Angōla,
Landschaft in Niederguinea an der afrikanischen Westküste, im weitern Sinn die sämtlichen portugiesischen Besitzungen in Südwestafrika umfassend, welche vom Loge, der die Nordgrenze bildet und bei Ambriz mündet, bis Kap Frio reichen, nachdem 1857 bei einem mit den Franzosen entstandenen Streite der Congo mit dem Kap Padrone und später ein Punkt unter 5° 12' als nördlichste Grenze bezeichnet worden war (s. Karte »Äquatorialafrika« [* 2] beim Art. »Congo«).
Nach dem Innern zu ist die Begrenzung ganz unbestimmt, doch nehmen die Portugiesen wenigstens für den mittlern Teil den Coango als Ostgrenze an. Auf den dürren, sandigen Küstenstrich folgt ein durchschnittlich 800 m hohes Hochland mit zahlreichen, meist von N. nach S. verlaufenden Gebirgsketten, die nach O. zu an Höhe zunehmen. Unter diesen Gebirgen sind zu erwähnen: die Serra de Chella, die Serra de Neve im südlichen Teil (Mossamedes), die über 1000 m hohe Serra de Talla Magongo im O., gegen den Coango abfallend, mit den jähen, phantastisch erscheinenden und zeitweilig durch plötzlich auftretende Flechten [* 3] schwarz gefärbten Pungo-Adongofelsen, die zugleich den höchsten Punkt der Landschaft (1370 m) bilden; im N. endlich treten mit durchschnittlicher Erhebung von 800 m die Serra de Canganza und die Qionguiaberge auf.
Das Land ist reich bewässert. Zahlreiche in der Regenzeit anschwellende, in der trocknen Zeit sehr seicht werdende oder teilweise versiegende Ströme fließen vorherrschend in der Richtung von O. nach W. dem Atlantischen Ozean zu, zunächst im N. der Congo, dann im eigentlichen der Coanza, im S. der Cunene. Ein Längenthal bildet im O. der nach N. strömende Coango, der ein breites fruchtbares Thal [* 4] durchfließt. Schiffbar sind nur der Cunene und der untere Coanza, aber auch diese nur zur Regenzeit und für kleinere Fahrzeuge.
Der Küstenstrich ist unerträglich heiß und höchst ungesund, so daß die durchschnittliche Lebensdauer der dort angesiedelten wenigen Portugiesen auf nur acht Jahre berechnet wird, während die innern, höher gelegenen Gegenden sehr gesund sind und sich vortrefflich zum Anbau der verschiedensten Kulturgewächse eignen. Die Regenzeit dauert vom April bis Juli und vom November bis Januar, doch nicht ununterbrochen. Während die Küstenstriche vergleichsweise arm an Vegetation sind, nehmen nach dem Innern hin die Urwälder bedeutend zu, und der riesige Affenbrotbaum findet sich hier in seinen gewaltigsten Exemplaren. Im übrigen ist die Vegetation die tropisch-afrikanische.
Yams,
Tabak,
[* 5]
Indigo,
[* 6]
Reis,
Baumwolle,
[* 7] im O.
Kaffee,
Zuckerrohr etc. werden gebaut, doch keineswegs in genügender
Menge und ohne
größere Bedeutung für die Ausfuhr, wie denn überhaupt der ganze Zustand der
Kolonie ein höchst verwahrloster ist. In
jüngster Zeit wird viel
Rinde von
Adansonia digitata exportiert. Von tierischen
Produkten kommen
Wachs,
Häute und
Elfenbein in den
Handel.
Portugiesische Handelsleute
(Pombeiros) durchziehen das Land und handeln von den Eingebornen
das
Elfenbein, das Kopalharz oder von den Pacasseiros (Büffeljägern)
Häute ein, welche sie, ebenso wie
Palmöl, nach der
Küste bringen. Da
Pferde
[* 8] und
Kamele
[* 9] nicht gedeihen, sind die Verkehrsverhältnisse Angolas
die primitivsten:
der
Mensch tritt als
Träger
[* 10] und Lasttier auf, was natürlich den
Handel ungemein erschwert.
Der Ochs wird als Reittier gebraucht. Auch haben die Trägerkarawanen viel durch Räuber und die Abgaben zu leiden, welche jeder Häuptling, dessen Gebiet sie durchziehen, erhebt. Reich ist das Land an mineralischen Produkten. Es liefert Salz [* 11] aus verschiedenen Lagunen; Eisenerzablagerungen kommen in großer Menge vor und werden sowohl von den Eingebornen als den Portugiesen ausgebeutet; auch sind einige Kupfer-, Blei- und Schwefelminen im Betrieb, und Petroleum rieselt an verschiedenen Stellen aus den Bergen, [* 12] wird aber nicht ausgebeutet.
