Anamorphōse
absichtlich verzerrte Abbildung eines Gegenstands, die, von einem gewissen
Punkt aus oder mittels gekrümmter
Spiegel
[* 2] oder
Gläser betrachtet, in richtigen Verhältnissen erscheint. Die optischen Anamorphosen
bedingen einen bestimmten
Standpunkt, von wo aus sie gesehen werden müssen; z. B.
Figuren, die, in der
Nähe betrachtet, ohne Zusammenhang stehen, reihen
sich, aus einiger
Entfernung gesehen, zu Namenszügen, Wörtern u. dgl.
zusammen, oder mehrere ganz verschiedene
Bilder, in
Streifen geschnitten und auf dreiseitige Prismen
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mehr
geklebt, bewirken, daß man von der rechten oder linken Seite jedesmal ein andres Bild zu sehen glaubt. Katoptrische Anamorphosen
müssen in cylindrischen, konischen oder pyramidenförmigen Spiegeln betrachtet werden, um das wahre Bild zu zeigen, während
sie, mit bloßem Auge
[* 4] gesehen, als verzerrte Gestalten erscheinen. Leupold erfand für die Herstellung solcher
Bilder eine Maschine.
[* 5] Dioptrische Anamorphosen
zeigen, durch ein Polyeder
[* 6] (vieleckig geschliffenes Glas)
[* 7] besehen, regelmäßige
Bilder oder ganz andre, als ohne ein solches Glas zu sehen sind.
In der Botanik ist Anamorphose
oder rückschreitende Metamorphose (Hemmungsbildung) diejenige Mißbildung der Pflanzen, bei welcher Blattgebilde
der Blüte
[* 8] in die nächst niedrige Entwickelungsstufe zurückgegangen sind; so der Blumenblattkreis in
einen Kelch, oder die Fruchtblätter in Staubgefäße,
[* 9] oder (die häufigste Anamorphose
) Staubgefäße in Blumenblätter, wodurch die sogen.
gefüllten Blüten entstehen. Die Rückbildung kann noch weiter gehen, indem Blütenteile auf die Ausbildungsstufe grüner
Laubblätter zurücksinken, was man Verlaubung (Phyllodie) nennt.
Diese letztere Erscheinung gewinnt für die botanische Morphologie eine besondere Bedeutung deshalb, weil sie nicht nur beweist, daß selbst die eigentümlichst gestalteten Teile der Blüte, wie die Staubgefäße und die Griffel, wirkliche Blattgebilde sind, sondern auch nachweist, welchen Teilen des normalen Blattes diese Blütenorgane entsprechen (s. Metamorphose). Nehmen alle Blätter einer Blüte an der Rückbildung teil, so wird aus der Blüte eine Laubknospe (Vergrünung, Antholyse, chloranthia). Die umgekehrte Erscheinung ist die vorschreitende Metamorphose, bei welcher Blattorgane die Ausbildung einer höhern Stufe annehmen, wie die Umwandlung des Kelchs in die Blume, der Blumenblätter in Staubgefäße, der Staubgefäße in Fruchtblätter oder endlich ganzer Laubknospen in Blütenknospen.