Titel
Ancona.
[* 1]
1)
Provinz und
Kreis
[* 3] in Mittelitalien, in den
Marken, grenzt im O. an das
Adriatische Meer, im N. an die
Provinz
Pesaro-Urbino,
im
W. an
Perugia, im
S. an Macerata und hat 1907 qkm (nach Strelbitskij 2040 qkm), (1881) 267 338 E.
mit 51 Gemeinden. Die
Provinz ist ein wein- und ölreiches Hügelküstenland, welches nach Westen zu den
Höhen des
Apennin
allmählich ansteigt und von den
Flüssen Misa, Esino und Musone westöstlich durchschnitten wird. Neben Getreide-, Obst-
und
Weinbau finden sich Seidenkultur und
-Spinnerei, Seilerwaren- und Papierfabrikalion, Viehzucht,
[* 4]
Schiffbau
und Schiffahrt. Neben der Küstenbahn
Bologna-Ancona-Otranto geht die Linie Ancona
-Foligno-Orte durch das Gebiet. - 2) Hauptstadt
der
Provinz und nach
Venedig
[* 5] die wichtigste Seestadt am
Adriatischen
Meere, steigt amphitheatralisch am nordöstl.
Vorgebirge
(Monte-Conero 572 m) der adriatischen
Küste
auf und gewährt von der See aus einen malerischen Anblick, ist
Sitz eines
Bischofs, eines Appellationsgerichts, der Provinzialbehörden, der Kommandos des 7.
Armeekorps, der 13. Division
und der Infanteriebrigade «Friuli» und hat (1881) 31 277,
als Gemeinde 47 729, (1891) 55000 E.,darunter über 6000 Israeliten, in Garnison das 88.
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Infanterieregiment, 1., 7., 8., 12. bis 16. Compagnie des 25. Festungs-Artillerieregiments, Seehandel, Schifffahrt, Schiffbau, Fabrikation von Seidenwaren, Segeltuch und Papier. Die Stadt ist schlecht und eng gebaut, in neuester Zeit jedoch durch Anlagen breiter Straßen vom Hafen aus vielfach verschönert. Auf dem schonen, von Trajan erbauten Molo (650 m lang) befindet sich der 115 n. Chr. errichtete, 14 m hohe Triumphbogen Trajans aus weißem Marmor, während der neue Molo einen plumpen Bogen [* 7] (Arco Clementino) aus Backsteinen trägt zu Ehren des Papstes Clemens XII., der die Stadt 1732 mit Hafenanlagen und Festungswerken umgab.
Auch verdienen Erwähnung die Kathedrale San Ciriaco, in Form eines griech. Kreuzes, aus dem 11. und 12. Jahrh., an der Stelle eines Tempels der Venus Marina, mit dem prächtigen Sarkophag [* 8] des Titus Gorgonius, Prätors von in der Krypta, die Kirche Sta. Maria della Piazza mit reicher Façade aus dem 13. Jahrh., das schöne, reiche Portal (1456) von Sant' Agostino, einer 1338 errichteten Kirche, die Kirche San Domenico (von 1470, 1788 erneuert), die prächtige spätgotische, 1443 begonnene Börse (mit Fresken von Tidaldi, 1557) und San Francesco delle Scale, jetzt Bürgerhospital, mit herrlichem spätgot.
Portal von 1455, ferner das um 1270 erbaute Stadthaus. Ancona
besitzt einen schönen, seit alter Zeit gerühmten
Hafen mit 8 m Tiefgang, der 1732 zum Freihafen erklärt wurde. Durch Versandung desselben unter der päpstl. Regierung sank
der einst blühende Handel des Platzes nach dem Orient und dem ganzen Mittelmeer. Seit 1860 hat die ital. Regierung die Wiederherstellung
der Hafenanlagen mit Erfolg betrieben, die Befestigungswerke verstärkt und Ancona
zum Kriegshafen
und zur Flottenstation für die adriatischen Küsten erhoben.
Kleinere Schiffe
[* 9] können jetzt direkt am Quai laden und löschen. Der Schiffsverkehr betrug 1888: 2192 Schiffe mit 842 135 t,
darunter 846 Dampfer mit 782 607 t. Unter den Dampfschiffverbindungen A.s mit Griechenland
[* 10] und der Levante sind hervorzuheben
die Linien Triest-Konstantinopel und Triest-Alexandria, die beide einmal wöchentlich Ancona
anlaufen; ferner
die Linie von Genua,
[* 11] welche die meisten ital. Häfen berührt, und eine Verbindung mit Liverpool.
