Titel
Apfel
,
Apfelbaum, eine Art der Gattung Pirus oder Pyrus aus der Familie der Rosaceen (s. d.);
die Gattung liefert Ziergehölze (s. Strauchapfel
) und Nutz- oder Obstbäume; die
Früchte der erstern werden neuerdings zum
Teil auch zur Obstweinbereitung verwendet, so besonders einige
Varietäten von Pirus baccata L. Die Stammformen unserer Äpfel
sind Pirus malus L., der filzig-blätterige
Apfelbaum, bis 16 m hoch, Pirus silvestris Mill., der glattblätterige
Apfelbaum, und Pirus pumila Mill., der Strauchapfel.
Der baumartige
Apfelbaum besitzt eine sich tafelförmig abstoßende Rinde, eine weitästige, meist etwas unregelmäßig gebaute
Krone, dornspitzige Zweige (Kunsttriebe), große rosa oder seltener fast weiße
Blüten, die zu drei bis sechs in doldenartigen
Büscheln stehen, und kleine rundliche, derb- oder fade-süßlich schmeckende
Früchte
(Holzäpfel). Die
Heimat des
Apfelbaums, der in den Laubwaldungen
Mittel- und Südeuropas häufiger strauch- als baumartig auftritt, scheint das
westl.
Asien
[* 3] zu sein; darauf scheint auch hinzudeuten, daß in keinem
Lande Europas die wilden Apfel-
und
Birnbäume so häufig
in den Wäldern auftreten
wie im südl.
Rußland, wo sie einen bedeutenden Gemengteil der Laubwälder
bilden. Das Holz
[* 4] des
Apfelbaums nimmt eine vorzügliche Politur an und ist gesucht für
Tischlerarbeiten.
Der edle Apfelbaum, von dem durch eine mehrtausendjährige Kultur eine Unzahl von Formen und Sorten entstanden ist und ununterbrochen neue Sorten erzogen werden, ist unbestritten die wichtigste Obstart Europas, ja der ganzen Alten Welt, und seine Kultur unter allen Obstbaumkulturen die verbreitetste und ausgedehnteste, indem er gegenwärtig sogar in Australien, [* 5] Ost- und Westindien, [* 6] am Kap der Guten Hoffnung und in den Gebirgen des tropischen Amerikas, im gemäßigten und kalten Nordamerika [* 7] sogar sehr häufig gebaut wird.
Man kann daher sagen, die Kultur des
Apfelbaums sei fast über die ganze Erdoberfläche, soweit solche
von civilisierten Völkern bewohnt ist, verbreitet. Immerhin aber wird der
Apfelbaum in Mitteleuropa und neuerdings in Nordamerika
am häufigsten kultiviert und von hier aus der Weltmarkt mit Äpfeln
und deren Produkten versorgt. In Europa
[* 8] wird die
Zucht des
Apfelbaums vorzüglich in
Deutschland,
[* 9]
Böhmen,
[* 10] Südtirol,
Dänemark,
[* 11] England,
Frankreich, Oberitalien
[* 12] und Nordspanien
betrieben. Er gedeiht am besten in nahrhaftem, lehmigem Sandboden, der nicht zu trocken ist, aber noch weniger an Grundwasser
[* 13] leidet; in leichtem
Boden widersteht er weniger gut den
Stürmen, sonst aber verlangt er recht freie
Lage.
Die
Vermehrung erfolgt durch
Veredelung, meist Okulation auf den Wildlingsstamm;
dieser wird aus dem Kern harter Wirtschaftssorten gezogen;
ältere, aber gesunde Apfelstämme können, wenn die Sorte nichts taugt, in den einzelnen Zweigen umveredelt werden;
namentlich durch Pfropfen [* 14] und Pelzen;
bezüglich der weitern Kultur s. Obstbaumzucht.
