Titel
Antiochia.
1) Die Residenz der
Seleuciden (s. d.) in
Syrien, die berühmteste der 16 von Konig Seleucus I.
Nikator
zu Ehren seines
Vaters gegründeten
Städte dieses
Namens, nach dem etwa 8 km entfernten
Daphne mit seinem berühmten
Tempel
[* 2] des
Apollon,
[* 3] auch Antiochia
Epidaphnes genannt, lag 22 km vom Mittelländischen
Meere am
Flusse Orontes in einer fruchtbaren Landschaft,
die im S. vom
Berge Casius (jetzt
Dschebel Akrah), im N. vom
Gebirge Picria (jetzt
Dschebel
Musa) begrenzt
war. Bei ihrer Gründung (300
v. Chr.) wurde die Stadt mit den Einwohnern des benachbarten Antigonia bevölkert.
Infolge von drei bedeutenden Erweiterungen bestand es seit Antiochus (s. d.) Epiphanes, eigentlich aus vier Städten (Tetrapolis), jede mit einer eigenen Mauer umgeben, zugleich aber in die gemeinsamen Befestigungen der Gesamtstadt eingeschlossen. Die Römer [* 4] gewährten ihr die Autonomie, die sie bis ins 2. Jahrh. n. Chr. behielt. Eine noch größere Bedeutung erlangte die Stadt als Sitz der röm. Statthalter von Syrien, als Mittelpunkt des westasiat. Handels und als ein Sitz spätgriech.
Kunst und Wissenschaft; sie war bis zur Verlegung der kaiserl. Residenz
nach
Konstantinopel
[* 5] nächst
Rom und
[* 6]
Alexandria die dritte Metropole des
Römischen
Reichs.
Schon die
Seleuciden hatten sie mit prächtigen
Bauten geschmückt und immer von neuem erhob sich die Stadt prachtvoll aus den Zerstörungen, welche 148
v. Chr., 37, zwischen 41 und
54, 115, 341 n. Chr. furchtbare
Erdbeben
[* 7] und 260 n. Chr. die
Perser unter König Schapur in ihr anrichteten.
Zu Antiochia
bildete sich
die erste heidenchristl. Gemeinde, schon sehr früh übte sie großen Einfluß auf die Gemeinden des
Orients
aus, und bald führten ihre
Bischöfe eine förmliche Oberaufsicht über diese.
Schon das
Konzil von
Nicäa 325 erkannte
ihnen neben den
Bischöfen von
Rom und
Alexandria eine erhöhte kirchliche Gewalt zu, und seit Anfang des 5. Jahrh. galt der
Bischof von Antiochia
unter den fünf
Patriarchen (s. d.) der
Kirche als der vierte dem Range nach.
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Außerdem blühte zu Antiochia
eine ausgezeichnete theol. Schule (s. Antiochenische Schule). In den J. 458, 525, 526, 587 und 588 verheerten
Erdbeben aufs neue die Stadt, und 540 zerstörte sie der Perserkonig Chosroës gänzlich. Obgleich sie Kaiser Justinian unter
dem Namen Theupolis wiederherstellte, konnte sie sich doch nie wieder vollständig erholen. Seit der Eroberung
durch den Chalifen Omar 638 sank ihre weltliche und kirchliche Größe unaufhaltsam. Nachdem die Stadt im 10. Jahrh. durch
Nikephoros Phokas (963-969) wieder dem Byzantinischen Reiche einverleibt worden, fiel sie 1084 abermals den Sarazenen in die
Hände.
Nach längerer Belagerung ward Antiochia
von den Kreuzfahrern genommen. Der Normanne Bohemund (s. d.)
gründete nun das Fürstentum Antiochien, das 1268 von den Mamluken erobert ward und durch Sultan Selim I. 1516 an die Türken
kam. (Vgl. K. O. Müller, Antiquitates Antiochenae, Gött. 1839.) - An der Stelle des alten Antiochia
liegt das heutige Antiochia, auch Antakieh
genannt, Landstadt im türk. Wilajet Haleb, mit engen und schmutzigen Straßen und einstöckigen Häusern, die teilweise mit
Giebeln und Ziegeldächern versehen sind.
Die kolossalen Ruinen der Stadtmauern gewähren einen großartigen Anblick. Die Zahl der Einwohner wurde, bevor ein Erdbeben den
dritten Teil der Stadt zerstörte, auf 6-18000 angegeben, darunter nur wenige Christen. Antiochia
ist Sitz eines
deutschen Konsularagenten (Konsulat Beirut). Die heutige Stadt nimmt nur einen kleinen Teil der Justinianischen ein. Der übrige
Raum ist großenteils mit Maulbeer-, Feigen- und Olivenbäumen bewachsen. Die Umgebung ist sehr fruchtbar. Die Einwohner treiben
Getreide-, Ölbau und Seidenzucht, sowie Handel mit Seide
[* 9] und dem Ertrage der Aalfischerei. -
Vgl. Treppner,
Das Patriarchat von Antiochia
(Würzb. 1891).
2) in Pisidien, auf der Grenze von Phrygien und Pisidien, daher bald zu ersterm, bald zu letzterm gerechnet. Antiochia
wurde von Seleucus
gegründet und mit Einwohnern aus Magnesia am Mäander
[* 10] bevölkert. Beim Zerfall des Seleucidenreichs wurde
von den Römern für frei erklärt und erhielt durch Augustus eine Kolonie von Veteranen mit dem Namen Cäsarea. Reste der alten
Stadt finden sich an der Westseite des Sultan-Dagh beim heutigen Jalowadsch, 22 km von Akschehr.