im Zivilrecht oder Prozeß im weitern Sinn jeder durch Benutzung eines Rechtsmittels im weitesten Sinn erfolgende
Angriff gegen die Gültigkeit eines Rechts- oder Prozeßaktes; im engern Sinn scheidet man oft den Fall aus, wo
eine Rechtshandlung vermöge innern Mangels ungültig, nichtig ist (z. B. Nichtigkeit eines Geschäfts wegen Mangels der gesetzlichen
Form), und versteht, im Gegensatz zur Geltendmachung dieser Nichtigkeit, unter Anfechtung nur den Fall, wo aus Umständen, die außerhalb
der Rechtshandlung liegen, die Ungültigkeit der an sich gültigen Rechtshandlung herbeigeführt wird (z. B. Anfechtung eines
Geschäfts wegen Betrugs oder Zwanges).
Die in letzterm Sinn steht nicht, wie die Geltendmachung der Nichtigkeit, jedem Beteiligten zu, sondern nur den Personen, für
welche nach dem Gesetz der Anfechtungsgrund wirksam ist. von Rechtshandlungen eines Schuldners wegen Benachteiligung der Gläubiger
war nach früherm gemeinen Recht regelmäßig nur wegen bezüglichen Verhaltens des Schuldners zulässig
(sogen. Paulianische Klage des römischen Rechts). Das jetzige deutsche Recht bestimmt ähnlich wie das neuere englische und
französische, daß Rechtshandlungen zum Nachteil der Gläubiger, die der Schuldner nach Eröffnung des Konkursverfahrens vornimmt,
nichtig sind, im übrigen aber binnen einem Jahr von Eröffnung des Konkursverfahrens ab folgende Rechtshandlungen
des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger der Anfechtung
mehr
des Konkursverwalters unterliegen (Konkursordnung, Buch 1, Titel 3, § 22-34): 1) Die nach oder in den letzten zehn Tagen vor der
Zahlungseinstellung (thatsächlichen Insolvenz) oder dem Konkurseröffnungsantrag erfolgte Sicherstellung oder Befriedigung
eines Gläubigers, wenn dieser hierauf nicht, oder nicht in der Art, oder nicht in der Zeit Anspruch hatte und
nicht beweist, daß Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnungsantrag und Begünstigungsabsicht des Schuldners ihm unbekannt
waren; ferner alle sonstigen nach der Zahlungseinstellung oder dem Konkurseröffnungsantrag vorgenommenen Begünstigungen
der Gläubiger und Rechtsgeschäfte, wenn dem andern Teil diese Einstellung oder der Antrag bekannt war. Doch können Rechtshandlungen,
welche früher als sechs Monate vor der Eröffnung des Konkurses erfolgt sind, aus dem Grund einer Kenntnis
der Zahlungseinstellung nicht angefochten werden, Wechselzahlungen dann nicht, wenn ohne ihre Annahme der Empfänger den Regreß
gegen andre Verpflichtete verloren hätte.
2) Rechtshandlungen, welche der Schuldner in der dem andern Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen
hat. Daß diese Absicht vorlag, wird ohne weiteres angenommen, wenn in dem letzten Jahr vor der Konkurseröffnung
ein entgeltlicher Vertrag des Schuldners mit seinem Ehegatten vor oder während der Ehe, mit seinen oder dessen Verwandten auf-
und absteigender Linie, mit seinen oder dessen Geschwistern oder mit dem Ehegatten einer dieser Personen geschlossen wurde.
Desgleichen wird bis zum Beweis des Gegenteils angenommen, daß diesen Angehörigen des Schuldners dessen Absicht, die Gläubiger
benachteiligen, bekannt war.
