Anwartschaft
oder Expektanz (expectativa), das Recht, eine Nutzung oder Stelle für den Fall ihrer Erledigung zu empfangen. Es findet sich vorzüglich im Lehnsrecht entwickelt (expectativa feudalis). Wenn nämlich Könige und Fürsten ein offenes Lehn nicht zu vergeben hatten, erteilten sie begünstigen Bewerbern wenigstens die Zusage, daß sie, sobald ein Lehn durch den unbeerbten Tod des Inhabers, durch Lehnsuntreue oder aus irgend einem andern Grunde erledigt würde, Berücksichtigung finden sollten.
Man unterschied dabei allgemeine und specielle Expektanz, je nachdem das nächste beste eröffnete
Lehn
oder ein ganz bestimmtes
Lehn versprochen wurde. Derartige Verheißungen begründeten aber nur einen persönlichen
Anspruch
auf künftige Beleihung, und es mußte deshalb der bloße Expektant (expectativarius) zurücktreten, wenn einem andern schon
durch Eventualbelehnung ein
dingliches
Recht an dem bestimmten Lehnsobjekt erteilt worden war.
Trat der
Eröffnungsfall ein, so konnte der
Anwärter die
Belehnung bei dem Herrn suchen, welcher im Falle des Verzugs ihm sein Interesse
leisten mußte. - Anwartschaft
auf eine Erbschaft hat die (durch Gesetz, Letzten Willen, Erbvertrag) berufene
Person, solange der
Anfall
noch nicht eingetreten ist; auf ein
Fideïkommiß der nächste zur Folge berufene
Agnat.
Analoge Verhältnisse finden sich wohl heute noch in solchen vordem geistlichen Anstalten, deren Vermögen seinem ursprünglichen
Zwecke entfremdet und zur Verabreichung von Unterhaltsmitteln und Pensionen an eine Pfründnerkörperschaft bestimmt ist,
also in säkularisierten
Stiften,
Klöstern, Domkapiteln. Im Kirchenrecht sind Anwartschaft
verboten, da nur vakante
Benefizien verliehen werden dürfen. Die Verleihung nicht erledigter
Benefizien ist nichtig und strafbar; nur der Papst kann
gratiae expectativae verleihen. Dies gilt auch für
Bistümer; doch kommt hier ausnahmsweise die Erteilung von in der Form
der Anstellung als coadjutor cum jure succedendi vor. Das evang. Kirchenrecht
kennt Anwartschaft
überhaupt nicht; Anwartschaft auf Staatsämter, welche früher wohl erteilt wurde, ist
heute allgemein verboten.