Angōla,
portug. Kolonie in Westafrika, zwischen 6 und 17° südl. Br., mit 809400, mit Interessensphäre, d. i. mit Muata Jamvos Reich (s. d.) oder Lunda, 1315460 qkm Fläche und etwa 12 Mill. E., wovon etwa 490000 unter portug. Herrschaft, grenzt im N. und O. an den Kongostaat, [* 2] im SO. an Englisch-Centralafrika, im S. an Deutsch-Westafrika und im W. mit einer Küstenstrecke von 1200 km an den Atlantischen Ocean. Nördlich vom Kongo besitzt es die Enklave Kabinda (s. d.) zwischen Französisch-Kongo und dem Kongostaat.
Oberflächengestaltung. Das westafrik. Randgebirge durchzieht von N. nach S., zwischen Kongo und Quanza senkt es sich von 1000 m sanft bis auf 20 und 30 km zur Meeresküste herab, während es gegen O. steil zum Kuango abfällt; zwischen Quanza und Kunene setzt es in einer mittlern Erhebung von 1650 m und südwestlich vom Plateau von Bihe allmählich abnehmend, in drei Terrassen zu den Niederungen am Strande ab; gegen O. bricht es mit dem Tala-Mungongo-Gebirge scharf gegen das Thal [* 3] des obern Kuango ab und verläuft südlich davon in das Quellgebiet von Quanza und Kubango und in die anstoßenden Hochebenen.
Das Innere des Gebirges im N. stellt ein breites Plateau mit kuppelförmigen niedrigen Erhebungen und tief eingerissenen Schluchten dar; im S. steigt es zwischen Bihe und Mossamedes zu mächtigen gezackten Gipfeln und Bergketten empor (zum Lovili 2370 m, Elonga 2300 m, Humbi 2200 m, Shellagebirge 1900 m). Das Gebirge besteht allenthalben aus Gneis, mit Einlagerungen von Sandstein, Kalk und Thonschiefer und am mittlern Quanza auch aus Porphyrfelsen und birgt an den Abhängen des Lucallathals ¶
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629 viel Eisenerz und in den südlicher gelegenen Gegenden von Benguella reiche, noch nicht ausgebeutete Minen von Silber, Kupfer [* 5] und Schwefel. Überall auf den Hochflächen und Niederungen bedeckt Laterit den Boden; die Küste ist von einem schmalen Kreidestreifen eingefaßt. Alle Flüsse, [* 6] mit Ausnahme derjenigen an der Ostgrenze, durchschneiden oder durchbrechen das Gebirge mit schließlicher Richtung gegen die See, sind aber wegen der Stromschnellen, kurze Strecken ausgenommen, als Verkehrsstraßen nicht geeignet; die zur Küste von Benguella und Mossamedes strömenden versickern während der Trockenzeit teilweise oder vollständig.
Vom Somboplateau im N. kommen die kleinern Flüsse, wie Lelundo und M'Brische; vom Kangansagebirge der Loje und die für Kanoes schiffbaren Dande und Bengo. Die beiden größten Ströme Quanza und Kunene (s. d.) entquellen dem Plateau von Bihe; im Distrikt Benguella entspringt der Katumbela und auf der obersten Terrasse des Randgebirges der die reiche Landschaft Dombe bewässernde Kaporolo. Klima. [* 7] Bei der Ausdehnung [* 8] des Landes über 11 Breitengrade und bei der allmählichen Erhebung zu einem mächtigen Gebirgsstock im Innern weicht das Klima im Norden [* 9] von jenem im Süden und das an der Küste von jenem auf dem Hochland wesentlich ab. Die Dauer der Regenzeit am Kongo (s. Kongostaat) und Quanza ist nahezu die gleiche; in den Niederungen von Loanda währt sie vom Oktober bis Januar und vom April bis Juni. Im Norden und nahe der Küste sind die Regengüsse deftiger, die Wasserdünste erfüllen die Luft mit drückender Schwüle, während im Süden, namentlich in Benguella und Mossamedes, die Trockenheit die Oberherrschaft gewinnt.
Umgekehrt verhält es sich auf den Plateaus im Innern. Die Hochebenen im Norden verdorren während der Trockenzeit, das Gebirgsland im Süden hält die zur Fruchtbarkeit nötige Feuchtigkeit fest. Nach Süden und nach dem Innern nimmt die Durchschnittstemperatur ab. Mitteltemperatur in Loanda 23° C., Mossamedes 20° C., Malansche 19,5° C.; kühlster Monat in Loanda (August) 14° C., in Malansche (Mai) 4,3° C. Dagegen haben die heißesten Monate fast die gleiche Temperaturhöhe: Loanda 31,7° C. (November) und Malansche 32° C. (Oktober). Die Gesundheitsverhältnisse müssen in den heißesten und feuchtesten Gegenden, wie in Loanda und Benguella, viel ungünstiger sein als in der kühlern und dunstfreiern Luft von Bihe und Mossamedes.
