Titel
Appenzell
A. Rh. Der Kanton Appenzell
A. Rh. (wir behalten die offizielle Schreibart Rhoden bei, machen aber darauf
aufmerksam, dass die etymologisch richtige Form Roden
lautet) liegt zwischen 47° 15' und 47° 28' n. Br. und 9° 1' und
9° 26' ö. L. v. Gr. Im N. grenzt er an den Kanton St. Gallen,
im W. an diesen und den Kt. Appenzell
I. Rh., desgleichen im S. und
O. Seine Längsachse erstreckt sich vom w. Ende der
Hochalp in nö. Richtung bis zur
Meldegg und misst ca. 37 km. Der Flächeninhalt
beträgt 242,1 km2.
Mit Ausnahme der sw. Ecke, die sich bis zur Säntisspitze (2504 m) hinauf erstreckt, liegt der ganze Kanton im Hügel- und Voralpengebiet. Parallel zur Längsachse ziehen mehrere Hügel- resp. Bergketten, die von N. nach S. an Höhe zunehmen. Die drei ausgesprochensten sind: die nördliche, markiert durch die Aussichtspunkte Kayen (1118 m), Gupf (1075 m), Vögelinsegg (963 m), Fröhlichsegg (1003 m), Waldstatter Hochwacht;
die mittlere mit
St. Anton (Appenzell
I. Rh., 1108 m),
Saurucken
(1185 m), dem aussichtsreichen
Gäbris (1250 m),
Hundwiler
Höhe (1298 m) und Hochham (1274 m);
die südliche, unmittelbar dem Alpstein vorgelagert, mit Hirschberg (1187 m), Kronberg (I. Rh., 1666 m), Petersalp (1550 m) und Hochalp (1526 m).
Zwischen diesen Ketten liegen die Längsthäler, die nun aber, wie die Ketten selbst, von tiefen Querthälern durchschnitten sind, in denen wilde Bergbäche ihre Erosionsarbeit weiter besorgen. So sind innerhalb der Längsthäler zahlreiche Sättel entstanden, welche gegen die beiden sie abgrenzenden Hügelkämme ansteigen und gegen die senkrecht dazu gerichteten Bachrinnen dachartig abfallen.
Die wichtigsten Flüsse des Kantons sind:
1) Die Sitter; entspringt im Alpstein (Appenzell I. Rh.). Bevor sie in den Kt. Appenzell A. Rh. eintritt, bildet sie ein Stück weit die Grenze gegen I. Rh. Beim Uebertritt in unsern Kanton nimmt sie von rechts den Rothbach auf, der seine Quelle am SO.-Abhang des Gäbris hat. Nach ca. 3 km langem Laufe geht die Sitter auf den Boden des Kt. St. Gallen über, nachdem sich beim «Kubel» südlich der Krätzerenbrücke von links die Urnäsch mit ihr vereinigt hat. Diese entspringt am N.-Fuss des Säntis und muss nun ihr Wasser dazu hergeben, beim «Kubel» im Gübser Moos einen künstlichen See zu bilden, dessen Ausfluss ein grossartiges Elektrizitätswerk in Betrieb setzt.
2) Die Glatt; entspringt bei Schwellbrunn und verlässt den Kanton 2 km nw. von Herisau, um ihr Wasser der Thur zuzuführen.
3) Die Goldach; entspringt in der Nähe des Ruppen, fliesst in nw. Richtung dem Kt. St. Gallen zu und mündet zwischen Rorschach und Horn in den Bodensee.
Geologie.
1) Kreidebildungen. Das ganze Alpsteingebirge gehört dem Kreidesystem an. Da aber blos der NW.-Abhang des Säntis zu Appenzell A. Rh. gehört, so ist die horizontale Ausdehnung dieser Bildungen in unserm Gebiete nur gering. Auf der Schwägalp findet der Kontakt der Kreide mit der Molasse statt.
2) Tertiärbildungen. Das schmale Band von Eocän, das sich an andern
Stellen am N.-Abhang des
Alpsteins zwischen die Kreide
und die miocänen Sedimente hineinschiebt, tritt auf ausser
hodischem Gebiet nicht zu Tage. So wird nun
die Oberfläche des ganzen Kantons (mit Ausnahme der Kreidebildungen) aus den Schichten miocäner Sandsteine und Nagelfluh
zusammengesetzt. Weitaus der grösste Teil gehört der untern Süsswassermolasse an, während nur im NO. des Kantons an der
St.
