Apokrensäure
,
s. Humus.
Apokrensäure
3 Wörter, 25 Zeichen
Apokrensäure,
s. Humus.
(lat.), die braune oder schwarze Masse, in welche Pflanzen oder Pflanzenteile nach dem Absterben zerfallen, und welche, oft in starker Schicht, den Boden der Wälder und Wiesen bedeckt, häufiger noch, mit mineralischen Substanzen vermischt, im Ackerboden sich befindet und dann die Dammerde bildet. Torf, durch Vermoderung zerfallenes Holz, [* 3] vermoderte Baumrinde bestehen zum größten Teil aus Humus. Der Humus besitzt keine bestimmte Zusammensetzung; immer aber findet man darin einige wenige Verbindungen, welche ihm eigentümlich sind und seine Eigenschaften bedingen.
Diese Körper bestehen aus Cellulose, Stärke, [* 4] Zucker [* 5] und ähnlich zusammengesetzten, im Pflanzenreich überall verbreiteten Substanzen, aus welchen man sie auch beim Verdampfen wässeriger Pflanzenauszüge, durch längere Einwirkung von Säuren oder Alkalien etc. darstellen kann. Ob alle diese braunen und schwarzen Substanzen identisch sind, ist sehr fraglich, und der in der Natur entstehende Humus ist jedenfalls ein sehr kompliziertes Gemisch, welchem sich Zersetzungsprodukte aller übrigen Pflanzenbestandteile und animalische Substanzen beimengen.
Der Humus entsteht durch Gärungs-, Fäulnis- und Verwesungsprozesse; er hat die organische Struktur so gut wie vollständig verloren, ist in Wasser unlöslich, zieht dasselbe aber mit großer Begierde an und zerfließt, wenn er sich damit sättigen kann, zu einem Brei, welcher wieder zu einer Masse eintrocknet, die in lauter scharfkantige, glänzende Stückchen mit muscheligem Bruch zerfällt. Wird der Brei dagegen starkem Frost ausgesetzt, so trocknet er später zu einem lockern Pulver ein, welches sich etwa wie Kohle verhält.
Man unterscheidet im H. die braunen und die schwarzen Humusstoffe, die Ulmin- und die Huminstoffe. Die Bildung der braunen Ulminstoffe erfolgt unter Aufnahme von Sauerstoff und Entwickelung von Kohlensäure und Wasser, und dabei wird die zurückbleibende Masse relativ reicher an Kohlenstoff; Ulmin enthält mehr Kohlenstoff als Cellulose und mehr Wasserstoff, als nötig wäre, um mit seinem Sauerstoff Wasser zu bilden. Das Ulmin bildet sich besonders bei trockner Umgebung, während bei Gegenwart von vielem Wasser schwarze Huminstoffe entstehen. In Torfmooren und in der Ackerkrume fehlen die Ulminstoffe bisweilen gänzlich, aber Holz, welches an der Luft vermodert, wird niemals schwarz, stets nur braun; trocken gehaltene Lauberde besitzt eine braune, feucht gehaltene eine schwarze Farbe.
Die braunen Stoffe können in die schwarzen übergehen, wobei dann wieder Sauerstoff aufgenommen und Kohlensäure und Wasser abgeschieden werden. Die schwarzen Stoffe enthalten nur so viel Wasserstoff, als nötig ist, um mit ihrem Sauerstoff Wasser zu bilden. Ulmin- und Huminstoffe geben an Wasser nichts Lösliches ab; wenn man sie aber mit Ammoniak oder kohlensaurem Kali behandelt, so zerfallen sie in einen löslichen und einen unlöslichen Teil; es bildet sich ulmin- oder huminsaures Salz, [* 6] aus dessen brauner Lösung die Säure durch eine Mineralsäure gefällt werden kann.
Ulminsäure und Huminsäure sind zuerst in beträchtlicher Menge in Wasser löslich, verlieren diese Eigenschaft aber durch Trocknen. Hieraus erklärt es sich, weshalb ein sehr humusreicher Boden doch nicht sauer reagiert: die Humussäuren verhalten sich erst dann wie Säuren, wenn sie mit Alkalien verbunden waren. Was durch Kali oder Ammoniak aus den braunen oder schwarzen Stoffen nicht gelöst wird, nennt man Ulmin und Humin. Kommt einer der genannten vier Stoffe mit einer in chemischer Umsetzung begriffenen Substanz in Berührung, so bildet sich die in Wasser leicht lösliche braune Apokrensäure oder Quellsatzsäure. Neben letzterer findet sich im H. stets eine weiße, gelatinöse Substanz, die Krensäure oder Quellsäure, welche durch Reduktion aus Apokrensäure entsteht und durch Oxydation wieder in dieselbe übergeführt werden kann.
