auch überkippt. Das Südfallen der Schichten herrscht im
allgemeinen vor, sodass die Nordseite mit den Schichtköpfen durchwegs die steilere ist; doch kommt auch
das Gegenteil vor. Ein Querkamm, der die Ketten verbindet und die Thäler abschliesst, wurde zur Südgrenze des Kantons gewählt.
Die wasserreichen Thäler sind tief eingeschnitten und schmal. Das Neocom bildet das hauptsächliche Skelett der Ketten und
zeigt sich in verschiedenen Formen, teils in leicht verwitternden bleifarbigen Mergeln, teils in starren,
unzerstörbaren Mauern (Kieselkalk), welche besonders aus den Altmannschichten bestehen, die ihren Namen unserm Kanton entlehnten.
Daran reiht sich das Urgon (Schrattenkalk), aus dem zahlreiche Gräte und Rücken (Öhrli,
Rossmad, Alpsiegel, Hundstein etc.)
bestehen, deren verwitterter Mantel oft weiss wie Gips erscheint. Der Gault schiebt sich gewöhnlich nur
als schmale Einlage zwischen Schratten- und Seewerkalk ein, welch' letzterer fast sämtliche Thalsohlen in tiefern und höhern
Lagen, aber auch an einigen Orten die höchsten und schroffsten Gipfel bildet (Säntis, Ebenalp).
Als schmaler Streifen, der sich nach O. immer mehr verbreitert und zu einem fast selbständigen, kegelförmigen Berge (Fähnern)
erhebt, schliesst sich nördl. das Eocän an, das gleich den Kreidebildungen reich an Petrefakten ist.
Im erstern trifft man Nummulitenbänke und Schiefer mit zahlreichen Chondriten; in den verschiedenen Stufen der Kreide verdienen
aus der grossen Zahl herausgegriffen zu werden: Ammonites pulchellus, Lima Abbatiscellana, Pentacrinites, Crioceras (im Neocom),
Turrilites Bergeri, RequieniaAmmonia, Pteroceras pelagi, Orbitolina (Urgon), Inoceramus Cuvieri (Seewerkalk).
(Litteratur: A. Escher v. d. Linth, Cas. Mösch, Heim, Früh.) - Auf der darüber lagernden Rasendecke gedeihen von bekannten
und gesuchten Pflanzen: Edelweiss, Alpenrose (Rhododendron ferrugineum und hirsutum), Nigritella angustifolia, Anemone alpina,
von seltenern, die der Botaniker sucht: Carex microglochin, Serratula Rhaponticum, Achilleamacrophylla,Senecio abrotanifolius, Streptopus amplexifolius, Pyrethrum Halleri, Chrysanthemum coronopifolium, Saxifraga stenopetala.
Nach den Thaleinschnitten kann man 4 Bergketten unterscheiden, indem die 3. Falte (von N. nach S.) sich erst da zu dominierender
Höhe erhebt, wo die 4. sich senkt und ein gleiches Verhältnis zwischen der 6. und 5. stattfindet. Es
liegen dann in der 1. Gyrenspitz (2450 m), Hühnerberg (2341 m), Hohe Niedere (2228 m), Oehrli (2203 m), Hängeten (2126 m),
Türme (2046 m), Schäfler (1923 m) und Ebenalp (1644 m) [Wirtschaft] mit Höhlen, in deren einer das Wildkirchlein (1477 m)
liegt, während eine benachbarte zweite durch den Berg hindurch führt. In dieser, sowie etwa 100 Schritte
vor dem Kirchlein, beim Äscher, ist ebenfalls eine Wirtschaft, die oft als Kurort besucht wird. In der 2. Kette sind: der
Säntis (2504 m), der höchste Berg der schweiz. Voralpen, mit der eidg. meteorologischen Station und einem Gasthaus;
sowie
die Rossmad (1933 m), die schroff zum Seealpsee abfällt;
in der 3. Altmann (2438 m), Fählenschafberg (auch
Türme genannt) (2227 m), Freiheit (2142 m), Hundstein (2159 m), die dachförmige Marwies (2042 m), Bogartenfirst (1779 m), der
langgestreckte Alpsiegel od. Siegel (1768 m);
in der 4. Roslen (2154 m), Furglenfirst (1821 m), Staubernkanzel (1894 m),
Hoher Kasten (1798 m), der Rigi der Ostschweiz (mit Gasthof) und Kamor (1750 m), woran sich die Fähnern (1509 m) aus dem Eocängebiete
anreiht.
Den nördl., also weitaus den grössten Teil des bewohnten Landes, nimmt die Molasse ein, und in dieser dominiert wieder
die bunte Nagelfluh, während die Kalknagelfluh sich auf die nördlichsten und tiefsten Schichten dieser
Zone beschränkt. Der Sandstein ist teils in die Nagelfluh eingelagert, teils kommt er im nördlichsten Teile des Kantons
in grösserer Ausdehnung für sich vor, gehört dann aber geologisch, wie das Gebiet von Oberegg, wohin sich die Nagelfluh
über den Gäbris erstreckt, schon mehr zu Ausserrhoden, wie anderseits die Kreide und Nagelfluhbildungen
sich sw. in die Kantone St. Gallen
und Ausserrhoden fortsetzen.
Die wichtigsten Höhepunkte dieses Gebietes sind: Kronberg (1666 m), Klosterspitz (1328 m), Hundwiler Höhe (1309 m), Himmelberg
(1077 m), Clanx mit einer Burgruine (1008 m), Lehmensteig (1007 m), Fuchsenkreuz (1049 m), Hoher Hirschberg
(1170 m) und, bei Oberegg, St. Anton (1125 m), mit prächtiger Aussicht und Kuranstalt.
Zur Eiszeit haben der Säntis- wie auch der Rheingletscher, der n. der Fähnern ins Land drang, die Thäler mit ihrem Schutte
überführt, so das Thal der Sitter von Schwende bis Appenzell,
die Hochthäler von Eggerstanden, Gonten und Meistersrüte.
An nutzbaren oder sonst wertvollen Mineralien ist Innerrhoden arm. Eine Höhle mit grünem Flussspat ist ganz ausgebeutet,
ein Sandsteinbruch mit vortrefflich harten Steinen beinahe. Einige andere sind noch im Betrieb. Seewerkalk wird oberhalb des
Weissbades gebrochen, um nach Ausserrhoden geführt und dort verwendet zu werden. Der Sitter wird eine
Menge Sand und Kies entnommen. Die harten Thonschiefer der Fähnern werden hie und da als Abziehsteine geholt, aber nicht
mehr
planmässig gebrochen. Das wichtigste Produkt ist der Torf, der in Gonten, Eggerstanden und Oberegg gegraben wird und in ziemlicher
Mächtigkeit vorhanden ist; in Gonten findet sich darin Dopplerit. Meistersrüte, wo der Torf zum grössten Teil erschöpft
ist, liefert Lehm.
