Titel
Apollonios
,
1) der Rhodier, griech. Epiker und Grammatiker aus Alexandria, geboren um 240 v. Chr., genoß den Unterricht des Kallimachos, überwarf sich aber mit ihm vollständig, indem er es unternahm, ein umfängliches Epos, die »Argonautica« (in vier Büchern), im Sinn Homers zu dichten. Da er mit demselben infolge des Einflusses des Kallimachos in Alexandria keinen Anklang fand, ging er nach Rhodus, wo er mit seiner Thätigkeit als Rhetor und mit seinem umgearbeiteten Gedicht große Anerkennung und sogar das Bürgerrecht gewann. In späterm Alter nach Alexandria zurückgekehrt, fand er mit seinem Werk allgemeinen Beifall und wurde zum Nachfolger des Eratosthenes im Bibliothekariat ernannt.
Sein erhaltenes Epos zeugt von mehr Verstand, Fleiß und Gelehrsamkeit als Dichtergenie, ward aber bei den Römern viel gelesen und nachgeahmt, wie von Terentius Varro Atacinus und Valerius Flaccus (s. d.). Von der Beachtung der alten Gelehrten zeugt eine wertvolle Scholiensammlung. Ausgaben von Brunck (Straßb. 1780; neue Ausg., Leipz. 1810-13, 2 Bde.), Wellauer (das. 1828, 2 Bde.), am besten von Merkel (nebst den Scholien von Keil, das. 1854). Übersetzungen von Willmann (Köln [* 3] 1832) und Osiander (Stuttg. 1838).
Vgl. Weichert, Über das
Leben und Gedicht des Apollonios
(Meiß. 1821);
Michaelis, De Apollonii Rhodii fragmentis (Halle [* 4] 1875).
2) von Pergä,
Geometer, geboren zu Pergä in
Pamphylien während der
Regierung des
Ptolemäos
Euergetes (247-221
v. Chr.), empfing in
Alexandria von den Nachfolgern des Euklides seine mathematische
Bildung und blühte unter
Ptolemäos Philopator
(221-205). Er lebte eine Zeitlang in
Pergamon,
[* 5] wo er mit Eudemos befreundet war,
dem er sein Hauptwerk, die
»Acht
Bücher der
Kegelschnitte«,
[* 6] gewidmet hat. Von diesem Werk, in welchem Apollonios
nicht nur alle
bis zu seiner Zeit gefundenen
Sätze über die
Kegelschnitte zusammengestellt, sondern auch die
Theorie dieser
Kurven mit zahlreichen
wertvollen
Entdeckungen bereichert hat, und das unter anderm auch die
Keime der später so berühmten
Theorie der
Evoluten enthält,
sind uns nur die vier ersten
Bücher in griechischer
Sprache,
[* 7] die drei folgenden aber in arabischer Übersetzung
erhalten; das achte fehlt ganz und ist von
Halley nach den bei
Pappos sich findenden
Lehnsätzen restituiert worden. Eine griechische
Ausgabe besorgte
Halley (Oxf. 1710), eine deutsche
Balsam (Berl. 1861). Außer diesem Hauptwerk sind uns noch
»Zwei
Bücher vom Verhältnisschnitt« in arabischer Übersetzung erhalten, welche
Richter
(Elbing
[* 8] 1846) deutsch herausgegeben
hat. Eine
Reihe andrer
Schriften, deren
Titel von
Pappos, Hypsikles und
Proklos aufgeführt werden, sind verloren gegangen.
3) Apollonios
aus
Tralles in
Karien, griech. Bildhauer im 2. Jahrh.
v. Chr., mit seinem
Bruder
Tauriskos Verfertiger der unter
dem
Namen des
Farnesischen
Stiers (s.
Farnesische Kunstwerke) bekannten Marmorgruppe zu
Neapel.
[* 9]
4) Sohn des Nestor, der Künstler des Heraklestorso im Belvedere des Vatikans (s. Torso), ein Zeitgenosse des Pompejus und Cäsar.
5) von
Tyana, neupythagoreischer
Philosoph, Theurg und
Magier, ward von den Feinden des
Christentums nicht nur mit
Jesus verglichen,
sondern selbst über diesen gestellt.