Die eingeborne Bevölkerung [* 13] besteht aus sogen. Congonegern, die zu den Bantu gehören. Sie zerfallen in einzelne Stämme, deren wichtigste, von N. nach S. zu aufgezählt, folgende sind: die Dembo, Kassimba, Bangala, Bondo, Kioko, Tamba-Malemba, Kalukeme, Bihe, Mukoroka, Bakankala und einige Herero. Die oberste Gewalt in jedem Distrikt übt ein Häuptling aus, der gelegentlich von den Portugiesen zu Tributzahlungen angehalten wird. Im 16. Jahrh. hatten die Jesuiten einen großen Teil der Bevölkerung nominell zum Christentum bekehrt, der aber wieder in das schwärzeste Fetischwesen zurückverfiel.
Nur in den Küstenorten hat bei den
Schwarzen das
Christentum einigermaßen
Wurzel
[* 14] gefaßt. Die Zahl der
Weißen, fast
nur Portugiesen, beträgt
ca. 3000; doch reicht ihr Einfluß, durch
Presidios oder Militärposten unterstützt, bis 450 oder 520 km
ins
Innere. Solche
Presidios sind: Muxima, Massangano, Cucamba, Kassandschi und
Duke de
Braganza. Da die
Kolonie als Deportationsort
dient, so leben in den
Städten sehr viele deportierte Verbrecher (Degradados).
Mulatten gibt es 30,000.
Der Sitz der portugiesischen
Verwaltung ist in der Hauptstadt
São Paolo de Loanda, welche zugleich Hauptstadt des
Gouvernements
Angola
im engern
Sinn ist, das sich vom
Rio
[* 15]
Ambriz (7° 50') im N. bis zum
Kap
São Braz im S. erstreckt, und dessen
Ausdehnung
[* 16] (allein
kartographisch abgegrenzt) auf 78,470 km (1425 QM.) berechnet wurde.
Weitere
Gouvernements sind
¶
mehr
Benguela und Mossamedes im S. mit den gleichnamigen Hauptorten. Dieser ganze portugiesische Besitz in Westafrika umfaßt nach sehr unsichern Berechnungen 809,400 qkm (14,600 QM.); die Bevölkerung wird auf 2 Mill. veranschlagt. Das Budget der Kolonie zeigt fortdauernd Defizits; 1883/84 waren die Einnahmen auf 553,052, die Ausgaben auf 729,789 Milreïs veranschlagt. Seit 1881 besteht ein Telegraph [* 18] von Loanda über Dondo nach Cacullo (344 km), eine Eisenbahn von Loanda nach Ambaca (183 km) ist konzessioniert.
Die Küste von Angola
wurde 1486 durch den portugiesischen Seefahrer Diego Cad entdeckt. Bald darauf siedelten sich die Portugiesen
am Zaïre und auch südlich von diesem Fluß an; doch erst 1578 begründeten sie die Stadt Loanda (São Paolo de Loanda),
wo der Gouverneur seitdem residierte, und die früher vorzugsweise Congo genannte Landschaft erhielt seit jener Zeit den Namen
Angola.
Im J. 1640 wurden die Portugiesen von den Holländern aus Loanda vertrieben, und letztere blieben bis 1648 Herren des
Platzes; hierauf fiel derselbe wieder an die Portugiesen zurück, die, einige kleine Kriege mit den Eingebornen abgerechnet,
nun im ungestörten Besitz des Landes blieben, das indessen unter ihrer schlaffen Regierung fortdauernd in einem nichts weniger
als blühenden Zustand sich befindet.
Durch die portugiesische Mißverwaltung wird das reiche Land am Emporkommen gehindert. Militär- und Zivilgewalt
liegen in denselben Händen; dadurch wird ein tyrannisches Erpressungssystem hervorgerufen, welches durch karge Besoldungen
noch unterstützt wird. Die Budgets der Kolonie (1883/84: Einnahmen 591,402, Ausgaben 672,339 Milreïs à 4 Mk. 45 Pf.) weisen
daher fortdauernd Defizits auf. Der Eintritt in die angola
nische Armee wird durch die Besetzung der Offizierstellen,
die zugleich Zivilämter sind, mit Subalternen aus dem Mutterland zum Schaden für das Heer sehr erleichtert.
Der Hauptbestandteil der europäischen Bevölkerung der Kolonie setzt sich noch immer aus deportierten Verbrechern zusammen;
die schweren Zollabgaben drücken den Handel nieder und lassen ihn seine Wege außerhalb der Kolonie aufsuchen.
Da die europäische Presse
[* 19] bei der gesteigerten Bedeutung Westafrikas sich mehr mit Angola
beschäftigte, so sah die portugiesische
Regierung sich endlich veranlaßt, Schritte zu thun, um den verrotteten Zuständen abzuhelfen. Vorarbeiten zu einer Eisenbahn
von der Hauptstadt São Paolo de Loanda nach Ambaka im Innern wurden begonnen und europäische Fachleute
ausgesandt, um die Hilfsquellen des Landes zu studieren, so der bayrische Geolog Heinrich v. Barth-Harmating (1877).
Vgl. Valdez, Six years of a traveller's life in Western Africa (Lond. 1861, 2 Bde.);
Monteiro, Angola
and the river Congo (New York 1875, 2 Bde.);
Lux, Von Loanda nach Kimbundu (Wien [* 20] 1880);
Serpa Pinto, Quer durch Afrika [* 21] (deutsch, Leipz. 1881).