An mehreren Stellen entquillt dem Boden eisenhaltiges Wasser, das im Gontenbad und Jakobsbad bei Gonten, sowie
im Hoferbad bei Appenzell
benützt wird. Bei Oberegg sprudelt eine unbenutzte Schwefelquelle.
Das Klima ist im allgemeinen mild. Die Extreme +30° und -20° C. werden nicht jedes Jahr erreicht. Die mittlere Temperatur
(1883-95) auf dem Säntis ist im Juli +4,8°;
im Aug. +4,9°;
im Jan. -9,1°;
im Jahre -2,2°;
in Appenzell
im Jahr
ca. +5°. ^[Berichtigung: +7,5°.] Die vorherrschenden Winde sind SW. und W., die gerne Niederschlag bringen.
Mit ihnen wechselt
der NO. ab, der aufhellt. Besonders im Frühjahr, doch auch in andern Jahreszeiten, regiert oft der Föhn, im östl. Teil
des Landes mehr als im westl. Auch Nebel deckt im Frühjahr häufig das Gebiet, während im Winter, wenn
Rheinthal und Thurgau
vom Nebel eingehüllt sind, in Appenzell
meistens der klarste Sonnenschein herrscht und der Blick von hellen Höhen
übers kalte Nebelmeer schweift. Die mittlere Niederschlagsmenge betrug in Appenzell
(1881-92) 1489 mm, auf dem Säntis
(1888-99) 2423 mm jährlich. Der Schnee, der auf den Bergen fällt, schmilzt jedes Jahr weg bis an 2 ganz kleine Gletscher,
den «blauen» und den «grossen
Schnee», im N. und S. der Säntisspitze. Da das Kalkgestein gleichsam als Filters dient, treten unten so viele
Wasseradern zu Tage, dass Innerrhoden eines der quellenreichsten Gebiete genannt werden darf und so zu
sagen bei jedem Haus ein Brunnen reichlich frisches Wasser spendet.
Der Hauptfluss ist die Sitter, die man aus 3 Quellbächen entstehen lässt, aus dem Schwende-, Brül- und Weissbach. Der erste,
aus dem Seealpsee kommend, ist der beständigste und dürfte als der eigentliche Quellbach angesehen werden.
Am Weissbach ist ein grosses Fangwerk für Flössholz angebracht. Die Nebenbäche machen sich hauptsächlich durch den Schaden
bemerkbar, den sie bei Gewitterregen verursachen. Die wichtigsten sind: der Ibach, nahe dem Weissbad, der Kaubach und der Tablatbach,
westl. von Appenzell,
und der Rotbach, an der Nordgrenze gegen Ausserrhoden. Der Kronbach fliesst vom Kronberg und
von Gonten in die Urnäsch, der Aubach von Eggerstanden und der Fallbach von Oberegg nach dem Rheinthale.
An stehenden Gewässern sind nur kleine Bergseen zu nennen: der düster-romantische Fählensee (1448 m; ca. 14 ha), am Fusse
des Hundstein;
der veränderliche Sämbtisersee (1209 m; ca. 21 ha), zwischen Siegel und Staubern;
der liebliche,
vielbesuchte Seealpsee (1139 m; ca. 12 ha), zwischen Schäfler und Marwies;
das Wildseelein (1920 m), am Fusse des Altmann, und
das Forstseelein (1204 m), am Abhange der Fähnern;
letztere beide nur von der Grösse eines Weihers.
Die 159 km2 der Fläche des Kantons Appenzell
I. Rh. verteilen sich auf 74,1 km2 (46,6%) Wiesen und Riedland, 37,3
km2 (23,4%) Alpen und Weiden, 33 km2 (20,8%) Wald und 14,6 km2 (9,2%) unproduktives Gebiet. Der Feldbau ist fast ganz
verschwunden, dagegen nimmt der Obstbau wieder zu, da vom landwirtschaftlichen Verein seit 1887 jedem
austretenden Primarschüler des innern Landesteiles ein Baum geschenkt wird (bis 1900 total 1530 Stück). Der Durchschnittsertrag
wird auf ca. 40000 Fr. geschätzt, wovon mehr als ¾ Oberegg zu verdanken ist. Der Heuertrag reicht nicht vollständig aus,
das Vieh zu erhalten. Der Durchschnittspreis (1887-99) per m3 einheimischen Heues ist 6,39 Fr.
Alpweiden zählt man 168, von 4-300 ha Fläche, mit 3126,9 Normalstössen und einem Gesamtwerte von 2682955 Fr.; davon sind 26 Alpen
mit 1227 ha und 687 Stössen im Werte von 417300 Fr. staatliches oder korporatives Eigentum und 4 Alpen von 199,25 ha mit 196 Stössen
im Werte von 146750 Fr. im Besitze auswärtiger Korporationen und Gemeinden.
Der Ertrag der öffentlichen Waldungen, worunter 20 im Besitze von Korporationen sind, machte 1898 = 47823 Fr., der der Privatwaldungen 125955
Fr. aus, wogegen 21200 junge Pflanzen in öffentlichen und 70220 in Privatwaldungen gesetzt wurden. Die meisten Wälder bestehen
aus Rottannen, einzelne aus Buchen, wenige sind gemischten Bestandes.
Der Kanton zählte
1866
1876
1886
1896
im Werte von Fr.
Pferde
262
172
128
118
70350
Hornvieh
6748
7733
7722
8998
2795830
Schweine
2446
3447
4769
9572
584520
Schafe
919
757
665
327
6580
Ziegen
4825
4022
4969
4850
121250
Bienenstöcke
?
471
589
790
14220
Es kommen auf 1000 Einwohner 9 Pferde, 697 Rinder, 742 Schweine, 25 Schafe, 376 Ziegen und 61 Bienenstöcke. Mit der Zahl
der Schweine steht Appenzell
I. Rh. an der Spitze aller schweizerischen Bezirke. Es wird denn auch der Ertrag der Schweinezucht auf annähernd 1 Million
Fr. geschätzt, indem z. B. 1898 über 18000 Ferkel kastriert und grösstenteils nach dem Flachlande
verkauft wurden. Die Zucht der Ziegen nimmt wieder zu, seit die Appenzellerziege als exportfähige Rasse bekannt geworden
ist.
mehr
Aus der Milch der Kühe wird von den Bauern selbst Butter und Käse bereitet. Von letzterm macht man 2 Sorten, gewöhnlich
einen scharf gesalzenen, sog. «rässen» Magerkäs, seltener einen fetten,
der nach seiner Konsistenz etwa zwischen Emmentaler und Greierzer einzureihen wäre. Molkenhändler holen wöchentlich die
Produkte bei den Bauern und bezahlen dieselben halbjährlich.