3) Die in dem letzten Jahr vor der Konkurseröffnung von dem Schuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen mit Ausnahme
üblicher Gelegenheitsgeschenke sowie Rückzahlungen von Einlagen oder Erlasse von Verlusten eines stillen Handelsgesellschafters
(deutsches Handelsgesetzbuch, Art. 29; Einführungsgesetz zur Konkursordnung, § 3, Abs. 1); ferner jede in den letzten zwei
Jahren vor der Konkurseröffnung vom Schuldner vorgenommene unentgeltliche Verfügung zu gunsten seines Ehegatten wie auch Sicherstellung
der Rückgewähr des Heiratsguts oder des gesetzlich in seine Verwaltung gekommenen eheweiblichen Vermögens, sofern er hierzu
nicht durch das Gesetz oder einen vor diesem Zeitraum geschlossenen Vertrag verpflichtet war.
Die Anfechtung wird überall dadurch nicht ausgeschlossen, daß für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel
erlangt oder dieselbe durch Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung erwirkt ist. Die Anfechtung hat zur Folge, daß der betreffende
Erwerb zur Konkursmasse zurückzugewähren ist vom gutgläubigen Empfänger und, insoweit er bereichert
ist. Die Gegenleistung ist aus der Konkursmasse zu erstatten, soweit sie sich in derselben befindet oder die Masse bereichert
ist, im übrigen nur wie eine unbevorzugte Konkursforderung.
Die Klage geht auch gegen Erben und bösgläubige sonstige Rechtsnachfolger. Auch außerhalb des Konkursverfahrens ist nach
dem Reichsgesetz vom 21. Juli 1879 die von Rechtshandlungen eines Schuldners zulässig unter den obigen Voraussetzungen
2) und 3) nach denselben Grundsätzen, mit den Abweichungen:
1) daß Kläger der benachteiligte Gläubiger ist, der eine fällige Forderung mit vollstreckbarem Schuldtitel hat und voraussichtliche
oder wirkliche Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nachweist;
2)
daß die Fristen von der Rechtshändigkeit der Anfechtungsklage ab rückwärts berechnet werden;
3) daß der Beklagte Rückgewähr nur so weit, als zur Befriedigung des Gläubigers nötig, zu leisten, 4) wegen der Erstattung
des Gegenwerts sich an den Schuldner zu halten hat, sowie 5) daß das Recht zur in zehn Jahren verjährt.
Vgl. Anfechtungsklage.
§. 1. Anfechtung ist I) eine solche Behandlung, da man von einem andern gleichsam angegriffen
und bcstntten wird und also allerhand Leiden und Verfolgung ausstehen muß. A.G.
20, 19. Luc. 22, 28. (S. Kreuz.)
§. 2. II) Ist es ein solcher ängstlicher Zustand der Seele, da diese mit schweren und schrecknißvollen Gedanken
geplagt wird, und sich in solcher Angst über die Menge und Große der Sünden, über den Verlust göttlicher
Guade und Barmherzigkeit, über GOttes Zorn, Verstoßung zur Hölle etc. heftig betrübt und ängstigt, und bei solcher geistigen
Trübsal die feurigen Pfeile des Satans empfindet.
Denn allein die Anfechtung lehrt aufs Wort merken, Esa. 28, 19.
Abraham ist durch mancherlei Anfechtung bewährt, Jud. 8, 19.
Wer GOtt dient, der wird nach der Anfechtung getröstet, und aus der Trübsal erlöset, und nach der Züchtigung findet er
Gnade, Tob. 3, 22.
Weil du GOtt lieb warst, so mußte es so sein, ohne Anfechtung mußtest du nicht bleiben, auf daß du bewährt würdest.
Tob. 12, 13.
Mein Kind, willst du GOttes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung, Sir. 2, 1.
Auf unrecht Gut verlaß dich nicht, denn es hilft dir nicht, wenn die Anfechtungen kommen werden, Sir. 5, 10.
Traurigkeit und Armuth thut dem Herzen weh in der Anfechtung und übertritt, Sir. 38, 30.
Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet, Matth. 26, 41. Luc. 22, 40. 46.
Eine Zeitlang glauben sie, aber zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab, Luc. 8, 13.
Ihr aber seids, die ihr beharret habt bei mir in meinen Anfechtungen, Luc. 22, 28.
Meine Anfechtungen, die ich leide nach dem Fleisch, habt ihr nicht verachtet, Gal. 4, 14.
