Angst
,
eine Form von Gemütsbewegung, die mit der
Furcht (s. d.) die Gruppe der «depressiven»
(mit Unlustgefühlen einhergebenden) Erwartungsaffekte bildet, tritt bei Gesunden nur ein im Anschluß an die mehr oder weniger
klare
Vorstellung einer unmittelbaren Gefährdung von Leib oder Seele oder ans
Herz gewachsener (wenn auch
nur erhoffter) Besitztümer; während bei der
Furcht die
Vorstellung herrscht, daß eine solche Gefährdung eintreten könne.
Furcht und Angst
geben ohne scharfe Grenze ineinander über (mit dem Herannahen der Gefahr steigert sich die
Furcht zur und werden
deshalb im gewöhnlichen Sprachgebrauch oft nicht unterschieden; doch sind sie in ihren reinen Formen
leicht auseinanderzuhalten, sowohl mit Rücksicht auf
Inhalt und Zustand des
Bewußtseins als auf
Grund der begleitenden körperlichen
Erscheinungen.
Das Angst
gefühl charakterisiert sich besonders durch beigemischte körperliche Empfindungen: Druck in der Herzgegend (Präkordialangst
),
Zusammenschnüren der
Brust
(Brustangst) oder auch der
Kehle, eigenartige Empfindungen im
Unterleib, Gefühl
allgemeiner Kraftlosigkeit u. s. w. Für die
Furcht dagegen ist das Gefühl des Schauderns, kalter
Überrieselung u. s. w.
charakteristisch. Die Denkthätigkeit kann bei Angst
völlig aufgehoben sein, indem nur die angsterregende Wahrnehmung
das
Bewußtsein erfüllt, oder es findet sich hochgradige Verwirrung bis zum Schwinden des
Bewußtseins. Die Rückwirkungen
auf körperliche Funktionen bestehen bei der in erschwertem
Einatmen und demgemäß beschleunigter oberflächlicher
Atmung,
Beschleunigung oder unregelmäßiger stürmischer Beschaffenheit der Herzbewegungen, Verengung zahlreicher Pulsadern
(Blässe der
Haut).
[* 2] In höhern
Graden tritt
Lähmung der willkürlichen
¶
mehr
Muskeln
[* 4] ein, infolgedessen (teils auch infolge vermehrter Absonderung) Abgang von Urin und Stuhl; oder es werden heftige stoßweise
Bewegungen ausgeführt; mitunter findet sich auch statuenartiges Verharren des ganzen Körpers in ein und derselben Stellung.
Nach längerm Bestehen der Angst
werden Schweiß und Harn reichlich abgesondert, auch soll Ergrauen der Haare
[* 5] und Tod vorkommen. Für die Furcht sind Gänsehaut, leichteres Muskelzittern, Zähneklappern, vermehrte Flüssigkeitsabsonderung
in den Darmkanal charakteristisch.
Die höhern Grade der Angst
sind nur dann als innerhalb der Norm liegend anzusehen, wenn sie durch äußere richtig gedeutete
Eindrücke hervorgerufen werden. Häufig ist die Angst
Kennzeichen krankhafter Zustände des Gehirns, des
Herzens, des Unterleibs, des Blutes (z. B. Verblutung, Vergiftung). Bei manchen Geisteskrankheiten, vor allem bei Melancholie, bei
manchen epileptischen Zuständen u.s. w., bildet die Angst
die lästigste und bedrohlichste Erscheinung und wird häufig
Ursache von Gewalthandlungen (Verletzung anderer, Selbstmord).
Die Angst
entsteht hier entweder im Anschluß an andere krankhafte geistige Vorgänge, wie Sinnestäuschungen
(Erblicken drohender Gestalten u. dgl.), Wahnvorstellungen von Versündigung, drohender Strafe u. s. w. (sekundäre Angst
) oder
unmittelbar ohne psychische Veranlassung (objektive, primäre Angst
). In letzterm Falle kann der Ausgangspunkt in
den verschiedensten Organen (auch in krankhaft gereizten Nerven
[* 6] des Unterleibs, der Haut, in Neuralgien u. s. w.) gegeben sein,
denen nur gemeinsam ist, daß sie zu einer Reizung oder mangelhaften Ernährung (Blutarmut) des Gehirns
führen.
Die Präkordialangst
Geisteskranker geht selten in erster Linie vom Herzen aus, dieses leidet vielmehr meist sekundär, indem
durch Vermittelung der Gefäßnerven die den Herzmuskel ernährenden Blutgefäße sich im Angst
affekt krampfhaft verengern.
Die Behandlung der Präkordialangst
besteht insbesondere in der Anwendung von Opium, Morphium und andern
Betäubungsmitteln, bis stundenlang fortgesetzten Bädern von 27° R. u. dgl. m. Geisteskranke mit stark hervortretender
Präkordialangst
gehören unbedingt in eine Irrenanstalt oder müssen unausgesetzt überwacht werden. Unabhängig von dem
Gehirn
[* 7] sind die Angstanfälle bei Angina pectoris, die auf Krankheiten des Herzens oder seiner Nerven beruht
und in Anfällen von Beklemmung mit Schmerzempfindung in der Herzgegend besteht. (S. Brustbräune.)