Im Jahre 1899 wurden für Jagd- und Fischereipatente 1822 Fr. eingenommen, an Schussprämien für schädliches Wild 409,50
Fr. ausgelegt. Das Hauptwild ist die Gemse; ausserdem werden Reh und Dachs, Fuchs und Hase, Marder und Fischotter, Auer-,
Birk- und Schneehuhn gejagt. Der Steinadler, der früher ziemlich regelmässig am Hundstein horstete,
ist längst ausgerottet. Murmeltiere, die man angesiedelt hat, vermehren sich nicht stark. Die einzigen Fische sind die Bachforelle
(Salmo fario), deren Fleisch sehr geschätzt ist, und die Groppe (Cottus gobio). Die Ellritze (Cyprinus phoxinus) scheint
verschwunden zu sein, da schon seit Jahren keine mehr gefangen wurde.
Nach der Zählung von 1888 hat Appenzell
I. Rh. 12888 Einwohner, von denen 11355 Bürger ihrer Wohngemeinde, 192 Bürger
der andern Gemeinde des Kantons, 1046 Bürger anderer Kantone und 295 Ausländer sind. Nach der Religion sind 12213 Katholiken
und 673 Reformierte; 12849 sprechen deutsch, 8 französisch, 28 italienisch, 2 romanisch. Sie verteilen
sich auf 3163 Haushaltungen in 2112 Häusern. 4872 (378‰) leben laut der eidg. Statistik vom Ertrage der Landwirtschaft
und Viehzucht, 6560 (509‰) von Industrie, 851 (66‰) vom Handel, 206 (16‰) vom Verkehr, 322 (25‰) von Verwaltung und
Wissenschaft, 77 (6‰) sind ohne bestimmten Beruf.
Als Industrien sind fast ausschliesslich Stickerei und Seidenweberei anzuführen. 1890 beschäftigten
sich mit Hand-Plattstickerei 2432, mit Maschinen-Plattstickerei 673, mit Kettenstich-Stickerei 707, mit Zwirnerei 7, mit
Handweberei 136 Personen. Früher, als die Molken bei den Medizinern noch den Ruf grosser Heilkraft hatten, zogen viele Leute
als Molkenbereiter, sog. «Schöttler», während der Saison in Bäder, Kurorte und Städte Deutschlands,
Oesterreichs etc. Durch den Umschwung der medizinischen Anschauungen dazu genötigt, warf sich der grössere Teil dieser
Leute auf den Stickereihandel, sodass man jetzt Stickerinnen und Fabrikanten aus I. Rh. von Nizza bis Königsberg, von Budapest
bis London trifft.
Die Stickerinnen bieten ein anmutiges Bild durch ihre Tracht, die im innern Landesteil noch allgemein getragen
wird und sich an Festtagen durch reiche Farbenpracht und kostbaren Gold- und Silberschmuck auszeichnet. (Siehe das Bild Seite 79. ^[=
41.92.]) Als kleinere Industrien sind noch zu nennen: je eine Ziegelei, Cylinderhutfabrik und Holzbildhauerei, drei Konditoreien,
die auch für den Export in die benachbarten Kantone arbeiten (Biberfladen) und zwei Brauereien. Von
nicht geringer Bedeutung ist die Fremdenindustrie, der nicht nur die Gasthäuser auf den Bergen dienen, sondern auch 3 grössere
Bäder: Weissbad, Gontenbad, Jakobsbad und die Kuranstalten in Schwende, Steinegg, St. Anton und Oberegg.
Nur eine Eisenbahn berührt diesen Kanton, die schmalspurige Appenzellerbahn, deren Endstück von 7,75
km auf innerrhod. Gebiet liegt. An Staatsstrassen sind ca. 18,8 km, an Bezirksstrassen 33,7 km vorhanden. Die «ländliche
Spar- und Leihkasse», die mit Neujahr 1900 an den Kanton überging und nun als «Appenzell.-innerrhodische
Kantonalbank» weiter betrieben wird, ist das einzige Geldinstitut. Gesamtumsatz (1898) 9197469,93, Sparkassaeinlagen
in diesem Jahr 665441,16, Rückbezüge 536410,98, Bestand der Einlagen 2620152,77 Fr. Eine «ländliche
Feuerversicherungs-Gesellschaft», beruhend auf Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit, sowie eine «Brandversicherungsanstalt
für den Bezirk Oberegg» suchen die Leute vor Brandschaden zu bewahren. Versicherungssumme der erstern (1898) 9149125, Prämien
und Einstandsgelder 6313,30, Brandschadenvergütung 2386,70, Vermögen 273102,10 Fr. Von sonstigen Vereinen nennen wir den
historisch-antiq. Verein, Turn-, Schwing-, Jägerverein, Lesegesellschaften etc. Verschiedene erstrecken sich über beide
Halbkantone: Gemeinnützige Gesellschaft, Gewerbeverein, Feuerwehrverband, ärztliche Gesellschaft etc.
Auch die Truppen der Füsilier-Bat. 84 und 128 gehören beiden Halbkantonen an. Innerrhoden stellt:
Infanterie:
Mann
Stab
Auszug 11. Landwehr 5
16
Auszug
Soldt. 488. Unteroffiz. 72. Offiz. 8
568
Landwehr I
Soldt. 181. Unteroffiz. 32. Offiz. 4
217
Landwehr II
Soldt. 130. Unteroffiz. 16. Offiz. -
146
Andere Waffen
17 (auswärts eingeteilt)
17
Total:
964
Für
Uebung sorgen 19 Schützenvereine.
Die Staatseinnahmen des Jahres 1899 betrugen 173400,35 Fr., wovon 5159,35 an Zinsen, 9468,05 vom Salzregal und 89263,37
an Steuern; die Ausgaben 123174,05 Fr., wovon 11356,01 Zinsen, 8680,45 für Polizei- und Gerichtswesen, 25339,13 fürs Bauwesen,
30839,26 fürs Schulwesen. Das eigentliche Staatsvermögen, ohne die unproduktiven Gebäulichkeiten, beträgt 212658,46 Fr.,
dem aber Passiven von 314129 Fr. gegenüberstehen. Zu den Aktiven kommen Spezialfonds, so der des Bauamts mit 54022,13, des
Zeugamts mit 5551,53, des Landwirtschaftsdepartementes (neu angelegt) mit 6697,94 Fr. Zwar nicht dem
ganzen Kanton, aber dem ganzen innern Landesteil gehören: eine Schulkasse mit 58347,71 Fr. und mehrere Kassen für Armen-,
Kranken- und Waisenverwaltungen, zusammen mit 557665,38 Fr. reinem Vermögen, die ebenfalls von der Standeskommission verwaltet
werden. Es wurden, ohne Bau- und Verwaltungskosten, verausgabt: für Kranke 4086,22, für Arme 27418,98,
für Waisen 10613,96, für Unverbesserliche und moralisch Defekte im sog. Spital 6066,35 Fr.
