Ludwig, Bühnendichter und Schriftsteller, geb. zu
Wien,
[* 2] Sohn eines Subalternbeamten, war durch
den frühzeitigen
Tod seines
Vaters genötigt, seine
Studien zu unterbrechen und als
Autodidakt weiterzustreben.
SeinLeben ist ein wechselvolles, vielbewegtes. Wir finden ihn zuerst als
Praktikant in einer Buchhandlung angestellt, hierauf
(1860-67) als
Schauspieler, dann, der
Misere dieses
Standes überdrüssig, als Journalist thätig, schließlich, als auch diese
Laufbahn den realen Anforderungen des
Lebens nicht entsprach, als Kanzleibeamten bei der Polizeibehörde
beschäftigt, bis ihn endlich der durchschlagende Erfolg seines
Dramas »Der
Pfarrer
von Kirchfeld« (1870) bestimmte, den
Staatsdienst
zu entsagen und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen.
Seine dramatische Thätigkeit weist von jetzt an eine
Reihe zum Teil großartiger Erfolge auf, und zwar beruhen diese
weniger auf der kunstreichen
Anlage seiner
Stücke als auf dem realistischen
Kolorit und der naturwüchsigen
Kraft
[* 3] des
Ausdrucks
wie anderseits auf der
Wucht des
Inhalts, d. h. der in ihm aufs höchste gesteigerten
Leidenschaften, die meist aus sittlichen
oder religiösen
Konflikten hervorbrechen. Nicht alle
Schöpfungen des Dichters stehen auf gleicherHöhe;
er selbst gibt den Volksstücken: »Der
Pfarrer von Kirchfeld« (1870),
»Die Kreuzelschreiber«, »Ein
Faustschlag«, »Der Meineidbauer«, »Das
vierte
Gebot« (letzteres 1878 geschrieben) den Vorzug.
AndreDramen von ihm sind: »Elfriede«,
Konversationsstück (1873);
Als erzählender Dichter hat Anzengruber nicht geringere Erfolge mit dem
Roman »Der Schandfleck«
(Wien 1876; umgearbeitet, Leipz.
1884) und einer Sammlung von Bauerngeschichten: »Dorfgänge«
(Wien 1879, 2 Bde.),
erzielt. Neuere novellistische
Arbeiten sind:
»Bekannte von der
Straße Genrebilder« (Leipz. 1881);
Ludw., deutsch-österr. Schriftsteller, geb. zu Wien, mußte infolge mißlicher Verhältnisse
die Studien aufgeben, ward Buchhändler, war 1860-67 Schauspieler, dann Mitarbeiter mehrerer Witz- und
Unterhaltungsblätter und wurde 1869 Kanzleibeamter der Wiener Polizei. Schon als Schauspieler wagte er dramat. Versuche, bis
es ihm 1870 gelang, durch das antiklerikale Volksstück «Der Pfarrer von Kirchfeld»
(Wien 1872; 5. Aufl., Stuttg. 1893) Aufsehen zu erregen.
Dadurch ermutigt, widmete er sich seit 1871 gänzlich der Schriftstellers und gab «Die
Heimat» (1882-84) und das Witzblatt «Figaro»
(seit 1884) zu Wien heraus, wo er starb. 1893 wurde ihm auf dein Wiener Centralfriedhof ein Denkmal gesetzt. Seine
übrigen Dramen sind: die Volksstücke «Der Meineidbauer» (Wien 1872; 3. Aufl., Stuttg. 1891),
1888). Für «Heimg’funden. Eine Weihnachtskomödie») (1885)
erhielt Anzengruber 1887 den Grillparzer-Preis. Aus seinem Nachlaß erschien noch das Volksstück «Brave
Leut’ vom Grund» (Stuttg. 1892). Auf erzählendem Gebiete veröffentlichte er den Roman «Der Schandfleck» (Wien 1876; 3. umgestaltete
Aufl., Lpz. 1894),
die Sammlungen: «Dorfgänge» (2 Bde.,
Wien 1879; darin die Perle «Der Einsame») und «Bekannte
von der Straße. Genrebilder» (ebd. 1881),
«Launiger Zuspruch und ernste Red’!» (Lahr
[* 7] 1882),
sein episches Meisterwerk. Aus dem Nachlaß erschienen
die «Letzten Dorfgänge» (Stuttg. 1894). Die
Hauptwirkung seiner Schöpfungen, insbesondere der Dramen, liegt im Inhalte, nicht in der künstlerischen Gestaltung. Anzengruber ist
überzeugter Realist stark volkstümlicher Art und findet in den aus sittlich-sinnlicher und -religiöser
Leidenschaft entspringenden Widersprüchen den Haupthebel der Stoffe, die er am liebsten dem mittelösterr. Bauernleben entnimmt
und bald düster-tragisch, bald mit köstlicher Laune ausführt. «Gesammelte Werke»
(eigene Beiträge zu A.s Lebensgeschichte im 1. Band)
[* 8] gaben nach A.sAnordnung Bettelheim, Chiavacci und Schembera (10 Bde.,
Stuttg. 1890) heraus, eingeleitet von ersterm, der auch eine Biographie (Dresd. 1891) verfaßte. –