Anaximándros
,
griech. Philosoph der ionischen Schule, angeblich der nächste Schüler des Thales, war 611 zu Milet geboren und starb nach 547 v. Chr. Er ging wie sein Lehrer von der Annahme eines Grundstoffs aus, aus welchem alles entstehe, und in welcher es wieder zurückkehre, betrachtete aber nicht wie dieser eins (das Wasser) der vier sinnenfälligen Elemente (Wasser, Luft, Feuer und Erde) als solchen, sondern die allem Sinnenfälligen zwar zu Grunde liegende, selbst aber nicht sinnenfällige Urmaterie, welche er, weil sie ihrer Beschaffenheit nach unbestimmt, ihrer Ausdehnung [* 2] nach unendlich gedacht werden müsse, apeiron (»das Unbegrenzte«) nannte. Aus derselben geht das Begrenzte, d. h. sowohl seiner Beschaffenheit ¶
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als seiner Ausdehnung nach Bestimmte (die Welt der besondern Naturdinge),
durch Aussonderung der elementaren Gegensätze des
Warmen und Kalten, des Feuchten und Trocknen vermöge der ewigen demselben innewohnenden Bewegung hervor, und in dieselbe kehrt
es »nach der Ordnung der Zeit« zurück, so daß eine endlose Aufeinanderfolge entstehender und vergehender Weltbildungen
sich ergibt. Zu erwähnen ist noch, daß sich bei Anaximándros
die erste Erwähnung einer elternlosen Zeugung findet, indem die Erde
lebende, aus Wasserblasen hervorgehende Wesen gebiert.
Auch der Mensch ist ihm zufolge aus dem Tier hervorgewachsen, bewohnte anfangs in Fischgestalt das Wasser und ging später aufs
Trockne über, wo er zur menschlichen Form ausreifte. Des Anaximándros
Schrift »Über die Natur«, angeblich die erste
philosophische der griechischen Litteratur, ist bis auf sehr dürftige Bruchstücke verloren.
Vgl. Schleiermacher, über die
Lehre
[* 4] des Anaximándros
(Berl. 1815);
Michelis, De Anaximandri
infinito (1874);
Teichmüller, Studien zur Geschichte der Begriffe (Berl. 1876);