Flora und Fauna. Die Verschiedenheit des Klimas bedingt diejenige der Fruchtbarkeit. Über die ausgebrannten Hochflächen im Norden, nahe dem Kongo, ziehen sich Savannen hin, die sich zu südeurop. Kulturen neben denen der Bananen eignen, mit Gebüschkomplexen von Eriodendron und Euphorbien und mit vereinzelten Baobab- und Wollbäumen. Die Eingeborenen begnügen sich mit dem Anbau von Maniok. Im südl. Gebirgsland hingegen giebt es saftige Rasen, Mais-, Hirse- und Tabakfelder und Ernten von Erdnüssen und Baumwolle; [* 10] an der Küste von Benguella im Dombedistrikt liefern Zuckerplantagen reiches Erträgnis.
Der üppigste Pflanzenwuchs entwickelt sich in den Flußthälern und Bachschluchten; hier gedeiht außer einer unbedeutenden Rebe Zuckerrohr und besonders der Kaffee in lohnendster Fülle. Berühmt wegen des letztern Produkts ist das Thal von Lucalla (s. d.). Eigentümlich für Mossamedes ist Welwitschia mirabilis Hook. (s. d.). – Die jagdbaren Tiere, wie Elefanten, Löwen, [* 11] Antilopen u.s.w., haben sich aus den kultivierten Regionen in das Innere und das Hochgebirge im Süden zurückgezogen; nur Panther, Hyänen, Flußpferde und Krokodile [* 12] findet man noch überall. Auch der Chimpanse und zahlreiche andere Affen, [* 13] Meerkatzen und Paviane kommen vor. Rindvieh kommt allein in großen Herden in den Gebirgsthälern östlich von Mossamedes vor.
Bevölkerung, [* 14] Sprache, [* 15] Stämme. Die Hauptbevölkerung A.s zwischen dem Dande und Benguella bilden die Bundu;
ihre Sprache, die verbreitetste, reicht weit in das Innere hinein;
geistig begabt haben sie an der Küste sich mancherlei von europ. Civilisation angeeignet: alle Arten von Handwerk, die Kunst des Lesens und Schreibens und des Musizierens;
mit Vorliebe wandern sie als geschickte Händler und im Auftrag portug. Firmen in die fernen Gebiete des Kassai und Lulua, oder sie betreiben auf eigenen Landgütern Acker- und Kaffeebau vermittelst ihrer Sklaven. Im Gebirgslande haben sie sich zum Teil noch in voller Reinheit und Wildheit erhalten, ein schönes, stolzes Geschlecht;
jede Gemeinde besitzt ihren eigenen Häuptling, Soba genannt.
Nördlich von ihnen diesseit und jenseit des Kongo wohnen die Bafiote oder Kabinda (s. d.), allgemeiner bekannt unter dem Sammelnamen Kongoneger; sie waren früher Unterthanen des großen Kongoreiches (s. d.), nahmen das Christentum an und halten daran, wenn auch in sehr verzerrter Form, noch äußerlich fest. Die Zweigstämme der Mussorongo, Bamba, Bakongo und Muschikongo, seßhaft bis südlich zum M'Brische, leben als reine Heiden unter ihren eigenen Häuptlingen, in kaum nennbarer Abhängigkeit vom Kongokönig in San Salvador [* 16] und von der portug. Regierung. Im Süden begegnet man östlich vom Quanza, in der Umgebung von Malansche den Songo, die noch stark unter portug. Einfluß stehen; nahezu frei davon halten sich die Amboella (s. d.) und Gangella im Quellgebiet des Quanza und Kubango, und die kümmerlich gewachsenen, furchtsamen Bakuando und Bakuisse an der Küste von Benguella und Mossamedes, die ähnlich den Buschmännern am Kap in Höhlen und Grotten sich bergen und von der Jagd allein sich ernähren.