Schon
vor der
Geburt des Apollonios
hatte die
Mutter eine
Erscheinung des ägyptischen
Gottes
Proteus, der in ihrem
Kind selbst
Mensch zu werden verhieß. Bei der Niederkunft (um die Zeit
Christi) fuhr ein Blitzstrahl
neben dem Neugebornen nieder und stieg, ohne
Schaden gethan zu haben, wieder in die
Höhe.
Von seiner Vaterstadt
Tyana in
Kappadokien begab sich Apollonios
nach
Tarsus in
Kilikien, später nach Ägää, wo er durch Euxenos für
die
Pythagoreische
Philosophie gewonnen wurde,
Magie trieb und im
Tempel
[* 10] des
Äskulap Orakelsprüche erteilte. Das ihm nach dem
Tod seines
Vaters zugefallene
Erbe schenkte er teils seinem
Bruder, teils den
Armen.
Ihn selbst trieb der
Durst
nach
Wissen in das
Innere von
Asien
[* 11] bis nach
Indien, wo ihn besonders die
Gymnosophisten anzogen, deren eifriger
Schüler er ward.
Unter der
Regierung des
Kaisers
Nero erschien er in
Rom,
[* 12] mußte aber, ungeachtet er viele Bewunderer fand,
auf dessen Befehl die Stadt verlassen und starb nach unstetem Wanderleben, das ihn nach
Ägypten
[* 13] und
Äthiopien führte, 96 (nach
andern 110)
n. Chr. zu
Ephesos.
[* 14] Die ganze
Person des Apollonios
ist von neuern
Gelehrten, namentlich Kirchenhistorikern, in
Zweifel gezogen
worden. Daß im 1. Jahrh.
n. Chr. ein Apollonios
aus
Tyana lebte und als neupythagoreischer
Schwärmer und Sittenprediger
sowie durch seine
Reisen,
Abenteuer, Prophezeiungen,
Wunder oder Blendwerke allgemeines Aufsehen erregte, bestätigen
Tempel,
Altäre und
Bildsäulen, die ihm in vielen
Städten, besonders in
Kleinasien und
Griechenland,
[* 15] errichtet, sowie
Münzen,
[* 16] die auf
sein noch den
Kaisern
Caracalla, Aurelian und
Alexander
Severus heiliges Andenken geschlagen wurden. Der
ältere
Philostratos (s. d.) beschrieb auf Geheiß der
Julia, der Gemahlin des
Septimius Severus, das
Leben des in acht
Büchern;
eigne
Schriften des Apollonios
sind verloren bis auf 85
Briefe, welche, wahrscheinlich unecht, wie jene
Lebensbeschreibung in den
Ausgaben
der Werke des
Philostratos von
Westermann (Par. 1849) und
Kayser (Bd. 1, Leipz. 1870) abgedruckt
und von Chassang (Par. 1862) mit
Kommentar ins
Französische übersetzt worden sind.
Vgl. Baur, von Tyana und Christus, oder das Verhältnis des Pythagoreismus zum Christentum (Tübing. 1832);
Newman, Life of Apollonios
(Lond. 1849);
Pettersch, Apollonios
(Berl. 1879).
6) Apollonios
Dyskolos (der »Mürrische«),
griech. Grammatiker aus Alexandria, lehrte um 140 n. Chr. in Rom unter Antoninus Pius und begründete die wissenschaftliche Grammatik, deren Stoff er zuerst systematisch gliederte. Von seinen Werken sind erhalten die Schriften über Pronomen (hrsg. von Bekker, Berl. 1813), Adverbien und Konjunktionen (von demselben in »Anecdota graeca«, Bd. 2, das. 1814) und die Syntax der Redeteile in vier Büchern (von demselben, das. 1817). Gesamtausgabe von Schneider (»Gramm. graeci«, Bd. 1, Leipz. 1878); Übersetzung von Buttmann (Berl. 1878). An ihn schlossen sich besonders die lateinischen Grammatiker an, namentlich Priscian. Noch bedeutender war sein Sohn Herodianos.
Vgl.
Egger, Apollonios
Dyscole (Par. 1854);
Lange,
System der
Syntax des Apollonios
(Götting. 1852);
Skrzeczka (in Königsberger Programmen von 1847 bis 1869).