Apostel
geschichte,
die fünfte
Schrift des neutestamentlichen
Kanons. Der
Name Apostel
geschichte ist kein ganz geeigneter,
da sie nicht die Wirksamkeit sämtlicher
Apostel schildert, sondern vorzugsweise
Petrus und
Paulus berücksichtigt, vom
Kap. 16 an
ausschließlich die Thätigkeit des letztern. Auswahl und Behandlung des
Stoffs sind durch den paulinisch-apologetischen Zweck
des Ganzen bedingt. Die
Schrift will die Berechtigung des
Paulus, das
Christentum ohne das mosaische Gesetz
den
Heiden zu predigen, nachweisen, und hebt daher schon in der Erzählung der Himmelfahrt mit besonderm
Nachdruck das Wort
Christi an seine
Jünger hervor, daß sie seine Zeugen sein sollen nicht bloß in
Jerusalem
[* 2] und
Judäa, sondern auch in Samaria
(dem Heidenlande) und bis ans Ende der Erde.
Ebenso wird die Gründung der Kirche am Pfingsttage und das wunderbare Reden der Jünger in fremden Sprachen vor einer Zuhörerschaft aus den verschiedensten Völkern zur Andeutung der universellen Bestimmung des Christentums. Es wird weiter erzählt, wie die Feindschaft der Juden gegen die Christen wächst und in mehrfachen blutigen Verfolgungen ihren Höhepunkt erreicht, wie sich die gesetzesfreie Heidenmission vorbereitet durch das Auftreten des Stephanus, durch die Predigt des Evangeliums in Samaria und die Küsten des Mittelmeers [* 3] entlang u. a., vor allem aber durch die Bekehrung des Paulus und seinen Eintritt ins Missionsgebiet des Barnabas (s. d.) zu Antiochia, bis endlich auf dem sog. Apostelkonzil (s. d.) das Recht der Heidenbekehrung anerkannt wird. Von hier wendet die Darstellung sich ausschließlich den Reisen des Paulus zu bis zum Schlusse seiner Wirksamkeit in Rom, [* 4] d. h. bis zum Sommer 64, der Zeit der Neronischen Christenverfolgung.
Die
Annahme, daß das
Buch eine Art von Vergleichsvorschlag des Paulinismus an das
Judenchristentum (s. d.)
sei, ist durch die neuesten Forschungen abgeändert worden. Hiernach ist die von dem Standpunkte des spätern Heidenchristentums
(s. d.) aus geschrieben, dem die eigentümliche Paulinische
Theologie, aber auch die wirkliche geschichtliche
Stellung des
Heidenapostels
in Vergessenheit geraten war. Der Paulinismus des Verfassers besteht nur in seinem heidenfreundlichen
Universalismus und seiner Anhänglichkeit an die
Person des
Paulus, mit der aber eine gesetzesreligiöse
Auffassung des
Christentums
und dadurch eine
Annäherung an die urapostolische Anschauungsweise
Hand
[* 5] in
Hand geht.
Der Standpunkt des Verfassers der Apostel
geschichte hat namentlich auf die Charakteristik des
Paulus und seiner Wirksamkeit, aber
auch einzelne Erzählungen und kleinere Züge Einfluß geübt. Dennoch kann die Glaubwürdigkeit des
Buchs, wenigstens was
den äußern
Rahmen der Erzählung betrifft, nicht beanstandet werden. Der Verfasser schöpfte zum
Teil aus schriftlichen
Quellen,
namentlich benutzte er den Reisebericht eines Gefährten des
Paulus, wahrscheinlich des Lukas, welcher von
Kap. 16 an mit
einigen
Unterbrechungen und dann in den beiden letzten
Kapiteln als Augenzeuge spricht.
Weit zweifelhafter ist, ob Lukas, wie die Überlieferung will, selbst die Apostel
geschichte verfaßt hat, nur
das
Eine steht fest, daß sie von demselben
Manne herrührt, der das Evangelium schrieb. Auch die Abfassungszeit läßt sich nicht
zuverlässig bestimmen. Sicher ist das
Buch längere Zeit nach der Zerstörung
Jerusalems, vermutlich um 100 n. Chr.
verfaßt. Der Abfassungsort ist wahrscheinlich in
Griechenland
[* 6] (Macedonien) zu suchen. Kommentare von
De Wette (4. Aufl. von
Overbeck, Lpz. 1870),
Ewald (Gött. 1872), Reuß
[* 7] (Straßb. 1876),
Meyer (7. Aufl. von Wendt, Gött. 1888), Holtzmann (Handkommentar
zum
Neuen
Testament 1, 2. Aufl., Freib. i. Br. 1891). -
Vgl. Schneckenburger, über den Zweck der Apostelges
chichte (Bern
[* 8] 1841);
Zeller, Die Apostelges
chichte (Stuttg. 1854);
Lekebusch, Die
Komposition und Entstehung der Apostelges
chichte (Gotha
[* 9] 1854);
Feine, Die alte
Quelle
[* 10] in der
ersten Hälfte der Apostelges
chichte (Jahrbücher für prot.
Theologie, 1890);
Sorof, Die Entstehung der Apostelges
chichte (Berl. 1890);
Spitta, Die Apostelges
chichte
(Halle
[* 11] 1891);
van Manen, Paulus. I: De handelingen der aposteller (Leiden [* 12] 1890);
Weiß, Die Apostelges
chichte Textkritische Untersuchungen
(Lpz. 1893);
Jüngst, Die
Quellen der Apostelges
chichte (Gotha 1895).