Mit «Pretos» werden im Gegensatz zu den «Negros» die «civilisierten» Schwarzen bezeichnet; man rechnet zu ihnen die Kabinda, Ambakisten und Bihenos. Sie sprechen portugiesisch; sie finden nicht nur in den Kaufhäusern, sondern auch bei königl. Ämtern Verwendung. Viele besitzen und verwalten Plantagen. Außer den Boers (s. d.), Brasilianern und Goanesen haben sich an 4000 Europäer, meist Portugiesen, zum zeitweiligen Aufenthalt niedergelassen. Sie suchen in möglichst kurzer Zeit als Beamte, Soldaten, Kaufleute und Industrielle ein Vermögen zu erwerben, um dann in die Heimat zurückzukehren. Dem früher schwunghaft betriebenen Sklavenhandel folgte die Ausnutzung der Neger als Sklavenarbeiter. Die Sklaverei selbst wurde 1878 aufgehoben; aber man versteht es, durch langjährige Kontrakte, durch Abdienen von Schulden, in die man sie stürzt, ein der Sklaverei sehr ähnliches Verhältnis zwischen Weißen und Eingeborenen aufrecht zu halten.
Landwirtschaft, Industrie, Handel, Verkehrswesen. Die Landwirtschaft leidet durch den großen Umfang der Landgüter, die meist von gewissenlosen Verwaltern zu eigener Bereicherung ausgebeutet werden. Da die Aufhebung der Sklaverei ¶
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630 die Arbeit verteuerte, half man sich durch Bezahlung der Neger mit minderwertiger Münze (Reisfracos = 3/5 von Reis fortes). Die Industrie befaßt sich, bei spärlichem Erfolg, mit Ziegelbrennerei, Mattenflechterei, Branntweinbrennerei und Cigarrenfabrikation. Der Handel kommt bei den hohen Zöllen zu keinem blühenden Aufschwung, auch nicht am untern Kongo wegen ungünstiger örtlicher Verhältnisse (Seichtigkeit der Landungsstellen und mißgünstige Haltung der Eingeborenen auf dem linken Ufer).
Ausgeführt werden: Elfenbein nur noch in geringer Menge, Kautschuk für 2½–3¼ Mill. M., Kaffee für 2½ Mill. M. (1883), Kopal und Wachs in großen Mengen. Die Einfuhr, besonders an Zeugen, kommt fast ausschließlich aus England, so daß das Mutterland Portugal [* 18] in diesem Punkt keinen nennenswerten Nutzen von seiner Kolonie erzielt. Die Gesamtausfuhr belief sich (1891) auf 13 Mill. M. und die Einfuhr auf 14 Mill. M. Der Schiffsverkehr (1881) war in sämtlichen Häfen: 867 Schiffe [* 19] mit 821000 t. Die im April 1886 begonnene schmalspurige (1 m) Eisenbahn vom Hafen Loanda über Kalungembo und Kasengo nach Pamba (Ambaca) wurde 1893 fertiggestellt und hat eine Länge von 363 km. Die Bahn soll später bis zum Kuango, einem Nebenfluß des Kongo, fortgesetzt werden, ja die bauende «Königl. Afrika-Überlandbahn-Gesellschaft» in Oporto [* 20] plant eine Verbindung von West- und Ostküste und hat Vorarbeiten von Pamba bis östlich über Malansche hinaus (250 km) gemacht.
Das Gesellschaftskapital der Strecke bis Pamba (mit Zinsgarantie der portug. Regierung) beträgt 16,2 Mill. M.; an 5prozentigcn Schuldverschreibungen sind 38272500 M. ausgegeben. 1890 ist einer belg. Gesellschaft der Bau der ebenfalls schmalspurigen (1 m) Mossamedesbahn von der Hafenstadt Mossamedes nach der Hochebene von Shella (175 km) gesetzlich genehmigt worden. Die Regierung gewährleistet 6 Proz. Zinsen für ein Anlagekapital von ungefähr 133065 M. für jedes der in der Ebene belegenen 150 km, während bei der 25 km langen Strecke mit Zahnradbetrieb die thatsächlich verwendeten Anlagekosten zu Grunde gelegt werden.
Ferner hat die portug. Regierung einem amerik. Syndikat die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahn von der Mündung des Kunene
nach dem Innern erteilt. Für eine Bahn zwischen dem Hafenplatz und Hauptort der gleichnamigen Kolonie Benguella und dem tief
im Innern belegenen Knotenpunkt Bihe sind die Vorarbeiten in Angriff genommen. Telegraphenlinien gab es
1891: 428 km. Verfassung und Verwaltung. Die Kolonie Angola
zerfällt administrativ in vier Distrikte: Kongo (mit Kakongo, Kabinda,
Ambrizette, San Antonio und San Salvador), Loanda, Benguella mit Bihe und Mossamedes.