[* 12] Ancona
wird regelmäßig angelaufen
von den Dampfern der Navigatione Generale Italiana, der Peninsular and Oriental Company und des Österreichisch-Ungarischen
Lloyd. Ancona
liegt an den Eisenbahnlinien Ala-Ancona-Otranto (1022 km) und Ancona
-Foligno-Orte (213 km) des Adriatischen
Netzes.
Die Einfuhr besteht meist aus Stockfisch, Klippfisch, Kaffee (via Deutschland),
[* 13] Eisen
[* 14] u. s. w.; Weizen (aus Rußland, 1887: 10000 Quintal),
Rohzucker (aus Rußland, 1891: 13 365 395 kg), Holzkohlen (aus Österreich-Ungarn,
[* 15] 1888: 21 967 Quintal). Die Ausfuhr ist unbedeutend.
Konsulate haben in Ancona:
Argentinien, Belgien,
[* 16] Chile,
[* 17] Columbia,
[* 18] Costa-Rica (Generalkonsulat), Dänemark,
[* 19] Deutsches Reich
(für die Provinzen Pesaro-Urbino, Ancona
, Macerata, Ascoli, Teramo, Chieti), Ecuador,
[* 20] Guatemala,
[* 21] Niederlande,
[* 22] Österreich-Ungarn, Paraguay,
Peru, Portugal,
[* 23] San Marino, Schweiz,
[* 24] Türkei,
[* 25] Uruguay und Venezuela.
Geschichte. Ancona
, das einstige Ancona Dorica (Ankón, «Ellbogen»,
von seiner Lage genannt), durch Syrakusaner 380 v. Chr. als die einzige griech. Stadt in Mittelitalien
gegründet, kam 268 an die Römer
[* 26] und ward im 1. Jahrh. v. Chr. röm. Kolonie und Flottenstation gegen die Illyrier. Trajan erweiterte
den Hafen der durch
Handel und Gewerbe (Purpurfärberei) bedeutenden Stadt; unter oström. Herrschaft wurde Ancona vom Gotenkönig
Totila erobert, aber von Belisar 551 zurückgewonnen.
Die Langobarden, die es 592 eingenommen, nötigte Pippin, die Stadt an den Papst abzutreten. Nachdem Ancona sich 1143 wieder der Schutzherrschaft Ostroms unterstellt hatte, wurde es 1167 von Friedrich Barbarossa, 1174 von Rainald von Dassel und den Venetianern vergeblich belagert. Durch den Frieden zu Konstanz [* 27] 1183 von Byzanz losgelöst, ward es Hauptstadt der dem Papst lehnsunterthänigen Mark Ancona. Dann kam es unter die Schutzherrschaft Karls von Anjou, von dem es die drei Lilien [* 28] im Wappen [* 29] führt. Es hatte in der Folge wiederholt mit Venedig und den benachbarten Welfenstädten zu kämpfen.
Nach der Pest 1348 und einem verheerenden Brande machten sich die Malatesta zu Herren über Ancona, wurden aber schon 1353 von Fra Monreale niedergeworfen und Ancona durch Albornoz 1357 dem Kirchenstaat einverleibt. 1383 wieder selbständig geworden, wurde es 1443 durch Francesco Sforza vorübergehend zur Lehnsunterthänigkeit gezwungen. 1532 brachte es L. Gonzaga durch Verrat an den Kirchenstaat, bei dem es, durch eine Citadelle befestigt, fortan blieb. Clemens XII. suchte vergeblich 1732 durch kostspielige Hafenbauten Ancona zu einem bedeutenden Handelsplatz zu machen. Im Frieden zu Tolentino von Pius VII. abgetreten und zur Republik erklärt, mußte es sich den Österreichern ergeben. 1805 von den Franzosen wieder besetzt, kam Ancona 1808 an das Königreich Italien [* 30] und wurde 1815, nach Schleifung der Festungswerke durch die Österreicher, an den Kirchenstaat zurückgegeben. 1849 drangen die Österreicher in die Marken ein und zwangen das von Aufständischen besetzte Ancona nach einem heftigen Bombardement (24. Mai bis 19. Juni) zur Kapitulation. Seitdem hielten sie es besetzt, gaben es aber 1859 nach der Schlacht von Magenta auf. Nach dem Siege der Piemontesen bei Castelfidardo warf sich Lamoricière mit dem Rest des päpstl. Heers nach Ancona, mußte sich aber nach zweitägiger Beschießung 29. Sept. ergeben. Mit Umbrien und den Marken wurde auch Ancona dem Königreich Italien einverleibt. -
Vgl. Tenckhoff, Der Kampf der Hohenstaufen um die Mark Ancona (Paderb. 1893).