Titel
Anhalt
[* 3] (s. Karte »Provinz Sachsen«), [* 4]
ein zum
Deutschen
Reiche gehöriges Herzogtum, wurde 1863 durch Vereinigung der beiden
Herzogtümer
Anhalt-Dessau-Köthen und
Anhalt-Bernburg gebildet (s. unten, Geschichte) und umfaßt sämtliche seit 1603 getrennt gewesene
anhalt
ische
Lande. Diese liegen im norddeutschen Tiefland (nur der südwestliche Teil,
Kreis
[* 5]
Ballenstedt, liegt an und auf dem
Unterharz) und zerfallen in zwei Hauptteile, einen östlichen und einen westlichen, welche durch die preußische
Provinz
Sachsen
voneinander getrennt werden; dazu kommen noch fünf kleine, von preußischen
Landen umschlossene
Enklaven:
Alsleben, Mühlingen,
Dornburg, Gödnitz und eine kleinere ohne Ortschaft bei Göbel.
Der östliche, größere Hauptteil des Landes ist ganz von den preußischen Regierungsbezirken Potsdam, [* 6] Magdeburg [* 7] und Merseburg [* 8] umschlossen; die beiden letztern umgeben auch den westlichen, kleinern Teil (das sogen. Oberherzogtum oder Ballenstedt), und nur etwa 7,5 km lang bildet das Herzogtum Braunschweig [* 9] (Kreis Blankenburg) die Grenze. Der größte Teil des Landes ist Flachland, nur der südwestlichste ist gebirgig durch die Vorberge und den Anfang des Unterharzes, dessen höchste Kuppe hier, der Ramberg (Viktorshöhe), zwischen Gernrode und Alexisbad, 615 m Höhe erreicht.
Vom Unterharz senkt sich das Land nach der Saale hin; jenseit dieses Flusses bildet es bis zur Elbe eine zum Teil wellenförmige Ebene. Von dem rechten Elbufer an beginnt ein größtenteils sandiges, stark bewaldetes Flachland, das nur hier und da durch moorige und fette Niederungen und den niedrigen, sandigen Höhenzug des Flämings längs der preußischen Grenze unterbrochen wird. Der bei weitem größte Teil des Ganzen, von Ballenstedt bis an die Mulde und Elbe, hat vortrefflichen schweren Ackerboden, den besten zwischen Saale und Mulde; weniger fruchtbar, jedoch gras- und holzreich ist der Landstrich nördlich von der Elbe; auf dem Harz lohnt der Boden nur an einigen Stellen den Ackerbau.
Die Elbe, als Hauptfluß, durchströmt den östlichen Hauptteil des Landes von O. nach W. und nimmt hier unterhalb Roßlau die von S. kommende Mulde auf. Die Saale, bereits schiffbar, geht in nördlicher Richtung durch den westlichen Strich des östlichen Hauptteils und nimmt rechts die Fuhne (Landgraben), links die Wipper mit der Eine und die Bode mit der Selke auf. Selke und Eine bewässern den westlichen Hauptteil. Der Flächeninhalt des Herzogtums, das in fünf Kreise [* 10] abgeteilt ist, beträgt 2347 qkm (41,7 QM.), die Bevölkerung [* 11] nach der Zählung vom 232,592 Einw., welche überwiegend zum obersächsischen Stamm der deutschen Nation gehören. Nach der Verteilung derselben auf die fünf Kreise und der Vergleichung mit der Zählung von 1875 ergeben sich folgende Ziffern:
1875 | 1880 | Wachstum | |
---|---|---|---|
Dessau | 48284 | 53002 | 9.77 Proz. |
Köthen | 42753 | 45783 | 7.09 " |
Zerbst | 38691 | 41964 | 8.46 " |
Bernburg | 57540 | 64103 | 11.41 " |
Ballenstedt | 26297 | 27740 | 5.49 " |
Zusammen: | 213565 | 232592 | 8.91 Proz. |
Das jährliche Wachstum betrug im Durchschnitt 1,7 Proz. und war, von den Hansestädten abgesehen, nur in Reuß [* 12] j. L. stärker. Die Volksdichtigkeit beträgt 99 Seelen auf 1 qkm. Dem Geschlecht nach kamen 1880: 1021 weibliche Personen auf 1000 männliche. Die natürliche Bevölkerungsvermehrung betrug 1882 bei 8897 Geburten und 5212 Todesfällen 3685 Seelen. Die Zahl der Auswanderer belief sich 1883 auf 270 Personen. Die Bevölkerung verteilt sich fast zu gleichen Teilen auf das Land (277 Flecken, Dörfer etc.) und auf die Städte (22), von denen 4 (Dessau, [* 13] Bernburg, [* 14] Köthen [* 15] und Zerbst) [* 16] eine Bevölkerung von mehr als 10,000 Seelen haben. Es gab 1880: 29,800 bewohnte Gebäude mit 52,701 Haushaltungen.
