Amputation
(lat.), die kunstgemäße
Ablösung einzelner, nicht unbedingt zum Leben notwendiger
Glieder
[* 2] mittels chirurg.
Instrumente und zwar, sobald von der Entfernung einer Extremität die Rede ist, mit Durchtrennung des
Knochens in seiner Kontinuität
zum Unterschiede von der
Exartikulation (s. d.), bei welcher die Abtragung des
Gliedes in einem
Gelenke
geschieht. Diese beiden
Operationen werden übrigens in einzelnen Fällen auch miteinander in der
Weise verbunden, daß zuerst
die
Exartikulation in einem
Gelenke ausgeführt und dann das
Gelenkende des
Knochens abgesägt wird (z. B. die Amputation
des Oberschenkels
nach Gritti, des
Unterschenkels nach Syme und nach Pirogoff).
Die Amputation
muß unternommen werden, wenn das Leben durch ein örtliches
Leiden
[* 3] gefährdet ist, das sich nur
durch die Wegnahme des kranken
Teils beseitigen läßt. Sie kommt z. B. bei gänzlicher Zerschmetterung eines
Gliedes;
bei langwierigen, unheilbaren Eiterungen und Hohlgeschwüren mit Gängen, sog. Fisteln;
bei lebensgefährlichen Pulsadergeschwülsten, Knochengeschwüren und Knochenentzündungen;
beim kalten Brande;
bei krebsartigen Geschwülsten, deren Exstirpation wegen der erheblichen Ausbreitung des Leidens unausführbar ist, zur Anwendung.
Die neuere
Chirurgie neigt sich übrigens mehr
der abwartenden
Richtung zu und sucht noch in Fällen
Heilung zu erreichen, in denen die ältere Schule sicher zur Amputation
des
Gliedes
geschritten wäre. Dies gilt namentlich bei ausgebreiteten Geschwürsflächen und bei manchen
Gelenkkrankheiten.
(S.
Resektion.) Die
Instrumente, die zur Amputation
gebraucht werden, sind hauptsächlich das
Messer,
[* 4] die Säge,
[* 5] Arterienpincetten und
die Schere.
[* 6] Zur
Ablösung der Finger und Zehen bediente man sich früher auch des
Meißels, welche
Operation dann Daktylosmileusis
genannt wurde.
Die Amputation
selbst geschieht auf folgende
Weise: nachdem Vorkehrungen getroffen sind, um die
Blutung zu verhindern,
durchschneidet man die
Haut
[* 7] und die
Muskeln,
[* 8] drängt dieselben nach oben zurück und durchsägt dann, höher oben, den
Knochen.
[* 9] Die Schnittführung durch die Weichteile ist sehr verschieden und richtet sich vor allem nach dem Vorhandensein und nach
dem Bedarf von
Haut, um den Knochenstumpf zu bedecken. Zuletzt werden die
Blutgefäße aufgesucht und unterbunden
und die
Haut und
Muskeln über dem
Knochen zusammengezogen und durch Nähte befestigt. (S. Naht.)
Seit den frühesten
Zeiten wendete man der Blutstillung bei der Amputation
besondere
Aufmerksamkeit zu. Im Mittelalter applizierte
man das
Glüheisen auf die blutenden
Stellen und tauchte nach der den
Stumpf in siedendes Öl oder
Pech.
Der
Brandschorf bewirkte dann den Verschluß der
Gefäße. (S.
Blutstillende Mittel.) Erst im 15. Jahrh. wurde durch Ambroise
Paré die seitdem übliche
Unterbindung (s. d.) der
Arterien eingeführt. Aber in allen Fällen ging dem
Kranken doch eine
erhebliche Menge
Blutes verloren.
Auch die in neuerer Zeit mitunter geübte Anwendung des
Ecraseurs (s. d.) oder der
Galvanokaustik (s. d.) zur Amputation
schützte
nicht ganz vor
Blutung. Vor stärkern
Blutungen hatte man sich jedoch schon seit dem 17. Jahrh. durch Anlegung des
Tourniquets
(s. d.) gesichert. Später bediente man sich auch oft der
Finger zur
Kompression der zuführenden
Arterie.
[* 10] Noch mehr aber leistet das neuerdings von Esmarch angegebene
Verfahren (künstliche
Blutleere), durch welches auch das in dem wegzunehmenden
Teile befindliche
Blut dem Körper erhalten bleibt.
Man umwickelt hierbei das zu amputierende
Glied
[* 11] von der Peripherie her nach aufwärts bis über die
Stelle,
an welcher die Abtragung geschehen soll, mit einer elastischen
Binde aus übersponnenem
Gummi, legt sodann am obern Ende der
Binde um die Extremität einen stärkern Gummischlauch, welcher während der ganzen
Operation straff zugezogen erhalten bleibt.
Hierauf wird die
Binde entfernt. Das
Glied ist bis zum Gummischlauch fast blutleer; bei der Amputation
fließt
nicht mehr
Blut, als bei der
Leiche abfließen würde. Nachdem die
Operation vollendet und alle irgend auffindbaren
Gefäße
unterbunden sind, wird der Gummischlauch abgenommen und noch kurze Zeit unter
Erhebung des
Stumpfes die zuführende Hauptarterie
mit dem Finger komprimiert.
Man spricht, wenn es sich um verletzte
Teile handelt, namentlich in der Kriegsheilkunde von primärer
und sekundärer Amputation
, insofern als man sich je nach der Art der Verletzung oder dem allgemeinen Zustande des
Verletzten genötigt sieht, früh oder erst
¶
mehr
in später Zeit zur Operation zu schreiten. Die Gefahren der Amputation
bestehen in der Nachblutung, welche infolge des Wiederaufbruchs
der durchgeschnittenen Pulsadern auftreten kann, im Starrkrampf, welcher in seltenen Fällen infolge der unvermeidlichen Durchschneidung
der Nerven
[* 13] entsteht, in erschöpfenden Eiterungen der Schnittwunde und endlich in der Möglichkeit der Entstehung einer
Septichämie oder Pyämie, Vergiftung des Blutes durch Jauche oder Eiter. -
Vgl. Esmarch, Handbuch der kriegschirurg.
Technik
(Hannov. 1877); Oberst, Die Amputation
unter dem Einflüsse der antiseptischen Behandlung
(Halle
[* 14] 1882).