Galler Grenze, bei
Wienachten, und im NW., bei
Herisau, die Sandsteine der Meeresmolasse auftreten und
ebenfalls im NW. an der Kantonsgrenze ein schmaler Streifen obere Süsswassermolasse unserm Kanton angehört. In tektonischer
Hinsicht sind in der Molasse drei Falten zu unterscheiden, die parallel mit dem Alpsteingebirge letzterem im NW. vorgelagert
sind. Für unsern Kanton haben nur die 2. und 3. Bedeutung, während die 1. den
Speer und seine nordöstlichen
Ausläufer bildet. Die zweite Falte hat ihre Antiklinale in der Richtung
Altstätten-Appenzell-
Lauftegg ^[Berichtigung: Laufegg]
-Bärenegg. Der Gewölbekern besteht aus gemeinem, kalkreichem Molassesandstein, während das Gewölbe selbst meist erodiert
ist. Am besten ist der Südostschenkel erhalten, der aus bunter Nagelfluh besteht. Ihm gehören
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GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Lf. 6. ^[Karte: 7° 4’ O; 47° 19’ N; 1:175000]
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg.
V Attinger sc
KANTON APPENZELL ¶
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in unserm Kanton an die Hochalp und die Petersalp. Von der Synklinale Altstätten-Gonten-Urnäsch erhebt sich die 3. Falte, welche mit ihrem SO.-Schenkel den Höhenzug St. Anton-Saurucken-Gäbris-Hundwiler Höhe-Hochham bildet, während ihre Antiklinale von Reute über Oberegg (I. Rh.)-Trogen-Stein-Hundwil sich hinzieht und auf diesem Wege das schöne, grosse Antiklinalthal bezeichnet, in welchem die meisten Dörfer unseres Kantons liegen. Auch an dieser Falte besteht der SO.-Schenkel aus bunter Nagelfluh; die SO.-Abhänge des erwähnten Höhenzuges entsprechen den Schichtflächen, die NW.-Abhänge zeigen dagegen die Schichtköpfe. Der NW.-Schenkel der 3. Falte bildet den Höhenzug Kayen-Gupf-Vögelinsegg-Fröhlichsegg-Waldstatteregg-Hochwacht, der naturgemäss auf der NW.-Seite die Schichtflächen, auf der SO.-Seite die Schichtköpfe zeigt. An diesen Schenkel lehnt sich die Meeresmolasse und die obere Süsswassermolasse an der n. und nw. Kantonsgrenze an.
An vielen Lokalitäten finden sich gut erhaltene Blattabdrücke in den Sandsteinen, z. B. am Ruppen, bei Rehetobel und bei Teufen. Oft sind zwischen den Sandsteinen kleine Kohlenflöze eingeschlossen. Die Nagelfluhfelsen liefern das ausgezeichnete Beschotterungsmaterial für die Strassen. Die feinkörnige Kalknagelfluh zwischen Herisau und Degersheim wird unter dem Namen «Appenzellergranit» als Baustein verwendet. An vielen Orten wird der Sandstein als Bau- oder Pflasterstein ausgebeutet; besonders wertvoll sind die der Meeresmolasse angehörenden Sandsteine von Wienachten; am wertvollsten ist die sog. granitische Molasse von Rehetobel-Trogen-Waldstatt.
3) Diluviale Gebilde. Der ö. Teil des Kantons und der grösste Teil des Mittellandes zeigen zahlreiche Spuren des alten Rheingletschers, sowohl in Gestalt von vereinzelten erratischen Blöcken aus krystallinen Gesteinen, über 1170 m hinauf, als auch von thonigen und lehmigen Schuttablagerungen, in denen die teils gerundeten, teils kantigen Gesteinstrümmer eingelagert sind. Das Gebiet der Sitter ist durch kalkige Erratika ausgezeichnet, die von dem alten Säntisgletscher herstammen.
Um die geolog. Untersuchung des Landes haben sich besonders verdient gemacht Arn. Escher v. d. Linth, J. Früh, A. Gutzwiller und Alb. Heim.
Klima.
Am besten sind die klimatischen Verhältnisse für Trogen (Dorfplatz 905 m) bekannt. 12jährige Beobachtungen ergeben als Temperaturmittel 6,8° C. St. Gallen ist um ca. 1°, Altstätten um 2° wärmer, Gäbris (1250 m) um 1,5° kühler. Für den Winter (Dez.-Febr.) ist die Mitteltemperatur = -1,0° C. Minimum -20° selten. Wenn in der Tiefe Nebel liegt und über das Appenzellerland warmer Sonnenschein flutet, zeigen die Höhen oft grössere Temperaturen als St. Gallen und Altstätten.
