Titel
Anilin
(Phenylamin, Amidobenzol, Kyanol, Benzidam; lat. Anilinum;
franz.
Aniline
); eine stickstoffhaltige organische Basis, die schon in geringer Menge im Steinkohlenteer enthalten ist, gewöhnlich
aber aus dem Benzol des Steinkohlenteers fabrikmäßig dargestellt wird, da dieses in größerer Menge im
Teer enthalten ist
als das A. Im Handel hat man reines A. und Rohanilin
zu unterscheiden, welches letztere gewöhnlich Anilinöl
genannt wird. Dieses ist ein Gemenge verschiedener, aber ähnlicher Basen, von denen Anilin
, Paratoluidin und Orthotoluidin
die Hauptmenge bilden. Man stellt das Rohanilin
aus dem Rohbenzol dar, welches aus Benzol und
Toluol, nebst sehr kleinen Mengen
Xylol u. s. w. besteht. Diese Kohlenwasserstoffe werden zunächst nitriert,
d. h. durch Behandlung mit einer Mischung von
Salpetersäure und
Schwefelsäure in Nitrobenzol und Nitrotoluol verwandelt.
Das Gemenge dieser beiden Stoffe wird hierauf durch Behandlung mit
¶
mehr
Eisen und verdünnter Salzsäure in Anilin
und Toluidin übergeführt, von welchem letzteren man zwei Modifikationen hat. Das
Rohanilin
ist eine rötlichbraune Flüssigkeit von unangenehmem Geruch und öliger Beschaffenheit; es mischt sich nicht mit
Wasser, nimmt aber etwas von diesem auf; ebenso löst das Wasser eine kleine Menge von A. In verdünnter
Salzsäure muß sich das Rohanilin
klar lösen; enthält es mehr als ½% Verunreinigungen, mit Ausnahme des Wassergehaltes,
der bis zu 1½% betragen kann, so löst es sich nicht mehr klar auf.
Das gegenseitige Mengenverhältnis des A. und der beiden Toluidine im Anilinöl
ist ein schwankendes und hat man hiernach
verschiedene Sorten davon im Handel. Für die Herstellung des gewöhnlichen Anilinrots ist jener Toluidingehalt sogar notwendig;
nur für gewisse Farben braucht man reines A., für andre wieder reines Toluidin. Das reine Anilin des Handels ist zwar auch
noch nicht ganz chemisch rein, es enthält aber doch nur eine sehr geringe Menge, nicht über 1% betragende
Quantität von Toluidin.
Reines A. ist, frisch bereitet, eine farblose, wasserhelle Flüssigkeit, die sich jedoch beim Stehen an der Luft nach und nach rötlichbraun färbt; es besitzt einen nicht unangenehmen, weinigen Geruch, ein spez. Gewicht von 1,020 bei 16° C., und siedet bei 182° C. Es wirkt giftig. Mit den Säuren bildet das A. farblose, kristallisierbare, im Wasser lösliche Salze, die Anilinsalze, von denen hauptsächlich das schwefelsaure Anilin und das salzsaure Anilin im Handel vorkommen.
Reines A. wird zur Fabrikation von Methylanilin, Diphenylamin und Fuchsinblau gebraucht, ferner zur Erzeugung von Anilinschwarz auf Wolle. Nach Häußermann wurden von reinem A. allein in Deutschland im Jahre 1877 circa 500000 kg fabriziert. Vom rohen Anilinöl unterscheidet man im Handel hauptsächlich:
1) Anilinöl für Rot, von 1,004 bis 1,006 spez. Gewicht, besteht aus einer Mischung von 10 bis 20% Anilin, 25 bis 40% Paratoluidin und 30 bis 40% Orthotoluidin.
2) Anilinöl für Safranin, enthält bis 35% Anilin.
- Im Jahre 1880 wurde Anilin (inkl. Toluidin) im deutschen Zollgebiete eingeführt für 712000 Mk; der Wert der Ausfuhr belief sich jedoch 1880 auf 1893000 Mk. Die Einfuhr ist zollfrei. Anilinölfabriken bestehen in Deutschland 3 und in Frankreich 3, sämtlich von großartiger Ausdehnung und Leistungsfähigkeit.