Der Apfelbaum bildet den wichtigsten Gegenstand der gesamten pomolog. Litteratur; er gehört zum Kernobst. Die zahllosen Sorten des edlen Apfel werden nach äußern Merkmalen, Gestalt, Größe, Gehalt, Farbe, Kelch und Stiel und nach innern Merkmalen, Fleisch, Kernhaus und Kelchröhre, sowie nach Reifzeit, Nutzung, Tragbarkeit und Wuchs des Baumes unterschieden; danach hat man versucht, die verschiedenen Formen zu klassifizieren; das zweckmäßigste System ist das von Dielin der Abänderung und Erweiterung von E. Lucas in Reutlingen. [* 15] Die 15 Klassen dieses Apfelsystems sind folgende:
1) Kalvillen, gerippte, meist mittelgroße Früchte mit lockerm, balsamisch erd- oder himbeerartig gewürztem Fleisch, offenem Kernhaus und gewöhnlich fettig werdender Schale. Die besten hierher gehörigen Sorten sind: Herbstäpfel: roter Herbst-Kalvill (Himbeerapfel), Gravensteiner (s. Tafel: Kernobst, [* 1] Fig. 2). Winteräpfel: Kalvill von St. Sauveur (November bis März), Mecklenburger Kantapfel (November bis Januar), Weißer Winter-Kalvill (November bis März), roter Winter Kalvill (Dezember bis März).
2) Schlotteräpfel, meist ziemlich große, walzenförmige oder rundlich zugespitzte Früchte mit derber, nie fettiger Schale und grobfaserigem Fleisch von meist wenig gewürzhaftem Geschmack: das Kernhaus ist stets weit offen (Klapperapfel) und die Gestalt oft etwas kalvillartig. Hierher gehören: Sommeräpfel: kentischer Küchenapfel, Sommer- Gewürzapfel. Herbstäpfel: Prinzenapfel (s. Tafel: Kernobst, [* 1] Fig. 8), Millits Schlotterapfel. ¶
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Winteräpfel: rheinischer Krummstiel (November bis April), Woltmanns Schlotterapfel (November bis Februar), Berliner [* 17] Schafsnase (November bis März).
3) Gülderlinge, mittelgroße, um den Kelch meist gerippte Äpfel von plattrund-zugespitzter Form (Bastard-Kalvillen) oder länglich-kegelförmiger Gestalt (echte Gülderlinge), mit offenem Kernhause, festem, feinkörnigem, weinsäuerlichem oder süßem Fleische und grünlichgelber, glatter Schale. Meist Winteräpfel. Für die Tafel: gelber Richard (November bis Dezember), gelber Bellefleur (Dezember bis März), Gold-Gülderling (Dezember bis März), London-Pepping (Dezember bis März). Für die Wirtschaft: süßer Holaart (Dezember bis März), Champagner-Reinette (Januar bis April), Boikenapfel (Januar bis Mai).
4) Rosenäpfel, meist rundliche, wenig gerippte Früchte mit sehr lockerm, schwammigem Fleische, welches unter der Schale oft gerötet ist; die Schale ist beduftet, abgerieben glänzend; der Geschmack süßlich gewürzt. Sommerapfel: weißer und roter Astrachan, pfirsichroter Sommerapfel, virginischer Rosenäpfel, Charlamowsky. Herbstäpfel: Cludius' Herbstapfel, Danziger Kantapfel. Winteräpfel: Morgenduftapfel, purpurroter Cousinot (hält bis April).
5) Taubenäpfel (Pigeons), meist kleine, regelmäßig gebaute, walzen- oder länglich-kugelförmige, leichtbeduftete Früchte; das Fleisch ist dichter als bei den Rosenäpfeln, feinkörnig, weiß und sehr saftreich. Meist Winteräpfel: weißer und roter Winter-Taubenapfel (November bis Dezember; s. Tafel: Kernobst, [* 16] Fig. 3), Schieblers Taubenapfel, (November bis Januar), Alantapfel (Dezember bis März), roter Jungfernapfel (Dezember bis April). Auch die Rosmarinäpfel und der Edelrote gehören hierher, erreichen aber in Deutschland selten die Güte und schöne Färbung wie in Oberitalien und Südtirol.
6) Pfundäpfel oder Rambure, meist sehr große Früchte von plattrunder oder hochgebaut-kugelförmiger, oft kalvillenartiger Gestalt, mit flachen Rippen und oft ungleichen Hälften; die Schale ist derb, das Fleisch grobkörnig, hülsig, locker, süß-säuerlich ohne Gewürz. Geschätzte Sorten sind: Kaiser Alexander (September bis Oktober), vorzügliche Schaufrucht und auch guter Tafelapfel; die übrigen gehören meist zu den Wirtschaftsfrüchten, zählen aber zu den gesuchtesten Marktäpfeln; geflammter Kardinal Meißner Rambur, November bis Februar), Hausmütterchen (November bis Februar), Gloria mundi (Dezember bis Februar), Lütticher Rambur (Dezember bis März).
