eine Frauensperson, welche, selbst
Mutter, sich verdingt,
um an ihrer
Brust ein fremdes
Kind zu ernähren. Die Amme ist
für alle
Fälle, in denen die eigne
Mutter aus dringenden
Gründen verhindert ist, das Nährgeschäft zu
besorgen, der beste
Ersatz für das Neugeborne. Sie tritt zu demselben in ein eigenartiges inniges
Verhältnis, das sich zu
allen
Zeiten in einer besondern
Pietät des herangewachsenen Pfleglings gegen die alte Amme bekundet und der Amme stets gewisse
Ehrenrechte eingeräumt hat.
Wenn auch nicht in dem
Grad, wie man wohl angenommen hat,
Eigenschaften des
Charakters von der Amme auf den
Säugling übergehen,
so ist doch erwiesen, daß körperliche
Krankheiten leicht durch die Ammeübertragen werden können. Die erste Aufgabe bei der
Wahl einer Amme fällt also dem
Arzt zu, welcher feststellen muß, daß die Amme durchaus
frei von konstitutionellen
Leiden,
[* 2] von
Epilepsie,
Anlage zur
Schwindsucht sei, daß sie nicht dem Alkoholgenuß oder geschlechtlichen
Ausschweifungen ergeben
sei.
Erst in zweiter
Reihe steht die
Frage nach der
Beschaffenheit ihrer
Brüste und Brustwarzen und nach der
Menge von
Milch, welche
sie hervorbringt. Am besten ist es, wenn die Amme jung, kräftig und gesund, von mildem
Charakter, liebevoll
gegen ihren Pflegling ist, wenn ihre
Milch leicht abfließt, und wenn ihr eignes
Kind etwa in gleichem
Alter mit dem angenommenen
fremden
Säugling steht. Bei eintretendem Monatsfluß oder
Schwangerschaft thut man gut, die Amme zu wechseln
oder das
Kind zu entwöhnen (vgl.
Stillen der Kinder). In größern
Städten hat man Ammenbüreaus angelegt, durch welche das
Auffinden tauglicher Ammen erleichtert werden sollte, die aber nicht immer die nötige Sicherheit gewähren.
Auch hat man den
Versuch gemacht, zwischen der künstlichen
Ernährung oder
Auffütterung und der Stillung der
Kinder durch Ammen einen Mittelweg einzuschlagen, indem man junge verheiratete
Frauen, sogen. Stillfrauen, zum Behuf zwei-
oder dreimaligen
Stillens am
Tag mietete. Natürlich muß solchen
Kindern zwischen dem jedesmaligen Darreichen der
Brust, wozu
die Stillfrauen ins
Haus kommen, die Milchflasche etc. gereicht werden, und auf gleiche
Weise hat die Stillfrau
auch die
Ernährung des eignen
Kindes zu regulieren. Jedenfalls empfiehlt sich dies Auskunftsmittel durch geringere Kostspieligkeit.
Vgl.
Ammon,
[* 3] Die ersten Mutterpflichten (26. Aufl., Leipz. 1884).
§. 1. Bedeutet nicht eine Wehmutter,
(2 Mos. 1, 15.). sondern eine solche Weibsperson, welche anderer
Weiber Kinder säugt, hebt, legt, trägt und pflegt.
4 Mos. 11, 12.
§. 2. Gleichwie dergleichen Wärterinnen mit ihren anvertrauten Kindern mütterlich (liebreich)
umzugehen pflegen, so führt und versorgt GOtt auch die Seinen,
Esa. 46, 4.
c. 49, 15. und alle rechtschaffenen Lehrer sollen,
gegen ihre Zuhörer, wie Paulus gegen seine Thessalonicher, willig, liebreich, wie eine Amme, sein,
1 Thess. 2, 7.
eine weibliche Person, welche ein fremdes Kind säugt (stillt). Es ist Pflicht jeder Mutter, ihr Kind selbst zu
stillen, und nur wirkliche Krankheit oder absolutes Unvermögen der Mutter rechtfertigt das Annehmen einer
Amme, das allerdings der künstlichen Auffütterung bei weitem vorzuziehen ist. Die Wahl der Amme erheischt die größte Vorsicht
und eine gründliche ärztliche Untersuchung, die sich auf den Gesundheitszustand im allgemeinen, auf die Entwicklung der
Brustdrüse nebst Warze im besondern sowie auf Menge und Beschaffenheit der Milch zu erstrecken hat.
Diese Maßregel ist deshalb dringend zu empfehlen, weil die Amme einen Unkundigen leicht über ihre Fähigkeiten täuschen,
andererseits mit Krankheiten (Skrofulose, Tuberkulose, Syphilis) behaftet sein kann, die für das Kind in hohem Grade gefährlich
sind. Zu dieser Untersuchung sollte die Amme, wenn irgend möglich, ihr eigenes Kind mitbringen, weil der
Arzt aus dessen körperlicher Beschaffenheit wichtige Schlüsse auf die Fähigkeit der Amme ziehen kann. Man wählt gern eine
Amme, deren Entbindungstag der Geburt des ihr anzuvertrauenden Kindes um einige Wochen vorangeht; doch darf der Unterschied nicht
zu groß sein, da die Milch sich im Laufe der Stillungsperiode dem gesteigerten Nährbedürfnisse des
Kindes entsprechend ändert und so ihrem Nährwerte nach entweder nicht genügt oder zu gehaltreich und daher unverdaulich
sein kann.
Nächst der Gesundheit verdient der Charakter der Amme ganz besondere Berücksichtigung. Eine leichtsinnige, böswillige,
unordentliche Amme kann dem Säugling einerseits den größten materiellen Schaden bringen, andererseits
aber auch, besonders in den spätern Monaten, seine innere Entwicklung durch Angewöhnung von Unarten schädigen. Dagegen ist
die Meinung, daß der Säugling mit der Milch zugleich den Charakter der in sich aufnehme, durchaus unbegründet. Da eine
Amme, die schon früher einmal geboren hat, sich auf das Stillungsgeschäft und auf die Kindespflege
besser versteht als eine solche, die zum erstenmal Mutter geworden, so wählt man lieber erstere als letztere.
Eine Amme unter 20 und eine solche über 35 Jahre sind nicht zu empfehlen, erstere wegen ihrer
Unerfahrenheit, letztere
wegen der meist mangelhaften Beschaffenheit der Milch; bei eintretendem Monatsfluß ist es rätlich, die
Amme zu wechseln oder das Kind zu entwöhnen. Den Amme, vorzüglich den an derbe Kost und thätiges Leben gewöhnten Landammen,
welche man ihrer kräftigern Gesundheit wegen den Städterinnen mit Recht vorzieht, kann leicht eine schroffe Veränderung
der Lebensweise schädlich werden.
Dazu kommt noch, besonders wenn sie nicht rücksichtsvoll behandelt werden, leicht eine Gemütsverstimmung
infolge von Heimweh, Sorge um das eigene Kindu. dgl. Man gewöhne also die Amme langsam an die veränderte Kost
und wähle für sie einfache, aber kräftige Speisen. Man weise ihr hinreichende, aber nicht schwere Beschäftigung zu und
lasse sie auch bei rauhem Wetter
[* 5] die frische Luft genießen. Man nehme ferner Anteil an ihren persönlichen
Verhältnissen und behandle sie zwar streng, aber doch in milder Form. (Weiteres s. Säugling.)