Die Staatssteuer wird nach dem «Kataster» erhoben, d. h. es wird jedes
immobile Besitztum amtlich geschätzt; von dem so erhaltenen Werte fallen ⅔ in Besteuerung. Katasterwert (1900): 25551240
Fr. Die Steuer beträgt im innern Landesteil für Staats- und Armenzwecke seit langem stets 5‰, in
Oberegg, das für seine Armen selbst sorgt, gewöhnlich 3½‰. Pfandgläubigern kann der entsprechende Betrag vom Zinse
abgezogen werden. Bezirks-, Schul-, Kirchen- und Feuerschausteuern werden in verschiedener Weise und Berechnung, jedoch meist
auf Grundlage des Vermögens erhoben.
Die Vermögen der Schulgemeinden machten 1896-97 aus 110068,48, deren Schulden 146630 und die erhobenen Steuern 27943,33
Fr. Die verhältnismässig bedeutenden Schulden rühren von Neubauten her. Der Schulbesuch ist obligatorisch in der Alltagschule
vom 6.-12. Altersjahr, hierauf in der Repetierschule 2 Jahre, woran sich für die Knaben noch 3 Jahre Fortbildungsschule
anschliessen. Vom Staate wird eine Real-(Sekundar-)schule für Knaben, von Privaten eine solche für Mädchen unterhalten.
In der Alltagschule (Primarsch.) haben die Kinder die Schule während 40-44 Wochen je 6 Halbtage zu besuchen, in der Repetierschule
während 28 Wochen und in der Fortbildungsschule während 19 Wochen je 4 Stunden. An einer gewerblichen
Fortbildungsschule wird während ca. 44 Wochen je 6 Stunden Unterricht erteilt. Das Minimalgehalt eines Primarlehrers ist 1000 Fr.,
das nach 5 und nach 10 Jahren um je 100 Fr. steigt. Eine Lehrer-Alters-, Witwen- und Waisenkasse besitzt 11686 Fr.
Kirchlich gehört Appenzell
I. Rh. provisorisch zum Bistum St. Gallen
und wird durch einen bischöflichen Kommissär administriert.
Das Vermögen der Kirchen beträgt (1899) 513131 Fr., ohne die gesammelten Fonds für Neubauten, die auf ca. 100000 Fr. geschätzt
werden können und ohne das der 17 Kapellen, das von geringem Belange ist; die Schulden machen 27202 Fr. aus.
Der Kanton zerfällt politisch in 6 Bezirke (Appenzell,
Schwende, Rüti, Schlatt-Haslen, Gonten und Oberegg), von denen
jedoch 5 nur als Wahlbezirke angesehen werden können, indem man nur Bürger des innern Landesteiles und solche von Oberegg
unterscheidet und jeder Bürger des innern Landes, der in einen andern Bezirk desselben zieht, dort in jeder Hinsicht den
andern gleichgestellt ist. Kirchlich wird Appenzell
I. Rh. in 5 Pfarrgemeinden eingeteilt, von denen eine noch 3 Filialen hat. Schulkreise
bestehen 15. Weder die Grenzen der Kirchgemeinden, noch die der Schulkreise stimmen mit denen der Bezirke überein. Früher
wurde die Bevölkerung nach Geschlechtern in Rhoden eingeteilt, die neben der Landsgemeinde die Wahlkörper
bildeten. In Oberegg ging das Rhodsvermögen
Die Dichtigkeit
der Industrie ist durch die Zahl den Zeichen angegeben.
L'intensité de l'industrie est indiquée par le nombre des signes.
Viehhandel
ɤ
Commerce du bétail
Holzhandel
➚
Commerce de bois
Säge
⟣
Scierie
Käserei
o
Fromagerie
Bierbrauerei
Br
Brasserie
Ziegelei
⌂
Tuilerie
Chemische Produkte
♁
Produits chimiques
Wollwaaren Fabr.
Ж
Lainages
Papierfabrik
P
Fabrique de papier
Mühle
⟣
Meunerie
Branntweinbrennerei
*
Distillerie
Bad
ٮ
Bains
Luftkurort
K
Stat. climatérique
1:175000
M. B. n. A. Heyer & E. Lehner.
V. Attinger sc.
HAUPTSÆCHLICHSTE INDUSTRIEN DES KANTONS APPENZELL
mehr
an den Bezirk über; im innern Landesteil bestehen die Rhoden als Korporationen fort, deren Zinse hauptsächlich zur Unterstützung
der Rekruten, der Schulen und Kirchen verwendet werden.
Am letzten Sonntag Aprils versammelt sich die Landsgemeinde und wählt die Standeskommission (Regierung), bestehend aus dem
regierenden und stillstehenden (Vize-) Landammann, Statthalter (zweitem Stellvertreter des Landammanns
und Präsidenten der Verhörkommission), Säckelmeister (Finanzdep.), Landeshauptmann (Landwirtschaftsdep.), Bauherr (Baudep.),
Landsfähnrich (Polizeidep. und Schulkassaverwalter), Armleutsäckelmeister (Armenwesen des innern Landes) und Zeugherr (Militärdep.),
ferner das Kantonsgericht mit 13 Mitgliedern, den Landschreiber und Landweibel und alle 3 Jahre das Mitglied in den Ständerat;
sie entscheidet auch über Annahme oder Verwerfung von Gesetzen, worüber Diskussion gestattet ist. Am
ersten Sonntag im Mai tagen die Bezirksgemeinden zur Wahl der Hauptleute und Räte (verwaltende Bezirksbehörde), des Bezirksgerichtes
und Vermittlers und zur Behandlung von Fragen, die das Interesse des Bezirks, berühren.
Jeder Bezirk hat einen regierenden und stillstehenden Hauptmann (Präsidenten). Die Standeskommission und sämtliche
Hauptleute und Räte bilden den Grossen Rat, dessen Präsident der regierende Landammann ist. Der Gr. Rat berät die Gesetze,
die vor die Landsgemeinde gelangen, erlässt Verordnungen, bestimmt den Steuerfuss - der indes nicht leicht abzuändern wäre
-, wählt den Bankrat, die Schul-, Militär-, Bau-, Sanitäts- und andere Kommissionen, übt das Begnadigungs-
und das Kollaturrecht aus. Er versammelt sich ordentlicherweise dreimal im Jahre. Bei wichtigern Verhandlungen pflegt man
noch Umfrage zu halten, indem zuerst die Mitglieder der Standeskommission nach der Reihenfolge des Amtes, dann die Hauptleute
nach der Reihe der Bezirke um ihre Meinung befragt werden, worauf erst die allgemeine Diskussion eröffnet
wird.
