Amu
Darja (bei den Arabern Gihon, Dscheihun, der Oxus der Alten), südlicher Hauptstrom von Russisch-Turkistan, entspringt auf den Hochplateaus der Pamir und hat zwei Hauptquellflüsse: Aksu oder Murghab, der aus dem Pamirchurdsee (3975 m hoch) kommt, und Pandscha, der wieder aus einem südlichen Quellfluß, dem Wakhan (Ursprung im Rücken des Pamirchurd), und einem nördlichen (in 4321 m Höhe aus dem Pamirkulan oder Victoriasee entspringend) zusammenfließt. Bei Kila Wamar (71 ⅓° östl. L. v. Gr., 37° 50' nördl. Br.) in 2285 m Höhe vereinigen sich die beiden Flüsse und bilden von nun an den Amu Darja. Links nimmt der Amu Darja aus Badachschan die Kokscha (Kutscha) auf, rechts vom Alaigebirge den wasserreichen Surchab und aus der Hissarkette den gleichnamigen Fluß und schlägt nun statt seiner bis hierher verfolgten südwestlichen Richtung eine nordwestliche ein, die er bis zur Einmündung in den Aralsee beibehält. In diesem Teil seines Laufs wird der Amu Darja durch Zuflüsse nicht mehr verstärkt.
Bei Kadscha Sala, zwei Karawanenmärsche nordwestlich von Balch, beträgt die Breite des Amu Darja 752 m, die Tiefe 2-6 m. Von hier ab verändert der Fluß sehr häufig sein Bett; im Jahrhundert vor Mohammed begrub er eine Anzahl Städte, die an seinem Ufer lagen, unter seinen Fluten. Vor seiner Einmündung in den Aralsee spaltet er sich bei Nukus in mehrere miteinander verbundene Arme: Kuvansch Dscharma im O., Taldik im W., Tschan, später Ulkun Darja, in der Mitte. In diesem an 150 km langen Delta sind zahlreiche mit Schilf überwachsene Seen;
ein Netzwerk kleiner Kanäle von geringer Tiefe verteilt seine Wasser zur Berieselung der Felder.
Die Wassermasse des in seinem untersten Lauf beträgt 3000 cbm in der Sekunde (die des Rheins 2500, des Rhône 2800). Es sind noch deutliche Spuren vorhanden und liegen auch historische Beweise dafür vor, daß der Fluß sich früher (und zwar bis zum 16. Jahrh.) in das Kaspische Meer ergoß, und die eingehende Untersuchung aller ältern Nachrichten sowie der einheimischen Tradition und der orographischen Verhältnisse hat 1879 zu dem Ergebnis geführt, daß der Fluß durch menschliche Einwirkung vom Kaspisee abgelenkt worden ist und nicht durch eine Hebung der aralokaspischen Niederung. Es gilt jetzt russischerseits für möglich, den Amu Darja wieder ins Kaspische Meer zu leiten und damit für Rußland eine fahrbare Wasserstraße bis ins Herz seiner innerasiatischen Provinzen zu schaffen sowie die Turkmenensteppe längs des neuen Flußlaufs bewohnbar zu machen. Jetzt verteilen eine Anzahl künstlicher Kanäle die Fluten des zur Bewässerung über den überaus fruchtbaren Norden von Chiwa;
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nur durch sein Wasser werden die reichen Ernten dieses Landes erzielt. Mit Dampfern wurde der Fluß befahren von der Mündung 450 km aufwärts bis Koscha Sali. Durch den erfolgreichen Frühjahrsfeldzug gegen Chiwa 1873 sind die Russen Herren des untern Amu Darja geworden und haben in Petro-Alexandrowsk, am rechten Ufer, einen Hauptstützpunkt angelegt. Nach Durchführung der Grenzregulierung gegen Afghanistan erhält sicher auch ein Ort an der Nordwestbiegung des Flusses (bei Kodscha Saleh) eine russische Besatzung.