Besonders auffallend sind diese Differenzen, wenn in der Höhe Fön weht. Beim Auf- und Abschwanken der Nebelschicht kann ein Ort, der an der Nebelgrenze liegt, rasch enormen Temperaturunterschieden ausgesetzt sein. Wanner beobachtete am in Trogen in wenigen Stunden eine Thermometerschwankung von 23,6° C., in einer Stunde eine solche von 13,4° C. und in fünf Minuten eine Schwankung von 8,9° C. Der Frühling (März-Mai) zeigt eine mittlere Temperatur von 6,2° C. Der Winter zieht sich weit hinaus, starke Schneefälle bis Ende Mai sind keine Seltenheit. Die Mitteltemperatur des Sommers (Juni-August) beträgt 14,7° C. Oft gibt es auch da kalte Tage. Heizen muss man in jedem Monat, wenn man nicht frieren will. Im Herbst (Sept.-Nov.) hat Trogen eine mittlere Temperatur von 7,1° C. Der September ist der beständigste Monat, und oft ist auch der ganze Oktober noch mild.
Für die Beobachtungszeit von 1864-1875 ergaben sich für Trogen folgende mittlere Monatstemperaturen:
°C. | °C. | ||
---|---|---|---|
Januar | -1,3 | Juli | +16,2 |
Februar | 0.0 | August | 14.5 |
März | +1,3 | September | 13.0 |
April | 6.8 | Oktober | 6.8 |
Mai | 10.7 | November | 1.6 |
Juni | 13.4 | Dezember | -1,8 |
Die höchste Temperatur betrug +30,6 °C.
Die tiefste Temperatur betrug -20,2 °C.
Die absolute Temperaturschwankung 50,8 °C.
Für den Gäbris (1250 m) gelten für die Periode 1872 bis 1891 folgende Zahlen:
°C. | °C. | ||
---|---|---|---|
Januar | -1,8 | Juli | +13,2 |
Februar | 1.5 | August | 12.9 |
März | 0.0 | September | 10.0 |
April | +3,5 | Oktober | 5.4 |
Mai | 7.4 | November | 1.2 |
Juni | 11.3 | Dezember | -1,7 |
Jahresmittel | 5.0 °. |
In Bezug auf die Niederschlagsmenge konstatieren wir die interessante Tatsache, dass die Umgebung des Alpsteins zu den regenreichsten Gegenden der Schweiz gehört.
Die Station Trogen weist folgende Mittel-Zahlen auf für die Periode 1864-1883:
mm | mm | ||
---|---|---|---|
Januar | 59 | Juli | 186 |
Februar | 60 | August | 182 |
März | 86 | September | 128 |
April | 106 | Oktober | 114 |
Mai | 134 | November | 90 |
Juni | 196 | Dezember | 73 |
Winter | 192 | ||
Frühling | 326 | ||
Sommer | 564 | ||
Herbst | 332 | ||
Trogen | Jahresmittel | 1414 | |
Heiden | Jahresmittel | 1470 | |
Gäbris | Jahresmittel | 1335 | |
Säntis | Jahresmittel | 2423 |
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Mittlere Bewölkung des Jahres = 56%.
Gewitter in 10 Jahren 160, also per Jahr 16, welche über die Station wegzogen. Ausserdem
105 nahe Gewitter mit vernehmbarem
Donner und 83 mal Wetterleuchten.
Die häufigsten Winde sind die Süd-, Südwest- und Westwinde. Sie bringen höhere Temperaturen, aber auch die häufigsten Niederschläge. Den Winden aus Ost, Nordost und Nord entspricht meist schöne Witterung. Der Fön tritt oft mit furchtbarer Gewalt auf und schmilzt im Frühling die grossen Schneemassen in wenigen Tagen weg.
Anbauverhältnisse.
Von den 242,1 km2 Fläche des Kantons fallen 6,54 km2 = 2,7% auf unproduktives Land. Das produktive Land teilt sich hauptsächlich in die beiden Vegetationsformen Wiese (mit ihren Unterabteilungen) und Wald; Äcker und Reben nehmen einen verschwindend kleinen Raum ein.
1. Der Wald umfasst 4777 ha = 19,7% der Gesamtfläche. Er ist meist Privatwald (3682 ha); 1028 ha gehören den Gemeinden und Korporationen und 67 ha dem Staate (nach Landolt 1883). Die Ankaufssumme der Staatswaldungen betrug 72273 Fr. Von 1889-1898 ergibt sich für die Staatswaldungen durchschnittlich eine jährliche Einnahme von 2110,25 Fr., Ausgabe = 1273,96 Fr., also eine Mehreinnahme von 836,29 Fr.; das bedeutet eine Verzinsung von 1,15 %.