Die Bevölkerung bekennt sich mit Ausnahme von 4541 Katholiken, 1752 Juden und 58 Andersgläubigen zum protestantischen und zwar (durch Gesetz vom ist die Union auch im köthenschen Landesteil vollzogen) zum evangelischen (unierten) Glauben. Oberste protestantische Kirchenbehörde ist das Konsistorium in Dessau, das unter dem Staatsministerium steht, und dem anderseits die fünf Superintendenten in den fünf Kreishauptstädten unterstellt sind. In Gemeinschaft mit dem Kirchenregiment hat die Landessynode (laut Gesetz vom und die Zustände und Bedürfnisse der Landeskirche in Obacht zu nehmen, die Verwaltung der kirchlichen Fonds zu kontrollieren und namentlich an der kirchlichen Gesetzgebung teilzunehmen. Die Synode wird zusammengesetzt aus 20 in den fünf Kreisen gewählten Mitgliedern, nämlich 10 geistlichen und 10 weltlichen. Die Wahl der Synodalmitglieder erfolgt für eine Synodalperiode von sechs Jahren. ¶
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Die Landessynode tritt auf Berufung des Landesherrn alle drei Jahre zu ordentlichen Versammlungen zusammen; zu außerordentlichen
Versammlungen kann sie nach Bedürfnis jederzeit berufen werden. Die Katholiken stehen seit 1868 unter dem Bischof zu Paderborn
[* 18] als »apostolischem Administrator«. Das Unterrichts- und Erziehungswesen in Anhalt
steht seit geraumer Zeit in sehr günstigem
Ruf. Man zählt 9 Mittelschulen, 6 höhere Töchterschulen, 15 Bürgerschulen, 207 Volksschulen, für welche die Lehrer in dem
Seminar zu Köthen gebildet werden. Für die höhere Bildung wirken 4 Gymnasien, 2 Realgymnasien, 2 Realprogymnasien, 1 Lehrerinnenseminar
in Dessau; daneben bestehen verschiedene Privaterziehungsinstitute und Rettungshäuser.
Das Klima [* 19] ist mild, nur in dem gebirgigsten Teil etwas rauh. Von der Gesamtfläche entfielen 1878 auf Äcker und Gärten 61,5 Proz., Wiesen und Weiden 8,6, Wald 24,4 Proz. Die Hauptprodukte sind: Getreide [* 20] (namentlich Weizen), Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Zuckerrüben, Kartoffeln, Tabak, [* 21] Flachs, Ölfrüchte, Hopfen [* 22] und andre Kultur- und Handelspflanzen sowie Holz, [* 23] vorzüglich auf dem Harz und dem rechten Elbufer, wo die reichen und große Einkünfte abwerfenden Waldungen allein 415 qkm (7,38 QM.) einnehmen, während die Gesamtgröße aller Waldungen des Landes (1883) 549,9 qkm (9,9 QM.) beträgt.