Die wichtigsten Orte sind, von N. nach S. geordnet: Kabinda (s. d.), Malimba und Landana, an der Küste nördlich vom Kongo;
Nokki (s. d.) am südl. Kongoufer;
San Salvador, Hauptstadt im kleinen uralten Kongoreich (s. d.);
wichtige Handelsplätze am Meer: Ambriz, Loanda, Novo-Redondo, Benguella und Mossamedes (s. d.);
im Thal des Quanza Dondo (s. d.) und Pungo-Ndongo, in 1160 m Höhe, umgeben von merkwürdig gestalteten Gneis- und Porphyrfelsen;
am Lucalla das an Kaffeepflanzungen reiche Kasengo und Pamba (auch Ambaca geheißen) mit blühenden Kulturen von Erdnüssen und Tabak; [* 21]
Malansche, der letzte portug. Militärposten im O., in weiter Savannenfläche, der Ausrüstungsplatz und Ausgangspunkt der nach Lunda ziehenden Karawanen;
auf der Ostabdachung des hohen Gebirgslandes von Benguella und Mossamedes: Bihe, Kakonda, Humpata und Huilla (s. d.).
Die
Kolonie Angola
steht unter einem Gouverneur mit dem Sitz in Loanda und dieser ist unmittelbar dem portug. Ministerium unterstellt,
so daß die Verwaltung in wenigen Händen vereinigt ist. Ein Heer von Beamten (über 3000 im J. 1882) überwacht die Ausführung
der Regierungsbefehle. Die vier Distrikte zerfallen in eine Anzahl von «Concelhos»,
an deren Spitze ein Soba steht. Die Soba, Eingeborene, erhalten ihre Stellen entweder durch Erbfolge oder durch freie Wahl der
Gemeindegenossen; sie werden aber von Chefs, die der Gouverneur ernennt, überwacht und namentlich zum Eintreiben der Steuern
angehalten. Durchgreifend wirkt die Regierung auf wenigen, wenn auch auf den wichtigsten Punkten. Das
Kongoreich (s. d.) im Norden befindet sich fast nur dem Namen nach in Abhängigkeit von Portugal. – Nach dem Budget für 1894/95
betragen die Einnahmen der Kolonie Angola
7,3 Mill. M., die Ausgaben 6,8 Mill. M.
Geschichte. Der portug. Seefahrer Diego Cam entdeckte 1484 die Gegenden an der Kongomündung und 1488 den Küstenstrich von Ambriz bis Mossamedes und nahm beide Ländergebiete für die Krone Portugal in Besitz. Diese beschränkte aber thatsächlich ihre Herrschaft auf die Küste und das Hinterland zwischen Ambriz und Mossamedes, und trat sie vorübergehend (1641–48) an Holland ab; im Norden an der Kongomündung begnügte sich Portugal, nur hier und da ein Kriegsschiff erscheinen zu lassen, Missionare ins Land zu schicken und nach Verfall des großen Kongonegerreichs die Könige von Kabinda und Kongo formell als ihre Unterthanen zu erklären.
Allmählich trachtete es danach, seine Herrschaft nach Osten bis zum Kuango wirksam zu erweitern und in neuester Zeit ein friedliches und vertragsmäßiges Verhältnis mit Muata Jamvo, dem Fürsten des großen Lundareichs, herzustellen, worüber es mit dem Kongostaat in einen Konflikt zu geraten drohte. Schon als dieser gegründet werden sollte, erhob Portugal ziemlich zweifelhafte Ansprüche auf die Uferstrecken am untern Kongo und gab erst auf das Drängen von England nach; dafür erhielt es damals auf der Berliner Konferenz [* 22] (1885) die Enklave nördlich vom Kongo mit den Hafenplätzen Landana, Malimba und Kabinda als vollständig gesicherten Besitz. Die später auftauchenden Differenzen wegen der östl. Grenzen [* 23] wurden durch ein provisorisches Abkommen 1891 im allgemeinen und durch den Vertrag vom März 1894 endgültig beseitigt.
Litteratur. Tams, Die portug. Besitzungen in Südwestafrika (Hamb. 1845);
Magyar, Reisen in Südafrika, [* 24] Bd. 1 (Pest 1859);
Valdez, Six years of a traveller's life in Western Africa (2 Bde., Lond. 1861);
J. J. Monteiro, Angola
and the River Congo (2 Bde.,
ebd. 1875);
Oberländer, Westafrika vom Senegal bis Benguela (Lpz. 1878);
Pogge, Im Reiche der Muata Jamvo (Berl. 1880);
Serpa Pinto, How I crossed Africa (Lond. 1881; deutsch Lpz. 1881);
Carta d'Angola
1: 3000000 (hg. vom portug.
Ministerium der Marine und Kolonien).