Die im innern Landesteil gewählten Bezirksrichter bilden ein Gericht, die von Oberegg das zweite. Für dingliche Streitsachen
(Land, Bach, Wald und Weg) bestehen drei Instanzen: die erste besteht aus 5 Mitgliedern des Bezirksgerichtes, soweit möglich
aus dem Wahlbezirke, in dem der Streitgegenstand liegt;
die zweite aus 11 Mitgliedern, die - mit Ausschluss
der Mitglieder der ersten Instanz, - nach der Reihenfolge der Wahlbezirke aus demselben Bezirksgerichte, nötigenfalls aus
demjenigen des andern Landesteiles berufen werden;
als dritte Instanz tritt das Kantonsgericht auf, das in andern Fällen
als zweite Instanz funktioniert.
Stimm- und wahlfähig sind vom 20. Altersjahr an alle Landleute und niedergelassenen Schweizerbürger,
mit Ausnahme der Falliten bis zur Rehabilitierung, und der durch richterliches Urteil Entehrten. Beschränkungen sind für
folgende Fälle vorgesehen: in Standeskommission, Bezirks- und Kantonsgericht dürfen nicht zwei nahe Verwandte sitzen;
ein
Mitglied der verwaltenden Behörden kann nicht einem Gerichte angehören;
im Kantonsgericht muss jeder der 6 Bezirke
vertreten sein;
der regierende Landammann darf sein Amt nur 2 Jahre ohne Unterbruch bekleiden.
Jeder Wahlfähige ist bis
zu seinem 65. Altersjahre verpflichtet, ein ihm übertragenes Amt anzunehmen. Die Beamten werden nur durch Taggelder entschädigt,
mit der Ausnahme, dass die 9 Mitglieder der Standeskommission zusammen 1220 Fr. Besoldung beziehen.
Appenzell
trat 1411 als Schützling mit den 7 Orten ins Landrecht, 1452
wurde es als zugewandter Ort und 1513 als gleichberechtigt in den
Bund aufgenommen. In dieser Zeit rechnete man Gais noch zu den innern, das Gebiet des heutigen Oberegg zu den äussern Rhoden.
Appenzell
I. Rh., durch die Trennung von 1597 zu einem selbständigen Staatsgebilde geworden, zeitigte im 18. Jahrhundert
trotz der demokratischen Institutionen aristokratische Neigungen, die im Sutter'schen Prozess (1784) am deutlichsten zu Tage
traten. 1798-1803 gehörte Innerrhoden zum Kanton Säntis. Vor- und nachher waren Verfassung und Gesetze des Landes im Landbuche,
einer Sammlung von Beschlüssen aus verschiedenen Zeiten, enthalten. Die ältesten stammen von 1409,
gesichtet wurden sie 1585. Eine Revision fand 1814 statt. Im Jahre 1828 wurde von der Landsgemeinde der ganze Grosse Rat gestürzt
und - bis auf drei - durch neue Mitglieder ersetzt. Die neue Behörde erhielt den Auftrag, eine Verfassung auszuarbeiten,
die dann 1829 angenommen wurde. Der gleiche Grosse Rat hob die Ehrloserklärung des hingerichteten Landammanns
Sutter und seiner Anhänger auf. Während des Sonderbundskrieges blieb Appenzell
I. Rh. neutral und wurde dafür um 15000 Fr. gebüsst.
Nach mehrern Anläufen wurde die Verfassung 1872 wieder revidiert und verblieb nun der Hauptsache nach bis heute in
Kraft.
(Abbatis cella), der Hauptort von Appenzell
I.-Rh., liegt unter 7° 4' 13“ ö. L. von Paris und 47° 19' 54“ n.
Br., 778 m über Meer. Als Dorf (Feuerschaukreis) greift er in die Bezirke Schwende und Rüte über und bildet andrerseits
mit dem n. und s. gelegenen Lande den Bezirk Appenzell (s. vor. Art.). Appenzell
zählt als Bezirk 591 (als Dorf
356) Häuser mit 4477 (anno 1900 ca. 4600) Einwohnern in 1094 Haushaltungen. Von jenen waren 4287 katholisch, 183 reformiert, 2 anderer
Konfession; 4441 deutsch, 7 französisch, 21 italienisch, 2 romanisch und 1 eine andere Sprache sprechend.
Das Dorf liegt in einem weiten Thalkessel der Sitter, zum grössten Teil an ihrem linken Ufer. Das dazu gehörende Land steigt
südlich zum Klosterspitz bis 1328 m, nördlich gegen Gais (Ausserrhoden) bis 1134 m an. Postbureau 2. Klasse, Telegraph, Telephon.
Endstation der Appenzellerbahn. Mit Gais ist Appenzell
durch einen Fahrpostkurs verbunden. Ausserdem führen Strassen
nach Herisau, Urnäsch, Haslen, Weissbad und Eggerstanden. Schöne Kirche mit altem Turm, vortrefflichem Geläute und dem kantonalen
Archiv, das kant.
Rathaus, Waisen- und Armenanstalt, die Kantonalbank, 1 Zeughaus, 1 Schlachthaus, 1 Kapuziner- und 1 Frauenkloster, eine Altertumssammlung,
ein grosses Relief des Kt. Appenzell,
2 grössere Gasthöfe, 1 Brauerei, 1 Ziegelei und mehrere Stickfabriken. Innerhalb
des ältern, städtisch gebauten Teiles des Dorfes dehnt sich der geräumige Landsgemeindeplatz aus. Südlich lehnt sich
ein meist aus kleinern, zerstreuten Häusern bestehender Vorort (das Ried) an, der auf einem Armengute steht und meist von
Anteilhabern selbst erbaut wurde; Anteilhaber ist nämlich jeder Bewohner des Dorfes, der zugleich Bürger
ist und nicht über 3000 Fr. Vermögen besitzt. Auch im übrigen Gebiete sind die Häuser zerstreut, indem nach alt alemannischer
Weise auf jedem einzelnen Grundbesitz (der nur viel kleiner ist, als ehedem) ein Haus mit Scheune steht.
Der Bezirk hat drei Schulkreise, von denen jedoch zwei noch Gebiete anderer Bezirke umfassen, eine Real-(Sekundar-)schule
für Knaben und eine solche für Mädchen, sowie eine Gewerbeschule. Die kath. Kirchgemeinde
mehr
erstreckt sich in alle fünf Bezirke des innern Landesteiles; in drei derselben sind Filialkirchen. Die Protestanten besitzen
ein Bethaus, das ebenfalls allen innern Bezirken dient.
