Apollonius
von Tyrus, der Held eines griech. Romans, welcher im Mittelalter viel gelesen wurde und in fast alle Sprachen des Abendlandes übersetzt worden ist. Es werden darin die Schicksale und Abenteuer erzählt, welche der syrische Fürstensohn Apollonius vor seiner Vermählung mit der Tochter des Königs Archistrates von Kyrene zu bestehen hatte; dazu die
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Erlebnisse seiner durch Scheintod von ihm getrennten Gattin sowie die seiner keuschen Tochter Tarsia, die von Seeräubern entführt und an einen Kuppler nach Mytilene verkauft wird. Der Roman schließt mit dem gegenseitigen Wiederfinden aller Familienglieder. Das griechische Original ist nicht mehr vorhanden, wohl aber eine sehr alte lateinische Übersetzung in drei Bearbeitungen, von denen eine unter andern von Welser (Augsb. 1595) herausgegeben ward, die andre in den »Gesta Romanorum«, die dritte im »Pantheon« des Gottfried von Viterbo enthalten ist. Aus diesen Quellen flossen die verschiedenen poetischen und prosaischen Übersetzungen und Bearbeitungen: eine angelsächsische aus dem 11. Jahrh. (hrsg. von Thorpe, Lond. 1834), eine spanische Bearbeitung aus dem 13. Jahrh. (abgedruckt in Sanchez' »Coleccion de poesias castellanas«, 2. Ausg., Par. 1842), mehrere französische und italienische in Versen und Prosa aus dem 14. und 15. Jahrh., ebenso verschiedene englische. Shakespeare behandelte den Stoff in seinem »Perikles« und benutzte dabei die Darstellung Gowers in der »Confessio amantis«, welcher seinerseits aus dem »Pantheon« Gottfrieds von Viterbo schöpfte. Deutsch bearbeitete ihn, wahrscheinlich nach den »Gesta Romanorum«, ein Wiener Arzt, Heinrich von der Neuenstadt, um 1300, in einem etwa 20,000 Verse langen Gedicht (im Auszug hrsg. von Strobl, Wien 1875). Eine bisher unbekannte mitteldeutsche Prosabearbeitung gab Schröter heraus in den »Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft«, Bd. 5 (Leipz. 1872). Über das niederländische Volksbuch »Van Apollonius van Thyro«, das auf den »Gesta Romanorum« beruht, handelt Penon in seinen »Bydragen tot de geschiedenis der nederlandsche letterkunde« (Groning. 1881). Spätern Ursprungs ist eine »History des Küniges Appolonii« von Heinr. Steinhöwel, welche sich hauptsächlich an die »Gesta Romanorum« anschließt (Augsb. 1471 u. öfter). Ebenfalls nach den »Gesta Romanorum« erzählt Simrock den Stoff hochdeutsch in den »Quellen des Shakespeare«, Bd. 2 (2. Aufl., Bonn 1872), während ihn Bülow in seinem »Novellenbuch«, Bd. 4 (Leipz. 1836), nach der Welserschen Ausgabe mitteilt. Vgl. Hagen, Der Roman vom König in seinen verschiedenen Bearbeitungen (Berl. 1878).