Apokryphen
(griech.), dem Ursprung oder
Inhalt nach »verborgene«, auch im Unterschied zu den öffentlich vorzulesenden
geheim gehaltene
Bücher. Als sich ein christlicher
Kanon bildete, verstand man unter Apokryphen
teils solche
Bücher, welche, von Häretikern
hervorgebracht, bei diesen als kanonisch galten oder in den
Kanon der
Kirche eingeschwärzt werden sollten,
teils aber auch solche, welche, von der
Kirche früher günstiger beurteilt, schließlich, weil ihnen wesentliche Merkmale
der
Kanonizität abzugehen schienen, doch noch ausgeschieden wurden. Die Apokryphen
des Alten
Testaments haben, teils ursprünglich
griechisch geschrieben, teils aus dem
Hebräischen übersetzt, in der
Septuaginta
Aufnahme gefunden, während
sie im hebräischen
Kanon fehlen, daher sie auch in der alten
Kirche zunächst nur
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als kirchliche Vorleseschriften galten und in der griechischen Kirche wenigstens nie völlig gleichen Rang mit den kanonischen
Büchern erhielten, während die lateinische Kirche seit Augustin jeden Unterschied verwischte. Streng haben diesen Unterschied
wieder betont die Reformierten, und die Britische und ausländische Bibelgesellschaft ließ seit 1827 die Apokryphen
sogar ganz aus
den Ausgaben der Heiligen Schrift aus, während Luther sie als Bücher beibehielt, »die der Heiligen Schrift nicht gleich zu achten,
doch gut und nützlich zu lesen seien«. Es sind dies: die drei Bücher der Makkabäer (von welchen Luther nur die zwei ersten
übersetzt hat; ein viertes findet sich nur in einigen Handschriften der Septuaginta), das Buch Judith, das
Buch Tobit (Tobias), das Buch Jesus Sirach (mit einer von Luther nicht übersetzten Vorrede), das Buch der Weisheit Salomos, das
Buch Baruch, der Brief des Jeremias (bei Luther Baruch, Kap. 6), das sogen. dritte Buch Esra (nicht bei Luther, auch vom Tridentinum
ausgeschlossen) und einige spätere Zusätze zu den Büchern Daniel, Esther und der Chronik. Zu unterscheiden von diesen Büchern
sind die sogen. Pseudepigraphen (s. d.), Nachbildungen biblischer Bücher und Umbildungen biblischer Geschichten, wie das Buch
der Jubiläen (s. d.); ebendahin gehören auch fast alle Apokalypsen (s. Apokalyptik).
Wie die sämtlichen genannten Bücher von unschätzbarer Wichtigkeit sind für die Kenntnis des unmittelbar
vor- und nachchristlichen Judentums, so die neutestamentlichen Apokryphen
für die Kenntnis teils der Degeneration der christlichen
Litteratur, teils der Entwickelung altkirchlicher Traditionen und Dogmen. Eine Masse von neutestamentlichen Apokryphen
, wie z. B. das
Hebräerevangelium, ist verloren gegangen. Die erhaltenen apokryphischen Evangelien, Apostelgeschichten, Briefe
und Apokalypsen haben Thilo (Leipz. 1832), Tischendorf (das. 1851, 1853, 1866), Wright (Lond. 1871) u. a. herausgegeben.
Vgl. auch Lipsius, Die apokryphischen Apostelgeschichten und Apostellegenden (Braunschw. 1883, 2 Bde.);
Bonnet, Supplementum codicis apocryphi (Leipz. 1883, Bd. 1).
Eine Mittelstellung zwischen kanonischen und apokryphischen Büchern nehmen die sogen. Antilegomena des Neuen Testaments
ein, welche die ältere lutherische Kirche eine Zeitlang als Apokryphen
behandelt und in ihren Bibelausgaben zwar abgedruckt, aber
nicht gezählt hat. Es sind dies: der zweite Brief des Petrus, der zweite und dritte des Johannes, die Briefe des Jakobus und
des Judas, der Hebräerbrief und die Offenbarung des Johannes (Schriften, welche schon in der alten Kirche
nur langsam und mühsam zu kanonischem Range gedeihen konnten). Die alttestamentlichen Apokryphen
und Pseudepigraphen sind neuerdings
kritisch und exegetisch behandelt worden von Fritzsche und Grimm (Leipz. 1851-1860) und Volkmar (das. 1860-63, 2 Bde.).