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über die
Ziffern der in
Frankreich lebenden An- archisten hat jüngst der Parifcr «^i^ai-o»
angeblich aus authentifcher
Quelle
[* 3] einige
Daten veröffentlicht. Danach kennt die Sicherheitspolizei in
Frankreich etwa 2000 Anarchisten
(500 Franzofen und 1500
Ausländer). Das Hauptkontingent dieser fremden Anarchisten sollen die
Italiener bilden (45 Proz.),
dann folgen
Schweizer, Deutfche,
Nüssen u. a. In
Deutschland
[* 4] hat der Anerbe
jetzt eine ebenso geringe Bedeutung
wie früher; einzelne früher socialdemo- kratisch Gesinnte haben als sog. «Unabhängige»
die Verbreitung anarchistischerIdeen übernommen, ohne nennenswerten
Anhang gefunden zu haben; ihr Organ ist der in
Berlin
[* 5] erscheinende
«Socialist». In
Belgien
[* 6] (namentlich
Lüttich),
[* 7] in
Spanien,
[* 8] wo
Barcelona
[* 9] ein Hauptherd des Anerbe
ist,
und in
Italien
[* 10] verlief die anarchistische
Bewegung der letzten Jahre gleichmäßiger; erst eine Zeit lang lebhafte Agitation
und rascher Aufschwung der
Presse
[* 11] und der Partei- organisation, dann eine Neihe von
Attentaten nebst Dynamitexplosionen und
schließlich schärfste Reak- tion der bedrohten Gesellschaft, die zu harten Aus- nahmegcfetzcn und zur
völligen Lahmlegung der an- archistifchen Agitation führte. In
Amerika
[* 12] geht seit dem Cbicagoer Vombenatten- tat (1886) die
anarchistische Strömung stetig zurück, und der Hauptführer der
Bewegung,
Most, hat feinen Einfluß fast ganz verloren; indessen
hat der fried- liche, philofophifche der auf Proudhons
Theorie zurückgeht, eine gewisse Bedeutung erlangt;
der geistige Führer dieser anarchistischen Sekte ist Iosiah Tucker, der die Zeitschrist «I^idert^»
herausgiebt.
Neuerdings haben anarchistische Ideen auch unter den armenischen Revolutionären Anklang gefunden, die 1896 durch verfchiedene Putfche in Konstantinopel, [* 13] wobei sie nach anarchistischer Weise mit Dynamit- bomben operierten, die Großmächte zu einem Ein- schreiten gegen das Osmanische Reich zu veranlassen suchten, dadurch aber nur die Wut des mohammed. Pöbels anstachelten und schreckliche Metzeleien ver- anlaßten. (S. Armenien und Osmanisches Reich.) [* 14] Ein gegen die Königin Victoria [* 15] und den Zaren Nikolaus 11. gelegentlich seines Besuchs in England (Sept. 1896) geplantes anarchistisches Attentat wurde durch die engl. Polizeibehörden verhindert.
Eine schärfere Scheidung zwischen Anarchisten und Socialisten hat fich namentlich in den letzten Jahren vollzogen, was sich in dem Ausschluß der Anarchisten von den Internationalen Arbeiter- kongressen (s. d.), die allerdings erst nach harten Kämpfen erfolgte, dokumentierte.
Vgl.
Zenker, Der Anerbe
, Kritik und Geschichte der anarchistischen
Theorie
(Jena
[* 16] 1895).
Stammler, Die
Theorie des Anerbe
(Berl. 1894), behandelt den Anerbe
vom rechtsphilof. Standpunkte
aus. Ferner vgl. Dubois, I^s M-ii HnarokiZw (Par. 1894; deutsch Amstcrd.
1894);
Lombroso, Die Anarchisten (deutsch Hamb. 1895);
Plechanow,
Socialismus und Anerbe
(Berl. 1894);
Tucker,
Staatssocialismus
und Anerbe
(ebd. 1895). Anastigmatlinsen, s. Linsenkombinationen.
Anatolische Eisenbahnen, s.
Osmanisches
Reich.
«Anderledy,
Antonius, starb in Fiesole. Sein Nachfolger wurde der span. Pater Luis Martin
(s. d., Bd. 11).
*Andlau,
Gaston
Joseph
Hardouin,
Graf, starb im Jan. 1892 in Neuorleans.
"Andlaw, altes deutfches Adelsgefchlecht.