Die Landwirtschaft, die Hauptbeschäftigung der Einwohner, wird mit großer Sorgfalt betrieben, namentlich auf den zahlreichen herzoglichen und landesfiskalischen Domänen, deren Areal zu einem Drittel des Landes berechnet wird, und den großen Rittergütern. Die Viehzucht [* 24] ist sehr ansehnlich; schönes Rindvieh wird namentlich in den Niederungen an der Elbe und nördlich von derselben gezogen; auch Pferde [* 25] gibt es in ausreichender Menge. Am waren vorhanden: 15,816 Pferde, 54,935 Rinder, [* 26] 130,610 Schafe, [* 27] 57,517 Schweine, [* 28] 26,620 Ziegen und 6318 Bienenstöcke.
Außer Wild, dessen Gedeihen die großen Waldungen sehr begünstigen, liefert das Tierreich viele Fische, [* 29] namentlich Lachse, auch Welse, Störe und Neunaugen, endlich Honig in Menge. Produkte aus dem Mineralreich werden fast ausschließlich im Oberherzogtum gewonnen, wo sich Silber- und Kupfererze, Bleiglätte, Eisen, [* 30] Spießglanz, Vitriole aller Art, Flußspat, [* 31] Schwefel und Marmor vorfinden. Die Gesamtproduktion der Harzer Bergwerke betrug 1882: 1030 kg Silber (wichtigste Gruben der Pfaffenberg und der Meiseberg), 2620 Ztr. Kaufglätte, 7340 Ztr. Blei. [* 32]
Die Tilkeroder Gruben sind bekannt durch die daselbst gefundenen Selenerze, Palladium und selbst Gold. [* 33] Bedeutend ist der Reichtum des Landes an Braunkohlen, deren Abbau 1883 auf 16 Gruben durch 1100 Arbeiter stattfand und eine Produktion von 795,973 Ton. (à 1000 kg) im Wert von 2,401,370 Mk. erzielte. Der östliche Teil des Landes liefert außerdem Gips, [* 34] Mergel, Bau- und Mühlsteine, [* 35] namentlich aber Abraumsalze und Steinsalz. Das herzogliche Salzbergwerk Leopoldshall förderte 1882: 13,165 T. Steinsalz, 507,091 T. Kalisalze, 4658 T. Bittersalze, 32 T. Boracit. Berühmte Eisenquellen hat Alexisbad im Oberherzogtum.
Die gewerbliche Industrie ist namentlich in den Industriezweigen, welche mit der Landwirtschaft in engerer Verbindung stehen, bedeutend. Hierher gehören vor allen die Rübenzuckerfabrikation (welche im Kampagnejahr 1882/83 in 31 Fabriken 609,527 T. Rüben verarbeitete und einen Ertrag von 57,431 T. Rohzucker lieferte), Branntweinbrennerei und Bierbrauerei [* 36] (welche im Etatsjahr 1882/83 in 71 Brauereien 219,500 hl Bier lieferte), am schwunghaftesten in Dessau und Zerbst betrieben.
Der Tabaksbau, der in frühern Jahren große Flächen in Anspruch nahm, ist in jüngster Zeit erheblich zurückgegangen; 1883-84 wurden auf 102 Hektar 171 T. Tabaksblätter gewonnen. Die Hütten- und Hammerwerkindustrie blüht im Selkethal, wo die gewonnenen Erze verarbeitet werden (daselbst die Silber- oder Viktor-Friedrichshütte mit Vitriolsiederei und der Eisenhüttenort Mägdesprung). Chemische [* 37] Industrie auf Verarbeitung der bei Leopoldshall gewonnenen Abraumsalze (Carnallit und Kainit) liefert verschiedene Kalisalze.
