Anthracēn
(v. griech. anthrax,
Kohle) C14H10 findet sich im
Steinkohlenteer und wird aus den
am schwersten flüchtigen Destillationsprodukten desselben gewonnen. Man erhält bei der Verarbeitung
des
Teers, nachdem das
Leichtöl, das Karbolöl und das Schweröl übergegangen sind und die
Temperatur auf 270° gestiegen
ist, bei weiterm Erhitzen das rohe Anthracenöl
, welches beim Erkalten zu einer grünlichgelben
Masse erstarrt und neben Anthracen
mehrere
andre schwer flüchtige
Kohlenwasserstoffe (Phenanthren,
Naphthalin, Chrysen etc.) enthält.
Diese
Kohlenwasserstoffe scheiden sich nach einigen
Tagen ziemlich vollständig aus, werden auf
Filterpressen oder Zentrifugalmaschinen
von dem flüssig gebliebenen
Öl getrennt, dann auf warmen hydraulischen
Pressen gepreßt, gepulvert und in der
Wärme
[* 2] mit leichtestem
Teeröl oder
Petroleumäther gemischt. Diese Lösungsmittel nehmen nicht nur den Rest des
Öls
[* 3] auf, sondern lösen
auch einen Teil der festen
Kohlenwasserstoffe, namentlich das Phenanthren, und hinterlassen ein ziemlich reines (70proz.)
Anthracen
, welches aber, um es der weitern Bearbeitung zugänglicher zu machen, noch in einen Zustand äußerst feiner
Verteilung übergeführt wird.
Man erhitzt es in einer flachen
Pfanne
C (s. Figur) zum
Schmelzen, bringt durch die
Flamme
[* 4] des
Herdes
A den
im
Rohr B zugeleiteten Wasserdampf auf 220-240° und läßt ihn aus zahlreichen Löchern dieses
Rohrs in das geschmolzene Anthracen
einströmen.
Die sich entwickelnden Anthracen
dämpfe werden durch den
Dampf
[* 5] in das
Rohr
F und weiter in die
Kammer D getrieben, in welcher
ein aus der Brause H strömender feiner
Regen das in Form eitler weißen, zarten, feinblätterigen
Masse
niederschlägt. Durch E wird die
Pfanne C gefüllt. Das Anthracen
bildet farblose, geruch-
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und geschmacklose Tafeln, ist unlöslich in Wasser, schwer löslich in Alkohol, leichter in Äther, Benzol und Schwefelkohlenstoff,
schmilzt bei 214° und destilliert unzersetzt. Es wird von Salpetersäure oder Chromsäure in Anthrachinon C14H8O2
verwandelt und gibt mit Brom in gelben Nadeln
[* 7] kristallisierendes Bibromanthracen
C14H8Br2 mit
welchem Salpetersäure leicht Anthrachinon bildet. Schwefelsäure
[* 8] löst Bibromanthracen
zu Bisulfobibromanthracensäure
C14H8Br22SO3 ^[C14H8Br22SO3], welche durch Oxydation in Anthrachinondisulfosäure übergeht.
Letztere bildet sich auch direkt beim Erwärmen von Bibromanthracen
mit rauchender Schwefelsäure. Das Anthrachinon bildet
gelbliche Nadeln, ist unlöslich in Wasser, schwer löslich in Alkohol und Benzol, reagiert neutral, schmilzt bei 273°, gibt
mit Ätzkali geschmolzen Benzoesäure und mit Brom Bibromanthrachinon C14H8Br2O2 . Sowohl
diese Verbindung als auch die Anthrachinondisulfosäure C14H6O2(SO3H)2 ^[C14H6O2(SO3H)2] liefern
beim Erhitzen mit Kalihydrat Bromkalium und Alizarin C14H6(OH)2 ^[C14H6O2(OH)2], den Farbstoff des Krapps.
Wegen dieser Reaktionen wird Anthracen
im großen fabriziert und zur Darstellung von Alizarin benutzt; auch andre Farbstoffe sind bereits
daraus gewonnen worden (s. Alizarin). Anthracen
wurde 1831 von Dumas und Laurent im Steinkohlenteer entdeckt, gewann
aber erst praktische Bedeutung, als Gräbe und Liebermann nachwiesen, daß es die Muttersubstanz des Alizarins sei. Man kann
annehmen, daß gegenwärtig in Deutschland
[* 9] ca. 1400 Ton. Reinanthracen
von den Alizarinfabrikanten verarbeitet werden. Hiervon
liefern die deutschen Teerdestillationen etwa 200 T.; der Rest kommt wesentlich aus England.
Vgl. Auerbach,
[* 10] Das Anthracen
und seine Derivate (Berl. 1872);
Lunge, [* 11] Die Industrie der Steinkohlenteerdestillation und Ammoniakwasserverarbeitung (Braunschw. 1882);
Schultz, Chemie des Steinkohlenteers (das. 1882).
[* 6]
^[Abb.: Apparat zur Darstellung von Anthracen.]