Apokalypse
(grch.), d. h. Offenbarung, das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes. Sie war, solange man in ihr nur ein prophetisches Kompendium der Welt- und Kirchengeschichte sah und die Zukunft aus ihr herauslesen wollte, eine der dunkelsten Schriften der Bibel. [* 2] Seitdem aber die neuere Wissenschaft sie aus den Vorstellungen und Erwartungen ihrer eigenen Zeit heraus zu erklären lernte, ist sie verständlich und eine der wertvollsten Urkunden der christl. Urzeit geworden.
Wie die neuere Kritik bis vor kurzem übereinstimmend annahm, ist das Buch bald nach Neros Tode, während Galbas Regierung (Juni 68 bis Jan. 69), wahrscheinlich zu Ephesus geschrieben auf Grund der Visionen, die der judenchristl. Verfasser aus Palästina, [* 3] der sich selbst Johannes nennt, während seines Aufenthalts auf der Insel Patmos (s. d.) gehabt zu haben versichert. Unter dem frischen Eindrucke der Neronischen Christenverfolgung und des kurz vorher ausgebrochenen jüd. Krieges, in welchem sich die Geschicke des Volks, das den Messias verworfen hatte, zu erfüllen begannen, in banger Erwartung noch weit größerer Schrecknisse, kleidete der Verfasser die Befürchtungen und Hoffnungen in die herkömmliche Form eines apokalyptischen Gemäldes: Rom [* 4] (symbolisch «die große Babel» genannt) wird beschrieben als das buhlerische Weib, das auf sieben Bergen [* 5] sitzt und Macht hat über alle Könige und Völker der Erde, oder als das Tier mit sieben Häuptern und zehn Hörnern.
Die sieben Häupter aber sind die röm. Herrscher seit Augnstus, Nero der fünfte von ihnen, welcher gewesen ist und jetzt nicht mehr regiert, aber am Ende der Tage als der achte Herrscher wiederkehren wird (Offenb. 17). Er ist selbst die personifizierte antichristl. Macht, das Tier aus dem Meere, dessen Name nach der jüd. Zahlensymbolik durch die geheimnisvolle Zahl 666 (Apokalyptische Zahl) angedeutet wird (Kap. 13, bes. V. 18). Es wird der von furchtbaren Zeichen in der äußern Natur begleitete Entscheidungskampf des wiederkehrenden Nero mit dem wiederkehrenden Christus, der Sieg über den Antichrist, der Anbruch des Tausendjährigen Reichs und, nach dessen Ablaufe, die noch-
malige Entfesselung und endliche Vernichtung
des Satans und die Herabkunft des himmlischen
Jerusalems auf die erneuerte Erde
geschildert. Nach altkirchlicher Überlieferung soll der
Apostel
Johannes die Apokalypse
verfaßt haben. Allein wer die Apokalypse schrieb,
kann nicht auch die andern Johanneischen
Schriften geschrieben haben, und zwar wegen des grundverschiedenen
hebraisierenden Charakters der
Sprache
[* 6] und des ganz anders gearteten Gedankenkreises und specifisch jüd. Standpunktes der
Apokalypse
(S.
Johannes, der Evangelist.) Vischer und Weyland vertreten die
Ansicht, daß der Grundstock der Apokalypse
nicht christl., sondern
jüd. Ursprungs, aber von einem christl. Verfasser überarbeitet
sei.
Andere, wie
Völter und
Weizsäcker, halten an dem christl. Ursprunge fest, nehmen aber ebenfalls
Überarbeitungen des ursprünglichen
Textes an, deren jüngste erst aus der Mitte des 2. Jahrh. herrühren soll. (S.
Apokalyptiker.).
Litteratur. Lücke, Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung des Johannes (2. Aufl., 3 Tle., Bonn [* 7] 1848-52);
Ewald, Jobannes' Apokalypse
(Gott. 1862);
De Wette, Kurze Erklärung der Offenbarung Johannis (3. Aufl. von Möller, Lpz. 1862);
Volkmar, Kommentar zur Offenbarung Johannis (Zür. 1862);
Bleck, Vorlesungen über die Apokalypse
(Berl. 1862);
Düsterdieck, Handbuch über die Offenbarung Johannis (4. Aufl., Gott. 1887);
Holtzmann, Handkommentar zum Neuen Testament IV, 2 (Freiburg [* 8] 1891).
Zur neuesten Kritik vgl. Vischer, Die Offenbarung Johannis eine jüdische in christl. Bearbeitung (Lpz. 1886);
Weyland, Omwerkings- en Compilatie-Hypothesen toegepast op de Apokalypse
van
Johannes (Gröningen
1888);
Völter, Die Entstehung der Apokalypse
(2. Aufl., Freib. i. Br.
1885);
ders. in der «Prot. Kirchenzeitung» (1886),
«Theol. Tijdschrift» (1886);
ders., Die Offenbarung Johannis keine ursprüngliche jüdische Apokalypse (Tüb. 1886);
ders., Das Problem der Apokalypse (Freib. i. Br. 1893);
Pfleiderer, Das Urchristentnm (Berl. 1887);
Beyschlag, Die Apokalypse gegen die jüngste kritische Hypothese in Schutz genommen (Deutsch-evang. Blätter, 1888);
Sabatier, Les origines littéraires et la composition de l'apocalypse de St. Jean (Par. 1888);
Epitta, Die Offenbarung des Johannis (Halle [* 9] 1889);
Weizsäcker, Das Apostolische Zeitalter (2. Aufl., Freib. i. Br. 1890);
Erbes, Die Offenbarung Johannis (Gotha [* 10] 1891);
Die Offenbarung des Johannes (Haarlem [* 11] 1891);
Hirscht, Die und ihre neueste Kritik (Lpz. 1895).