des Gehirns durch narkotische und anästhetische Mittel. Trotz der Unempfindlichkeit eines Teils gegen Berührung können heftige
Schmerzen in dem gelähmten Glied
[* 4] vorhanden sein (Anaesthesia dolorosa), indem Reizungen des gelähmten Nervs oberhalb der
Lähmungsursache, z. B. durch Druck, stattfinden und die durch den Druck hervorgebrachten Empfindungen in die peripherischen
Teile, d. h. in die Nervenendigungen, verlegt werden. Je nach den Ursachen ist die Anästhesie ein schnell oder
langsam vorübergehender, oft aber auch ein bleibender und unheilbarer Zustand. Die Anästhesie ist als begleitende
Erscheinung bei den verschiedenen oben angeführten Krankheitszuständen selbstverständlich für sich niemals Gegenstand ärztlicher
Behandlung. Nur in Fällen, wo infolge von Quetschung eines Nervenstammes das Gefühl eines Teils nur langsam
zurückkehrt, sind leicht reizende Mittel, vor allen die Anwendung des Galvanismus,
[* 5] oft von gutem Erfolg.
(grch.) oder Unempfindlichkeit, in der Medizin derjenige Zustand der Empfindungsnerven, bei welchem diese
im ganzen oder in einzelnen Teilen unvermögend sind, äußere Eindrücke (Wärme,
[* 6] Druck, Licht,
[* 7] Schall
[* 8] u. s. w.) zur Empfindung zu bringen. Ein solcher Zustand kann zunächst dadurch bedingt
sein, daß die äußern Endapparate der Empfindungsnerven, welche sonst den Reiz zunächst aufnehmen, zerstört oder mehr
oder weniger unbrauchbar geworden, daß also z. B. die Netzhaut des Auges, oder die sog. Tastkörperchen
der Haut
[* 9] fehlen oder krankhaft verändert sind; oder zweitens dadurch, daß die Fasern der Empfindungsnerven nicht mehr im
stande sind, die in ihren äußern Endapparaten von außen her erweckten Erregungen bis zum Gehirn fortzuleiten, sei es, daß
sie durch mangelhafte Ernährung oder Einwirkung giftiger Substanz in ihrem ganzen Verlauf leitungsunfähig
geworden, oder sei es, daß nur an einer Stelle durch Druck auf die Faser oder Trennung derselben die Leitung unterbrochen
ist; oder endlich wird die Anästhesie dadurch bedingt, daß die Hirnteile, in welchen die von den Empfindungsfasern
zugeleitete Erregung zum Bewußtsein gebracht, d. h. in eine wirkliche Empfindung der äußern
Reize umgesetzt wird, zerstört oder derart verändert sind, daß sie keine Empfindungen mehr zu erzeugen vermögen.
Je nachdem die in den Nerven
[* 10] und deren äußern Endapparaten, oder im Gehirn oder im Rückenmark ihren Grund hat, nennt man
sie erstenfalls eine peripherische, letzternfalls eine centrale, je nachdem sie sämtliche Empfindungsnerven
oder nur einzelne derselben betrifft, eine allgemeine oder eine lokale, je nachdem das Empfindungsvermögen nur geschwächt
oder ganz aufgehoben ist, eine unvollkommene oder vollkommene. Je nach der Ursache ist die Anästhesie ein schnell oder langsam vorübergehender
oder ein dauernd unheilbarer Zustand.
Eine allgemeine und vollkommene Anästhesie aus centraler Ursache begleitet jede tiefe Ohnmacht und andere Zustände
völliger Bewußtlosigkeit, z.B. die verschiedenen künstlich hervorgerufenen Narkosen. Beispiele unvollkommener, peripherischer
Anästhesie sind die Unempfindlichkeit der Haut nach Einwirkung starker Kältegrade, nach starkem Schlage oder Drucke oder nach
einer
Quetschung der Haut; ebenso die Unempfindlichkeit der Haut beim sog. Einschlafen (s. d.) der
Glieder.
[* 11] An diese Beispiele alltäglicher und nicht eigentlich krankhaft zu nennender Anästhesie reihen sich nun zahlreiche auf
wirklichen Krankheiten beruhende.
Verschiedene Gehirn- und Rückenmarkskrankheiten können mehr oder weniger ausgebreitete der Hautnerven, des Augennerven (Blindheit),
des Hörnerven (Taubheit) u. s. w. veranlassen. Peripherische Anästhesie kommen vor infolge
von Geschwülsten, welche auf Nervenstämme drücken, sowie nach Durchschneidungen der Nervenstämme
bei Verwundungen. Dabei können in dem vollkommen anästhetischen Teile gleichzeitig die heftigsten Schmerzen wüten (Anaesthesia
dolorosa), wenn weiter aufwärts (näher dem Gehirn) von dem die Anästhesie erzeugenden Punkte den Nerven ein Reiz trifft, weil jede
schmerzerregende Einwirkung auf einen sensiblen Nerv in dessen periphere Ausbreitung verlegt wird. Anästhesie kommt
ferner vor bei Entzündungen der Nerven und infolge teilweise noch unbekannter Einflüsse (rheumatische Lähmungen) sowie endlich
bei einzelnen Vergiftungen (z. B. mit Blei,
[* 12] Opium und dessen Alkaloiden, Äther, Chloroform, Methylenbichlorid, Amylen, Stickstoffoxydul).
Diese Vergiftungen wirken teils peripherisch, teils central. Blei verursacht z. B. oft beschränkte, peripherisch begründete
Unempfindlichkeit der Haut; Opium wirkt nur central, ebenso im wesentlichen Schwefeläther und Chloroform. Diese Eigenschaft
benutzt man zur künstlichen Herstellung von Anästhesie (S. Anästhesieren.)
Die Behandlung besteht in spirituösen oder ätherischen Einreibungen, kalten Douchen, Massage, Elektrotherapie, auch in operativen
Eingriffen (Entfernung von drückenden Geschwülstenu. dgl.).