Die ihr jetzt eine kleine Zeit traurig seid in mancherlei Anfechtungcn, 1 Petr. 1, 6.
Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet, Jac. 1, 2.
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des
Lebens empfangen, ib. v. 12.
§. 3. Wenn gleich durch dergleichen Anfechtung bei den Menschen alle Freude in Traurigkeit, die Liebe in Haß, das
Hoffen in Zagen, ja in Angst und Verzweiflung verkehrt wird; so soll man sich doch dazn gefaßt machen. Sir. 2, 1. c. 4, 19. Jac.
1,12.
Denn die Angefochtenen, wenn sie sich dadurch nicht von GOtt abwendig machen lassen, A.G. 20, 19. haben einen I) starken
Trost, Eph. 6, 16.17. die Kraft GOttes ist in den Schwachen mächtig, 2 Cor. 12, 9.10. und muß endlich zum Besten ausschlagen.Röm. 8, 28. Esa. 28, 19. Ja sie tragen II) einen herrlichen Nutzen davon. Denn sie werden Im Glauben
und in der Geduld bewährt, 1 Petr. 1, 6. 7. Jac. 1, 12. in GOttes Wort und dessen heilsamen Verstande geübt, Ps. 119, 67. 71. 92.
In der Hoffnung befestigt,Röm. 5, 3. 4.
In der Tödtung des fündlichen Fleisches gestärkt, 2 Cor. 4, 16. und vorzüglich in der Demuth gegründet,
c. 13, 7. 10. Der Gnade GOttes und der künftigen himmlischen Herrlichkeit versichert, 2 Cor. 4, 17. Jac. 1, 12. und lernen
die böse Frucht der Sünden desto besser erkennen, Jer. 2, 19. 4, 18.
§. 4. Der Teufel sucht zwar mit seiuen Anläufen den Glauben und die Geduld zu besiegen; allein vergebens. Er machte sich
an Christum, Matth. 4, 1. mußte aber mit Schande abziehen, v. 11. Joh. 14, 30. Wollte dieser böse Geist die Jünger sichten,
Christi Gebet für ihren Glauben machte seine Anschläge zu schänden. Luc. 22, 31. 32. Paulus siegt, 2 Cor.
12, 7. 9. Er wird durch des Lammes Blut überwunden. Offb. 12, 11.
§. 5. Indem die Angefochtenen wider die Anfechtung bestehen können, (§. 4,) Sprw. 18, 10. Ps. 46, 1. so achten
sie die Anfechtung für eine Freude und fassen sich einen Muth. Jac. 1, 2. 2 Cor. 12,.
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7. 10. Denn sie bleiben Kinder GOttes, Gal. 3, 26. und sehen in der Angst, Ps. 116, 3. wie gnädig, gerecht und barmherzig
GOtt sei, v. 5. (dcr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen, 2 Petr. 2, 9.). und wie nöthig und heilsam die
Anfechtung gewesen. (§. 3. II.)
(im Recht). Rechtsgeschäfte sind ungültig, wenn ihrer Errichtung ein Mangel anhaftet,
der die von den Urhebern des Rechtsgeschäfts gewollte Wirkung nicht oder nicht vollkommen eintreten läßt. Die Ungültigkeit
ist Nichtigkeit, wenn die gewollte Wirkung schlechthin nicht eintritt. So sind Verträge nichtig, welche über dem Gemeingebrauch
gewidmete Sachen, als wären sie Sachen des Privateigentums, abgeschlossen sind. Wer den Marktplatz einer
Stadt der nicht von der Stadt selbst eingezogen wird, oder einen öffentlichen Strom verkauft, kann weder auf den Kaufpreis
klagen noch auf Lieferung oder Leistung einer Entschädigung verklagt werden. Wer durch den Vertrag einen Zustand schaffen
will, welcher vom Recht verboten ist, hat etwas absolut Nichtiges verabredet. Ein Mensch kann sich innerhalb
des Deutschen Reichs nicht in die Knechtschaft verkaufen, noch kann er sich bei Strafe der Schuldhaft verpflichten. Die Verabredung
der Strafe ist nichtig. Ferner ist das Versprechen eines Kindes oder eines
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Geisteskranken nichtig. Der Mangel kann aber auch darin bestehen, daß das Recht dem Urheber des Rechtsgeschäfts oder seinem
Mitkontrahenten oder einer dritten Person die Befugnis zuspricht, das Rechtsgeschäft wieder zu beseitigen oder seine Wirkungen
auszuschließen, oder den, welcher infolge des Rechtsgeschäfts etwas erhalten hat, zu verpflichten, das Erhaltene herauszugeben
oder Schadenersatz zu leisten. Der, welcher zu dieser Anfechtung berechtigt ist, kann auf die Anfechtung verzichten,
dann wird der Mangel geheilt, das Rechtsgeschäft gilt so, als ob es von Anfang an gültig errichtet wäre.