Hauptbeschäftigung ist die Stickerei, sowohl Hand- als Maschinenstickerei. Daneben sind von Wichtigkeit die Fremdenindustrie
und der Markt (grösster Schweinemarkt der Ostschweiz), infolge dessen sich eine grosse Zahl Wirtschaften
und Läden finden; dann auch noch Molken- und Holzhandel. 2 Sägemühlen, 1 Steinbruch, 1 Lehmgrube. Ziemlich starke Viehzucht.
Die älteste Urkunde über Appenzell
datiert aus dem Jahre 1061, in welchem Jahre die erste Kirche erbaut wurde; es war also unzweifelhaft
schon früher bewohnt. Eine halbe Stunde nördlich vom Dorfe sind noch geringe Ueberreste der einst den
Aebten von St. Gallen
gehörenden Burg Clanx (erbaut vielleicht 925, wahrscheinlich später, doch vor 1210; zerstört 1402). In Appenzell
hatten
die Aebte einen Hof, wohl eine Art Sommerresidenz, woher die Dorfbewohner von den Leuten der Umgebung heute noch «Hofer» genannt
werden; daher auch die Namen Hoferbad und Hofwiese (siehe Plan).
1400 und 1560 brannte das ganze Dorf nieder. 1798 wurde hier in der Kapuzinerkirche die erste Versammlung der Deputierten
des Kantons Säntis abgehalten, da Appenzell
zuerst als Hauptort dieses Kantons auserkoren war. Bald aber musste es diesen Vorrang an
St. Gallen
abtreten.
Bezirk des Kantons Appenzell
I. R., aus dem Hauptorte Appenzell,
Ried, Kau, Unterrain, Rütirain, Rinkenbach, Lank, Steig, Mettlen, Lehn und
Meistersrüte bestehend, von denen indes Kau, Unterrain und Lank in die benachbarten Bezirke übergreifen.
Das Dorf liegt in einem weiten Thal, das in der Eiszeit von Gletscherschutt überführt wurde, unter dem einige von den benachbarten
miozänen Hügeln ausgehende Klippen bis nahe an die Oberfläche reichen.
Die Sitter bahnte sich durch diesen Schutt, während der Gletscher abschmolz und die Wassermenge infolgedessen bedeutend war,
ein breites Bett, dessen Ränder noch als kurze steile Halden vorhanden sind, zog sich jedoch mit abnehmendem Wasserreichtum
in ein schmaleres, aber mannigfach gewundenes Bett zurück. Das Thal der Sitter und die Hochthäler von Gonten, Eggerstanden
und Meistersrüti, die sich gegen Appenzell
öffnen, bestimmten den Ort zum Zentrum des nähern Gebietes. Die sonnig
gelegenen, nach N. ansteigenden Hügel sind von zerstreuten Häusern und Scheunen übersät, was der Gegend ein sehr freundliches
Aussehen verleiht; die Abhänge im S., die mehr im Schatten liegen, sind zumeist von Waldung bedeckt.
Das Dorf zerfällt in das eigentliche alte Dorf mit städtisch geschlossener Bauart, in das ursprünglich
und zum Teil jetzt noch als Armenquartier geltende Ried, in die langgestreckten Quartiere der Gontener- und Weissbadstrasse,
in das Villenquartier Blumenrain und in die Gaiserstrasse, ebenfalls mit einigen Villen. Das Ziel, mit grosser Stickerei und
der neuen protestantischen Kirche, ist zum grossem Teil auch dem Dorfe angegliedert worden.
Zu den früher genannten bemerkenswerten Gebäuden kamen seither hinzu: ein neues Schlachthaus (im Gebiet der Gemeinde Schwende),
das Kollegium beim Kapuzinerkloster, mit Progymnasium, die schon angeführte protestantische Kirche, ein vom Bund erstelltes,
neues Postgebäude, in das auch die Kantonalbank übersiedelte, ein mit Dampf betriebenes Sägewerk und auf einer aussichtsreichen
Terrasse ausserhalb des Dorfes das neue Armenhaus, das von Fremden in der Regel für ein Hotel angesehen wird. Am Rathaus
wurde 1903 ein Bronzerelief zum Andenken an den 500 Jahre früher erfolgten Heldentod Uli Rottachs angebracht.
Die Gesamtzahl der Häuser des Bezirks beträgt nach der Zählung von 1900: 608, die der Haushaltungen
990, die Einwohnerzahl 4485. Von den in den statistischen Berichten angegebenen Zahlen sind diejenigen für die beiden Klöster
Wonnenstein und Grimmenstein zu subtrahieren, da diese in willkürlicher Weise dem Bezirk Appenzell zugerechnet wurden, obgleich
sie eine staatsrechtlich ganz aussergewöhnliche Stellung einnehmen. Sie sind nämlich gar keinem Bezirk zugeteilt
und dadurch von Bezirks-, Schul- und ähnlichen Steuern befreit. Das Dorf im engem Sinn zählt heute 404 Häuser, (also 48 mehr
als 1900), das ganze Dorf 3184 Ew. (1900). Jetzt ist diese Zahl bedeutend höher anzunehmen.
Von den Bewohnern des Bezirks sind 3794 Bürger, 45 Bürger von Oberegg, 492 Bürger anderer Kantone und 154 Ausländer, 2085 männlich, 2400 weiblich, 4227 katholisch, 257 reformiert; 4453 deutsch, 6 französisch, 19 italienisch
und 6 romanisch sprechend.
Das Dorf besitzt seit 1886 eine Hydranten- und Hauswasserleitung, die jetzt bis 500 Minutenliter liefern kann; es werden
aber gewöhnlich nur 200 Liter gebraucht. Ebenso hat es seit 1905 ein Elektrizitätswerk, dessen Maschinen,
vom Wasser des Seealpsees und Dieselmotoren
getrieben, in den Auen (l½ St. vom Dorf) stationniert sind. Es gibt auch an die
dazwischen liegende Gegend Licht und Kraft ab.
Neue Postkurse sind eingeführt von Appenzell
nach Haslen und Weissbad; dagegen ist der Kurs nach Gais infolge Ausbaus
der Appenzeller Strassenbahn St. Gallen-Gais bis Appenzell
eingegangen. Der Eisenbahnverkehr der Station Appenzell
betrug im Jahre 1908:
Personen
Anzahl
93367
Gepäck
Tonnen
715
Tiere
Anzahl
14259
Güter
Tonnen
1537
Daheriger Ertrag
Fr.
105853
Das Klima zeigte sich seit 1900 etwas besser, indem der durchschnittliche jährliche Niederschlag auf
1380, somit um gut 100 mm hinabging. Die gesamte Menge des Neuschnees schwankte sehr, nämlich zwischen 115 cm (1900-01)
und 406 cm (1906-7); im Durchschnitt betrug sie 237 cm. Gemeiniglich bringt der Februar am meisten Schnee; doch weist in dieser
Periode der Dezember 1906 mit 140 cm die höchste Summe auf.