Läßt man mit Wasser vollständig ausgelaugten Humus längere Zeit feucht an der Luft stehen, so zieht er Ammoniak an; es entsteht ein humussaures Ammoniaksalz, welches durch Wasser ausgezogen werden kann. Noch schneller und in größerer Menge entsteht dasselbe, wenn der Humus z. B. mit Kreide [* 7] oder Ätzkalk gemischt wird. Neben diesem Prozeß verläuft zugleich ein Oxydationsprozeß: es wird Sauerstoff aus der Luft aufgenommen, und es bildet sich apokrensaures Salz. Letzteres kann unter passenden Umständen (an tiefen Stellen u. dgl.) zu krensaurem Salz reduziert werden; bei Berührung mit der Luft aber wird es oxydiert, und zuletzt bleibt kohlensaures Salz zurück. Auf diese Weise wird der Humus zersetzt. Die Zersetzung erfolgt aber viel schneller bei Gegenwart von Basen, weshalb der Torf, welcher meist nur spärliche Mengen davon enthält, viel beständiger ist als der Humus des Bodens, welcher mit Basen oder den kohlensauren Salzen derselben verbunden oder gemengt ist. Kalkboden ist seltener humusreich als Sandboden.
Der Humus ist für den Ackerboden von hoher Bedeutung (s. Boden, besonders S. 108) und verrichtet hier sehr wichtige Funktionen. Indes verdienen nicht sowohl die ¶
Humusstoffe als solche die größte Aufmerksamkeit, sondern vielmehr die Gesamtheit der chemischen Prozesse, durch welche sie entstehen, sich ineinander umwandeln und zersetzt werden. Die Humussäuren besitzen eine gewisse Beständigkeit, aber sie gehen aus sehr wandelbaren Stoffen hervor, und durch alle diese Prozesse wird im Boden eine chemische Thätigkeit hervorgerufen, welche auf die Wurzeln nicht ohne Einfluß sein kann. Die Humussubstanzen gehen besonders unter dem Einfluß von Alkalien allmählich in Kohlensäure, Wasser und Ammoniak über, und die Kohlensäure ist ein direktes Pflanzennahrungsmittel, trägt aber besonders auch dazu bei, mineralische Stoffe im Boden zu zersetzen und zu lösen.
Die Oxydation der Humusstoffe erfolgt nicht immer auf Kosten des atmosphärischen Sauerstoffs; das Vereinigungsstreben derselben zum Sauerstoff ist vielmehr ein so starkes, daß Metalloxyde reduziert werden können. Eisen [* 9] würde nicht in die Pflanze gelangen, wenn das im Boden enthaltene Eisenoxyd, welches durchaus unlöslich ist, nicht durch die Humusstoffe reduziert werden könnte. Das gebildete kohlensaure Eisenoxydul gelangt dann leicht in Lösung. Die Humussäuren bewirken ein Binden und Lösen der anorganischen Stoffe des Bodens, wie dies aus den Eigenschaften ihrer Salze hervorgeht; wenn aber die Humussäuren in großem Überschuß vorhanden sind, so entstehen saure humussaure Salze, und diese werden vom Regenwasser allmählich ausgewaschen.
Daher kommt es, daß Torfboden sehr arm und undankbar, ja sogar ganz und gar untauglich für die Vegetation ist. Fast unübertroffen ist das Bindungsvermögen der Humussäuren für Ammoniak; beide Körper sind selbst durch stark wirkende chemische Agenzien nur schwierig zu trennen, und es wird daher niemals ein Verlust an Ammoniak entstehen, wenn nur so viel Humussäuren im Boden vorhanden sind, daß neutrale Ammoniaksalze gebildet werden können. Nicht minder wichtig ist das Vermögen des Humus, große Mengen Wasser zu absorbieren und dadurch einen leicht austrocknenden Boden längere Zeit feucht, einen nassen Boden aber poröser und insofern auch trockner zu machen. 100 Teile Lauberde können 400-480 Teile Wasser zurückhalten.
Die große Hygroskopizität des Humus bewirkt, daß derselbe aus der Luft Feuchtigkeit anzieht und so selbst in regenloser Zeit dem Boden etwas Wasser zuführt. Ebenso bedeutend ist das Aufsaugungsvermögen des Humus für Gase, [* 10] infolgedessen Sauerstoff, Ammoniak und Kohlensäure in verdichtetem Zustand und zwar in viel günstigerm Verhältnis, als dies in der Atmosphäre der Fall ist, im Boden aufgespeichert werden und nun eine energische chemische Wirkung hervorbringen können.
Früher und besonders so lange, als die Bedeutung der Kohlensäure und des Ammoniaks für die Ernährung der Pflanzen noch unbekannt war, glaubte man, die Pflanzen bezögen auch ihre organischen Stoffe nur aus dem Boden, und man hielt besonders die braunen humusartigen Materien für das Material, welches von den Pflanzen als Nahrung aufgenommen würde. Diese Lehre [* 11] (Humustheorie) ist jetzt in dem angedeuteten Sinn vollständig aufgegeben, weil direkte Versuche erwiesen haben, daß Pflanzen in ausgeglühter Erde (welche also frei ist von organischen Substanzen) bei Zufuhr von Ammoniak und Kohlensäure sich entwickeln können, und einfache Berechnungen anderseits lehren, daß der Kohlenstoff, welcher in einer Ernte [* 12] dem Boden entnommen wird, nicht vollständig vom Humus abstammen kann.
