(Acta oder
Actus apostolorum), das fünfte historische
Buch des
NeuenTestaments,
gibt sich selbst als Fortsetzung des dritten, dem
Lukas zugeschriebenen
Evangeliums.
In dem ersten Teil des
Buches wird die Entstehung
der
Gemeinden in
Palästina
[* 2] und
Syrien erzählt, wobei besonders die
Person des
ApostelsPetrus hervortritt. Der zweite Teil
(Kap.
13-28) schildert ausschließlich die Wirksamkeit des
ApostelsPaulus, dessen
Bekehrung bereits im ersten
Teil erzählt wird, und bricht ab mit Angabe seiner zweijährigen Gefangenschaft in
Rom.
[* 3] Sehr deutlich zeigen sich ältere
Quellen, die der Verfasser benutzt und in sein Werk verflochten hat, z. B.
¶
mehr
16, 10-17; 20, 5-15;
21, 1-18;
27, 1 ff.;
28, 1-16, wo mit »wir« erzählt wird.
In der ersten Hälfte hat die Darstellung
mehr den Charakter des Wunderbaren und Sagenhaften festgehalten als in der zweiten, wo sie namentlich gegen den Schluß als
auf Augenzeugenschaft beruhende Berichterstattung erscheint. Dagegen ist es sehr schwer, wenn nicht unmöglich,
zwischen den Angaben über die Wirksamkeit des Paulus, die sich in den Briefen desselben finden, und denen der Apostelgeschichte, namentlich
in Bezug auf den sogen. Apostelkonvent und auf des PaulusVerhältnis zu Petrus eine volle Übereinstimmung herzustellen.
Hieran knüpft sich die verschiedene Beurteilung des Werts, den die Schrift für die Kenntnis des apostolischen
Zeitalters hat. Im Gegensatz zu der ältern Auffassung als einer streng geschichtlichen Darstellung wies die sogen. Tendenzkritik
(Schneckenburger, Baur, Schwegler, Zeller, Overbeck) auf den sichtlich hervortretenden Parallelismus zwischen Petrus und Paulus,
der sich ebenso auf die erduldeten Leiden
[* 5] wie auf die wunderbaren Kraftwirkungen und göttlichen Führungen
beziehe, und auf die konsequente Unterdrückung aller Spuren der Kämpfe hin, welche der geschichtliche Paulus mit den pharisäischen
Judenchristen zu bestehen hatte. Jedenfalls will der Verfasser den Bau der christlichen Kirche und die Thätigkeit des ApostelsPaulus schildern nach der Auffassung des spätern, katholisch werdenden Christenheidentums (um den
Anfang des 2. Jahrh.), das für eine unmittelbare Stiftung des Apostels gelten wollte und kein Bewußtsein von einer dazwischenliegenden
Entwickelung hatte.
Vgl. unter andern De Wette, Einleitung in die Apostelgeschichte (4. Aufl., hrsg.
von Overbeck, Leipz. 1870).
§. 1. Dieses Buch ist auf Eingebung des heiligen Geistes von Lucas aufgezeichnet, und
beschreibt in 28 Capiteln die Geschichte der alten apostolischen Kirche ohngefähr von 33 Jahren, nämlich von Christi Himmelfahrt
bis ins vierte Jahr Kaisers Nero; und zwar 1) wie nach der Himmelfahrt Christi die Kirche in Iudäa und Samaria durch
die Apostel, besonders durch Petrus, ist gegründet, vom 1. bis 12. Cap.
2) wie nach Petrus Vorgang vorzüglich durch Paulus das Evangelium unter den Heiden in Syrien, Pamphylien, und Griechenland
etc. ausgebreitet worden, vom 13. Cap. bis zu Ende.
§. 2. Der Hauptendzweck des Evangelisten ist, wie Luther sagt, daß er darthun möge, wie der Mensch allein durch
den Glauben an Christus JEsus, ohne alles Hinzuthun des Gesetzes oder Hülfe der Werke, gerecht und selig
werde. Er beschreibt anbei nicht sowohl aller und jeder Apostel ausführliche Geschichte, als vielmehr Paulus, dessen treuer
Gefährte er war; stellt die Weisheit
und Gottseligkeit der Apostel und anderer Gläubigen vor; rühmt die wunderreiche Fortpflanzung
des Evangeliums, und die daher rührende Bekräftigung des Glaubens an Christum. Die Apostelgeschichte
ist eine fortgesetzte Geschichte JEsu Christi; nicht etwa nur äußerlich und chronologisch, sondern innerlich. Es ist Christus
Geist, der in dem ganzen Leben, Wirken und Leiden der Apostel wieder auftritt, und durch die Apostel handelt, und es ist
Christo dadurch eine Verherrlichung widerfahren, wie nie einem Menschen. So soll aber anch das Leben wahrer Christen wieder
eine Fortsetzung der Geschichte der Apostel sein.
