Apokalyptik
(grch.), ein Zweig der spätern jüd. Litteratur
,
der die Zukunft des Gottesreichs und die Erscheinung des Messias in der Form symbolischer
Bilder und wunderbarer
Visionen zu schildern versucht. Entstanden nach dem
Abschlusse der ältern Prophctie (s.
Propheten) in einer Zeit des tiefsten
nationalen Elends Israels unter dem syr. und röm. Drucke, bringt
sie die Sehnsucht der Zeitgenossen nach der Herstellung des Davidischen Messiasreichs dadurch zum
Ausdruck, daß sie gefeierten
Sehern der Vorzeit die Geschichte Israels und der Heidenvölker bis auf die Gegenwart als
Weissagungen
in den Mund legt und diesen zur
Aufrichtung der nationalen Hoffnung die Verkündigung einer nahe bevorstehenden Erscheinung
des Messias anschließt.
Da aber das Unerfülltbleiben der
Weissagungen immer wieder Zweifel erregen mußte, so suchen die
Apokalyptiker durch stets erneute Umformung derselben den
Mut ihrer Volksgenossen wieder aufzurichten.
Grundcharakter der Apokalyptik
ist daher die
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mehr
Erdichtung angeblich alter Prophezeiungen, deren wirkliche Abfassungszeit meist durch den Umstand sich verrät, daß der Verfasser, wo er über seine eigene Gegenwart hinausgehend prophezeit, was auch für ihn noch in der Zukunft liegt, keine geschichtlichen Fakta mehr dringt, sondern Gebilde seiner Phantasie. Da aber jeder Apokalyptiker das Interesse hat, seine wirkliche Lebenszeit zu verhüllen, so läßt er seinen Helden auch über die nächstvergangenen Ereignisse und die Gegenwart in besonders dunkeln Rätselbildern sich aussprechen.
Dieser Umstand erschwert die geschichtliche Ausdeutung ungemein und macht die oft weit auseinandergehenden Deutungsversuche
neuerer Gelehrten erklärlich. Die älteste dieser Apokalypsen, zugleich das Vorbild aller spätern, ist
das Buch Daniel (s. d.). Unter den spätern sind die bekanntesten das Buch Henoch (s. d.) und die Apokalypse des Esra (s. d.);
in neuerer Zeit sind noch mehrere andere, wie das Buch der Jubiläen (s. d.), die Himmelfahrt des Moses und die Apokalypse des
Baruch (s. d.) wieder aufgefunden worden, (S. auch Sibylle.) Die
älteste christl. Kirche hat diese Apokalypsen stark benutzt, teilweise vielleicht auch durch neuere Zusätze und Einschiebsel
für ihre Zwecke brauchbarer gemacht und namentlich in judenchristl. Kreisen eifrig nachgebildet. Außer der Apokalypse (s. d.)
des Johannes sind noch viele apokalyptische
Schriften bekannt, zum Teil erhalten, wie die Testamente der 12 Patriarchen, die
Auffahrt des Jesaias, der Hirt des Hermas (s. d.). -
Vgl. Hilgenfeld, Die jüdische Apokalyptik
(Jena
[* 3] 1857).