1) Arrondissement im franz. Depart. Charente, hat 1954,65 qkm, (1891) 137 167 E., 36 Gemeinden und zerfällt
in die 9 Kantone I und Angouleme II mit 342,42 qkm und 25 170 und 39 965 E.), Blanzac (230,54 qkm, 8581 E.), Hiersac
(156,57 qkm, 7835 E.), Montbron (236,18 qkm, 11 357 E.), La Rochefoucauld (256,17 qkm, 13 945 E.), Rouillac (230,88 qkm, 11 002 E.),
Saint-Amant-de-Boixe (177,05 qkm, 8890 E.), Villebois-la-Valette (324,84 qkm, 10 422 E.). - 2) Angouleme, Hauptstadt
des Depart. Charente und Arrondissements Angouleme, auf einem Plateau am Zusammenfluß des Touvre mit der Charente, an den Linien Paris-Bordeaux
der Orléans-Nantes-Angouleme (338 km) und Angouleme-Rouillac (37 km) der Franz.
Staatsbahn, hat (1891) 28 515, als Gemeinde 34 690 E., in Garnison das 107. Infanterie-, 21. und 34. Feldartillerieregiment.
Die alte, winklig geballte Stadt liegt nördlich, die neue Stadt südlich, während die sechs Vorstädte sich an den statt
der Festungswerke mit Terrassen und Promenaden versehenen Abhängen bis in die Ebene erstrecken. Bemerkenswert
sind die schöne Kathedrale St. Peter (1101-36 erbaut), die Präfektur (ehemals bischöfl. Palast), das prachtvolle Rathaus,
1858-63 an Stelle des alten Schlosses erbaut, das Theater, das Hospital, das Findelhaus,die ehemalige Marineschule, die Statuen
von Margarete von Valois und des Arztes Jean Bouillaud. Angouleme ist Sitz des Bischofs, des Stabes der 23. Infanteriedivision,
der 46. Infanterie- und der 12. Feldartilleriebrigade und hat ein Lyceum, zwei theol.
Seminare, öffentliche Bibliothek im Justizpalast (16000 Bände und viele Handschriften), botan. Garten, mehrere wissenschaftliche
Gesellschaften und religiöse Brüderschaften; Fabrikation von Papier, Lack und Waffen, Wachsbleichen, Branntweinbrennereien
und Handel mit Papier, Getreide, Wein, Branntwein (jährlich 150000 hl), Hanf, Flachs, Trüffeln, Kastanien,
Seife, Salz, Kork, Stabholz, Eisen- und Kupferwaren. In der Nähe Wein- und Safranbau, sowie die Pulvermühle von Therouat mit 17 Werkstätten. 6 km
entfernt die 1750 gegründete Geschützgießerei von Ruelle, die jährlich ungefähr 680 Rohre liefert.
Angouleme, das alte Inculisma in Aquitanien, später Ecolisma oder Encolisma genannt, ist die ehemalige Hauptstadt
der Grafschaft Angoumois (s. d.) und seit 379 Bischofssitz. Chlodwig entriß 507 die Stadt
den Westgoten und gründete eine Kathedrale. Schon damals bedeutend, spielte die Stadt auch in den folgenden Jahrhunderten
eine wichtige Rolle in der Kriegsgeschichte; von 1527 bis 1530 hielt sich Calvin in Angouleme auf, und während
der Religionskriege nahmen die Protestanten wiederholt die Stadt ein. -
Vgl. F. Corlieu, Recueil en forme d'histiorie de la
ville et comtes d'Engolesme (Angoulême 1566).
(spr. -gulähm), Charles de Valois, Graf von Auvergne, Herzog von, geb. ein natürlicher Sohn Karls
IX., ward 1589 (Malteser-) Großprior von Frankreich, trat aber aus dem Orden und erhielt 1619 das Herzogtum
Angoulême. Er gehörte anfangs zu den tapfersten Anhängern Heinrichs IV., ließ sich aber bei der Verschwörung seiner Halbschwester
Berneuil in Umtriebe gegen Heinrich ein, wurde 1605
zum Tode verurteilt, aber zu ewigem Gefängnis begnadigt und 1616 in
Freiheit gesetzt. Er ging 1620 als Gesandter zu Kaiser Ferdinand II., kommandierte 1628 vor Rochelle, kämpfte mit Auszeichnung
in Languedoc, Deutschland und Flandern und starb Die «Mémoires du duc d'A.
pour servir à l'historie des règnes de Henri III et IV» (1662) mögen vielfach auf seinen Mitteilungen
beruhen, ohne daß er sie wirklich verfaßt hätte.