1) Der 13. Kanton der Schweizer Eidgenossenschaft, ganz von dem Gebiete des Kantons St. Gallen umschlossen, hat 419,6 qkm und
zerfällt in die beiden Halbkantone Appenzell-Außerrhoden (260,6 qkm) und Appenzell-Innerrhoden (159 qkm).
Das Land liegt auf der nördl. und nordwestl. Abdachung der Säntisgruppe, die sich nach der Südgrenze
des Kantons hier im Alpsteingebirge mit dem Säntis (2504 m) und dem Altmann (2435 m) zu ihren größten, mit ewigem Schnee
bedeckten Höhen erhebt.
Hier entspringen die beiden Hauptflüsse des Kantons, die Sitter und deren Zufluß Urnäsch. Beide fließen zur Thur, die Gewässer
des nördl. Landesteils dagegen zum Rhein und zum Bodensee. Ganz Appenzell ist ein Bergland, dessen südl. Ketten
den Charakter der Hoch- und Mittelalpen besitzen, während die nördlich und nordwestlich sich anschließenden Nagelfluhgebirge
ein freundliches Voralpengelände bilden. Die Bewohner, lebenslustig und aufgeweckt, lieben die körperlichen Übungen, besonders
das Schwingen oder Ringen und das Werfen mit großen Steinen; sie tragen überhaupt das Gepräge des german.
Altschweizertums. Der Kanton hat mehr Wiesen und Weiden als Obst- und Getreidebau, ist reich an Wald und besitzt mehrere Mineralquellen;
der einst bedeutende Ackerbau ist der Industrie gewichen.
appenzell Appenzell-Außerrhoden hat (1888) 260,6 qkm, 12 899 Haushaltungen und 54 109 E., 208 auf 1 qkm,
darunter 49 549 Evangelische, 4444 Katholiken und 23 Israeliten. Am wurden gezählt 51 958 E., 1870: 48 720, 1860: 48 452. Von
der Bevölkerung sind 26 226 männl., 27 883 weibl.; im Halbkanton geboren 43 305, in der übrigen
Eidgenossenschaft 9061,im Auslande 1743; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 19 474, einer andern Gemeinde
des Kantons 20 611, eines andern Kantons 11 888, Ausländer 2136. Der Muttersprache nach sind 53 757 Deutsche, 71 Franzosen
und 240 Italiener. Die alte Landestracht ist fast ganz verschwunden.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Fläche sind 253,6 qkm, d. i. 97,31 Proz., produktives Land: 38,3 qkm
Waldungen, 215,2 qkm Acker-, Garten-,
Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande, 7 qkm, d. i. 2,69 Proz., kommen 1,1
qkm auf Flüsse und Bäche und 4,1 qkm auf Felsen, Schutthalden u. s. w.
Verkehrswege. An Straßen besitzt der Halbkanton 166 km, an Eisenbahnen die Bergbahn Rorschach-Heiden (7 km)
und die Schmalspurbahn Winkeln-Appenzell (Appenzeller Bahn, s. d.). Eine Straßenbahn, streckenweise mit Zahnradbetrieb, führt von
St. Gallen nach Gais.
Die Industrie ist vertreten (1884) durch 201 Fabriken mit 4170 Arbeitern und 586 Pferdestärken und erstreckt sich auf Stickerei
(155 Werkstätten mit 2629 Arbeitern), Appretur und Baumwollspinnerei; ferner bestehen 21 Bankgeschäfte und 13 Aktiengesellschaften.
Verfassung und Verwaltung. Nach der rein demokratischen Verfassung zuletzt revidiert) ist die Landesgemeinde oder
die allgemeine Versammlung des Volks die höchste Behörde. Sie besteht aus allen Landleuten und den wenigstens seit einem
vollen Jahre dort gesetzlich niedergelassenen schweiz. Bürgern über 18 Jahr, außer den Ehr- und Wehrlosen,
und versammelt sich jährlich am letzten Sonntag im April, abwechselnd in Trogen und Hundwil, genehmigt, verwirft oder ändert
die Gesetze ab und prüft die Jahresrechnung, wählt den aus 7 Mitgliedern bestehenden Regierungsrat und aus dessen Mitte
den Landammann, die Mitglieder des Obergerichts sowie die Vertreter des Halbkantons in der Bundesversammlung,und
erteilt das Landrecht (Indigenat).
Auf Kosten des Landes dürfen wichtige Neubauten nicht ohne Einwilligung der Landesgemeinde unternommen werden. Der Große
Rat, in den jede Gemeinde auf 1000 Seelen ein Mitglied sendet, überwacht die gesamte Landesverwaltung und berät die
der Landesgemeinde vorzulegenden Anträge. Die Vorgesetzten der Gemeinden, die von den «Kirchhören»,
d. i. von den Versammlungen stimmfähiger Gemeindegenossen und Beisassen, gewählt werden, heißen «Hauptleut' und Rät».
Der Halbkanton entsendet 1 Mitglied in den Ständerat und 3 Mitglieder in den Nationalrat. Jede Gemeinde besitzt 1 Vermittleramt
und 1 Gemeindegericht; ferner bestehen 3 Bezirksgerichte in Heiden, Herisau und Teufen, 1 Kriminalgericht (7
Mitglieder) und als oberste Instanz 1 Obergericht (11 von der Landesgemeinde gewählte Mitglieder), beide in Trogen. Seit 1876 ist
die Advokatur in Prozessen, die an das Obergericht gelangen können, zulässig. In kirchlicher Hinsicht ist jede Gemeinde
selbständig; gemeinsame Angelegenheiten besorgt die Synode; die Katholiken stehen unter dem Bischof von
St. Gallen. Die Staatsrechnung des J. 1887 zeigte eine Einnahme und Ausgabe von 470 638 Frs., wovon auf die Steuern 164 026 Frs.
kamen.
Öffentliche Anstalten. Der Volksunterricht ist obligatorisch. In Trogen 1 Kantonsschule und Erziehungsanstalt mit 6 Gymnasial-
und Realklassen, in Herisan, Teufen, Gais und Heiden Realschulen.
b. Appenzell-Innerrhoden hat (1888) 159 qkm, 3163 Haushaltungen und 12 888 E., 81 auf 1 qkm,
darunter 673 Evangelische. Am wurden gezählt 12 841 E., 1870: 11 909, 1860: 11 913. Von der Bevölkerung sind 6312 männl., 6576 weibl.;
im Halbkanton geboren 11 383, in der übrigen Eidgenossenschaft 1209, im Auslande 296; Bürger ihrer Wohngemeinde
sind 11 355, einer andern Gemeinde des Kantons 192, eines andern Kantons 1040,
mehr
Ausländer 295. Der Muttersprache nach sind 12 849 Deutsche und 28 Italiener. In Innerrhoden hat sich die alte Landestracht
noch erhalten; bunte Farben, namentlich Rot, goldene und silberne Spangen und Ketten spielen in dem sehr kleidsamen Kostüm
der Innerrhödlerinnen die Hauptrolle.
