Antillen,
die große Inselgruppe zwischen Nord- und Südamerika, die sich in starker Zerbröckelung und in sehr verschiedener Größe der einzelnen Stücke in weitem Bogen von Yucatan und Florida nach der Nordostküste Südamerikas erstreckt. Die Antillen dehnen sich über 18 Breitengrade (28° bis 10°nördl. Br.) und über 26 Längengrade (85° bis 59° westl. L. von Greenwich) aus. In ihrem bogenförmigen Verlaufe schließen sie den Mexikanischen Meerbusen und das Karibische Meer von dem Atlantischen Ocean ab. Ihr Flächeninhalt beträgt 244 478 qkm, mehr als England und Schottland zusammen. Die Bevölkerung beträgt 5,4 Mill. E., d. i. 22 auf 1 qkm, ist also etwa der von Schweden oder der preuß. Provinz Schlesien gleich. (Hierzu Karte: Antillen.)
Man unterscheidet fünf Gruppen (früher zwei, die Großen und Kleinen Antillen), nämlich die Inseln Cuba, Haïti, Portoriko, Jamaika, die Caymansinseln mit 216 674 qkm und 4,3 Mill. E.;
die Bahama-Inseln, Caïcos- und Turksinseln (s. d.) mit 14 535 qkm und 54000 E.;
die Virginischen oder Jungferninfeln mit 693,7 qkm und 39000 E.;
die Kleinen Antillen mit 11 294 qkm und rund 1 Mill. E., also die gesamte Gruppe von Anguilla bis Trinidad, endlich die fünfte, die Inseln unter dem Winde an der Nordküste von Venezuela mit 1281 qkm und 38000 E. Im Gegensatz zu diesen Inseln unter dem Winde stehen die Inseln über dem Winde oder im Winde, von Portoriko bis Trinidad.
Die Engländer nennen jedoch die Inseln von Dominica bis Portoriko Leeward-Islands, die Franzosen Iles-sous-le Vent; dagegen heißen Windward-Islands und Isles-du-Vent bei Engländern und Franzosen die Inseln von Dominica bis Trinidad. Alle Antilleninseln zusammen heißen auch Westindische Inseln, der Name Karibische Inseln für die Kleinen Antillen wird kaum noch gebraucht. Der Name Antillen stammt von der mythischen Insel Antiglia, die im 15. Jahrh. als zwischen Westeuropa und Ostasien liegend gedacht wurde. Zuerst werden die westind. Inseln Antillen genannt bei Petrus Martyr d'Anghiera 1493.
Nach der Zusammensetzung erscheinen sämtliche Antillen als gebrochene Stücke eines früher zusammenhängenden großen Gebirges, welches Sueß als «Cordillere der Antillen» bezeichnet hat. Das mittlere Gebiet derselben ist Haïti. Von hier aus erstrecken sich mehrere Arme (Äste) nach Westen, in rutenförmiger Ausbreitung teils über Jamaika, teils über die Sierra Maestra auf Cuba und die Grand-Caymansinseln, endlich über die Westspitze von Cuba nach Mittelamerika hinüberdeutend.
Dieselben alten Gesteine, Granite, alte Eruptivgesteine und daran gelagerte jüngere Sedimentgebilde der Kreidezeit setzen die großen Antillen zusammen. Gegen O. wird dieser Kernzug allmählich schmäler und verschwindet in den kleinen Antillen fast ganz; dagegen tritt er auf Curacao, Aruba und Buen-Ayre wieder hervor. An der innern Seite des Bogens der Cordillere der Antillen liegt die lange Reihe der Vulkane der Kleinen von St. Christopher bis Grenada; an der Außenseite dagegen tertiäre und noch jüngere Meeresbildungen und Koralleninseln; diese äußere Zone läßt sich von den Bahamas über Sombrero, Anguilla, Barbuda nach Barbados verfolgen.
Dieses große Antillengebirge ist schon in früher Zeit zerbrochen und namentlich von Südamerika und Mittelamerika abgetrennt worden. Mit Nordamerika hat dasselbe niemals zusammengehangen; die Annäherung Floridas an Cuba ist jüngsten Datums. Doch auch mit Südamerika muß der Zusammenhang früher zerrissen sein, als die großen Säugetiere in der Geschichte der Erde auftraten. Außer den Fledermäusen finden wir auf den Antillen (Haïti) nur eigentümliche Nager.
Zahlreiche Vögel sind den Antillen eigentümlich und beweisen dadurch die lange Trennung dieser Inseln. Dasselbe gilt von der Flora, die ebenfalls besondere Formen zeigt. Die Antillen sind mit starken Wäldern bedeckt, obwohl besonders auf Cuba sehr viel Holz vernichtet worden ist. Zur Zeit ist namentlich auf den Kleinen Antillen die Waldvegetation noch üppig. Dieselbe entspringt dem warmen und feuchten Klima, das auf den Antillen das ganze Jahr hindurch herrscht. Die Temperatur wird durch den Seewind, wenigstens an den Nordostküsten, gemildert, der Himmel ist meist rein und klar. Die Regenzeit dauert von April bis Oktober, mit Unterbrechung im Juni; August bis Oktober üben die verheerenden Cyklone (Wirbelstürme) ihre zerstörende Wirkung. Sie bewegen sich von der Gegend von Barbados aus nach der Reihe der Kleinen Antillen
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entlang, springen dann gewöhnlich nach den Bahama-Inseln über und verfolgen hierauf den Golfstrom. St. Thomas wurde in 150 Jahren siebenmal verheert. Die trockensten Monate sind Februar und März, doch sind die Jahreszeiten im Norden und Süden der Inseln sehr voneinander verschieden. An den Nordküsten bringt auch der Passatwind am Anfang seiner Wirksamkeit (von November bis Juni) Regen. Auch die sog. «Nortes» oder «Northers», starke, mehrere Tage anhaltende Winde, bringen Regen in der Trockenzeit. Über die wirtschaftlichen und polit. Verhältnisse sowie Litteratur s. den Artikel Westindien.