Aphasīe
(griech., das »Nichtredenkönnen«),
ein krankhafter Zustand, bei welchem der davon Befallene unfähig ist, sich der
Sprache
[* 3] zu bedienen, obschon
er vollkommen
Herr seiner Sprachorgane und auch sonst bei vollem
Bewußtsein ist. Leute, welche einen
Schlagfluß erlitten haben,
verlieren manchmal das
Gedächtnis für die
Worte, womit sie gewisse
Dinge bezeichnen wollen, wobei sie im
Besitz aller andern
geistigen Fähigkeiten sein können. Von der Aphasie
ist die
Alalie zu unterscheiden, bei welcher der Sprachverlust
die
Folge einer
Störung in denjenigen
Organen ist, welche zur Erzeugung und Artikulation der
Laute dienen (also
Kehlkopf,
[* 4]
Zunge,
Lippen,
Gaumen etc.). Die Aphasie
beruht vielmehr auf einer Erkrankung unsers innern Sprachorgans,
welches im
Gehirn
[* 5] seinen Sitz hat, die
Worte schafft, davon die
Erinnerung behält und den zur Artikulation
dieser
Worte bestimmten
Bewegungen vorsteht.
Wie es scheint, hat dieses innere Sprachorgan seinen Sitz in der zweiten Stirnwindung des linken vordern Hirnlappens, wenigstens
hat man hier am häufigsten die der Aphasie
zu
Grunde liegende anatomische
Störung angetroffen. Erkrankt nun dieses
Organ, so verliert
der betreffende
Mensch die Fähigkeit, sich auf die
Worte zu besinnen, durch die er seine
Gedanken ausdrücken
möchte, oder er ist wenigstens nicht im stande, auf seine sonst gesunden Sprachwerkzeuge so einzuwirken, daß die artikulierten
Laute erzeugt werden.
Bei der reinen, nicht komplizierten Aphasie
ist nur das eben beschriebene
Vermögen aufgehoben, während alle willkürlichen
Bewegungen
und Äußerungen der
Intelligenz vorhanden sind. In andern
Fällen können die Kranken nicht schreiben
(Agraphie) oder nicht
lesen
(Alexie). Die Aphasie
geht manchmal binnen wenigen
Stunden oder
Tagen vorüber, indem der Kranke das
Gedächtnis für die
Worte
und das
Vermögen, sie auszusprechen, vollständig wiedergewinnt. Gewöhnlich aber dauert die Erkrankung wochen-
und monatelang oder besteht bis zum
Tod in gleicher
Weise fort.
Der Kranke versteht in diesem Zustand alles, was man ihm sagt, vermag aber
seine eignen
Gedanken nicht durch
Worte, sondern
nur durch die
Zeichensprache auszudrücken. Gewöhnlich ist dem Kranken die Fähigkeit geblieben, eine geringe Anzahl vereinzelter
Silben oder
Worte auszusprechen, von welchen er jedoch auch da
Gebrauch zu machen pflegt, wo sie nicht am
Platze sind, woraus man schließen möchte, daß er diese
Worte nicht infolge gewollter
Bewegungen, sondern automatisch ausspricht.
Die entferntere
Ursache der Aphasie
ist meist eine
Erweichung, ein Bluterguß, eine Hirnhautentzündung oder
Neubildung, welche die
Thätigkeit des bezeichneten »Sprachzentrums« aufhebt.