Die Humustheorie läßt sich auf den Satz zurückführen, daß es eine gewisse Quantität organischen Stoffes gibt, welche in der Weise zwischen Pflanze und Tierwelt zirkuliert, daß allemal die Produkte, Auswurfstoffe und Leichen des einen Reichs die Nahrung für das andre hergeben. Nun zeigen aber die Thatsachen, daß überall organische Substanz zerstört wird (Fäulnis, Gärung, Verwesung, Verbrennung), und auch die Tiere liefern in ihren Exkrementen viel weniger organische Materie, als sie in den Nahrungsmitteln aufgenommen haben.
Eine ungeheure Menge organischer Substanzen führen die Ströme dem Meer zu. Die Humustheorie fand ihren entschiedensten Bekämpfer in Liebig, welcher so weit ging, den organischen Stoffen des Bodens jeden andern Nutzen für das Pflanzenleben abzusprechen als den, daß sie durch ihre Verwesung Kohlensäure und Ammoniak liefern, welche sowohl als direktes Pflanzennahrungsmittel dienen, wie auch die mineralischen Bestandteile des Bodens löslich machen. Hierüber entbrannte ein heftiger Streit, der sich auf die Ernährung der Pflanzen überhaupt und auf die Düngung erstreckte.
Genauere Untersuchungen über die Rolle, welche der Humus im Boden spielt, lieferte vorzüglich Mulder, und er gelangte zu Resultaten von so großer Bedeutung, daß dieselbe nicht übersehen werden konnte. Die praktischen Landwirte legen daher auf den ein sehr großes Gewicht und sorgen dafür, daß die organische Substanz in ihren Feldern sich nicht vermindere. Um aber verarmten Feldern Humussubstanz zuzuführen, gibt man am besten eine Gründüngung. Dies ist vorteilhafter als eine Düngung mit Torf, weil die Stoffe, indem sie sich in Humus verwandeln, belebend auf den Acker einwirken.
Will man mit Torf düngen, so regt man in demselben zunächst durch Vermischen mit leicht sich zersetzenden organischen Substanzen, namentlich mit tierischen Abfällen, eine Zersetzung an und mischt ihn mit Mergel oder Kalk. Guter Boden enthält durchschnittlich 5-6 Proz. organische Substanz; indes kommen auch bedeutend ärmere und viel reichere Ackererden vor, die doch nicht zu den unfruchtbaren gerechnet werden können. Die Fruchtbarkeit ist also nicht direkt abhängig vom Humusgehalt; jedenfalls genügt eine geringe Menge Humus im Boden, um alle die chemischen Funktionen zu erfüllen, die man vom Humus überhaupt erwarten darf.
Soll der Humus die physikalischen Eigenschaften des Bodens verbessern, so muß er oft in viel größerer Menge vorhanden sein; aber in dieser Beziehung kann er durch gewisse Mischungen mineralischer Substanzen zum Teil ersetzt werden. Von besonderm Interesse ist wegen seiner Ausdehnung, [* 13] Fruchtbarkeit und Zusammensetzung der humusreiche Boden, welcher sich über den südlichen und südwestlichen Teil des europäischen Rußland unter dem Namen Schwarzerde (Tschernosem) erstreckt. Er ist daselbst in solcher Gleichförmigkeit und Mächtigkeit verbreitet, daß er nicht als eine spezielle Lokalbildung, sondern vielmehr als eine durch allgemeine Einflüsse entstandene jüngste Formation der Erdoberfläche angesehen werden muß; er bildet die Grundlage des russischen Reichtums an Bodenerzeugnissen. Wie bedeutend die Humussubstanzen an geologischen Bildungen sich beteiligen, sieht man ferner an den Marschen, wo fein zerteilter kohliger Humus durch Wasserfluten mit erdigem Mineral-, namentlich Lehm- und Thonschlamm innig gemengt ist und mächtige Ablagerungen bildet. Im Torf haben wir den Humus in noch reiner oder fast reiner Gestalt; besondere Verhältnisse begünstigten seine Aufhäufung, und es bedarf dann wieder nur ¶
äußerer Verhältnisse (Druck, Feuchtigkeit), um eine weitere Zersetzung in der Weise herbeizuführen, daß die Masse immer mehr an Sauerstoff und Wasserstoff verarmt und zuletzt so kohlenstoffreiche Körper zurückbleiben, wie wir sie in der Braunkohle, der Steinkohle und dem Anthracit kennen.
Vgl. Sprengel, Bodenkunde (2. Aufl., Leipz. 1844);
Mulder, Chemie der Ackerkrume (deutsch von Grimm, das. 1862, 2 Bde.);
Senft, Die Humus-, Marsch-, Torf- und Limonitbildungen (das. 1862), und die Schriften von Liebig.