Die nun folgenden sechs Klassen umfassen die Reinetten, für welche das Fleisch charakteristisch ist;
dasselbe muß specifisch schwer, feinkörnig, dicht und von süßweinig-gewürzhaftem Geschmack sein.
7) Rambur-Reinetten, einfarbige Früchte von namhafter Größe und unregelmäßiger, oft kalvillartiger Gestalt;
die Schale ist derb und zeigt mehr oder weniger Rostspuren;
fast nur Winteräpfel: Canada- oder Pariser Rambur-Reinette (November bis März), einer der edelsten und dankbarsten Apfel;
Edelreinette (November bis März), Gays-Reinette (Dezember bis März), Goldzeugapfel (November bis Februar), Diels große engl. Reinette (Dezember bis April).
8) Einfarbige oder Wachsreinetten, kleine oder mittelgroße, regelmäßig gebaute plattrunde oder längliche Früchte ohne Röte und ohne Erhabenheiten und Rippen, mit glatter, oft etwas rostspuriger Schale und gelblichem Fleische. Sommeräpfel: gelber Lavendelpepping, goldgelbe Sommer-Reinette (hält sich bis in den Herbst). Winteräpfel: Gaesdonker-Reinette (Januar bis April), deutscher Goldpepping (November bis März; s. Tafel: Kernobst, [* 16] Fig. 1), Landsberger Reinette (November bis Februar), Ananas-Reinette (November bis März).
9) Borsdorfer Reinetten, kleine, regelmäßig gebaute, plattrunde oder abgestumpft-kegelförmige Früchte mit einfarbiger oder deckfarbiger, glatter Schale, selten mit Rostanflug, häufiger mit Warzen bekleidet; meist Winteräpfel: Edelborsdorfer (November bis Februar), bekannte vorzügliche Frucht für alle Zwecke, in Österreich [* 18] Marschansker genannt, Zwiebel-Borsdorfer (November bis März), Glanzreinette (Dezember bis März).
10) Rote Reinetten, mittelgroße Früchte von regelmäßiger Reinettengestalt, seltener etwas gerippt, mit grünlich- oder blaßgelber Grundfarbe, auf der Sonnenseite oder auch ganz mit prächtiger Röte gedeckt; die Schale ist glänzend und glatt, meist ohne Rostflecken. Sommeräpfel: Sommerparmäne, scharlachrote Parmäne (halten sich beide bis in den Herbst hinein). Winteräpfel: Baumanns Reinette (Januar bis April), rötliche Reinette (November bis März), Culons Reinette (Dezember bis April), Karmeliter-Reinette (Dezember bis April), rote Winterparmäne (Dezember bis März), Muskat-Reinette (Dezember bis März), Staatenparmäne (Januar bis Juni).
11) Graue Reinetten, regelmäßig gebaute Früchte von kugeliger oder plattrunder Gestalt, deren Schale größtenteils oder ganz mit einem rostigen Überzug bekleidet ist; das Fleisch ist gelblich und zeigt den echten, charakteristischen Reinettengeschmack, ist bisweilen auch fenchelartig gewürzt (Fencheläpfel). Diese Reinetten haben Neigung zum Welken und müssen deshalb möglichst lange am Baum hängen bleiben. Herbstäpfel: graue Herbstreinetten (Oktober bis Dezember), Balloks Pepping (Oktober bis Dezember). Winteräpfel: engl. Spitalreinette (Dezember bis März), graue franz. Reinette (November bis März), Parkers Pepping (Dezember bis Mai), Osnabrücker Reinette (Dezember bis März), Carpentin (Januar bis April), Mostapfel.
12) Goldreinetten, mittelgroße und sogar ziemlich große Früchte von regelmäßigem Bau;
die Schale zeigt eine goldgelbe Grundfarbe, welche auf der Sonnenseite teils verwachsen, teils in Streifen und Flammen gerötet ist, die Röte erscheint aber durch Rostfiguren und Rostpunkte gewöhnlich unrein;
meist Winteräpfel: Winter-Goldparmäne (Oktober bis März), einer der gesuchtesten und edelsten Äpfel;
Goldreinette von Blenheim (November bis März), Orleans-Reinette (November bis März), Ribston-Pepping (Dezember bis März), königl. Kurzstiel (Dezember bis Mai), große Casseler Reinette (Februar bis Juni).