(spr. -gulähm), Louis Antoine de Bourbon, Herzog von, ältester Sohn des Grafen Artois, spätern Königs Karl
X., und der Marie Therese von Savoyen, geb. zu Versailles, wanderte 1789 mit seinem Vater aus und beschäftigte sich
in Turin vorzüglich mit artilleristischen Studien. Er trat 1792 in Deutschland kurze Zeit an die Spitze
eines Emigrantenkorps und ließ sich hierauf mit seinem Vater zu Edinburgh nieder. Von dort ging er nach Blankenburg im Braunschweigischen,
dann nach Mitau, wo er die Tochter Ludwigs XVI. heiratete, später nach Warschau, 1805 nach
Rußland, im Jahre darauf nach England.
Als 1814 die Verbündeten Frankreich betraten, erschien Angoulême 2. Febr. im brit.-span. Hauptquartier zu St.
Jean de Luz und erließ eine Proklamation an die franz. Armee. Unter engl. Schutze zog er 12. März in Bordeaux ein, wo er im Namen
des Königs Abschaffung der Konskription und aller drückenden Abgaben und völlige Religionsfreiheit versprach.
Nach dem Einzüge in Paris ward er Generaloberst der Kürassiere und Dragoner und Admiral von Frankreich, im März 1815 zum Generallieutenant
des Königreichs ernannt.
Nach der Rückkehr Napoleons von Elba erkämpfte er einige geringe Vorteile über die bonapartistischen
Truppen, ward aber 6. April bei St. Jacques zurückgedrängt, bei Pont-Saint-Esprit 9. April zur Kapitulation und Entlassung seiner
Mannschaft genötigt, während er selbst mit einem Passierschein den Hafen von Cette gewann. Nach der zweiten Restauration
der Bourbons wurde von Ludwig XVIII. in die südl. Provinzen gesandt, um die religiösen und polit. Bewegungen
zu bewältigen.
Ein phlegmatischer, gering begabter Charakter, nahm Angoulême an der Politik wenig teil, und soweit er es that, als
Werkzeug der Ultraroyalisten und Ultramontanen. 1823 an die Spitze der franz. Armee gestellt, leitete er den Feldzug in Spanien,
um die konstitutionelle Partei niederzuwerfen, zog 24. Mai in Madrid ein und erhielt nach der Rückkehr
den Titel eines Fürsten von Trocadero. Infolge der Julirevolution unterzeichnete er zugleich mit seinem Vater zu Rambouillet
die Abdankungsakte vom zu Gunsten seines Neffen, des Herzogs von Bordeaux (Grafen von Chambord; s. d.). Nachdem die
Kammern Karl X. und seine Familie des Throns für verlustig erklärt hatten, folgte Angoulême seinem Vater nach
Holyrood, 1832 nach Prag, 1836 nach Görz. Als Karl X. starb, ließ sich von einem Teile der Legitimisten, die seinen Hofstaat
ausmachten, als Ludwig XIX. huldigen. Er starb in Görz. - Über sein Leben in der Verbannung
vgl. die Memoiren des Marquis Villeneuve, Charles X et Louis XIX en exil (Par. 1889).
Seine Gemahlin, Marie Therese Charlotte, Herzogin von Angoulême, geb. zu Versailles, zeigte früh
scharfen Verstand und kräftigen Willen. Nach langer Gefangenschaft in der Revolutionszeit wurde sie gegen
verschiedene Deputierte u. a., die Dumouriez den
mehr
Österreichern überliefert hatte, zu Basel
ausgewechselt, worauf sie bis zu ihrer Vermählung (1799) in Wien lebte. Sodann folgte
sie ihrem Gatten nach Rußland; dann, als Kaiser Paul die Bourbonen auswies, nach England und hielt mit Ludwig XVIII.
den Einzug in Paris. Bei der Rückkehr Napoleons flüchtete sie nach England und ging dann nach Gent.
Bei Ausbruch der Julirevolution war sie in einem Bade in Bourgogne; verkleidet kehrte sie über Dijon nach St. Cloud zurück,
folgte Karl X. nach England, ging später nach Wien, 1852 nach Prag und 1836 nach Görz. Die letzten Lebensjahre brachte sie
mit ihrem Neffen, dem Grafen von Chambord, auf ihrer Herrschaft Frohsdorf bei Wiener-Neustadt zu, wo sie starb.
Napoleon nannte sie «den einzigen Mann der Familie Bourbon», Ludwig XVIII. «die moderne Antigone». Ihr «Mémoire écrit sur
la captivité ect.» erschien in neuer Auflage Paris 1892, ihr «Journal (5 Oct 1789 - 2 Sept. 1792) corrigé
et annoté par Louis XVIII» zum erstenmal daselbst 1894. -
Vgl. Imbert de Saint-Amand, La duchesse d'A. (Par. 1887).