Ein Kauf, ein Mietvertrag, eine Schenkung u. s. w. können von der Partei angefochten und
genehmigt werden, welche von der andern beim Abschluß betrogen worden ist. Ein Minderjähriger kann den
Vertrag, welchen er geschlossen hat, anfechten, aber erst nach erfolgter Volljährigkeit genehmigen. Einige unterscheiden noch
zwischen Anfechtbarkeit und relativer Nichtigkeit. Sie nennen anfechtbar die Geschäfte, welche durch die von der Zeit der
Anfechtungserklärung ab, relativ nichtig diejenigen, welche durch die Erklärung rückwärts rescindiert
werden. Ob das eine oder das andere eintritt, ob durch die Anfechtung die rechtlichen Wirkungen auch Dritten gegenüber
beseitigt werden, oder ob nur eine persönliche Verpflichtung auf Wiederherstellung des frühern Zustandes begründet wird,
ist für die verschiedenen Fälle in den Gesetzen verschieden geregelt.
Auf dem Gebiete des Familienrechts wird von Anfechtung unter anderm gesprochen, wenn es sich um
die Verleugnung der Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes seitens des Ehemannes der Mutter handelt (s. auch Anerkennung).
Streitig ist für das Gemeine Recht, ob die Anfechtung nur dem Ehemanne zusteht oder auch andern, oder letztern
nur, wenn der Ehemann verstorben ist, bevor er das Recht geltend machen konnte. Nach dem Urteil des Deutschen Reichsgerichts
(Bolze, Praxis, Bd. 4, 893) darf auch das in der Ehe geborene Kind seine eigene Abstammung von dem Ehemanne anfechten; ob dies
nach Preuß.
Allg. Landrecht gestattet ist, darüber wird gestritten. Das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1774 fg.
giebt jedem, welcher ein Interesse daran hat, diese Befugnis. Im Gemeinen Rechte wird überwiegend angenommen, daß die Ehelichkeit
nur in gewissen Fällen damit allein angefochten werden kann, daß der Beweis unternommen wird, eine Beiwohnung unter den
Ehegatten habe in der Empfängniszeit nicht stattgefunden (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts, Bd.
12, S. 165 fg.); das Preuß.
Allg. Landr. II, 2, §. 2 und das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 1772 lassen den Beweis der Nichtbeiwohnung zu (das erstere
verlangt den überzeugenden Nachweis); das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 159 und für gewöhnliche Fälle das Gemeine Recht
verlangen den Beweis der Unmöglichkeit der von dem Ehemanne erfolgten Zeugung. Der Code civil und das Badische
Landr. Art. 312, 313 erfordern, abgesehen von dem Falle des Ehebruches der Ehefrau, den Nachweis, daß es dem Ehemanne wegen
Entfernung oder irgend eines Zufalles unmöglich war, der Frau beizuwohnen. - Eine Mehrzahl der Gesetze
erklärt das Zeugnis der Mutter für unerheblich und auch den bewiesenen Ehebruch für nicht beachtlich. - Verschieden bestimmen
die geltenden Rechte in Ansehung der Berücksichtigung der Reife des Kindes; meist sprechen sie sich verneinend aus; das Preuß.
Allg. Landr. II, 2, §. 21 macht eine
Ausnahme wegen des nach dem Tode des Ehemannes geborenen Kindes.
