Titel
Aneurysma
(grch.) oder Pulsadergeschwulst (Arteriectasia), Bezeichnung für die krankhafte Erweiterung einer Arterie. [* 2] Man unterscheidet fünf Arten von Aneurysmen:
1) das echte oder wahre Aneurysma
(Aneurysma verum), bei dem irgend eine
Stelle einer Pulsader in allen ihren
Häuten
erweitert ist; hierbei kann die Erweiterung den ganzen Ringumfang der
Arterie eine
Strecke weit betreffen (cylindrisches und
spindelförmiges Aneurysma
) oder nur eine Seite (sackartiges Aneurysma); 2) das unechte, falsche oder
traumatische Aneurysma
(Aneurysma spurium), wenn sämtliche Arterienhäute zerrissen sind und ein
Austritt von
Blut das benachbarte
Zellgewebe sackförmig ausdehnt (die häufigste Art);
3) das zusammengesetzte Aneurysma
(Aneurysma mixtum), wenn einzelne
Häute der
Arterie verletzt sind und die unverletzte
Haut
[* 3] derselben
(z. B. die innere) durch die entstandene Öffnung sich herausdrängt und einen Sack bildet;
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4) das variköse Aneurysma (Aneurysma varicosum), wenn bei einem Aderlaß die Vene ganz durchschlagen und die obere Seite einer unter ihr liegenden Arterie durchschnitten wird, wodurch nun das Blut aus derselben in die Vene dringt;
5) das diffuse Aneurysma (Aneurysma cirsoideum), wenn ein ganzer Arterienbezirk erweitert ist; bei der letztern Form findet zugleich eine starke Schlängelung der Arterien statt. Am häufigsten ist das diffuse Aneurysma an den Arterien des Hinterhaupts.
Die Aneurysmen sind häufig an großen Arterienstämmen, besonders in der Nähe des Herzens, an dem Bogen [* 5] der Aorta (innere Aneurysmen) und an den äußern Gliedern, z. B. in der Kniekehle und an den Rippen, wo die Arterien durch Ausdehnung [* 6] und heftige Bewegungen, Anstrengungen des Körpers, Stoßen, Fallen [* 7] und Quetschungen öftern Verletzungen ausgesetzt sind. Am häufigsten entstehen die Aneurysmen durch Krankheit der Arterienhäute, indem diese entarten und dadurch ihre Festigkeit [* 8] und Spannkraft verlieren. (S. Arterienentzündung.) Auffallend ist die Häufigkeit der Aneurysmm, namentlich der Kniekehlenarterie, in England, speciell bei den männlichen Bedienten, welche dort oft halbe Tage lang hinten auf der herrschaftlichen Karosse stehen. Die innern Aneurysmen sind schwer und nur durch physik. Diagnostik zu erkennen. Durch den fortwährenden Druck, welchen die Aneurysmen auf die umgebenden Teile ausüben, veranlassen sie Schwinden selbst knöcherner Teile, seltener Entzündung, Verschwärung oder Brand derselben; die hauptsächlichste Gefahr besteht aber darin, daß sie zuletzt platzen und tödliche Verblutung bewirken können.
Wenn man unter der Heilung eines Aneurysma die Verödung der abnormen Erweiterung versteht, so kann eine solche von selbst eintreten, wenn nämlich aus irgendwelchem Grunde das Blut in derselben zur Gerinnung kommt, so daß die Arterie an der kranken Stelle verstopft und eine weitere Ausdehnung ihrer Wand unmöglich wird. Die künstliche Heilung kann entweder ebenfalls durch Herbeiführung einer solchen Gerinnung, oder durch Unterbindung der Arterie nach verschiedenen Operationsmethoden, oder durch vollständige Zerstörung des Aneurysmasacks und gleichzeitige Unterbindung der Arterie erzielt werden. Um Gerinnung des Blutes im A. zu veranlassen, bedient man sich entweder der anhaltenden Zusammenpressung der kranken Arterie oder des ganzen Gliedes, um auf diese Weise den Lauf des Blutes zu hemmen und durch die langsamere Bewegung desselben sein Gerinnen im A. zu begünstigen, oder man wendet die sog. Elektropunktur an, d. h. man leitet durch Nadeln [* 9] einen galvanischen Strom durch das Aneurysma, wobei sich das Blut gerinnend niederschlägt, oder man spritzt tropfenweise eine Flüssigkeit (Eisenchlorid) in den Aneurysmasack, welche schnell eine Gerinnung des Blutes zur Folge hat. Führen diese Methoden nicht zur Heilung, so unterbindet man die Arterie ober- und unterhalb des Aneurysma, spaltet den Aneurysmasack, entfernt die Blutgerinnsel in ihm und überläßt die Ausstoßung des Sacks der Eiterung. -
Vgl. Broca, Des aneurysmes et de leur traitement (Par. 1856);
Holmes, Lectures on the surgical treatment of aneurism in its various form (in der Zeitschrift «Lancet», 1872-75);
Neudörfer, Entstehung und Behandlung der Aneurysmen (Wien [* 10] 1894).