Antisthenes
aus Athen, [* 2] griech. Philosoph, geb. um 440 v. Chr., Schüler des Sokrates und Begründer einer Philosophenschule, die von ihrem Sitz im Gymnasium Kynosarges den Namen der cynischen erhielt. Er hatte früher den Unterricht des Gorgias genossen und bereits vor der Verbindung mit Sokrates als Lehrer der Redekunst gewirkt. Zu diesem Beruf kehrte er nach dessen Tode zurück, erhob aber jetzt die Philosophie zum Hauptlehrgegenstande. Er war ein fruchtbarer und geistreicher Schriftsteller, griff den Plato heftig an und wird von diesem in seinen Schriften vielfach, obwohl ohne Namennennung, bekämpft. Er wollte der echteste Nachfolger des Sokrates sein und trieb dessen Ideal der Selbstbezwingung und Bedürfnislosigkeit auf die Spitze. Er verwirft alle Wissenschaft, die nicht aufs Praktische zielt, als eitlen Luxus; Tugend allein reiche hin zur Glückseligkeit, dazu bedürfe es nichts weiter als der sokratischen Kraft [* 3] (nämlich der Selbstbezwingung).
Tugend allein ist des Menschen wahres Eigentum; Besitz, Angehörige, Freunde, Ehre, Heimat, Vaterland, alles das ist nicht unser und darf uns nichts bedeuten. Durch Tugend allein sind wir frei, ohne sie Sklaven. Besonders haßt er den Reichtum. Der Tod ist kein Übel, er besteht in dem Aufhören aller Empfindung. Die Lust soll er schroff verworfen haben, doch heißt es dann wieder, daß er die gezügelte, «reuelose» Lust empfohlen habe, eben weil sie die reinere und nachhaltigere sei. Er empfiehlt Abhärtung und Anstrengung, «Ascese», nicht durchaus im Sinne der «Ertötung des Fleisches», sondern weil der abgehärtete Körper mehr Schmerz erträgt, auch den mäßigen Genuß reiner und intensiver empfindet als der verweichlichte.
Daß diese
Lehre
[* 4] eigentlich nur ein feinerer Hedonismus (s. Hedonik) sei, hat
Plato wohl erkannt.
Daß
Tugend auf Besinnung beruhe,
nimmt von
Sokrates her auch Antisthenes
an, er behauptet ferner, daß sie, als ein
Wissen, auch lehrbar sei, und daß, wer sie einmal
besitze, sie nicht mehr verlieren könne. Seine Tugenderziehung beruht aber eigentlich nicht auf freier
Einsicht, sondern auf
Übung und Gewöhnung. Wer das cynische Tugendideal (besonders der
Armut und Bedürfnislosigkeit) verwirklicht,
heißt der
«Weise». Die Volksreligion und den
Kultus verwirft und behauptet in Anlehnung an
Xenophanes,
Heraklit und
Diogenes
von
Apollonia einen reinen teleologischen Monotheismus, nach welchem er die
Götter- und
Heldensagen der
Griechen frei deutet. Sein Einfluß war ein mächtiger (s. Cyniker). -
Vgl. Dümmler, Antisthenica (Halle [* 5] 1882);
ders., Akademika (Gießen [* 6] 1889).