Andre Industrieerzeugnisse sind Gold- und Silberwaren, Fayence, [* 38] Chemikalien; auch Wollspinnereien und Wollwebereien, Maschinen- und Papierfabriken mit nicht unbedeutender Produktion sind vorhanden. Der Handel ist beträchtlich, namentlich mit den Rohprodukten des Landes (Getreide, Vieh, Holz, Wolle etc.), aber nicht minder auch mit Zucker [* 39] und Spiritus; [* 40] ferner mit Mehl [* 41] und Kleie, Strohpapier, Garn, Tuch und Eisenwaren. Eingeführt werden vorzugsweise Roheisen, Farbhölzer, Guano, Schiefer, Kohlen, Materialwaren, Palmöl, Thran etc. Der Handel wird durch die schiffbaren Flüsse [* 42] Elbe (an der seit 1859 der Hafen Wallwitzhafen bei Dessau besteht) und Saale, durch die guten Landstraßen und die Eisenbahnen, welche das Land durchkreuzen (Gesamtlänge 188 km), wesentlich unterstützt und konzentriert sich in Dessau, Bernburg, Koswig, Zerbst und Köthen. Zur Förderung des Handels dient ferner die Landesbank (in Dessau); zur Leitung des Zoll- und Steuerwesens besteht für das ganze Land eine Zolldirektion (Sitz in Magdeburg).
Das Herzogtum ist nach der Landschafts- und Geschäftsordnung für das gesamte Anhalt
vom eine konstitutionelle,
im Mannesstamm nach dem Rechte der Erstgeburt erbliche Monarchie. Der Herzog (gegenwärtig Friedrich, der seinem Vater, dem Herzog
Leopold Friedrich, succedierte) führt den Titel Hoheit, vereinigt in sich die Exekutivgewalt; die legislative teilt
er mit den Ständen. Das herzogliche Haus besitzt außerhalb des Landes zahlreiche und ansehnliche Güter
in den preußischen Provinzen Sachsen, Brandenburg
[* 43] und Preußen
[* 44] (495 qkm); außerdem die Herrschaft Hertnek in Ungarn.
[* 45]
Alle Staatsangehörigen sind vor dem Gesetz gleich und genießen gleiche Rechte und Pflichten. Der Landtag wird aus 36 Vertretern
gebildet, von denen 2 der Herzog für die Dauer der Landschaftsperiode ernennt, 8 von den meistbesteuerten
Grundbesitzern, 2 von den meistbesteuerten Handel- und Gewerbtreibenden, 14 von den übrigen Wahlberechtigten der Städte und 10 von
den übrigen Wahlberechtigten des platten Landes gewählt werden. Wähler zum Landtag ist jeder Anhaltiner
, welcher das 25. Lebensjahr
überschritten hat, sich im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, nicht unter Vormundschaft
oder Kuratel steht, nicht im Konkurs befangen ist und nicht Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln bezieht
oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen hat.
Stimmberechtigt zu den Wahlen der meistbesteuerten Grundbesitzer sind diejenigen Grundbesitzer, welche aus dem Grundeinkommen von innerhalb des Herzogtums belegenen Grundstücken 21 Mk. oder mehr zur Einheit der Ergänzungssteuer zahlen. Stimmberechtigt zu den Wahlen der meistbesteuerten Handels- und Gewerbtreibenden sind diejenigen Gewerbesteuerpflichtigen, welche 15 Mk. oder mehr zur Einheit der Ergänzungssteuer entrichten. Stimmberechtigt zu den Wahlen der Städte und des platten Landes sind alle, welche ¶
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die vorgedachten Erfordernisse besitzen, nicht zur Klasse der meistbesteuerten Grundbesitzer oder Handel- und Gewerbtreibenden gehören und zur Zeit der Aufstellung der Wahllisten ihren Wohnsitz innerhalb des Wahlbezirks haben. Wählbar, bez. landtagsfähig ist jeder, welcher die oben gedachten allgemeinen Erfordernisse besitzt und derjenigen Wählerklasse angehört, von welcher die Wahl erfolgt. Alle Wahlen erfolgen in geheimer Abstimmung durch Stimmzettel und nach absoluter Majorität der abgegebenen Stimmen. Zum Zweck der Wahlen der Abgeordneten für die Städte und das platte Land wählen die Wahlberechtigten aus ihrer Mitte Wahlmänner dergestalt, daß auf eine Zahl von 150 bis 200 Seelen ein Wahlmann entfällt. Die Abgeordneten werden von den Wahlmännern gewählt. Die Wahl erfolgt auf eine sechsjährige Landtagsperiode. Die Gemeinden sowie die Religionsgesellschaften verwalten ihre Angelegenheiten selbständig.