die fünfte Schrift des neutestamentlichen Kanons. Der NameApostelgeschichte ist kein ganz geeigneter,
da sie nicht die Wirksamkeit sämtlicher Apostel schildert, sondern vorzugsweise Petrus und Paulus berücksichtigt, vom Kap. 16 an
ausschließlich die Thätigkeit des letztern. Auswahl und Behandlung des Stoffs sind durch den paulinisch-apologetischen Zweck
des Ganzen bedingt. Die Schrift will die Berechtigung des Paulus, das Christentum ohne das mosaische Gesetz
den Heiden zu predigen, nachweisen, und hebt daher schon in der Erzählung der Himmelfahrt mit besonderm Nachdruck das Wort
Christi an seine Jünger hervor, daß sie seine Zeugen sein sollen nicht bloß in Jerusalem
[* 6] und Judäa, sondern auch in Samaria
(dem Heidenlande) und bis ans Ende der Erde.
Ebenso wird die Gründung der Kirche am Pfingsttage und das wunderbare Reden der Jünger in fremden Sprachen vor einer Zuhörerschaft
aus den verschiedensten Völkern zur Andeutung der universellen Bestimmung des Christentums. Es wird weiter erzählt, wie
die Feindschaft der Juden gegen die Christen wächst und in mehrfachen blutigen Verfolgungen ihren Höhepunkt
erreicht, wie sich die gesetzesfreie Heidenmission vorbereitet durch das Auftreten des Stephanus, durch die Predigt des Evangeliums
in Samaria und die Küsten des Mittelmeers
[* 7] entlang u. a., vor allem aber durch die Bekehrung des Paulus und seinen Eintritt
ins Missionsgebiet des Barnabas (s. d.) zu Antiochia, bis endlich auf dem sog. Apostelkonzil (s. d.) das
Recht der Heidenbekehrung anerkannt wird. Von hier wendet die Darstellung sich ausschließlich den Reisen des Paulus zu bis zum
Schlusse seiner Wirksamkeit in Rom, d. h. bis zum Sommer 64, der Zeit der Neronischen Christenverfolgung.
Die Annahme, daß das Buch eine Art von Vergleichsvorschlag des Paulinismus an das Judenchristentum (s. d.)
sei, ist durch die neuesten Forschungen abgeändert worden. Hiernach ist die von dem Standpunkte des spätern Heidenchristentums
(s. d.) aus geschrieben, dem die eigentümliche Paulinische Theologie, aber auch die wirkliche geschichtliche Stellung des
Heidenapostels in Vergessenheit geraten war. Der Paulinismus des Verfassers besteht nur in seinem heidenfreundlichen
Universalismus und seiner Anhänglichkeit an die Person des Paulus, mit der aber eine gesetzesreligiöse Auffassung des Christentums
und dadurch eine Annäherung an die urapostolische Anschauungsweise Hand
[* 8] in Hand geht.
Der Standpunkt des Verfassers der Apostelgeschichte hat namentlich auf die Charakteristik des Paulus und seiner Wirksamkeit, aber
auch einzelne Erzählungen und kleinere Züge Einfluß geübt. Dennoch kann die Glaubwürdigkeit des Buchs, wenigstens was
den äußern Rahmen der Erzählung betrifft, nicht beanstandet werden. Der Verfasser schöpfte zum Teil aus schriftlichen Quellen,
namentlich benutzte er den Reisebericht eines Gefährten des Paulus, wahrscheinlich des Lukas, welcher von Kap. 16 an mit
einigen Unterbrechungen und dann in den beiden letzten Kapiteln als Augenzeuge spricht.
Weit zweifelhafter ist, ob Lukas, wie die Überlieferung will, selbst die Apostelgeschichte verfaßt hat, nur
das
Eine steht fest, daß sie von demselben Manne herrührt, der das Evangelium schrieb. Auch die Abfassungszeit läßt sich nicht
zuverlässig bestimmen. Sicher ist das Buch längere Zeit nach der Zerstörung Jerusalems, vermutlich um 100 n. Chr.
verfaßt. Der Abfassungsort ist wahrscheinlich in Griechenland
[* 9] (Macedonien) zu suchen. Kommentare von De Wette (4. Aufl. von
Overbeck, Lpz. 1870), Ewald (Gött. 1872), Reuß
[* 10] (Straßb. 1876), Meyer (7. Aufl. von Wendt, Gött. 1888), Holtzmann (Handkommentar
zum NeuenTestament 1, 2. Aufl., Freib. i. Br. 1891). -
Vgl. Schneckenburger, über den Zweck der Apostelgeschichte(Bern
[* 11] 1841);
Zeller, Die Apostelgeschichte (Stuttg. 1854);
Lekebusch, Die Komposition und Entstehung der Apostelgeschichte (Gotha
[* 12] 1854);
Feine, Die alte Quelle
[* 13] in der
ersten Hälfte der Apostelgeschichte (Jahrbücher für prot. Theologie, 1890);
Sorof, Die Entstehung der Apostelgeschichte (Berl. 1890);