Graf
Otto von
Anerbe
(geb. starb ihm folgte sein Sohn
Graf Camill von Anerbe
, geb.
großherzoglich
bad. Kammer- herr und^berbofmarfchall.
Andrade, Francisco d', portug. Sänger
(Bari- ton), geb. zu Lissabon,
[* 17] trieb in Mai- land Gesangsstudien bei Miraglia
und Ronconi und trat zum erstenmal 1882 in
San Remo als Sänger vor die Öffentlichkeit. Seitdem machte er
Gastreifen in die Hauptstädte von
Italien, England,
Portugal,
Spanien,
Rußland,
Deutschland,
Österreich-Ungarn,
[* 18]
Schweden,
[* 19]
Holland
und der
Schweiz.
[* 20] Sowohl als
Opern- wie als Konzertsänger hat Anerbe
große Erfolge gehabt. Zu seinen besten Leistungen gehört
die
Titel- rolle in
Mozarts
«Don Juan».
Andrässy, Julius, Graf, ungar. Staatsmann, geb. als Sohn des Grafen Julius Andrässy (s.d., Bd. 1), betrat nach Beendigung seiner Studien die diplomat. Laufbahn und wirkte als Attache bei den österr.-ungar. Botschaften in Kon- stantinopel und Berlin. 1884 entsendete ihn der Wahlbezirk Cfik-Szcnt-Märton in den Reichstag, wo er sich, getreu den Traditionen feiner Familie, der liberalen Partei anfchloß und sich anläßlich der kirchcnpolit. Kämpfe mit Feuereifer für die liberalen Reformen einfetzte. 1892 wurde er zum Staats- fekretär im Ministerium des Innern ernannt, welche Stellung er im Juni 1894 mit derjenigen des Mi- nisters am königl. Hoflager vertaufchte.
Beim Rück- tritt des
Kabinetts
Wekerle im Jan. 1895 nahm auch Anerbe
feine Entlassung; seither ist er im ungar.
Reichs- tag Abgeordneter des 6.
Bezirks von
Budapest.
[* 21]
«"Anerbe. Das frühere
Anerben- oder Höferecht ist ein durch den Willen
der Beteiligten unabänder- liches, gesetzlich gegebenes (obligatorisches), beson- deres bäuerliches
Erbrecht. Nach modernem
Recht kann das
Anerbenrecht auch nur ein fakultatives sein, d. h. die Ancrbengutseigenschaft
für den einzelnen
Hof
[* 22] erst durch Eintrag in eine Höferolle oder in das Grundbuch begründet werden (s. Höferecht,
Bd. 9); dann ist es auch bei andern als bäuerlichen
Gütern möglich (so in
Österreich
[* 23] bei
«Höfen mittlerer
Größe» fchlechthin),
und endlich ist die Testamentsfreiheit des Eigentümers gewahrt, das Anerbe
nrccht nur Intestaterbrecht.
Das Intestaterbrecht ist entweder direktes oder indirektes Anerbcnrccht. Im erstern Falle findet Anerbenrecht statt, sobald der Eigen- tümer nicht von Todes wegen (letztwillig) anders verfügt hat, im letztern findet es nur statt, wenn der Eigentümer die Besitzung nicht in eine Ausschluß, rolle (Register der vom Anerbenrecht ausgeschlosse- nen Güter) bat eintragen lassen. Anerbenrecht in Form des obligatorischen, direkten Intestaterbrcchts entspricht den Gegenden Deutschlands, [* 24] wo vertrags- müßige oder testamentarische Übernahme des bäuer- lichen Anwesens durch einen der Erben üblich^ist, was in dem größten Teile Deutschlands der Fall ist (im rechtsrhein. Bayern [* 25] zu sieben Achteln).
Sonst, also insbesondere da, wo Naturalteilung unter mehrere
Erben als Regel gilt (in der größeren Hälfte
der Rheinprovinz,
[* 26] einem
Teile
Thüringens und Südwestdeutfchlands und in den poln.
Teilen Ober- schlesiens), ist nur gesetzliches
oder noch besser nur fakultatives, d. h. von Eintragung abhängiges, in- direktes Intestatanerbe
nrecht
angezeigt. Viel An- wendung wird das
Anerbenrecht als Intestaterbrecht nie finden, weil es unter den
Bauern
sehr üblich ist, bei Lebzeiten das Gut zu übergeben. Auch, wo
Übergabe an einen
Erben bäuerliche
Sitte ist, sträubt man
sich gegen direktes Intestatanerbenrecht.
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