13) Streiflinge, Früchte verschiedener Gestalt, mit weißem, oft fade, selten weinsäuerlich schmeckendem Fleische. Das durchgehende Merkmal besteht in der Streifung der Schale. Es sind dem größten Teile nach Wirtschafts-, besonders Mostäpfel. Als ganz besonders reichtragende Äpfel sind zu empfehlen: Luikenapfel (Oktober bis Dezember), brauner und weißer Matapfel (Januar bis Mai), großer Bohnapfel (Dezember bis Juni), königl. Streifling (Dezember bis Mai), roter Eiserapfel (Januar bis Juli). ¶
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14) Spitzäpfel, Früchte von hohem Bau und länglich oder abgestutzt-kegelförmiger Gestalt; sie sind niemals gestreift; auch hier finden wir nur Wirtschaftsobst: Königin Luisenapfel (Oktober bis November), Königs-Fleiner (Oktober bis November), Müllers Spitzapfel (Dezember bis März).
15) Plattäpfel, von plattrunder oder kugeliger Gestalt; Schale glatt, oft schön gefärbt, aber ohne alle Streifen; nur Wirtschaftsobst: Apfel von Hawthornden (Oktober bis November), Golden Noble-, gelber Edelapfel (Oktober bis Januar), gelber Winter-Stettiner (Dezember bis Juni), roter Stettiner (Dezember bis März), Winter-Citronenapfel (Dezember bis März), grüner Fürstenapfel (Januar bis Juli), Batullenapfel (November bis Mai).
Lucas hat in einem andern künstlichen Systeme sämtliche Apfel in 12 Klassen geteilt:
1) platte, 2) rundliche, 3) zugespitzte, 4) längliche Sommeräpfel, die Klassen 5-8 enthalten ebenso angeordnet die Herbstäpfel und die Klassen 9-12 die Winteräpfel. Dieses wie das natürliche System zerfällt in drei Ordnungen, je nachdem die Äpfel 1) zu den grundfarbigen, 2) zu den deckfarbigen und 3) zu den gestreiften Früchten gehören; die Ordnungen zerfallen endlich in je drei Unterordnungen, je nachdem der Kelch des apfel offen, b. halboffen, c. geschlossen ist. -
Vgl. Lucas, Die wertvollsten Tafeläpfel und Tafelbirnen, Bd. 1 (Stuttg. 1893).
In symbolischer Bedeutung war der Apfel, namentlich der körnerreiche Granatapfel, im Altertum ein Symbol der Fruchtbarkeit und als solches ein Attribut verschiedener Gottheiten, wie der Hera, [* 20] der Kore oder Persephone, [* 21] der Aphrodite, [* 22] auch der Athena. Denselben Sinn haben die goldenen Äpfel der Hesperiden. In Griechenland [* 23] wurde das Symbol mit der Zeit in derselben Weise wie die ganze Götterwelt mehr im Sinne des menschlichen Fühlens und Denkens ausgedeutet. Wie Aphrodite aus einer Naturgottheit zur Göttin der menschlichen Liebe und Schönheit, so wurde der Apfel ihr Symbol auch in diesem Sinne. Er war ein Liebeszeichen im Verkehr von Jünglingen und Mädchen.
Der symbolischen Bedeutung der antiken Äpfel entsprechend, hatten die Äpfel der nordischen Göttin Iduna, der Göttin unverweslicher Jugend, die Kraft [* 24] den zu verjüngen, der sie aß. Abergläubische Gebräuche der Gegenwart, die namentlich während der Rauhnächte in Übung sind, zeigen, daß man noch heute den Apfel als vorbedeutend für Fruchtbarkeit, Liebe und Heirat, für Leben und Tod betrachtet. Liebende beißen Äpfel an und senden sich diese als Liebeszeichen. Als die verbotene Frucht des Paradieses galt der Apfel im Mittelalter als Symbol des Sinnenreizes, des Sündenfalles und der Erbsünde; der todbringende in der Hand [* 25] Christi bedeutet die Erlösung von der Erbsünde.