Oberste Behörde des Herzogtums ist das Staatsministerium, dessen sämtliche früher getrennte Departements seit 1870 unter Einem Staatsminister vereinigt sind, und welchem die Finanzdirektion, die Regierung, Abteilung des Innern, das Konsistorium (für evangelische Kirchensachen) und das Statistische Büreau, sämtlich zu Dessau, unterstellt sind. Als Immediatbehörde besteht neben dem Staatsministerium die Staatsschuldenverwaltung, deren Mitglieder zur Hälfte der Herzog, zur Hälfte der Landtag ernennt.
Eine früher in Köthen bestehende Generalkommission ist aufgelöst, die von derselben ressortierenden Separations- und Ablösungssachen sind durch Staatsvertrag vom an die Generalkommission in Merseburg übergegangen. Von der Regierung hängen ab die Kreisdirektionen in den fünf Kreishauptstädten, unter deren Aufsicht die Ortspolizei durch die Amtsvorsteher besorgt wird; nur die Ortspolizeiverwaltungen zu Dessau, Köthen, Zerbst und Bernburg stehen unmittelbar unter der Regierung. Für die Rechtspflege bestehen als erste Instanz elf Amtsgerichte, die zweite Instanz bildet das Landgericht zu Dessau, in letzter Instanz entscheidet das Oberlandesgericht zu Naumburg. [* 47] - Die Finanzen des Herzogtums befinden sich in geordnetem Zustand. Während 1861 die Einnahmen der beiden Herzogtümer Anhalt-Dessau-Köthen und Anhalt-Bernburg 3,083,078 Thlr. betrugen, denen 3,077,313 Thlr. Ausgaben gegenüberstanden, ergab das Budget für 1. Juli 1884/85 für Einnahme wie für Ausgabe 17,948,000 Mk. Hauptposten sind:
Einnahmen: | Mark | Mark | |
---|---|---|---|
Domänen | 2946847 | Kultus | 145843 |
Steuern | 1631433 | Inneres | 2253971 |
Bergwerke | 3067740 | davon Unterricht etc. | 1549384 |
Sporteln | 1005964 | Justiz | 669045 |
Finanzen | 2572121 | ||
Ausgaben: | Bauwesen | 572121 | |
Staatsverwaltung | 519737 | Pensionen | 515725 |
Staatsschulden-Verw. | 329000 | Renten | 343478 |
Die für das Reich vereinnahmten und an dasselbe abgeführten Steuern betrugen 9,100,000 Mk. Die früher an das herzogliche
Haus gezahlte Rente aus dem Domanialeinkommen, die 1871: 295,570 Thlr. betrug, ist seit 1872 in Wegfall gekommen,
da mit diesem Jahr die Auseinandersetzung des herzoglichen Hauses mit dem Land hinsichtlich des Domaniums
in Kraft
[* 48] getreten ist. Die Staatsschuld belief sich ultimo Juni 1883 auf 5,125,646 Mk. (davon 772,604 Mk.
unverzinslich), denen 4,087,737 Mk. Aktiva gegenüberstehen, so
daß die Netto-Passivmasse 1,037,909 Mk. beträgt. 81,000 Mk.
nicht eingelieferte Kassenanweisungen entfallen auf die unverzinsliche Schuld. - Im Militärwesen ist Anhalt
bereits seit 1867 ganz
mit Preußen verschmolzen.