Den hervorragendsten Anteil am Waldbestand nimmt die Rottanne, dann kommen Weisstanne, Lärche, Föhre; vereinzelt an den Abhängen des Goldachthales tritt auch noch die Eibe auf. Angebaut werden von Nadelhölzern die Weymutskiefer (Pinus strobus) und die Schwarzföhre. Von den Laubhölzern sind die Buchen in erster Linie zu nennen, aber sie treten gegenüber dem Nadelholz vollständig in den Hintergrund. Andere Laubhölzer: Ahorn, Esche, Aspe, Vogelbeere treten mehr vereinzelt auf, während die Weisserle an Bachufern kleine Bestände bildet und die Alpenerle an einigen Orten, von 700 bis 2000 m, sich zu kleinen Kolonien vereinigt. Auch die Birke findet sich, oft eingestreut in Laub- und Nadelholzbestände, oft als Bewohner der Torfmoore.
2. Alpen. Unser Kanton besitzt 100 Alpen, die zur Sömmerung von Vieh dienen. Ihre Gesamtfläche beträgt 2566 ha; davon sind aber nur 1650 ha produktive Weidefläche, 639 ha sind von Wald bedeckt und der Rest ist unproduktiv. Diese Alpen liegen in den Gemeinden Urnäsch, Hundwil und Schönengrund, die meisten in ersterer am NW.-Abhang des Säntis (Schrägalp).
3. Wiesen. Weitaus die grösste Fläche des Kantons ist mit Wiesen bedeckt. Der Wiesenbau und die damit verbundene Viehzucht bilden deshalb den wichtigsten Teil der landwirtschaftlichen Beschäftigung.
4. Hochmoore, in welchen Torf ausgebeutet wird, befinden sich am Gäbris, zwischen Gais und Appenzell, bei Waldstatt.
5. Der Ackerbau ist zur Zeit fast gleich Null. In den tiefer gelegenen Gemeinden im O. des Kantons findet sich etwas Ackerbau, aber unbedeutend; im übrigen Lande sieht man gelegentlich als Kuriosum ein kleines Äckerchen mit Kartoffeln mitten im Wiesenlande oder auf einer frisch gereuteten Waldparzelle. Früher war der Ackerbau beträchtlich, hat aber offenbar wegen der unebenen Bodenbeschaffenheit und der aufblühenden Industrie dem bequemeren Wiesenbau Platz machen müssen. Bezeichnend für die frühern Zustände ist die Tatsache, dass man jetzt noch allgemein eine Wiese als «Acker» bezeichnet.
6. Von Obstbäumen sind hauptsächlich die Apfel- und Birnbäume zu nennen. Meist trifft man Mostobst, nur in den mildern Lagen im O. des Kantons und an Spalieren werden Tafelobstsorten gezogen. Steinobst und der Walnussbaum gedeihen nur in den tiefern Lagen. Man trifft zwar Kirschbäume vereinzelt bis über 1000 m hinauf, aber von einem Ertrag ist nur in ganz günstigen Jahren zu sprechen. Bei den Bauernhäusern stehen oft alte Hollunderbäume oder -sträucher, deren Beeren zu «Latwäri» (Eingemachtem) verwendet werden. Ferner sieht man bei vielen Wohnungen kleine Anlagen von Johannisbeersträuchern; ihre Früchte liefern Most, Wein oder «Hung» (Gelée).
7. Der Weinbau ist kümmerlich entwickelt und dies auch nur in den östlichsten Gemeinden Lutzenberg, Wolfhalden, Heiden, Walzenhausen. Im Jahre 1898 zählte man 6,93 ha Rebland, deren Gesamtertrag betrug: Rotes Gewächs 80,10 hl à 65-70 Fr., weisses Gewächs 2,75 hl à 35-40 Fr.
Flora.
Die Flora unseres im Gebiete der letzten Verzweigungen der nördlichen Alpen (s. d. Art. Alpen) gelegenen Kantones ist eine verhältnismässig arme. Die tiefern Landesteile entlehnen ihren Pflanzenbestand dem der Ebenen des centralen Europas (s. d. Art. Mittelland). Der alpine Anteil des Kantons weist eine Anzahl von interessanten Arten auf, so besonders Carex microglochin, Viola palustris, Draba tomentosa. (Siehe: Wartmann u. Schlatter).
Tierwelt.
Haustiere. Nach der Zählung von 1886 besass der Kanton Appenzell A. Rh.: 764 Pferde, 9 Maultiere, 3 Esel, 5263 Stück Jungvieh, 12854 Kühe, 310 Stiere (über 1 Jahr alt), 302 Ochsen (über 1 Jahr alt), 4895 Schweine, 1214 Schafe, 3002 Ziegen, 2199 Bienenstöcke.
Von Wildtieren sind zu nennen: Gemsen im Alpstein, Rehe (selten), Hase, Eichhörnchen, Fuchs, Hausmarder, Wiesel, Fischotter, Dachs, Igel. Im Ganzen gibt es wenig Wild wegen der dichten Besiedelung und der frühern Misswirtschaft im Forst- und Jagdwesen. In den Bächen wird die Forelle gefangen, die seit der neuen ¶