Das Preuß. Allg. Landr. II, 2, §§. 2, 3 legt Gewicht auf das dargethane Zeugungsunvermögen des Ehemannes, der Code civil
Art. 313 leugnet geradezu, daß dieses zu beachten sei, jedoch ist dessen Auslegung nicht unbestritten. Die Anerkennung seitens
des Ehemannes kann gleichfalls angefochten werden (s. Anerkennung). Angefochten werden kann ferner die
Annahme an Kindesstatt sowie deren Aufhebung. Das geltende Recht schweigt überwiegend hierüber und auch über die Anfechtung derjenigen
Erklärungen, auf Grund deren die Ehelichkeitserklärung erfolgt ist.
Weiter ist von hervorragender Bedeutung die der Ehe. Es handelt sich um diejenigen Fälle, in welchen bestimmten
Personen das ausschließliche Recht zusteht, auf Ungültigkeitserklärung der Ehe anzutragen. Das geltende Recht spricht in solchen
Fällen nicht von Anfechtbarkeit, sondern von Ungültigkeit oder Nichtigkeit auf Antrag; indessen geht es zumeist davon aus,
daß eine solche Ehe dann gültig werde, wenn das Recht desjenigen, welcher die Ungültigkeit geltend machen kann,
wegfällt.
Vgl. z. B. Preuß. Allg.
Landr. II, 1, §§. 933, 934, 950-952, 973-975; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1020-1620;
Code civil Art. 180 fg., u. a. Die Anfechtungsgründe sind verschieden bestimmt. In Betracht
kommen vorzugsweise Zwang (Drohung), Betrug, Irrtum, namentlich Verhehlung persönlicher Eigenschaften, Impotenz, Eheunmündigkeit,
mangelnde Einwilligung derjenigen, welche einzuwilligen haben, Ehe mit dem Vormunde u. dgl. In der Regel
hat die durchgeführte Anfechtung zur Folge, daß die Ehe als nicht geschlossen gilt; nur vereinzelt wirkt die Anfechtung wie die Ehescheidung.
Das Recht zur Anfechtung pflegt nach dem geltenden Rechte nur demjenigen Ehegatten selbst zuzustehen, in dessen Person der Grund der Anfechtung liegt,
gebunden an eine gewisse Frist und mit Heilbarkeit durch Genehmigung. Nach dem Preuß. Allg. Landr. II, 1, §§. 978 fg. kann
der Vater, dessen Einwilligung erforderlich war, auch selbst die Ehe als ungültig anfechten. Nach dem Code civil Art. 182, 183 steht
überhaupt ein Anfechtungsrecht denjenigen zu, deren Einwilligung erforderlich war, ebenso nach dem Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 96, dem bad. Gesetz vom 9. Dez. 1875 und dem sächs.
Gesetz vom 5. Nov. 1875, sowie nach dem schweiz. Bundesgesetz vom 24. Dez. 1874. Wegen der großen
Verschiedenheit des geltenden Rechts in dieser Beziehung wird auf die Motive zum Entwürfe eines Bürgerl.
Gesetzb. Bd. 4, S. 44 fg., 71 fg. hingewiesen.
Im Gebiete des Erbrechts findet die Anfechtung vielfache Anwendung. Hierher gehören: anfechtung. Die Anfechtung letztwilliger
Verfügungen wegen eines Willensfehlers. Für das Gemeine Recht wird bei Willensfehlern oder doch einigen derselben, häufig,
wenn nicht meist, Nichtigkeit angenommen, so auch im Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 2078, 2079, nach
Preuß. Allg. Landr. hingegen zumeist Anfechtbarkeit, vgl. I, 12, §§. 23-25. Für das
Österr. Bürgerl. Gesetzbuch wird bei Zwang und Betrug Nichtigkeit angenommen, §§. 570-572, im Falle des Irrtums wohl Anfechtbarkeit.