Nach der Konvention vom 28. Juni d. J. wurde aus dem Kontingent von Anhalt
das anhalt
ische Infanterieregiment Nr. 93 gebildet, welches
die preußische Normalstärke (pro Bataillon 532 Mann mit 18 Offizieren im Frieden und 1034 Mann mit 22 Offizieren im Krieg) erhielt
und der 7. Division des 4. Armeekorps zugeteilt ist. Das Landeswappen (s. Tafel »Wappen«)
[* 49] ist ein zweimal
gespaltener und dreimal quergeteilter Schild
[* 50] und enthält somit zwölf Felder, von denen das zweite der zweiten Reihe das anhalt
ische
Stammwappen bildet.
Dasselbe ist gespalten und enthält in der vordere silbernen Hälfte einen aus der Teilungslinie hervorgehenden halben roten Adler [* 51] (Brandenburg), die hintere Hälfte des Mittelschilds ist von Schwarz und Gold zehnmal quergestreift mit einem schrägrechts darüber gezogenen grünen Rautenkranz [* 52] (Sachsen). Die Landesfarben sind Rot, Grün und Weiß (gewöhnlich aber nur Grün und Weiß); die Militärkokarden nur grün. Als einziger Orden [* 53] besteht der Orden Albrechts des Bären, gestiftet (s. Tafel »Orden«). Hauptstadt des Herzogtums ist Dessau.
Geschichte.
Das Herzogtum Anhalt, dessen Bevölkerung im Westen der Saale deutscher, im Osten dieses Flusses dagegen slawischer Herkunft ist, bildete seit den Zeiten Karls d. Gr. einen Bestandteil des fränkischen, später ostfränkischen Reichs. Es war in mehrere Gaue, wie Schwabengau, Nordthüringer Gau, eingeteilt und stand unter dem Befehl einer größern Zahl von Grafen. Das Christentum fand im westlichen Teil von Anhalt bald Eingang, nur bei der slawischen Bevölkerung im Osten behauptete sich bis zur Mitte des 12. Jahrh. das Heidentum.
Die erste umfassende Herrschaft hat in diesen Gegenden Markgraf Gero (s. d.), der Gründer des Stifts Gernrode, um die Mitte des 10. Jahrh. ausgeübt. Um 1020 wird als Abkömmling von dessen Schwester Hidda Graf Esiko von Ballenstedt, der Ahnherr des spätern anhaltischen Fürstenhauses und der Askanier, genannt. Er hatte von seiner Mutter sehr ansehnliche Allodien zwischen der Elbe und Saale ererbt. Sein Enkel Otto nannte sich zuerst Graf von Askanien und besaß außer seinen Stammbesitzungen, Ballenstedt und Aschersleben, [* 54] als Erbteil seiner Gemahlin Eilike, der jüngern Tochter des Herzogs Magnus von Sachsen, mit welchem der Mannesstamm der Billunger 1106 erlosch, einen Teil der Allodialgüter dieses Hauses.
Ottos Sohn Albrecht der Bär (1123-70), der erste Markgraf von Brandenburg, erweiterte seine anhaltischen Besitzungen durch Erwerbung des Plötzgaus und durch Unterwerfung der am rechten Elbufer im Zerbstischen wohnenden Slawen. Erbe dieser Gebiete war sein Sohn Bernhard (1170-1212, s. Bernhard 1), der, mit einem Teil der Heinrich dem Löwen [* 55] 1180 entzogenen Reichslehen bedacht, sich Herzog von Sachsen nannte. Seine Länder wurden unter seine Söhne so geteilt, daß der ältere, Heinrich, Aschersleben und die anhaltischen Besitzungen, der jüngere, Albrecht, Sachsen und Lauenburg [* 56] erhielt. Mit jenem, Heinrich I. (1212-1251), beginnt die eigentliche Geschichte Anhalts als eines selbständigen, reichsunmittelbaren Territoriums. Heinrich hinterließ 1251 sieben Söhne, von denen vier in den geistlichen Stand traten, die andern drei sich aber in die väterlichen Lande teilten, wodurch Heinrich II. Aschersleben und den Harz, Bernhard I. Bernburg und Ballenstedt, Siegfried I. ¶