Anthologie
(grch.),
d. i.
Blumenlese,
Blütenlese, lat. Florilegium,
Titel von Sammlungen auserwählter Gedichte,
Stellen,
Sprüche u. a.
Schon im
Altertum hatte man Sammlungen kleinerer, meist epigrammatischer Gedichte von verschiedenen Verfassern,
besonders ist die
Griechische Anthologie
bekannt. Der erste, der eine derartige Sammlung machte, war Meleager (s. d.),
ungefähr um 60
v. Chr., spätere
Sammler waren Philippus von
Thessalonich, wahrscheinlich zur Zeit
Trajans,
Diogenianos von Heraklea,
Straton aus
Sardes, beide unter Hadrian, und (im 6. Jahrh. n. Chr.)
Agathias (s. d.). Aber diese ältern Sammlungen sind verloren gegangen.
Noch erhalten sind zwei spätere, die eine von
Konstantin Kephalas aus dem 10. Jahrh., dessen
Quellen die Sammlungen
von Meleager, Philippus und
Agathias sind; die andere von Maximus Planudes (s. d.) im 14. Jahrh.,
auf Grundlage jener, mit Hinzufügung einiger
Epigramme. Sein Werk (erste
Ausgabe von J. Laskaris, Flor. 1494; beste
Ausgabe
von
Bosch und Lennep,
[* 3] mit der lat.
Übersetzung des
Hugo Grotius,
Utrecht
[* 4] 1795-1822) war lange die einzige
bekannte Sammlung. 1606 fand aber Salmasius auf der
Heidelberger
Bibliothek (Bibliotheka
Palatina, danach die Bezeichnung «Anthologia
Palatina») die einzige vorhandene Handschrift der Anthologie
des Kephalas. Diese Handschrift wurde im Dreißigjährigen
Kriege nach
Rom,
[* 5] von da in den Revolutionskriegen nach
Paris
[* 6] entführt und 1816 teilweise nach
Heidelberg
[* 7] zurückgebracht. Den
gesamten Vorrat gab
Brunck in den «Analecta veterum poetarum Graecorum (3 Bde.,
Straßb. 1776; neue Ausg. 1785) heraus, später Jacobs in der »Anthologia
Graeca sive poetarum Graecorum lusus
ex recensione Brunckii", mit Kommentar (13 Bde., Lpz.
1794-1814). Von demselben wurde nach einer 1776 zu
Rom gemachten
Abschrift der «pfälzischen» Handschrift eine zweite
Ausgabe, zunächst der Anthologie
des Konstantinos Kephalas, der er die nur von Planudes oder anderwärts überlieferten
Epigramme anschloß, die «Anthologia
Graeca ad fidem codicis olim Palatini nunc Parsini
ex apographo Gothano edita» (3 Bde.,
Lpz. 1813-17) besorgt.
Zwei Nachträge hierzu gab aus verschiedenen Quellen Welcher in der «Sylloge epigrammatum Graecorum» (Bonn [* 8] 1828-29),
vgl. auch Kaibel, «Epigrammata graeca ex lapidibus collecta» (Berl. 1878). Neue Ausgaben erschienen von Dübner (mit lat. Übersetzung und Kommentar, Bd. 1 u. 2, Paris 1864-71; Bd. 3 von Cougny, 1890) und Stadtmüller (Bd. 1, Lpz. 1894). Übersetzungen ausgewählter Gedichte haben außer Stolberg, [* 9] Voß und Conz besonders Herder in den «Zerstreuten Blättern» (Tl. 1 u. 2) und Jacobs in «Leben und Kunst der Alten» («Vermischte Schriften», 2 Bde., Gotha [* 10] 1824),
neuerdings
Regis,
«Epigramme der griech. Anthologie»
(Stuttg.
1856),
gegeben. Eine vollständige Übersetzung ward von Weber und Thudichum («Griech. Dichter. Herausgegeben von Tafel, Osiander und Schwab», Stuttg. 1838-70) unternommen. (S. auch Gnomologium, Stobäus.)
Eine
Römische
[* 11] Anthologie
ist aus dem
Altertum nicht auf uns gekommen. Erst neuere Gelehrte haben aus dem Schatze von kleinern
Poesien,
die sich namentlich aus einer größern, im 6. Jahrh. n. Chr.
gemachten Sammlung, oder sonst in Handschriften und auf
Inschriften erhalten haben, solche Sammlungen veranstaltet, zuerst
Scaliger mit den «Catalecta Virgilii et aliorum poetarum latinorum» (auch
u. d. T.: «Virgilii appendix»,
Leid. 1573),
zu welchen die sog. «Priapea» (s. Priapos) und durch Pithöus die «Epigrammata et poemata vetera ex codicibus et lapidibus collecta» (Par. 1590) hinzukamen. Mit Benutzung alles Vorhandenen stellte Peter Burmann der Jüngere seine «Anthologia veterum Latinorum epigrammatum et poematum» (2 Bde., Amsterd. 1759-73) zusammen, die 1544 einzelne Gedichte enthielt und besser geordnet und vermehrt von Heinr. Meyer (2 Bde., Lpz. 1835) herausgegeben wurde. Eine neue kritische Ausgabe veranstalteten Bücheler und Riese (Bd. 1, Lpz. 1869-70; Bd. 2, ebd. 1895 fg.).
Die zahlreichen Mustersammlungen von Gedichten und Bruchstücken aus den Werken nationaler Dichter und
Schriftsteller heißen auch Anthologie.
Den Anthologie verwandt sind die
Analekten und
Chrestomathien (s. d.).