Für den Code civil dürfte (vgl. Art. 1117 mit Art. 90) Anfechtung anzunehmen
sein. Das Badische Landrecht scheint nach den Sätzen 901a bis 901d Nichtigkeit gewollt zu haben (901b «vernichtet den letzten
Willen»). Der besondere Fall der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten hat in den geltenden Rechten eine sehr
mehr
verschiedenartige Regelung erfahren. Im Falle der nachfolgenden Geburt eines Noterben tritt im Gemeinen Rechte Nichtigkeit ein,
während die irrtümliche Übergehung so geregelt ist, daß der Übergangene als Miterbe eintritt, die Erbeinsetzung eines
Fremden (extraneus) aber beseitigt wird. Der Code civil behandelt den Fall von dem Gesichtspunkte des Noterbenrechts. Das Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §§. 2600, 2601 giebt dem Übergangenen eine Anfechtung, soweit er im Pflichtteile verletzt
ist, im Falle späterer Geburt oder späterer Entstehung seines Rechts Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil. - Das Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §§. 776 fg. nimmt eine besondere Stellung ein. Das Preuß. Allg. Landrecht legt Gewicht darauf,
ob der Erblasser noch ein Jahr seit der Geburt des übergangenen oder nach erlangter Kenntnis von dessen Vorhandensein gelebt
hat und stirbt, ohne seine Verfügung geändert zu haben. Stirbt er vor Ablauf der Frist, so ist die ganze Verfügung hinfällig,
andernfalls erhält der Ubergangene so viel wie der letztwillig Mindestbedachte, II, 2, §§. 450-455;
II, 1, §. 444; I, 12, §§. 601, 647. - Wegen des Deutschen Entwurfs vgl. dessen §§. 1780 fg., Motive V, 47 fg. b. Die der
Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft.
Das Gemeine Recht giebt gegen die erzwungene Annahme der Erbschaft Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,
im Falle des Betruges wird eine Anfechtung für nicht zulässig gehalten. In Ansehung der Ausschlagung wird Nichtigkeit behauptet,
falls nur der Ausschlagende nicht an die Wirksamkeit glaubt oder die Wirksamkeit bezweifelt. Die neuern Gesetze schweigen
zumeist über die Anfechtung. Soweit sie ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Erklärung bestimmen, wird von
manchen gefolgert, die Anfechtung auch wegen Zwanges und Betruges sei ausgeschlossen. - Wegen des Deutschen Entwurfs vgl. dessen §§.
2040, 2041, Motive V, 510 fg. c. Die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit.
Nach Gemeinem Rechte verliert der Erbunwürdige nur die Vorteile der Erbschaft, welche ihm entrissen werden; er bleibt Erbe.
Ihm folgen die meisten neuern Rechte, wenngleich in manchen Beziehungen abweichend, auch unter sich verschieden.
Vgl. z. B. Sächs. Bürgerl.
Gesetzb. §§. 2280, 2278 mit §§. 2259, 2261, andererseits Preuß. Allg. Landr. I, 12, §§. 599 fg.
(im Falle des §. 599 wird noch Verlust des Vorteils ohne Anfechtung angenommen, sogar in Ansehung des gesetzlichen
Erbteils, Reichsgerichtsentscheidung, Bd. IX, S. 285).
Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §§. 540-543, 819 nimmt insofern eine abweichende Stellung ein, als mit Ausnahme eines Falles
(wiederheiratende Witwe) der Verlust des Rechts kraft des Gesetzes eintritt; ihm schließt sich das württemb. Gesetz vom 5. Sept. 1839 an
in Ansehung derjenigen, welche wegen gewisser Verbrechen durch den Strafrichter verurteilt sind. Nach
dem Code civil Art. 727-729, 1046, 1047 gestaltet sich das Verhältnis ähnlich wie bei der Ausschlagung der Erbschaft. - Der
Deutsche Entwurf giebt eine Anfechtung, §§. 2046 fg., Motive V, 520 fg., dagegen tritt bei dem Vermächtnisse Wirkung
kraft des Gesetzes ein, §. 1874, Motive V, 189. d. Die Anfechtung des Verzichts auf das Inventarrecht.