Land - und Forstwirtschaft. Das Hauptgewerbe der Bewohner, die konservativer, bequemer, aber auch minder
wohlhabend sind, ist die Alpenwirtschaft. Der Innerrhödler lebt im Sommer auf der Alp, im Winter hilft er bei der Holzarbeit
oder beim Sticken, das auch hier überall zu Hause ist. Von der Fläche sind 144,4 qkm, d. i. 90,82 Proz., produktives Land:
18,7 qkm Waldungen, 125,7 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande, 14,6 qkm,
d. i. 9,18 Proz., kommen 11,5 qkm auf Felsen und Schutthalden u. s. w.
Die Industrie ist vertreten (1884) durch 18 Fabriken, wovon 16 Stickereien, mit 428 Arbeitern und 6 Pferdestärken. Die Straßen
betragen 44,5 km.
Verfassung und Verwaltung. Nach der Verfassung angenommen und 1883 revidiert) ist Innerrhoden
gleichfalls, wie Außerrhoden, ein besonderer selbständiger Freistaat. Die Landesgemeinde ist die höchste Staatsbehörde,
hat die gleichen Befugnisse wie im andern Halbkanton und wählt den einzigen Nationalrat sowie den aus 9 Mitgliedern bestehenden
Regierungsrat (Standeskommission), an deren Spitze der Landammann steht, und das 13 Mitglieder zählende
Kantonsgericht.
Der die Gesetze vorberatende Große Rat wird von den Bezirken, und zwar 1 Mitglied auf 250 Seelen gewählt, und seine Mitglieder
aus jedem Bezirk bilden für diesen die Verwaltungsbehörde. Auch hat jeder Bezirk 1 Bezirksgericht. Das Kantonsgericht (13
Mitglieder, von der Landesgemeinde gewählt) bildet die zweite, der Große Rat die höchste Instanz. Der
Halbkanton sendet je 1 Mitglied in den eidgenössischen Stände- und Nationalrat. Eigentümlich ist das Verbot aller Advokatur
in Rechtshändeln unter den Kantonsangehörigen. Dasselbe stützt sich auf den Grundsatz, daß jeder Landmann das Landrecht
kennen soll; Auswärtigen ist die Annahme von Advokaten erlaubt. Das strengkath. Land steht mit seinen 4 Klöstern
unter dem Bischof von Chur. Der Volksunterricht ist obligatorisch. Die Staatseinnahmen betrugen 1887: 113 838 Frs., die Ausgaben 109 773 Frs.
Das Wappen ist für beide Halbkantone ein aufrecht stehender schwarzer Bär in silbernem Felde.
2) Dorf und Lehn, Hauptort des schweiz. Halbkantons Appenzell-Innerrhoden, in 781 m Höhe, anmutig
in dem offenen Thale der Sitter gelegen, an der Appenzeller Bahn, mit alten hölzernen Häusern, ist Sitz der Kantonsregierung
sowie Versammlungsort der Landesgemeinde und hat mit Einschluß seiner großen Gemarkung (Vorderlehn, Hinterlehn u. a.)
(1888) 4472 E., darunter 183 Evangelische, Post, Telegraph, große Mutterkirche des Ländchens (1826 erbaut)
mit Schädelsammlung, altertümliches Rathaus, Landesarchiv mit Urkunden, Bannern u. s. w., neues Krankenhaus, ein Kapuzinerkloster,
einst Landsitz der Äbte von St. Gallen, Nonnenkloster, sowie Handel mit Stickereien, Leinen- und Baumwollwaren, die im Kanton
verfertigt werden. Appenzell ist eine der ältesten Molkenkurorte der Schweiz und sendet noch jetzt Senner zur
Bereitung von
Ziegenmolken in verschiedene Badeorte; es wird als Höhenkurort viel besucht und hat eine neue Badeanstalt.
- Appenzell, bis 1597 Hauptort des ungetrennten Kantons, hat als Mittelpunkt der Kurorte Gonten (900 m), Gais (938
m) und Weißbad (820 m), sowie Ausgangspunkt der Ausflüge nach dem Säntis lebhaften Fremdenverkehr.
Geschichte. Appenzell kam seit dem 8. Jahrh. nach und nach durch Kauf und Schenkung an die Abtei St. Gallen, die hier eine landesfürstliche
Gewalt begründete, und hat seinen Namen von der angeblich durch Abt Nortbert von St. Gallen im 11. Jahrh. dort gegründeten
ersten Kirche (Abbatis cella genannt) des Landes. Der Druck der Äbte erzeugte zu Ende des 14. und Anfang
des 15. Jahrh. einen Aufstand, und die Siege der Bergbewohner beim Dorfe Speicher an der Vögeliseck (1403) und am Stoß (1405)
gaben Appenzell Unabhängigkeit und demokratische Regierungsform.
Das Land verband sich schon 1452 mit sieben Kantonen, ward aber erst 1513 förmlich in die Eidgenossenschaft
aufgenommen. Nach langen Zwistigkeiten infolge der Reformation ward Appenzell 1597 durch eidgenössisches Schiedsgericht in die beiden
politisch und konfessionell geschiedenen und voneinander völlig unabhängigen Landesteile Innerrhoden (katholisch) und Außerrhoden
(reformiert) getrennt. Im 18. Jahrh. erzeugte die oligarchische Richtung in beiden Kantonen Unruhen. 1798 teilten
sie das Schicksal der andern Kantone. (S. Schweiz.) Die Neugestaltung der Eidgenossenschaft durch die Bundesverträge von 1815 und 1848 wurde
in Auherrhoden gern, in Innerrhoden nur mit Widerstreben angenommen. Bei der Abstimmung über die Bundesrevision der Schweiz 1872 verwarfen
beide Halbkantone die neue Verfassung; 1874 lehnte Innerrhoden das veränderte Revisionsprojekt wieder
ab, während Außerrhoden es mit bedeutender Mehrheit annahm.
Litteratur. Hahn, Beschreibung des Kantons Appenzell (Heilbr. 1827);
Rüsch, Der Kanton Appenzell historisch-geographisch und statistisch
(neue Aufl., St. Gallen 1859);
Zellweger, Geschichte des appenzellischen Volks nebst Urkunden (6 Bde., Trogen 1830-40);
ders.,
Der Kanton Appenzell (ebd. 1867);
Henne am Rhyn, Das Appenzeller Land (3. Aufl., Linz 1893);
Appenzellische Jahrbücher,
hg. von der appenzellischen Gemeinnützigen Gesellschaft (Trogen, seit 1854).