Apologie
(grch.), Schutzrede oder Schutzschrift für einen Angeschuldigten; z. B. die dem Plato und Xenophon zugeschriebenen Apologie des Sokrates (s. d.). Besonders wird das Wort gebraucht von den Schutzschriften für das Christentum; deren Verfasser heißen Apologeten, die Wissenschaft von der Verteidigung der christl. Religion Apologetik. Die ersten seit Anfang des 2. Jahrh. hervorgetretenen Apologeten (Justinus der Märtyrer, Athenagoras) richteten ihre Schriften teils gegen die Angriffe des Christentums durch die röm. Staatsgewalt, teils bezwecken sie damit die Verteidigung der christl. Religion gegen Vorwürfe, die im Volke und in der Litteratur des Juden- und Heidentums erhoben wurden.
Gegenüber dem Judentum gingen die Apologie, wie Justins «Dialogus contra Typhonem», Tertullians «Adversos Judaeos», von dem beiderseits anerkannten Alten Testament aus und suchten den Nachweis zu führen, daß Jesus von Nazareth wirklich der verheißene Messias sei. Den Heiden gegenüber mußten die immer wiederkehrenden Beschuldigungen des Atheismus, sittlicher Ausschweifungen und der Staatsgefährlichkeit widerlegt werden. Unwillkürlich ging die Abwehr in Angriff über und zeigte, daß gegenüber der Nichtigkeit der Götzen, der Unsittlichkeit des heidn.
Kultus, der Widersprüche philos. Systeme das Christentum allein die rechte Erkenntnis des wahren Gottes, den einzig zulässigen Gottesdienst besitze. So verfuhren Tertullian, Minucius Felix, Cyprianus, Tatianus, Theophilus, Arnobius, Lactantius u. a. (s. die Einzelartikel). Gegen die philos. Bekämpfung des Christentums wendete sich Origenes (s. d.) in den acht Büchern «Contra Celsum». Auch die apologetischen Werke des Clemens von Alexandria (s. d.) an die Hellenen und des Eusebius (s. d.) von Cäsarea sind von strengerer wissenschaftlicher Haltung. Die glänzendste apologetische Schrift des christl. Altertums ist Augustinus' (s. d.) «De civitate Dei». Nachdem das Christentum die heidn. Religion verdrängt hatte, war die Apologie gegen äußere Feinde unnötig; abgesehen von einigen Schriften gegen Juden und Mohammedaner wendet die Apologie sich gegen die Häretiker.
Als dann das Wiedererwachen der klassischen Studien im 15. Jahrh. zunächst in Italien im Humanismus ein neues Heidentum erstehen ließ, kämpften besonders Marsilius Ficinus («De religione christiana», Flor. 1475) und Ludovicus Vives («De veritate fidei christianae», Bas. 1543) für die Wahrheit der christl. Religion. Während der Reformation ward die Apologetik teils durch die Polemik und Dogmatik zurückgedrängt, teils auf die Verteidigung der Konfession beschränkt.
Von den der spätern Zeit sind die wichtigsten: Hugo Grotius' «De veritate religionis christianae» (Leid. 1622 u. ö.),
das sich auf die allgemein religiösen Wahrheiten beschränkt mit Auslassung des specifisch Dogmatischen, und Pascals (s. d.) «Pensées sur la religion» (Par. 1670), die trotz ihrer fragmentarischen Gestalt eine Fülle der tiefsten Gedanken darbieten. Von Mitte des 17. bis Ende des 18. Jahrh. wendete sich die apologetische Litteratur gegen den Frankreich und England durchziehenden Deismus (s. d.). Bekannte Apologeten jener Zeit sind: Butler (The analogy of religion natural and revealed", 1736), Addison, Turretini, Bonnet, Mosheim, Sack, Jerusalem (s. die Einzelartikel). Einige suchten supranaturalistisch die Göttlichkeit und Unfehlbarkeit der christl. Offenbarung, andere rationalistisch nur die Übereinstimmung der Vernunft mit den Lehren und sittlichen Forderungen des Christentums zu erweisen.
In der Gegenwart hat besonders der Materialismus die Apologetik herausgefordert. Ihm gegenüber suchen einige Apologeten die im Wesen des Menschengeistes gegründete Notwendigkeit der Religion darzulegen und finden den Wert des Christentums darin, daß es dem religiösen Bedürfnisse am vollkommensten entspricht. Dieser Standpunkt ist teils in den religionsphilos. Schriften von Schwarz, Schweizer, Lipsius, Pfleiderer, Rauwenhoff u. a., teils durch zahlreiche Gegenschriften gegen Strauß, E. von Hartmann u. a. vertreten. Andere versuchen das orthodoxe Dogma und so die übernatürliche Offenbarung, das Wunder, die göttliche Dreieinigkeit, die Gottheit Christi, die leibliche Auferstehung Jesu u. a. zu verteidigen. - Aus der fast zahllosen Litteratur dieser Richtung sind hervorzuheben: Luthardt, «Apologetische Vorträge über die Grundwahrheiten des Christentums» (11. Aufl., Lpz. 1889);
Baumstark, «Christl. Apologetik auf anthropol. Grundlage» (3 Bde., Frankf. a. M. 1872-89);
Ebrard, «Apologetik» (2. Aufl., 2 Bde., Gütersloh 1878-80);
Steude, Evang. Apologetik (Gotha 1892).
Hierzu kommen noch die Schriften der kath. Verfasser Hettinger, Schanz, Gutberlet, Weiß u. a.