Soweit das geltende Recht einen solchen Verzicht kennt, wird dasselbe gelten müssen, was unter d. gesagt ist. e. Die Anfechtung pflichtwidriger
Schenkungen, s. Pflichtwidrige Schenkung. f. Die von Rechtshandlungen
des Erben durch dessen Gläubiger, insbesondere der Ausschlagung desselben oder seines Verzichtes
auf das
Inventarrecht durch die Konkursgläubiger. Nach Gemeinem Rechte wird angenommen, eine solche Anfechtung sei nicht zulässig; auch
für das Sächs. Bürgerl.
Gesetzbuch leugnet Siebenhaar im Kommentar zum §. 2333 die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger. Der Bayrische Codex judicarius
c. 20, §. 17, Nr. 2 gewährte den Erbengläubigern ein Absonderungsrecht
im Konkurse wie außerhalb desselben, falls der Erbe gegen das ausdrückliche Verlangen der Gläubiger die Inventaraufnahme
unterlassen hat. Das Preuß. Allg. Landr. I, 16, §§. 507-511 und die Konkursordn. von 1855, §. 37 gewähren einen Schutz
durch ein gewisses Absonderungsrecht. Diese Vorschriften sind jedoch durch die Deutsche Konkursordnung
beseitigt. Die Motive der letztern zum §. 43, S. 223 verweisen die Erbengläubiger auf die der unbedingten Erbschaftsübernahme.
Wegen des Code civil (vgl. Art. 1167) bestehen Zweifel; für den Fall der Ausschlagung der Erbschaft giebt jedoch Art. 788 den
Gläubigern des Erben ein dort näher geregeltes Recht. g. Die der letztwilligen Verfügung auf Grund der
Verletzung des Pflichtteils durch zu geringe Zuwendung an den Pflichtteilberechtigten (s. Pflichtteil).
Um eine Rechtshilfe ganz besonderer Art handelt es sich bei der Anfechtung im engern Sinne, durch welche der Verkürzung der Gläubiger
entgegengetreten werden soll. Infolge dieser Anfechtung wird gewissen Rechtshandlungen ihre Wirkung
gegenüber allen Gläubigern oder doch einem bestimmten Gläubiger entzogen und wird derjenige, der infolge, der anfechtbaren
Handlung einen Vorteil erlangt hat, zur Herausgabe («Rückgewähr») desjenigen verpflichtet,
was durch diese Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist.
Durch eine erfolgreiche Anfechtung dieser Art wird die Gültigkeit der angefochtenen Handlung nicht berührt.
Diese behält für das Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem andern Vertragschließenden (dem Empfänger der Leistung),
gegen den sich die Anfechtung richtet und der deshalb auch als Anfechtungsgegner bezeichnet wird, sowie im Verhältnis
zu dritten Personen ihre Kraft. Nur insoweit wird der anfechtbaren Handlung die rechtliche Wirkung entzogen,
als sie dem Konkursverwalter und dem einzelnen Gläubiger, der eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben will,
nicht entgegengehalten werden darf, also auch die Befriedigung der Gläubiger nicht verhindern kann.
Der Schwerpunkt der Einrichtung liegt in dem aus der erfolgreichen Anfechtung entspringenden (obligatorischen)
Anspruch auf Rückgewähr, d. h. auf Herausgabe der Gegenstände, welche aus dem Vermögen
des Schuldners herausgekommen sind, an deren Stelle, falls diese Gegenstände nicht mehr vorhanden sind, der Ersatz des Wertes
tritt. Im Deutschen Reich ist die erwähnte Anfechtung durch die Konkursordnung (§§. 22-34) und das Reichsgesetz vom 21. Juli 1879,
betr. die von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, einheitlich
geregelt. Nach beiden Gesetzen ist die Anfechtung gestattet, wenn der Schuldner in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen,
gehandelt und der Empfänger von dieser Absicht Kenntnis gehabt hat, was in gewissen Fällen bis zum Beweise des Gegenteils
anzunehmen ist, ferner, wenn in den letzten Jahren vor der Konkurseröffnung oder der Rechtshängigkeit
des Anfechtungsanspruches vom Schuldner eine unentgeltliche Verfügung vorgenommen wurde. Die